Laos | Tausend Hügel

Statistik

März 2024

8 Tage im Sattel

507 Kilometer

8’160 Höhenmeter

44° C Höchsttemperatur

Route Wägiletour Teil 7

ROUTE Wägiletour Teil 7 auf KOMOOT

Inhalt

Über den Mekong — erschwerte Einreise

Auf dem Mekong — Abbruch einer Flussfahrt

Laos — das Lächeln ist weg

Luang Prabang — die Chinesen sind da!

Im Norden — fröhliche Menschen und eine weitere Flussfahrt

eVisa — bereit für Vietnam

Über den Mekong — erschwerte Einreise

Die vierte Thailändisch-Laotische Freundschaftsbrücke über den Mekong, welche die beiden Länder unweit des Goldenen Dreiecks verbindet, darf nicht mit Fahrrädern überquert werden. Wahrscheinlich soll diese Brücke von internationalem Format nicht zur Fahrradbrücke verkommen. Zu unserer eigenen Sicherheit mussten unsere Räder samt Anhänger für die knapp 2 km zwischen den Grenzposten in den Bus verladen werden. Ähnlich war es uns schon bei der Einreise aus der Mongolei nach Russland ergangen, als wir die Räder für nur gerade 100 m auf Lastwagen verladen mussten. Im Gegensatz dazu durften wir uns 2008 unseren Weg durch das verminte Niemandsland zwischen Marokko und Mauretanien im eigenen Fahrzeug ohne Begleitung selbst suchen. Da lobt man sich die fürsorglich beschützende Haltung der thailändischen Grenzbehörden.

Die laotische Immigration war dann gleich wesentlich weniger organisiert und das Personal ging der Arbeit mit einer sicherlich gesunden Entspannung nach. Man hiess uns willkommen, verkaufte uns 3 Visa und dann hiess es: Sabaidii Laos! 

Auf dem Mekong — Abbruch einer Flussfahrt

Vom Grenzort Huayxay lässt sich die ehemalige Königs- und Hauptstadt Luang Prabang entweder über Land oder aber in zwei Tagen Schifffahrt auf dem Mekong erreichen. Nayeli wollte gerne mit dem Schiff reisen und unsere müden Knochen stimmten zu.

Also wurden Räder und Anhänger am nächsten Morgen auf dem Dach des ‘Slowboats’ festgezurrt. Gemeimsam mit etwa hundert anderen ‘Falang’ (solchen Fremdlingen wie wir) und einigen Lao tuckerten wir am nächsten Tag den Mekong hinunter.  Schon bald war klar, dass wir den zweiten Tag auf dem Fluss nicht mit dabei sein würden. Nach sieben Stunden Flussfahrt und einer Nacht im kleinem Ort Pakbeng auf halber Strecke, nahmen wir dem zweiten Teil der Strecke selbst in Angriff. Diesen Entscheid bezahlten wir mit vier Radtagen 298 km, 5160 Höhenmeter  Anstieg und viel, viel Schweiss. Doch war es dies allemal wert, trotz Hitze und endlosen steilen Hügeln.

Laos — das Lächeln ist weg

Bis Luang Prabang fuhren wir durch grösstenteils dünn besiedelte, arme und von verschiedenen Bergvölkern bewohnte Gebiete. Obwohl dies unser dritter bzw. vierter Aufenthalt in Laos war, überraschte uns der krasse Unterschied zum wirtschaftlich wesentlich fortgeschritteneren Nachbarn Thailand wieder.

Zudem war das freundliche Strahlen, das Gelächter und die Freude, welche wir in Thailand so geschätzt hatten, weg. Kinder winkten manchmal scheu, die Erwachsenen aber senkten ihre Blicke und unser Grüssen blieb oft unbeantwortet. Dafür wurde auf uns gezeigt und die ‘Falang’-Rufe eilten uns oft voraus. Nayeli litt besonders darunter, dass die Leute in den Dörfern sie, ihre weisse Haut, die blonden Haare und die schmale Nase berühren wollten und dabei nicht immer zimperlich waren. Dies führte dazu, dass wir uns Anfangs oft nicht sonderlich willkommen fühlten.

Luang Prabang — die Chinesen sind da!

In Luang Prabang wiederum war man sich Touristen zwar gewohnt, doch willkommen war dort besonders unser Geld.

Doch die Stadt, welche wir als ruhig, idyllisch und wunderschön in Erinnerung hatten (wir waren 2004 und 2012 schon da) war zwar noch schön. Mit der Ruhe und Idylle war es aber vorbei!

Denn China eröffnete 2021 die, im Rahmen der ‘Belt and Road Initiative’ gebaute, ‘Laos-China-Railway’, eine Hochgeschwindigkeitsstrecke von Kunming nach Vientiane, der Hauptstadt der ‘Demokratischen Volksrepublik Laos’. Dadurch wurde das ehemals verschlafene Luang Prabang mit chinesischen Touristen in grossen Gruppen geflutet, was die Stadt bereits jetzt nachhaltig zu verändern schien.

Im Norden — fröhliche Menschen und eine weitere Flussfahrt

Nach fast einer Woche in Luang Prabang radelten wir, mit neuen Ketten an den Rädern,  nordwärts in Richtung der vietnamesischen Grenze. Und siehe da, kaum aus der Stadt wurden unsere Lächeln wieder erwidert und die Menschen waren freundlich, beinahe herzlich! Diese war Honig für unsere Reise-Seelen und Laos machte plötzlich wieder Spass!

Nach einer weiteren Flussfahrt, diesmal auf dem Nam Ou von Nong Khiaw nach Muang Khua, war die vietnamesische Grenze nicht mehr weit.

eVisa — bereit für Vietnam

In der Zwischenzeit waren unsere eVisa-Anträge jedoch zurückgewiesen worden. Sie mussten von uns überarbeitet und neu eingereicht werden. Dies bescherte uns in der Folge fünf Wartetage, wovon wir vier im lebendigen Muang Khua (60 km vor der  Grenze) und einen weiteren in Muang Mai (noch 30 km vor der Grenze) verbrachten.

Schliesslich trudelten die eVisa nach und nach digital ein und mussten bloss noch ausgedruckt werden. Dann waren wir bereit für Vietnam und konnten die letzen 1000 Höhenmeter zum Grenzübergang in Angriff nehmen.

Griechenland | Auf Kreta

Statistik

Dezember 2023

19 Tage im Sattel

722 Kilometer

13’070 Höhenmeter

Route Wägiletour Teil 5

ROUTE ‚Wägiletour Teil 5 auf KOMOOT

Inhalt

Auf Kreta — ein würdiger Empfang

Berge und OlivenKreta in der Olivenernte

Wintercamping — Kapellen, Strände, leere Campingplätze

Rad ab! — Anhänger über der Belastungsgrenze

Sicherheitsbedenken — Zweifel & Ungewissheit

Next Stop: Bangkok

Auf Kreta — ein würdiger Empfang

Nach einer Nacht in der Bar der Fähre «F/B El. Venizelos» (schlafend, versteht sich) liefen wir kurz nach Sonnenaufgang im Hafen von Souda bei Chania ein. Kreta empfing uns von seiner schönsten Seite, warm, sonnig und freundlich. Beim Frühstück mit Gebäck und Kaffee gerieten wir im Park vor einer Kirche in Chanias Altstadt auch gleich in eine Militärparade zu Ehren von Ekaterini Sakellaropoulou, der Präsidentin Griechenlands. Diese konnte ihre Freude über unsere Anwesenheit jedoch gut überspielen und verzog keine Miene.

Mehr Freude zeigten die Einheimischen. Überall wurden wir freundlich und neugierig empfangen. Autos hupten, Bauern winkten bei der Olivenernte und wir waren stehts willkommen — und auch hier verliess Nayeli kein Geschäft, ohne etwas Süsses abgesahnt zu haben.

Berge und Oliven — Kreta in der Olivenernte

Kreta war oft steil und selten flach. Um uns bei Laune zu halten lauerte zudem hinter jeder Kurve der nächste Anstieg und auch die wohlverdienten Abfahrten waren mit saftigen Anstiegen gespickt. Wer Berge wollte, hat hier Berge bekommen.

Direkt hinter Chania ging es in die Höhe und hinein in die wilde Landschaft aus Hügeln, Bergen und Olivenbäumen. Wir waren pünktlich zur Olivenernte gekommen, konnten bereits am zweiten Abend in einem Olivenhain campieren und gleich beim Sieben der Oliven und Blätter helfen.

Nach dem Start in Chania, im Norden Kretas, durchquerten wir die Insel von Norden nach Süden. Auf der Suche nach Wärme, Sonne und schönen Routen folgten wir fortan Kretas Südküste ostwärts und waren dabei ob der Vielfalt und wilden Schönheit der Insel immer wieder überwältigt. Mal wähnten wir uns im Oman, komplett mit roten Böden und kargen Hügeln, kurz darauf befuhren wir eine Schotterpiste in den Anden.

Wintercamping — Kapellen, Strände, Campingplätze

Obwohl die meisten Campingplätze auf Kreta im Winter geschlossen waren, mussten wir uns nie sorgen, wo wir abends schlafen würden. Am liebsten waren uns Kapellen. Diese fanden sich überall, waren meist etwas erhöht — Aussicht und Morgensonne (=Wärme)! — auf Hügeln oder oberhalb von Dörfern und daneben liess sich oft bestens unser Zelt aufschlagen.

Aber auch leere Strände und schöne Buchten luden zum campieren ein. Letztere oft komplett mit Duschen, was uns immer wieder den Weg zurück in die Zivilisation eröffnete. Da die Temperaturen auf Meereshöhe oft kühl, meist aber deutlich wärmer als in den Bergen waren, versuchten wir die Nächte möglichst „tief“ zu verbringen.

Rad ab! — Anhänger über der Belastungsgrenze

Bloss wurde die Euphorie schon bald getrübt. Nayelis «Wägile», bekamen die Pisten — und wohl auch alle jene der letzten Monate — nicht gut. Auf einer relativ abgelegenen Wellblechpiste kam der Anhänger schliesslich an seine Grenzen. Mitten in einer steilen Abfahrt brach plötzlich die Steckachse des rechten Rades und das Rad knickte bei voller Fahrt ab und kam unter dem Anhänger zu liegen, welcher nun mitgeschleift wurde. Glücklicherweise gelang es Robin, Rad und Anhänger unfallfrei zum Stillstand zu bringen! Nach den ersten Schrecksekunden und einer Bestandsaufnahme sahen wir uns erst unsere Räder und das angeschlagene Wägile stundenlang die abgelegene Schotterstrasse hochschieben und später im Flieger nach Hause sitzen.

Beides kam aber nicht so. Bereits nach wenigen Minuten kam ein freundlicher griechischer Bauer mit seinem Pick-Up unseres Weges. Schnell waren Räder und Anhänger aufgeladen. Und wieder staunten wir über die griechische Gastfreundschaft. Der gute Mann setzte uns nicht etwa im nächsten Dorf mitten in den Bergen ab. Nein, er fuhr uns gleich in die gut 20 Km entfernt gelegene Kleinstadt Mires und setzte uns direkt vor einem Fahrradladen ab.

Auch hier waren wir in guten Händen! Während uns seine Frau stolz versicherte, dass ihr Mann sehr clever wäre und eine Lösung finden würde, machte dieser genau das. Und so war unser Wägile eine Stunde später auf kreative aber solide Art repariert und wieder fahrtüchtig! Unglaublich, die Griechen.

Sicherheitsbedenken — Zweifel & Ungewissheit

Wir waren nochmals mit dem Schrecken davongekommen, doch sass dieser tief. Um in Punkto Sicherheit nochmals über die Bücher zu gehen fuhren wir zurück nach Agia Gallini, einem kleinen Fischerdorf an der Südküste. Dort quartierten wir uns auf dem leeren Campingplatz ein und während Nayeli sich dort mit einem zurückgelassenen Roller vergnügte, nahmen wir den Anhänger nochmals genau unter die Lupe — mit erschreckendem Ergebnis. Unter anderem waren zwei gut versteckte Bolzen gebrochen. Zwei weitere hatten sich tief in die Rohre des Alurahmens gefressen. Dadurch hatten sie immer mehr Spiel bekommen und ein Bruch des Rahmens war nur eine Frage der Zeit.

Wir mussten uns eingestehen, dass a) beinahe vier Jahre Dauerbetrieb (im Sommer auf Rädern, im Winter auf Ski) nun ihren Zoll forderten und b), dass Thule diese Anhänger vielleicht doch nicht für den Einsatz auf solch groben Pfaden und Pisten konstruiert hatte.

Nach einigen ersetzten Bolzen war der Anhänger wieder fahrtüchtig. Wie lange noch, dies doch wollten wir nicht zwingend herausfinden. Von nun an blieben wir (meist) auf geteerten Strassen, hörten aber jedes Knacken im Gebälk. Unsere Gedanken drehten sich weiterhin Tag und Nacht um den Anhänger und die Fortsetzung der Reise.

Längerfristig musste ein neuer Anhänger her! Nach einigem Hin und Her entschlossen wir uns, auf ein anderes Anhängermodell, den gefederten «Singletrailer II» der Freiburger Firma „Tout Terrain“, umzusteigen. Im Gegensatz zu den Anhängern von Thule wird dessen Deichsel aber an der Sattelstange befestigt, wodurch Robin seine geliebte Satteltasche nicht mehr verwenden kann und auf zwei «Micro Panniers» (Seitentaschen) umsteigen muss.

Und dann war da aber noch die Logistik. Um alles einzufädeln und zu planen nisteten wir uns kurz vor Weihnachten auf einem weiteren Campingplatz, diesmal bei bei Ierapetra im Südosten, ein. Dort feierten wir dann gleich auch Weihnachten unterm Olivenbaum.

Next Stop: Bangkok

Mit dem Winter vor der Türe und der ungemütlichen Situation im nahen Osten im Hinterkopf durchforsteten wir unsere Optionen für die Weiterreise. Schliesslich fiel unsere Wahl auf Südostasien. Thailand, bereits beim Gedanken an goldene Buddhas, wohlige Wärme und duftende Spiesschen am Strassenrand gerieten wir ins Träumen. Die Aussicht darauf, von dort weiter durch Myanmar, Laos, Vietnam und China zu reisen besiegelte unseren Entschluss. Zwar hatten wir jedes dieser Länder schon mindestens einmal besucht, jedoch nie in den Sätteln unserer Räder.

Schnell waren Flüge gebucht und der Plan gefasst: Robins Mama würde uns den neuen Anhänger direkt nach Bangkok liefern. Eine Win-win-Situation in jeder Hinsicht. Nachdem dieser Entschluss gefasst war, konnten wir Kreta mit all seiner wilden Schönheit wieder in vollen Zügen, wenn auch mit leicht angezogener „Handbremse“, geniessen!

Entgegen unseren ursprünglichen Plänen, von Kreta via Rhodos in die Türkei zu fahren, bestiegen wir am Abend des 2. Januar 2024 die Fähre von Heraklion auf Kreta zurück nach Athen. Von dort flogen wir am 5. Januar mit einem Lächeln im Gesicht ins Land des Lächelns.

Yassu Kreta, efcharistó!

Griechenland | Berge, Klöster und Kaffee

  • November 2023
  • 24 Tage im Sattel
  • 1’142 Kilometer
  • 13’570 Höhenmeter

Route Wägiletour Teil 4

ROUTE ‚Wägiletour Teil 4 auf KOMOOT

Inhalt

Wohin des Weges — neue Wege müssen her

Kaffeeland Griechenland — wichtig, lecker, überall

Der Herbst ist da — die Tage werden kürzer

Camping auf griechisch — mittendrin statt gut versteckt

Yassas! — Gastfreundschaft par Excellence

Hundeland Griechenland — der Stein der Weisen

Alle Wege führen nach Athen — und per Fähre nach Kreta

Wohin des Weges

Des Konfliktes in Israel wegen beschlossen wir in Thessaloniki, unsere Route zu ‘re-routen’ und anstatt wie geplant ostwärts in die Türkei zu fahren, erst einmal durch Griechenland und dessen Berge zu mäandern.


Das Pindosgebirge klang mit seinen endlosen, von Strassen und Pisten durchzogenen und mit Höhenmetern gespickten Wäldern nicht nur für Bären, sondern auch für uns verlockend. Die Klöster von Meteora lockten die Touristen in uns an und die Peloponnes lockte mit der Hoffnung auf wärmere Temperaturen.

Kaffeeland Griechenland

Zwei Tage in Thessaloniki reichten für uns Griechenland-Anfänger aus, um etwas grundlegendes zu verstehen: Kaffee ist in Griechenland wichtig, überall zu haben und immer dabei. Ob Espresso, Cappuccino oder ‘Freddo’, in Cafés oder Tavernen, am Tisch, ‘to go’ oder vom Kiosk an der Ecke: Er wird stets mit Stolz, Sorgfalt, Hingabe und bester Gerätschaft zubereitet. Das Resultat enttäuschte selten, der Wohlfühlfaktor war garantiert.

Der Herbst ist da

Trotz des allgegenwärtigen Kaffees waren die Tage mittlerweile kürzer geworden. Denn mit Griechenland waren wir unbemerkt in eine andere Zeitzone gefahren, zudem hatte sich die Winterzeit eingeschlichen und so war es plötzlich bereits vor 18 Uhr dunkel! Nicht eben ideal, wenn man noch bei Tageslicht einen gut versteckten Schlafpatz finden, das Zelt aufstellen, Matten aufblasen, kochen, essen, abwaschen und mit den letzten Sonnenstrahlen in den Schlafsäcken liegen sollte. So mussten wir nun bereits vor 16 Uhr nach einem Camp Spot Ausschau halten und spätestens eine halbe Stunde später einen gefunden haben. Uns lief die Zeit davon.

Camping auf griechisch

Hier kam die entspannte und meist lockere Art der Griechen, gepaart mit einer riesigen Portion Gastfreundschaft, ins Spiel! Anstatt uns also in die Büsche schlagen zu müssen, fragten wir gegen Abend in Dörfern nach. Wir campierten von nun an unter Pavillons oder zwischen Schaukeln auf Dorf- und Spielplätzen, vor Kirchen oder Kapellen, bei Friedhöfen, in Jagdhütten, Olivenhainen, Gärten von Cafés oder Restaurants oder direkt am Strand. «Urban Camping», wie wir es bisher nur in Südkorea erlebt hatten.

Gastfreundschaft par Excellence

«Yassas!» rief man uns überall freundlich zu. Nie wurden wir weggewiesen, ganz im Gegenteil. Regelmässig drückte man uns unverhofft Speisen in die Hände: Von frischem Käse, Oliven, selbstgebackenem Brot über Eier bis hin zu Kuchen oder Keksen. Und je kälter die Nächte wurden, auf der Peloponnes waren einige Nächte um die Nullgradgrenze dabei, umso mehr kümmerte man sich rührend um uns.

Hundeland Griechenland

Weniger rührend kümmerten sich die Hunde um uns. Wachhunde in allen Grössen kläfften uns entgegen, warfen sich gegen Tore und Zäune oder gerieten in Rage. Kamen sie raus, so durften sie sich bei uns einen (indirekt geschossenen) Stein abholen — falls sie sich nicht vorher Gesprächsbereit zeigten. 
Hirtenhunde arbeiteten in Rudeln, waren schon draussen und nahmen ihre Arbeit zum Schutz der Schafe oder Ziegen ernst. Hier durfte der lauteste den (direkten) Stein abholen, dies möglichst bevor man vom ganzen Rudel eingekreist war.
Wilde Hunde hingehen waren nur beängstigend, wenn sie nachts unter lautem Gekläffe ein schnaubendes Tier durch den Wald und direkt an unserem Zelt vorbei jagten.

Alle Wege führen nach Athen

Die Temperaturen auf der Peloponnes entwickelten sich nicht ganz wie geplant. Ebenso unsere Route. Darum endete für uns das griechische Festland in Athen. Von dort, genauer von Piräus, setzten wir in den letzten Novemberstunden mit der Fähre nach Kreta über.

Albanien, Kosovo, Nordmazedonien | Von Meer zu Meer

  • Oktober 2023
  • 12 Tage (11 im Sattel)
  • 602 Kilometer
  • 6’620 Höhenmeter

Route Wägiletour Teil 3

ROUTE ‚Wägiletour, Teil 3 auf Komoot

Inhalt

Montenegro — gestrandet in Bar

Albanien — gekommen um zu bleiben

Kosovo — Albanien, aber anders

Nordmazedonien — der Herbst ist da

Griechenland — zurück in der EU

Gestrandet in Bar

Mit einem Nachmittag im Krankenhaus und einer Infusion für Nayeli (Kostenpunkt 35 €) war es leider noch nicht getan. Kaum zurück aus dem Spital erkrankte auch Daina. Robin tat es ihr in der Nacht gleich. Und so verbrachten wir insgesamt 10 Tage in Bar, während denen wir uns mit Spaziergängen, Einkäufen sowie Krankheitszuständen und -Symptomen abwechselten. Montenegro wollte uns einfach nicht gehen lassen.

Albanien

Am 10. Oktober fühlten wir uns schliesslich fit genug, die verbleibenden 35 km zur albanischen Grenze in Angriff zu nehmen. Am Grenzübergang angekommen händigten wir dem Zöllner die Pässe aus und erhielten diese kurz darauf von einem anderen Zöllner zurück. Dass wir damit nicht nur Montenegro verlassen, sondern auch gleich Albanien betreten hatten, merkten wir erst, als wir wieder auf unseren Rädern sassen. Denn anstatt, wie zwischen den Grenzposten üblich, von leerem Niemandsland, wurden wir von einem albanischen Café-Besitzer begrüsst: «Welcome to Albania, very cheap, 2 Coffee 1 Euro!»

Zehn Kilometer weiter, in der lebendig wuselnden Stadt Shkoder, gönnten wir uns erschöpft ein Zimmer und erkundeten die Stadt. Diese erinnerte uns mehr an Aserbeidschan und den Kaukasus als ihre balkanesischen Nachbarländer. Wir waren begeistert.

Unsere Zeit in Albanien war jedoch zu kurz. Wir waren noch nicht kräftig genug, um die vielen tausend staubigen Höhenmeter, welche wir uns in Albanien erhofft hatten, in Angriff nehmen zu können. Deshalb standen wir nach nur vier Tagen bereits an der Grenze zum Kosovo.

Dazwischen lagen Strassen in allen erdenklichen Zuständen, eine Fährüberfahrt über den fjordähnlichen Koman-Stausee (albanisch: Liqeni i Komanit) und Unmengen geschenkter Süssigkeiten. Diese erhielt Nayeli bei jedem Einkauf von den Ladenbesitzern in die Hand gedrückt. Nayeli freute sich! Unsere Begeisterung für diese lieben Gesten hielt sich jedoch sehr in Grenzen. Wir sahen jeweils bereits die dunklen Wolken des unvermeidlich folgenden Zuckerschubs am Horizont aufsteigen.

An der Grenze zum Kosovo bei Bajram Curri wurden wir von kosovarischen Grenzbeamten enthusiastisch begrüsst und eingestempelt. Den albanischen Zoll hingegen interessiert es nicht, wer ausreist. Keine Kontrolle, kein Ausreisestempel. Offiziell sind wir wohl immer noch dort und das bleibt auch so!

Kosovo

Der Kosovo empfing uns mit den letzten Sonnenstrahlen des Tages und wir fanden, kurz bevor es ganz dunkel wurde, unseren ersten Nachtplatz im Kosovo: Wir durften unser Zelt hinter einer Tankstelle aufschlagen, mit den Vorzügen einer Bäckerei auf der anderen Strassenseite. Nayeli liebte beides! Die Bäckereien im Kosovo hatten meist eine hervorragende Auswahl und, wie meist in (grösstenteils) muslimischen Ländern der Fall, einen hohen Anteil an süssem Gebäck. Letzteres ein gutes Argument, das Land mit dem Rad zu bereisen.

Auch im Kosovo waren die Menschen ausgesprochen freundlich und hilfsbereit. Autofahrer erkundigten sich, ob wir Hilfe brauchen. Passanten machten Umwege um uns ihre Hilfe anzubieten und generell spürten wir, dass die Menschen den Besuchern ihr Land von seiner besten Seite präsentieren wollten. Trotzdem war der weiterhin schwelende Konflikt zwischen der Albanisch stämmigen Mehrheit und der serbischen Minderheit in gewissen Teilen nicht zu übersehen. Wir wurden vor serbischen Dörfern gewarnt oder auf Ortstafeln war entweder der albanische oder der serbische Name übersprayt. Trotzdem fühlten wir uns sicher und sehr, sehr willkommen. Einzig das Verkehrsverhalten war, im Einklang mit den Nachbarn im Norden, Westen und Süden, oft grenzwertig. Ein gutes Argument, das Land mit dem Rad nur auf Nebenstrassen zu bereisen.

Nordmazedonien

Nordmazedonien begann, wie der Kosovo aufhörte: Als hüglige, mit Minaretten und kleinen Dörfern gespickte Landschaft mit freundlichen Menschen. Und doch fühlte es sich, wie so oft bei Nachbarländern, bereits direkt nach der Grenze anders an. Wobei die Unterschiede sehr fein und nur schwierig festzumachen waren.

Bereits am Abend nach unserer Einreise erreichten wir Skopje, die Hauptstadt. Und nochmals war alles anders, städtischer eben und merklich weniger albanisch geprägt als die Region an der Grenze.

Unser Tag in Skopje entpuppte sich als 100% Regentag und der Weg südwärts als wenig aufregend aber trotzdem schön. Mittagessen auf Dorfplätzen oder  Autobahnraststätten, endlose Hauptstrassen oder holprige Schotterpisten und ein geschlossener aber doch geöffneter Campingplatz am Dojran-See direkt an der Grenze zu Griechenland. Was wollte man mehr.

Griechenland

Der Wiedereinritt in die EU-Atmosphäre lief dann eher nüchtern ab. Das warme Griechenland liess noch auf sich warten. Unsere erste Nacht campierten wir auf einem verwilderten Picknickplatz zwischen zwei Hügeln nahe des kleinen Städtchens Kilkis. Die Nacht war klar und das Tal ruhig, verlassen und idyllisch. Da wirkte morgens um 3 Uhr der schrille Klang einer Auto-Alarmanlage in unmittelbarer Nähe dann doch etwas ungemütlich. Eine Woche später hörten wir den genau gleichen Lärm mitten in einem Naturschutzgebiet. Er kam von einem Vogel.

Tags darauf erreichten wir die Hafenstadt Thessaloniki und standen, 12 Tage und 600 km nach unserem mühevollen Aufbruch aus Bar in Montenegro, wieder am Meer — diesmal an der Ägäis.

Bosnien & Montenegro | Die Dinarischen Alpen

  • September 2023
  • 25 Tage
  • 1’148 Kilometer
  • 19’330 Höhenmeter

Route Wägiletour Teil 2

ROUTE ‚Wägiletour, Teil 2 auf Komoot

Inhalt

Die Küste — wir kommen nicht weg

Bosnien und Herzegowina — sichtbare Kriegsnarben

Die Dinarischen Alpen — jeder Aufstieg lohnt sich!

Montenegro — mehr Berge und geplatzte Pläne

Weg von der Küste

Versehen mit neuen Ketten, einer neuen Schlafmatte für Daina, einer, die die Luft eine Nacht lang halten kann, und weiteren ersetzten Kleinigkeiten wurde es Zeit, die Küste zu verlassen. Weg vom Strand, raus aus der Hochsaison und deren unfreundlichen Wirkung auf die Leute.

Ins Hinterland, genauer gesagt in die Berge Bosniens, wollten wir fahren. Aber kaum kamen wir in der Nähe der Berge, durchkreuzte eine gebrochene Schraube an Robins Sattelklemme unsere Pläne. So standen wir, 3 Tage, 150 Kilometer und 1800 Höhenmeter später wieder zurück auf Feld eins, an der Küste — wenn auch 70 Kilometer weiter südlich.

Der zweite Anlauf, mit neuer Schraube in der Klemme, war dann etwas erfolgreicher. Unsere Reise nahm langsam wieder Fahrt auf, wir erreichten die bosnische Grenze und man gewährte uns Einlass. Doch am Morgen beim Verlassen des Campspots — nicht den mit der grossen Schlange im Gras, sondern jener, welchen wir anschliessend etwas abseits wählten — geschah es. Robins Rad kippte sanft ins Gras. Nach anfänglichem Gelächter wurde uns jedoch klar, dass dabei die Klemmstellen des Vorbaus abgebrochen waren. Dadurch verlor der Lenker jeden Bezug zur Realität, beziehungsweise zur Gabel und damit zum Vorderrad. Kurz, das Rad liess sich nicht mehr lenken. Die Euphorie des Morgens entwich schlagartig und wir sahen uns bereits im Bus zurück nach Kroatien oder ins 250 km entfernte Sarajevo. Mit Ach und Krach schafften wir es einige Kilometer zurück ins nahegelegene Tomislavgrad, wo der eine Fahrradladen ein passendes Teil auf Lager hatte. Der Tag war gerettet!

Bosnien und Herzegowina

Täglich passierten wir unzählige Kriegsruinen, verlassene Häuser oder was davon noch übrig und oft überwuchert war.
In Bosnien waren die Spuren des Krieges, obwohl über 20 Jahr alt, noch allgegenwärtig und sichtbar. Dies hatte sich bereits jenseits der Grenze, an einigen Orten in Kroatien abgezeichnet. Nur allzu oft waren Fassaden sonst intakter Häuser mit Einschusslöchern oder – Kratern übersäht. Doch der Freundlichkeit der Menschen tat dies, ganz im Gegensatz zur Touristen-gefluteten Küste Kroatiens in der Hochsaison, keinen Abbruch. Freundlich gewährte man uns nachts Plätze für unser Zelt, ob hinterm Bauernhof, auf einem nahen Feld oder direkt vor dem Postamt.

Die Dinarischen Berge

Nun waren wir mitten in den dinarischen Bergen und suchten Wege und Strassen, diese zu erkunden, zu durchqueren. All dies am liebsten ungeteert und ohne Verkehr. Zugegebenermassen hohe Ansprüche, welche sich nur durch das Erklimmen vieler tausend Höhenmeter und das Durchbangen einiger Sturmnächte im Zelt erkaufen liessen. Doch es war jeden Tropfen Schweiss wert — unsere Vorstellung von Freiheit eben.

So endete Bosnien und Herzegowina und Montenegro begrüsste uns hinter einer kurzen Holzbrücke. Plötzlich waren die Kriegsspuren verschwunden, aber die Berge blieben und, je weiter wir hoch kamen und uns von den touristischen Zentren entfernten, umso herzlicher waren die Menschen auch hier. Ein Grund mehr, den oft schwierigeren Weg zu wählen.

Montenegro

Die nächste Etappe hätte uns über die grüne Grenze in den Kosovo geführt. Die nötigen Permits waren eingeholt und die Routen geplant. Ein Treffen mit Dainas Eltern (wir mit den Rädern, sie auf dem Motorrad) war im Kosovo vereinbart, als sich die Situation an der serbischen Grenze plötzlich rapide zuspitzte. Also planten wir um und fuhren, wer hätte das gedacht, in einer grossen Schleife durch die Berge. Dass wir dabei stundenlang schieben mussten, tat der guten Laune keinen Abbruch und die Nacht an einem abgelegenen Bergsee war umso schöner. Und so waren wir wenige Tage später, knapp ein Monat nachdem wir diese in Kroatien verlassen hatten, wieder zurück an der Küste. Dort erwartete uns ein freudiges Wiedersehen inklusive Überraschungsgast.

Getrübt wurde die Freude nur dadurch, dass Nayeli zwei Nächte zuvor erkrankte und genau an diesem Tag zwecks Infusion einige Stunden im Krankenhaus von Bar (der Stadt, nicht der Beiz) verbringen musste.

Europa | Durch die Alpen, ans Meer

  • Juli / August 2023
  • 25 Tage gefahren
  • 1’300 Kilometer gefahren
  • 12’094 Höhenmeter gestiegen

Inhalt

Wir rollen wieder — jetzt zu dritt!

Bodensee-Königsee Radweg — schön wärs, und nass

Im Regen durch die Alpen — eine erste Bewährungsprobe

Ciclovia Alpe Adria — und dann links weg

Gelato, Boccia, Espresso — 3 Tage in Italien

Wir waren zu schnell — Hochsaison auf Kroatiens Inseln

Route Wägiletour Teil 1

Unsere Tracks auf Komoot

ROUTE | Schaan (FL) – Bregenz (A) – Lindau (D) – Bühl am Alpsee – Gmund am Tegernsee – Chiemsee – Salzburg (A) – Sankt Johann im Pongau – Bad Gastein – Böckstein (Autoverlad Tauernschleuse) – Spittal a. d. Drau – Villach – Travisio (IT) – Udine – Gorizia (IT) / Nova Gorica (SLO) –Vipvaska – Postonia – Lisac (HR) – Rijeka – Krk – Pag – Petrčane / Zadar

Quality Time | kürzere Berichte

Nun sind wir wieder ‚on the road‘ — jetzt aber mit Verstärkung durch unsere Tochter Nayeli! Dabei soll
die gemeinsame Zeit Vorrang vor regelmässigen Blogeinträgen haben. Diese werden kürzer ausfallen und mehr von Bildern leben müssen. Wir hoffen dabei auf das Verständnis unserer Leser.

On the Road | Hinein ins neue Leben

Geboren im Januar 2020 ist Nayeli sozusagen im Anhänger aufgewachsen — wenn auch nur sprichwörtlich. Sie geniesst es, die Welt aus der Anhänger-Perspektive zu erleben, dabei zu singen, Bilderbücher zu ‚lesen‘ oder mit ihren Begleitern ‚Graffiti-Bär‘ und ‚Leon‘ zu spielen.

Doch gibt sie jetzt den Takt vor. Mittagspausen finden auf Spielplätzen statt, Routen werden Anhängergerecht geplant und auch gekocht wird jetzt ausgeglichen — wenn auch immer noch mit nur einem Topf (2 Liter).

Auch stand das Zelt in den ersten Wochen abends fast immer auf einem Campingplatz. So konnten sich Klein und Gross wieder an das Leben unterwegs gewöhnen. Die Abläufe wurden wieder zur Routine, das Gepäck fand in den Taschen seine Plätze und wir konnten gemeinsam in unser ’neues‘ Leben finden — ohne uns dabei verstecken zu müssen.

Wo ist jetzt, dort wo das Zelt steht und jeder Tag unendlich viele Überraschungen mit sich bringen kann. Heftige Gewitterstürme, erfrischende Sonnenfenster an endlosen Regentagen, eine offerierte Testfahrt auf einer Sommerrodelbahn, klackende Boccia Kugeln als Wiegenlied beim Campieren in Park, eine unerhoffte Gelateria oder ein schöner Strand — alles war dabei und noch viel mehr.

Bodensee-Königsee Radweg | Liechtenstein, Deutschland, Österreich

Ciclovia Alpe Adria | Österreich & Italien

Ans Meer | Slowenien & Kroatien

Island | Lava, Regen, Babybauch

  • Juli 2019
  • 17 Tage im Sattel, 3 Ruhetage
  • 1022 Kilometer
  • 5’700 Höhenmeter

Inhalt

Islands Hochland

Moose, Vulkane & Gletscher

Surreale Mondlandschaften & mächtige Gletscher

Schmelzende Gletscher, reissende Flüsse

Schwanger im Nirgendwo

Route Island

ISLAND | gefahren im Uhrzeigersinn GPX Download & skalierbare Karte findest Du hier

ROUTE ISLAND | Reykjavik – Gullfoss – Kerlingarfjöll (via Svinárnes) – Route F35 – Varmahliõ – Akureyri – Fosshöll – Botni Shelter – Dyngjufell Shelter – Kistufell Shelter – Route F26 (Sprengisandur) – Nydalur – Sigöldufoss – Landmannalaugar –  Hella – (Bus zurück nach Reykjavik) 

Ein Bericht| lieber spät als nie

Mit Nayeli bereits in Dainas Bauch, flogen wir im Sommer 2019 nach Island. Nochmals wollten wir die Reifen im Sand knirschen hören, wollten wir zu zweit weite Landschaften und abgelegene Orte erkunden, wollten wir auf uns alleine gestellt sein. Dies suchten und fanden wir in Island.

Nach der Reise stand, mit der Aussicht auf Verstärkung durch ein Baby, ein weiterer Blogpost nicht hoch oben auf unserer Prioritätenliste. Daher erscheint dieser Eintrag erst jetzt, mit 3 Jahren Verspätung. Der Vollständigkeit halber muss er aber sein — um dann Platz für den ersten Bericht unserer aktuellen Reise zu schaffen.

Island | karg, schön, schwanger

Island begrüsste uns mit Regen und blieb dabei. Wir erlebten Wochen voller Höhen und Tiefen. Wir erkundeten endlose Pisten, schoben über Lavagestein und wähnten uns auf dem Mond. Zwei Mal fanden wir nachts zuflucht in einem Shelter, ansonsten schliefen wir im Zelt. Dies alles mit immer nassen Schlafsäcken und einem heranwachsenden Wesen in Dainas Bauch, welches ihr, in Kooperation mit nervenaufreibendem Gegenwind, mehr und mehr die Kräfte streitig machte.

Es war schön, aber es war nicht einfach — also genau das, wozu wir gekommen waren!

Vorhang auf, für die Bilder…

Oman | Al Hajar Traverse

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November / Dezember 2018
12 Tage im Sattel + 4 Tage in Maskat & Dubai
781 km, 9’500 Höhenmeter

Al Hajar Berge – Ein Traum in Sand und Fels
Gastfreundschaft! – Früchte, Datteln, Tee
Maskat – Am Golf von Oman

ROUTE | Hatta Border UAE – Zabyat – Haybi – Sham – Al Qala – Ruqqah –Al Aqli – Al Ghuwayz – Al Hiyal – Al Rumaylah – Maqnyat Bat – Al Ablah – Wadi Al Hayl – Al Mintar Al Hamra – Zikt – Hat – Bimah – Wadi Bani Awf – Al Ayr Al Awabi – Nakhal – Fanja – Maskat (OMAN) Mehr zur gesamten Route Dubai – Maskat (mit GPX) hier

Screenshot 2020-01-04 21.39.19

GEFAHRENE ROUTE | Hatta, Grenze UAE – Maskat, Oman (Wir sind die Route komplett gefahren, trotz Lücke in der Aufzeichnung.) zu GPX Download & skalierbarer Karte

Oman | durch die ‚Al Hajar‘-Berge

„Welcome to Oman“, „Welcome to my country!“, tönte es bei der Einreise aus den Vereinigten Arabischen Emiraten am Grenzübergang bei Hatta immer wieder. Ob Trucker, Zöllner oder Gärtner, die Menschen behandelten uns alle freundlich und versuchten, uns ihr Land von seiner besten Seite zu präsentieren – was ihnen auf Anhieb gelang. Neben der atemberaubenden Natur waren es besonders die Begegnungen mit Menschen, welche unsere Zeit im Oman prägten. Man begegnete uns mit Respekt, Neugier und aussergewöhnlicher Gastfreundschaft. Wir fühlten uns sofort wohl!

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Blick zurück auf Al Hamra.

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Je näher wir Maskat kommen, um so höher werden die Berge und umso tiefer die Täler.

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Vulkanische Gesteinsbrocken so weit das Auge reicht.

Die Tage reihten sich von nun an sonnig aneinander und die Berge Omans überraschten uns immer aufs Neue – eine solche Vielfalt an Fels- und Steinwüsten hatten wir nicht erwartet. Oft änderte sich die Berglandschaft um uns herum gleich mehrmals täglich. Wir kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus, und hinter der nächsten Biegung lauerte oft eine neue Überraschung – seien es grüne Oasen, malerische Dörfchen mit Dattelplantagen oder einfach ein paar Kamele oder Ziegen.

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Eine der schönsten Abkürzungen, die wir je genommen haben.

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Forts und Ruinen lauern im Oman scheinbar hinter jeder Kurve.

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Oft hat es einen Grund, dass Pässe gesperrt sind. Bei diesem hier ist die Strasse stellenweise in die Tiefe gefallen. Wir können schiebend passieren.

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Felsmalereien nahe Al Hilal – direkt am Strassenrand.

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Daina in Abenteuer-Modus.

Grob folgten wir einer von@paulrobida (lostandcurious.com) mittels aufwändiger Recherchen und mehrmaliger Befahrung entworfenen 4×4-Route. Er nennt sie ‚The Al Hajar Traverse‘. Geschickt verband die Strecke sandige Pfade mit holprigen Schotterpisten, folgte gewunden trockenen Wadis (Flussläufen) und führte über teils unglaublich steile Pässe. Da die Route alle paar Tage eine Hauptstrasse kreuzte, mussten wir nie für mehr als 4 Tage Proviant mitführen. Geteerte Highways durchzogen das Land, wie Lebensadern der Zivilisation. Da war der nächste Laden nie weit, samt kleinen Cafés mit südindischem Fast-Food.

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Und immer wieder ziehen uns die Berge in ihren Bann.

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Staubige Abfahrt in den Sonnenuntergang. An diesem Abend finden wir erst Stunden später, bei kompletter Dunkelheit, einen Platz für die Nacht.

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Wadis, trockene Flussläufe, bieten neben dem perfekten Off-Road Abenteuer teils auch Bade- oder Waschmöglichkeiten.

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Neue T-Shirts sehen unter der arabischen Sonne bereits nach wenigen Tagen alt aus.

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‚Supermärkte‘ sind in kleinen Dörfern spärlich gesät. Zum Einkaufen fährt man in die Stadt.

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Alle paar Tage kommen wir dem Himmel auf Erden ganz nahe: Kerala-Food (südindisches Essen), serviert in ‚Cafes‘ an Hauptstrassen oder in grösseren Ortschaften. Für eine Foto vor dem Essen kann diese staubige junge Dame wenig Verständnis aufbringen.

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Mit Steigungen über 20% müssen wir hin und wieder schieben….

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…. und werden beinahe täglich mit Aussichten belohnt!

Aber auch für Wasser war gesorgt. Wo immer eine Moschee in der Sonne blitzte – im Oman hat jedes noch so kleine Nest (ab 3 Häusern) eine Moschee – wartete Wasser auf uns. Oft sprudelte es eiskalt aus Trinkwasserspendern. Als Reisende waren wir immer willkommen, ein paar Flaschen abzufüllen. Dieser Luxus wiederum kam auch unserer Hygiene zugute. Dank genügend Wasser konnten wir uns ein tägliches ‚Bad‘ leisten – mit Waschlappen, Seife und einem halben Liter Wasser hinter einem Felsen. So mussten wir auch nach über zwei Wochen im Staub Begegnungen mit Menschen nicht scheuen!

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Dörfer kündigen sich oft durch Fahrradspuren im Sand an. Diese führen immer zum ‚Fussballplatz‘.

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Während im ganzen Land auf Sandigen Plätzen gespielt wird, überrascht uns mitten in den Bergen ein grüner Kunstrasen-Platz. Audi hat diesen für einen Werbespot mitten ins Nirgendwo gebaut.

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Wo es aufwärts geht, geht es immer auch wieder hinunter. Hier in knöcheltiefem Staub der Touristenjeeps.

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Wo immer eine Moschee in der Sonne blitzte – im Oman hat jedes noch so kleine Nest eine Moschee – wartete Wasser auf uns. Oft sprudelte es eiskalt aus Trinkwasserspendern.

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Wadis und Dattelplantagen, Radreisen in einer Märchenwelt. Der ‚Agraringenieur‘ aus Bangladesh hätte Daina gleich behalten.

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Feldküche, wir kochen mit Benzin, ein tägliches Ritual.

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Wer staubig ist, muss nicht stinken. Dank zuverlässiger Wasserversorgung (Moscheen) kommen wir und auch unsere Kleider in den Genuss einer regelmässigen Handwäsche.

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Wonderful Oman. Gekühltes Wasser auf einer Passhöhe mitten im Nirgendwo!

Je abgelegener die Gegend war, umso offener waren die Leute. Immer wieder wurden wir spontan und sozusagen von der Piste weg auf Tee und Datteln zu jemandem nach Hause eingeladen. So oft, dass wir nicht allen Einladungen nachkommen konnten – teils lagen die Häuser der Gastgeber nämlich mehrere Rad-Stunden entfernt in einer völlig anderen Richtung.

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Berge, Staub und Schieben – Oh Mann, Oman!

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Wie gesagt, geschlossene Passstrassen sind tendenziell nicht in gutem Zustand – machen aber Spass!

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Gastfreundschaft wird im Oman gross geschrieben! Beinahe täglich werden wir zu Früchten, Datteln und Kaffee eingeladen. Hier zu Gast bei fünf Brüdern, bereits die zweite Einladung des Tages!

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Doors of Oman

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Auf Kaffee und Datteln bei diesen beiden Pförtner einer stillgelegten Fabrik mitten im Nirgendwo.

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Teppiche zum Verkauf am Strassenrand. Wir kommen der Zivilisation (Maskat) näher.

Nahmen wir aber eine Einladung an, fanden wir uns früher oder später in jemandes Vorzimmer wieder, jenem Teil des Hauses, in welchem Gäste (auch staubige Fremdlinge wie wir) empfangen oder Familienfeste gefeiert werden. Es folgte ein festgelegtes Ritual mit (aufgeschnittenen!) Früchten, Datteln und Kaffee, oft von der ganzen Familie umringt. Die Männer assen zuerst, Frauen danach – und alle sprachen wild durcheinander, stellten Fragen, zeigten auf Landkarten oder wollten Fotos sehen. Und jedes Mal schwangen wir uns danach gerührt und von soviel Gastfreundschaft überwältigt auf unsere Räder.

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Wo die Berge in die Wüste übergehen.

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Datteln mit Geschichte.

Als wir am späteren Nachmittag eine kurze Pause im Sand einlegen, erblicken wir in der Ferne eine Staubwolke, die zu rasen scheint. Kurz darauf kommt ein Geländewagen ohne Nummernschild driftend vor uns zum Stillstand. Heraus springt ein, mit weissen Tüchern, völlig vermummter Mann mit riesiger Sonnenbrille. Nach längerem Hin und Her finden wir heraus, dass er ein Beduine ist, daher die traditionelle Vermummung, die er übrigens im Laufe der Unterhaltung ablegt. Er möchte uns gerne einladen, wohnt aber leider etwa 30 km entfernt in eine komplett andere Richtung. Schliesslich setzt er sich zu uns auf den Boden, zeichnet uns eine Landkarte in den Sand und verpasst Robin eine Portion seines hirnbetäubenden Beduinen-Kautabaks, bevor er lachend wieder in seinen Toyota hüpft, uns eben diese Tüte voller Datteln reicht und dann wieder in einer Staubwolke verschwindet. Aus Angst vor politischer Verfolgung als Beduine möchte er nicht, dass wir ein Foto von ihm machen.

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Diese ‚Bienenkorbgräber‘ bei Al Ayn sind schon älter (ca. 3500 v. Chr.).

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Ziegen prägen die Al Hajar Berge und erklimmen die steilsten Wände.

Doch nachts wollten wir draussen sein. Meist fanden wir abends innert Minuten einen geeigneten, von der Piste her unsichtbaren Nachtplatz in felsigen Mulden, auf vulkanischen Hügeln oder am Rande von trockenen Flussläufen. Die Einzigen, die uns nach Sonnenuntergang noch entdeckten, waren langhaarige Ziegen.

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Haben wir einen Zeltplatz gefunden, folgen wir immer der selben Routine. Zelt aufstellen, Matten aufblasen, Kochen, Essen, Kaffee trinken und sind bei Einbruch der Dunkelheit bereit, ohne Licht ins Zelt zu schlüpfen.

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Nachts in den Al Hajar Bergen.

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Bikepackers-Routine.

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Gesellschaft beim Frühstück – man schaut, man staunt, man kaut.

Drei Wochen im arabischen Staub hinterlassen Spuren.

Maskat | Am Golf von Oman

Am Abend des 18. Tages nach unserer Abfahrt aus Dubai erreichten wir Maskat, die Hauptstadt des Omans! Nach über zwei Wochen im Staub und Sand legten wir die letzten 40 von 1‘119 Radkilometern ins Stadtzentrum ironischer Weise auf mehrspurigen Autobahnen zurück.

Bereits im Dunkeln empfing uns die Stadt mit dröhnendem Verkehr, funkelnden Moscheen und den überall wiederhallenden Rufen der Muezzine. Dankbar fanden wir ein Zimmer in einem Hotel, wo das Wasser in der Dusche sauber aus dem Duschkopf sprudelte und wenig später trüb im Abfluss verschwand.

Maskat sollte uns auch bei Tage nicht enttäuschen. Zwei Tage lang erkundeten wir die wuselige Stadt mit ihren Märkten und Palästen und sogen dabei Gerüche, Klänge und köstliche (indische!) Speisen geradezu auf. Mit ihrer historischen Altstadt schmiegte sich die Hauptstadt des Oman an den Hafen und wir verloren uns nur zu gerne in den engen Gassen, die mehr an ein Dorf als an eine arabische Hauptstadt erinnerten, wo Kinder Radfahren lernten und sich die Männer abends zum Tee auf den Plätzen trafen.

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Maskats Altstadt, zwischen Bergen und Meer am Golf von Oman.

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Arabische Bräune vor arabischer Kulisse.

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Während die Kleider und Tücher der Frauen in den Bergen eher Bunt waren, dominiert in der Stadt der schwarze Tschador (Umhang).

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Maskat in den letzen Sonnenstrahlen – während der Ruf der Muezine wie eine Welle über die Stadt schwappt, beginnen überall die Lichter zu funkeln.

Busreisen mit Rad | Zurück nach Dubai

Doch obwohl der Bikepacking-Teil unserer Reise in Maskat zu Ende war, wir waren noch nicht am Ziel. Um den Rückflug nach Hause anzutreten, mussten wir zurück nach Dubai gelangen – wir nahmen den Bus, der die Sache in etwa 14 Stunden erledigte.

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Alt vor neu – iranische Holzfrachter vor Dubais Skyline.

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Vollgepackte iranische Holzfrachter überqueren die Strasse von Hormus zwischen Bandara Abbas (Iran) und Dubai (VAE), vollgepackt mit Waren aus dem Iran, Pakistan und Indien. Diese afghanische Besatzung lässt es sich nicht nehmen, nach einem Schwätzchen am Pier noch für ein Foto zu posieren. Wir waren einmal mehr gerührt.

Slideshow: Alle Fotos in der Galerie zum Anklicken.

Dubai UAE | Stadt, Sand und Dünen

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November / Dezember 2018
6 Tage im Sattel + 2 Tage in Dubai
338 km, 1’650 Höhenmeter

Dubai – Überraschend Indisch
Vereinigte Arabische Emirate – Von Emirat zu Emirat
Wüste – Sand, Dünen, Skorpione

ROUTE | Dubai (UAE) – Al Awir Falajal Moalla– Al Biyata – Tawyen – Al Jaroof – Wadi Sidr –Masafi– Sifi – Wadi Al Helo– Hatta – Hatta Border UAE / OMAN Mehr zur Route hier

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GEFAHRENE ROUTE | Dubai, UAE – Hatta Border, Grenze Oman (Wir sind die Route komplett gefahren. Die Lücke bei Hatta entstand durch Fehler bei der Aufzeichnung.) GPX- /KML-Download hier

Dubai | Ab in die Wüste

Nach Dubai zu gelangen war mit ‚Oman Air‘ (Zürich – Maskat – Dubai) nicht schwierig gewesen. Die Stadt zwischen Meer und Wüste aber wieder zu verlassen war umso schwieriger. Stundenlang suchten wir unseren Weg aus einer Stadt heraus, die offensichtlich nicht für Fussgänger oder gar Radfahrer konzipiert worden war. Immer wieder scheiterten wir an mehrspurigen Autobahnen, Autobahnbrücken und unüberquerbaren Leitplanken. Erst nach Sonnenuntergang erreichten wir den Stadtrand. Und endlich stand unser Zelt zwischen dunklen Dünen im weichen Sand.

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Wüstenschiffe mal anders. Wir sind bereit, wissen in diesem Moment aber noch nicht, dass wir den Stadtrand erst lange nach Einbruch der Dunkelheit erreichen werden.

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Blick zurück nach Dubai, stunden später.

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Welcome to Dubai! Schönes Erwachen zwischen den Dünen.

Die auf der Arabischen Halbinsel am Persischen Golf gelegenen ‚Vereinigten Arabischen Emirate‘ sind ein Zusammenschluss von sieben Emiraten, darunter Abu Dhabi, Dubai, Sharja und Ras-al-Khaimah. Während sich die Städte wie Perlen an der Küste entlang des Persischen Golfs aufreihen, beginnt bereits wenige Kilometer landeinwärts die ‚Rub Al-Chali‘, die grösste Sandwüste der Erde.

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Bereits am zweiten Tag rollen wir über sandige Pisten, keine 100 Km von Dubai entfernt.

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Passt der Reifendruck? Noch nicht…

Sandige Pisten dem heissen Asphalt vorziehend, wühlten wir uns zwei Tage lang durch die von Highways durchzogene Wüste nordwärts. Abseits der Strassen folgten nach vereinzelten Dattelplantagen und Kamelfarmen bald nur noch endlos erscheinende Dünenfelder. Dabei orientierten wir uns grob an einer von @paulrobida (lostandcurious.com) mittels aufwändiger Recherchen und mehrmaliger Befahrung entworfenen 4×4-Route durch die Emirate. Während Paul grosse Umwege zu Dünenfeldern und Allrad-Paradiesen in Kauf nahm, pickten wir nur einzelne Abschnitte heraus und verbanden sie mittels selbst recherchierten Tracks. Wir wussten ja noch nicht, ob der weiche arabische Sand für uns überhaupt befahrbar war. Die riesigen, unverspurten Dünenfelder waren es definitiv nicht.

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Wir sind nicht in Eile und nehmen uns Zeit für Kamele, Käfer und Dünen.

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Pause.

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Wo vorher nichts war, steht plötzlich ein Kamel – oder ein bepackter Radfahrer. Kommt ganz auf die Perspektive an.

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Auch wenn der Druck stimmt, sobald es steil wird, wird gestossen.

Abgesehen von einer etwas merkwürdigen Begegnung mit einem Arbeiter in einem Geländewagen, begegneten wir abseits des Asphalts nur wenigen Menschen. Und wenn, dann brausten sie in verdunkelten Geländewagen an uns vorbei.
Besagte Begegnung mit dem Arbeiter im Geländewagen aber verlief anders: Neben uns herfahrend, verhörte er uns regelrecht. Er wollte etwa genau wissen, wo wir welche Werkzeuge eingepackt haben, ob und wo wir die Pumpe hätten. Dann referierte er aus dem fahrenden Auto heraus über die richtige Stellung des Fusses auf den Pedalen und deren Auswirkung auf die entsprechenden Bänder der Füsse – und schliesslich gab er uns noch eine Lektion in Sachen Reifendruck: Er solle so hoch sein, um den Reifen nicht gegen die Felge zusammenzudrücken und zu zerstören, aber trotzdem tief genug, um möglichst breit durch den feinen Sand zu rollen.

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Jede Möglichkeit im Schatten zu stehen wird geschätzt!

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Wo Pisten auf Highways treffen: Kühle Getränke bei indischen Ladenbesitzern.

Mit schwammig-weichen Reifen rollten wir fortan durch den weichen Sand. Doch trotz des optimalen Reifendrucks von unter einem Bar (!) erkannten wir bald unsere Grenzen. Abseits der Off-Road-Pisten war kein Vorwärtskommen. Dafür waren unsere Reifen immer noch zu schmal. Der beherzte Versuch der Durchquerung eines Dünenfeldes scheiterte bereits nach wenigen hundert Metern an der Erkenntnis, dass wir die Räder samt Ausrüstung auf den steilen, weichen Dünen fast ausschliesslich hätten tragen müssen – es wäre an dieser Stelle nur 5 Kilometer breit gewesen.

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Ab in die Wüste.

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Dieser arabische Dickschwanz Skorpion wollte sich bei Sonnenuntergang unter unser Zelt schleichen – er wurde erwischt.

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‚Locals‘ unter sich.

Nach zwei Tagen im Emirat ‚Ras al Khaimah‘ zog sich die Wüste um uns herum nach und nach zurück. Bald zeichneten sich in der Ferne die steilen Ausläufer der ‚Al Hajar‘-Berge ab. Dieser Gebirgszug erstreckt sich sichelförmig, über hunderte Kilometer entlang des Golfs von Oman. Und am anderen Ende wartete Maskat, die Hauptstadt des Oman auf uns.

Einmal in den Bergen lernten wir aber auch eine geteilte Welt kennen, eine Welt von ‚drinnen‘ und ‚draussen‘, von Armut und Luxus: Während Gastarbeiter aus Indien, Bangladesch, Pakistan und Afghanistan ihre Arbeit ‚draussen‘ in Bergwerken, auf Dattelplantagen, in Autowerkstätten oder in einfachen Imbissbuden verrichteten, schienen sich die Einheimischen ‚drinnen‘ förmlich in ihrer klimatisierten Welt aus protzigen Häusern, hohen Mauern und grossen SUV zu verkriechen. Diese mussten sie selbst zum Einkaufen nicht verlassen: Man fuhr beim Laden oder Restaurant vor, hupte, und schon kamen die Arbeiter oder Kellner unterwürfig angerannt, nahmen Bestellungen auf und reichten das Bestellte kurz darauf durch die gespiegelt Fensterscheiben.

Wir zogen die Welt ‚draussen‘ vor, abseits von Asphalt und Klimaanlagen fühlten wir uns in ausgetrockneten Wadis (Flussläufen) und felsigen Pfaden wohl und erlebten dabei eine Seite der arabischen Halbinsel, wie wir sie niemals vermutet hätten.

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Schlamm anstatt Staub: Regen in den Bergen von Sharjah.

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Ride on! Der Regen hält einen Tag an, doch weder wir noch dieser afghanische Gastarbeiter lassen uns den Spass verderben!

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Manche verstecken sich und sind trotzdem neugierig.

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Andere starren unverhohlen.

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Wo die Wüste langsam in die Berge übergeht.

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Auch auf dem Land wird gebaut. Mitten in den Bergen werden kleine weisse Dörfer mitsamt Infrastruktur (etwa Schulen) aus dem Boden gestampft.

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Wir verbringen die Nächte an idyllischen Plätzen.

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Nach sechs Tagen im Sattel verliessen wir immer noch ungeduscht die Vereinigten Arabischen Emirate.

In der ‚draussen‘-Welt schien es auch auf der Arabischen Halbinsel hin und wieder zu regnen. Der Regen – bei jedem unserer Wüstenbesuche bisher anscheinend unvermeidlich – erwischte uns diesmal am vierten Tag, bereits in den Bergen. Doch wir hatten aus unserer Springflut-Erfahrung in der Mongolei gelernt. Wir stellen unser Zelt, bereits bei Dunkelheit und nur wenige Meter von der Strasse entfernt aber unsichtbar, an der höchsten Stelle eines Grabens auf. Als am frühen Morgen der Regen einsetzte sassen wir innert Minuten mitten in einem Fluss auf dem Trockenen.

Nach sechs Tagen im Sattel verliessen wir die Vereinigten Arabischen Emirate staubig und ungeduscht – aber mit einem Lächeln im Gesicht. Wir waren bereit für den Oman!

Mehr dazu im nächsten Blogpost.

Slideshow: Alle Bilder in der Galerie zum Anklicken.

Georgien | im Grossen Kaukasus

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Juli 2018
8 Tage, davon 2 Ruhetage
663 km, 24’180 gestiegene Höhenmeter

Tusheti wild und ‚abgelegen‘
Abano Pass hinein und zurück
Atsunta Pass wenn aufgeben Sinn macht
Planänderung Hike-a-Bike über den Sazele-Pass
Georgische Heerstrasse überholt und abgedrängt

ROUTE | Matsimi (Grenze Azerbaijan) – Lagodekhi- Kvareli – Pshaveli – Abano-Pass 2926m (nordwärts) – Omalo (Tusheti NP) – Verkhovani – Nakaitcho-Pass (bike-hike) – Dartlo – Girevi – Atsunta-Pass – Girevi – Dartlo – Omalo – Abano-Pass (südwärts) – Pshaveli – Akhmeta – Tianeti – Roshka – Sadzele-Pass, 3087m (bike-hike) – Juta – ‚Georgische Heerstrasse‘ (Kreuzpass, 2379m) – Tbilisi (Tiflis) | Mehr zur Route hier.

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ROUTE | Lagodekhi – Tbilisi (von Osten her gefahren)   skalierbare Karte und GPX-Download hier

Georgien | die Rückkehr

Wir sollten in unserer Vorfreude auf die Rückkehr nach Georgien nicht enttäuscht werden. Bereits wenige Meter nach der Grenze bekam Daina von einer Frau Pflaumen in die Hand gedrückt und nur zwei Kilometer weiter wartete eine Feuerstelle im nahegelegenen Nationalpark als fantastisches Nachtlager auf uns.

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Schönes Willkommen bei der Einreise aus Azerbaijan.

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Campen beim Eingang zum Matsimi National Park, direkt an der Grenze zu Azerbaijan.

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Die Kakheti Region, im Westen Georgiens.

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Wegen eines verdorbenen Hotdogs, dem man seine üblen Absichten eigentlich hätte ansehen müssen, verbrachten wir 2 Tage in einem Hotel in Kvareli . Die Besitzer kümmerten sich rührend um ‚Guulllllli‘, wie sie Daina nannten. Gulli bedeutet auf georgisch Herz.

Doch so schön die erste Nacht beim nächtlichen Heulen der Schakale im ‚Lagodekhi Nationalpark‘, direkt an der Grenze zu Aserbaidschan, war, der eigentliche Grund für unsere Rückkehr nach Georgien blieben die Berge. Insbesondere wollten wir ‚Tusheti‘ erkunden. Diese abgelegene und im Winter über Monate von der Aussenwelt abgeschiedene Region reizte inmitten von unzugänglichen Bergen mit Pferdepfaden und wilder Natur. Direkt an der Grenze zu Russland liegt sie hinter hohen Pässen an der Grenze zu Dagestan und Tschetschenien in den Bergen des Grossen Kaukasus.

Tusheti | der Grosse Kaukasus

Tusheti liegt nicht eben am Weg und ist schwer zu erreichen. Die einzige Strasse führte über den 2936 m hohen Abano-Pass, dem ‚Tor‘ zu Tusheti. Wir erhielten bereits einen Vorgeschmack darauf, was tiefer in den Bergen und während einem Grossteil des Aufstiegs im Nebel versteckt auf uns wartete. Doch bereits beim Aufstieg zum Abano-Pass begann es zu regnen und in den folgenden beiden Tagen versanken die Berge und Pfade des ‚Tusheti‘ National Parks in Regen und Schlamm. An Weiterfahrt war nicht zu denken und nach einer Nacht im Zelt nahe des ‚Hauptortes‘ Omalo suchten wir Unterschlupf auf dem Balkon eines Guesthouses.

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Vom tropischen 400 MüM windet sich die Strasse zum Abano Pass endlos die steilen Flanken hoch.

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Die Piste ist durchwegs gut fahrbar, aber nur im Sommer geöffnet.

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Höher oben zieht Nebel auf, Regen kommt und geht.

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Blick zurück, immer schön! Doch der Weg nach oben ist noch weit.

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Die Abfahrt in den Tusheti National Park und nach Omalo lässt uns juchzend ins Tal donnern und überraschte uns mit einem unerwarteten Gegenanstieg von 800 Höhenmetern zum Schluss.

Zwei Tage später, bei den ersten Sonnenstrahlen, bepackten wir unsere Räder. Wir liessen das malerische Omalo und seine Wehrtürme hinter uns und machten uns auf, um erst in einem grossen Loop Tusheti zu erkunden und dann unser eigentliches Ziel und zugleich das grosse Fragezeichen dieser Etappe in Angriff zu nehmen. Der Atsunta-Pass lockte uns schon lange und war mit ein Grund für unsere Rückkehr nach Georgien via Armenien, Iran und Aserbaidschan.

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Frisches Brot direkt vom Bäcker hält uns in Omalo bei Laune.

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Das Dorf Verkhovani nistet sich, typisch für Tusheti, in einen steilen Hang. Die Dörfer sind grösstenteils nur im Sommer bewohnbar.

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Der Aufstieg zum Nakaicho Pass ist schmal und vom Regen durchnässt.

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Irgendwann lassen wir den Wald hinter uns, doch es bleibt steil.

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Nach dem langen Regen wollen alle an die Sonne.

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King of the Hill! In diesem verlassenen Weiler oberhalb von Verkhovani sind wir für eine Nacht die einzigen menschlichen Bewohner.

Doch bereits beim ersten Bike-Hike, von Verkhovani zum Nakaicho-Pass hinauf kamen uns Zweifel. Im steilen und oft ausgesetzten Gelände fanden wir mit unseren Sneakers nur schlecht Halt und stürzten beide mehrmals beinahe in die Tiefe. In Anbetracht dessen, dass wir uns nun auch auf Trampelpfaden für Kühe, Geissen und Schafe und den einen oder anderen Wanderer bewegten, verwunderte dies auch wenig. Und unsere Räder, richtige Panzer und in rauem Gelände nicht zu stoppen, fühlten sich auf diesen schmalen Pfaden und engen Kehren dann eben auch genauso an – sperrig, übergross und über längere Strecken und schwierige Passagen kaum tragbar. Zweifelnd erreichten wir schliesslich die kleine Ortschaft Girevi. Die Etappe über den Atsunta-Pass sollte dann aber noch länger, rutschiger und steiler werden als das, was wir gerade hinter uns hatten, und wir rechneten dafür mit bis zu vier Tagen.

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Um besser vorwärts zu kommen, binden wir unsere Lenker- und Satteltasche zu einem Rucksack zusammen. So kommen wir deutlich schneller voran.

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Blick nordwärts vom Nakaicho Pass. Unter uns wachen Wehrtürme über die Täler und in der Ferne glitzern die hohen Berge Tschetscheniens.

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Etwas höher geht noch, wir steigen von der Passhöhe weiter auf.

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Suchbild: Finde Daina.

Durch die Nähe zu Tschetschenien musste für die Weiterreise bei einem provisorisch erscheinenden Posten des georgischen Zolls eine Bewilligung eingeholt werden. Aufmunternde Geschichten darüber, wie steil und rutschig der Weg über den Pass momentan war, gab es umsonst dazu. Doch weit kamen wir nicht. Bereits nach nur wenigen Kilometern mehreren Stunden wurde uns klar, dass dies keinen Sinn machte. Der Weg, ein schmaler Fusspfad, wand sich durch steile Flanken höher und tiefer ins Tal hinein. Mühsam schoben, hoben, zogen und zerrten wir unsere schweren Räder über unendlich erscheinende Abfolgen von Felsblöcken und -platten. Dabei waren wir immer nur einen Schritt vom Abgrund entfernt. Ein Fehltritt, Stolpern oder Rutschen würde unweigerlich mehrere hundert Meter weiter unten, unschön, enden – im besten Fall nur für eines der Räder. Dieses über die Felsen Navigieren erforderte Geschick. Und leider hatten wir am Vortag den Schlüssel zum Entfernen der Pedale verloren! Nun mussten wir in engen Passagen besonders darauf achten, mit den Pedalen nicht anzustossen, um nicht von Rad und Gepäck in den Abgrund gestossen zu werden. Uns kamen ernsthafte Zweifel. War die Überquerung dieses Passes das Risiko, hier abzustürzen, wert – noch dazu in Turnschuhen?!

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Bereits vor Girevi, dem Ende der Strasse zum Atsunta Pass, haben wir zu schleppen, sind aber noch frohen Mutes.

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Nach passierter ‚Grenzkontrolle‘ sind die Pfade schmal, nur noch wenige Abschnitte fahrbar.

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Zu zweit oder allein stemmen wir die schweren Räder über jedes neue Hindernis. In unseren ‚Sneakers‘ rutschen wir regelmässig ab. Uns kommen Zweifel und schliesslich kehren wir geknickt um. Doch wissen wir, es war die richtige Entscheidung war.

Immer wieder setzten wir uns hin, haderten mit uns und wollten nicht aufgeben. Doch eigentlich wussten wir beide, dass es nur eine Antwort gab: Wir mussten umkehren. Dies taten wir schliesslich und verbrachten den Abend, am Grenzposten in Girevi wieder ‚eingestempelt‘, geknickt und lustlos in unseren Nudeln stochernd, bereits wieder näher bei Omalo.

Sadzele | neuer Pass, neuer Plan

So kam es, dass wir tags darauf den Abano Pass ein zweites Mal überquerten, diesmal in die andere Richtung. Denn bereits hatten wir einen neuen Plan ausgebrütet. Zurück in der ‚Khaketi‘-Region (400-500 MüM), Georgiens Weinanbau-Gebiet, wollten wir in einem grossen Bogen via Tianeti westwärts und wieder hoch in die Berge nach Roshka fahren um von dort über den Sadzele Pass nach Stepantsminda, auch Kasbegi genannt, an der georgischen Heerstrasse zu gelangen. Zurück im Tal fehlten uns nach Roshka knapp hundertfünfzig oft schöne und staubige Kilometer. Doch nun tickte die Uhr: Benötigten wir nach Roshka 2 Tage und für den Pass maximal 2 weitere, so blieben uns nochmals 2 Tage für die Fahrt nach Tiflis (147 km). Dies liess uns dann noch genau einen Tag, die Räder zu verpacken und dann in Kutaisi unseren Heimflug anzutreten. Sollte klappen.

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Blick zurück auf der Abfahrt vom Abano-Pass.

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Nach zwei Tagen im Flachland erreichen wir Roshka und schlagen unser Nachtlager einige hundert Meter oberhalb davon auf. In freudiger Aufregung auf den nächsten Tag.

Im 50-Häuser Dorf Roshka, bereits wieder auf 2000 MüM gelegen, hörten wir auf den Rat eines Ortskundigen und entschieden uns, entgegen unseres ‚ursprünglichen‘ Plans, für den Sadzele-Pass. Im Gegensatz zum nahen, aber etwas höheren Roshka Pass, war der ‚Sadzele‘ aber kein Wanderweg, sondern wurde vor allem von Hirten, Schafen und Ziegen genutzt. Nach einer kalten Nacht wenige hundert Höhenmeter oberhalb des Dorfes, war wieder einmal ‚Hike-a-Bike‘ angesagt Schieben. Der oft kaum sichtbare Pfad hielt uns den ganzen Morgen beschäftigt und belohnte uns mit einer endlosen Abfahrt und einem faulen Nachmittag mitten im Nirgendwo, von hohen Gipfeln umzingelt. Am nächsten Morgen erreichten wir nach wenigen Kilometern eine Ansammlung von Zelten, wo uns von verblüfften, wortkargen Zollbeamten die Einreise zurück nach Georgien genehmigt wurde ausgereist waren wir nie.

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Während nicht weit entfernt Wanderer zum Chaukhi-Pass hoch strömen, wird der Sadzele-Pass eher für die der Landwirtschaft genutzt.

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Man grüsst freundlich, hält seine Hunde zurück und geht seines Weges.

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Am Wegrand aufgefallen.

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Kurz nach Roshka verlassen wir die Strasse und folgen den schmalen Pfaden der Schaf- und Ziegenherden.

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Und bald kommt das Unvermeidliche: Wir schieben.

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Die Serpentinen scheinen kein Ende zu nehmen.

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Wir freuen uns über jedes ‚flache‘ Stück und geniessen das Panorama.

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Die letzten Meter zur ‚Passhöhe‘, bereits in freudiger Stimmung.

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Saddle Pass, 3087 MüM

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Wer hoch schiebt, darf runter fahren wenigstens den grössten Teil.

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Mit einem breiten Grinsen im Gesicht brausen wir Bilderbuch-Trails hinunter.

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Warum zurück in die Zivilisation eilen, wenn man einen letzten Nachmittag, umgeben von hohen Bergen, auf der faulen Haut liegen kann?

Keine Stunde später erreichten wir das Dorf ‚Juta‘. Nun trennten uns noch 160 Km von Tiflis, das meiste davon asphaltiert. Doch ein letztes Schotter-Ass hatten wir noch im Ärmel. Wir wollten vermeiden, uns auf der stark befahrenen Hauptstrasse nach Tiflis zu quälen. Viel lieber wollten wir auf Pisten und Schotter bleiben und uns über bellende Hirtenhunde freuen – mittlerweile hatten wir den Dreh raus.

Auf direktestem Weg (und vor allem auf Schotter!) südwärts fahrend, wollten wir zwei durch einen Pass verbundene,Paralleltäler als Abkürzung nutzen. Allerdings war unklar, ob die Strecke überhaupt befahrbar war wir hatten anderes gehört, von verschütteten Strassen und abgerutschten Hängen es nicht geglaubt und scheiterten nun bereits nach wenigen Kilometern. Und nun, da wir nichts unversucht gelassen hatten, waren wir bereit für den Verkehr. Vor uns lagen 145 Km auf der stark befahrenen ‚Georgischen Heerstrasse‘, seit der ‚Abspaltung‘ von Abchasien und Südossetien von Georgien die einzige Landverbindung nach Russland.

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Zurück auf der ‚Strasse‘ kommt der mächtige Kazbeg (5033 MüM), an der Grenze zu Russland, in Sicht. Wir passieren erste Dörfer und bereiten uns bereits auf den Schwerverkehr vor.

Die Georgische Heerstrasse | neuer Pass, neuer Plan

Doch trotz des Asphalts und starken Verkehrsaufkommens hatte diese strategisch nicht unbedeutsame Strasse ihre Reize. Von hohen Bergen und Gebirgszügen umgeben wand sie sich südwärts, über den malerischen Dschwari-Pass (Kreuzpass, 2379 m) und vorbei an Georgiens Ski- und Heliski-Destination Gudauri, einem aus dem Boden gestampften Resort mit dem Charme von Schuhschachteln inmitten einer atemberaubenden Berglandschaft. Tiflis rückte näher und der Verkehr wurde dichter, doch eine letzte Nacht im Zelt unter Sternen liessen wir uns nicht nehmen. Dann waren wir bereit für die zugegebener Massen etwas sentimentalen letzten 80 Kilometer.

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Nach den ersten Minuten auf der schwerbefahrenen ‚Georgischen Heerstrasse‘ sind wir etwas frustriert. Doch hey, es gilt zu geniessen!

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In der Abfahrt vom Kreuzpass (2379 m) sitzt plötzlich dieses Bauwerk mitten in der Berglandschaft.

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Ringsum und darüber herrscht emsiges Treiben. Touristen aus der ganzen Welt schiessen hier Selfies oder machen Tandemflüge.

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Restaurants, Raststätten: Die Vorzüge einer Hauptstrasse.

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Beasts

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Und wir!

Tiflis | Heimreise

Beim Hauptbahnhof wo Essen, Metro und abgrundtiefes Elend nicht weit ist fanden wir ein kleines Hotel mit Zimmern gross genug für unsere Räder und einem Preis tief genug für unsere Vorstellungen (21 €/Nacht mit Küche und mörderischem Geschrei). Dank dem einkalkulierten Reserve-Tag blieb uns neben der (obligatorischen) Suche nach flugfähigen Fahrradkartons und der fachgerechten Zerlegung und Verpackung der Räder auch Zeit für anderes. Für Essen zum Beispiel – denn unsere körperlichen Reserven waren aufgebraucht!

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Entlang der Heeresstrasse zieht eine Sehenswürdigkeiten nach der anderen vorbei, ladend zum Halten und Verweilen. Die Touristen sind in Scharen da. Wir verweilen bei ein paar Tassen Kaffee, beobachten das Treiben, raten Nationalitäten und blicken auf die Reise zurück.

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Tiflis, wir sind zurück!

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Im Taxi durch Tiflis. Mit Sack und Pack und (verpackten) Rädern im Kofferraum treten wir die Heimreise an. Kopf und Herz voller Bilder! ნახვამდის, auf Wiedersehen Georgien, Deine Berge, Deine Menschen!

Und hier die Bilder in der Galerie zum Anklicken:

 

Aserbaidschan | ‚Azerbaijan Baku‘

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Juli 2018
13 Tage, davon 7 Tage im Sattel, 6 Ruhetage
611 km, 5’759 hm
100 % asphaltiert

Begegnungen – Wirte, Selfies & Coca-Cola
Alltag – Pannenstreifen, Tee & Gegenwind
Baku – wo Petro-Dollars sichtbar werden

ROUTE | Bilasuvar (Grenze Iran) – Ələt (Älät) – Baku – Qobustan Mərəzə – Samaxi – Ismaylli – Gəbələ (Gabala) – Səki (Seki) – Balakən (Balakon, Grenze Georgien) Mehr zur Route

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ROUTE | Bilasuvar – Baku – Balakən (skalierbare Karte und GPX-Download hier)

Aserbaidschan | Azerbaijan Baku!

Während andere im Schatten von Bäumen Bier tranken, feierten wir unsere Ankunft in Aserbaidschan (Azerbaijan; Azərbaycan) mit Eiscrème. Den Anblick des armenischen Einreisestempels in unseren Pässen hatte der Grenzbeamte mit einem verständnislosen, ja enttäuschten, sinngemässen ‚Nein, warum wart Ihr bei den Barbaren?!‘ kommentiert. Weiter ging er aber nicht darauf ein, wir blieben ihm eine Antwort schuldig und man hiess uns willkommen.

Vom Moment unserer Ankunft an erlebten wir die Azeri als sehr freundliche und aufgestellte Menschen, die unsere 13 Tage in Aserbaidschan mit ihrer offenen und herzlichen Art prägten. Begegnungen, wenn auch oft flüchtig und immer zufällig, die unvergessen bleiben.

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‚Selfies‘ und Tee direkt an der Grenze Iran-Aserbaidschan. Die örtliche Mode sticht ins Auge.

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Allgegenwärtiger Personenkult soll vom Zerfall der Infrastruktur ablenken: Heydər Əlirza oğlu Əliyev, ehemaliger Staatspräsident. Sein Clan hält das Land fest im Griff.

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Ausserhalb von Baku kämpfen Menschen in Azerbaijan täglich ums Überleben. Dieser Mann verkauft Fische auf der Autobahn, damit das Geld reicht.

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Für den Zustand dieser Dusche in einem Hotel in Bilasuvar trifft das Regime jedoch keine Schuld.

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Der ‚Coca-Cola-Mann‘ und seine Helfer. Unsere Wege kreuzen sich mehrmals. Beim letzten Mal hielt er auf der Gegenfahrbahn einer Autobahn an und überquerte vier Fahrspuren zu Fuss, um uns je eine Flasche Coca-Cola zu bringen.

Von unfreundlicher Art zeigten sich einzig die starken Winde, die uns hartnäckig von Baku fernhalten wollten. Wir lieferten uns stundenlange Duelle mit ihnen, wobei sie uns teils beinahe von der Strasse und in die Leitplanken bliesen. Dies nötigte uns zu ausgedehnten Teehausbesuchen, wo wir von den Wirten mit Käseplatten, Joghurt und Salaten verpflegt wurden.

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Im Kampf gegen Windböen: Kurvenlage auf endlosen Geraden vor Baku.

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Bremsen, anhalten, zurücksetzen. Für ein paar Selfies auf der Autobahn tut man doch alles.

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Musik hält das Pfeifen des Gegenwindes von den Ohren fern.

Unterschlupf fanden wir bei Einbruch der Dunkelheit in einem nagelneuen Feuerwehr-Ausbildungszentrum. Die beiden wachenden Mannen der Feuerwehr kümmerten sich rührend um uns, und nachdem wir unser selbstgekochtes Abendessen fast verschlungen hatten, luden sie uns zum Essen ein – damit wir mal etwas Richtiges zu essen hätten. Gespült wurde mit einer nicht verhandelbaren Flasche Wodka, die die Unterhaltung auf Russisch, Azeri (einer türkischen Sprache) und Englisch noch anheizte.

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Die Feuerwehr, dein Freund und Campingplatz.

Nach zwei Tagen durch Dörfer in verschiedenen infrastrukturellen Zerfalls-Stadien fanden wir uns in Baku in einer anderen Welt. Hier werden die Petro-Dollars also ausgegeben! Baku die Weltstadt – was am Stadtrand mit Villen begann, wurde in den Vororten zu grosszügigen Wohnanlagen und steigerte sich im Zentrum schliesslich zu einem Bau-Wahn à la Ashgabat. Hinter kilometerlangen, nagelneuen Hafenpromenaden und überschattet von Hochhäusern warteten Parks, Wasserspiele und Nobelboutiquen auf Besucher. In Bakus westlichem Zentrum tummelten sich vorwiegend Gäste aus der russischen und der arabischen Welt. Hotpants und Burkas assen bei McDonalds, shoppten und flanierten auf den Promenaden.

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In Baku prallen Alt und Neu ungebremst aufeinander.

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Öl wird plötzlich sichtbar. Am Stadtrand von Baku pumpen kleine und grosse Fördertürme um die Wette …

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…während im Zentrum Touristen um die Wette shoppen.

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Manche beobachten das Treiben mit Gelassenheit.

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Andere bringen sich in Pose. Baku.

Nach Baku wurde es wärmer, ja heisser! Bei Temperaturen knapp unter 50 Grad verliessen wir die Stadt im dichten Verkehr. Bei dieser Hitze lockten unnatürlich steile Schotterstrassen und grosse Umwege wenig. Wir entschieden uns stattdessen für Asphalt, mit der Aussicht auf regelmässige Abkühlung im Schatten – oder aus Gefriertruhen.

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Dieser Wirt serviert uns spannende Geschichten und heissen Tee.

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Ein Abschiedsgeschenk: Hausgemachtes Rosenwasser – man lasse sich nicht von der Flasche täuschen – gehört in Aserbaidschan in den Tee.

Die Tage flogen auf Pannenstreifen von Autobahnen und Überlandstrassen vorbei. Morgens krochen wir jeweils bereits mit stiller Vorfreude auf das Mittagessen aus dem Zelt und nachts heulten uns Schakale in den Schlaf. Trotz des sich wiederholenden Tagesablaufs blieb es dank vielen Begegnungen spannend. Von einem Wachmann lernten wir, wie Knoblauch nachts die Schlangen vom Zelt fernhält. Der Wirt eines Teehauses an der Strasse berichtete, wie er als Gefängniswärter in der Sowjetunion hätte Gefangene erschiessen sollen; darauf sei er geflüchtet. Und ein weiterer Wirt beschenkte uns zum Abschied mit einer (grossen) Flasche Rosenwasser für unseren Tee (in Azerbaijan eine Delikatesse), und – damit kein Hunger aufkommen konnte – steckten uns Brot backende Frauen dampfendes, ofenfrisches Fladenbrot sowie Passanten Früchte zu.

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Brot wird hier noch mit Stil geliefert …

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… oder an Ort und Stelle im heissen Ofen zubereitet.

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Die Bäckerin in ihrer Werkstatt.

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Während im Alltag die traditionelle Kleidung längst verschwunden scheint, finden wir auf Häusern und Mauern Bilder davon.

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Entlang dem ehemaligen Verlauf der Seidenstrasse fahren wir durch Aserbaidschan. Heute findet sich hier definitiv mehr Strasse als Seide.

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Natürlich statten wir im Städtchen Seki (Səki) der ehemaligen Karawanserei einen Besuch ab. Kamele gab es dort keine mehr…

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… dafür Touristen.

Unsere Zeit in Aserbaidschan war kurz, die Tage lang, die Strassen geteert – wir haben sie genossen.

Iran | Im Norden

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Juni 2018
9 Tage, davon 4 in Tabriz
468 km, 7’782 hm
2 Pässe, 100% geteert

Welcome to Iran! – mit offenen Armen empfangen
Dresscode – Jeans, Kopftuch & lange Ärmel
Menschen – im Land der Gastfreundschaft
Strasse – auf Asphalt über 1000 Hügel
Hitze – Nachmittage im Schatten

ROUTE | Agarak (Grenze Armenien) – Kharvana – Arzil – (Pass, ~2’450 m) – Ammnad – Täbris (Tabriz) – Heeris – (Pass, ~2’500m) – Meshginshahr – Kangarlu – Moradlu – Germi – Bilasuvar (Grenze Azerbaijan) Zu Karte und GPX-Datei

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ROUTE | Agarak (Grenze Armenien) – Täbris (Tabriz) – Bilasuvar (Grenze Azerbaijan) Zu Karte und GPX-Datei

Iran | Im Norden

Lange Zeit war bei einer Reise in den Iran das nötige Visum die grosse Hürde. 2004 hatte uns etwa die iranische Botschaft in Bischkek, Kirgisien, geschlagene zwei Wochen warten lassen. Diese Hürde hatten wir mit dem Erhalt des Visums in Jerewan bereits erfolgreich gemeistert. Die zweite Herausforderung war anderer Natur. Im Iran herrschen strikte Kleidervorschriften, besonders für Frauen. Das Tragen eines Kopftuchs ist – ausser in den eigenen vier Wänden – Pflicht. Ärmel und Hosenbeine müssen jeweils bis zu den Knöcheln reichen und dürfen nicht zu eng anliegen. Zwingend aber muss das Oberteil auch den Hintern bedecken. In der Praxis sind diese Regeln zwar verbindlich, werden aber für Touristinnen in den meisten Gegenden mit Nachsicht ausgelegt. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass auch Radfahren für Frauen im Iran eigentlich verboten wäre.

Ausserdem – und keinesfalls zu vernachlässigen! – lässt sich an iranischen Geldautomaten mit ausländischen Karten kein Bargeld beziehen. Die Reisekasse sollte in US Dollar oder Euro mitgeführt werden und kann vor Ort ‘schwarz’ (und zum doppelten des schlechten, offiziellen Wechselkurses) in iranische ‘Rial’ gewechselt werden. Dass die Preise im Iran jedoch nicht in ‘Rial’, sondern in ‘Toman’ (10’000 Rial = 1 Toman) angegeben werden, macht es nicht eben einfacher und scheint selbst die Iraner regelmässig zu verwirren. Die Nacht in einem Hotel in Täbris kam uns auf 600’000 Rial (60 Toman oder 8 USD) zu stehen, 1 Mal Duschen pro Person inbegriffen.

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‚Mashad Hotel‘ in Tabriz. Durch dunkle Vorhänge vor Blicken geschützt.

Mit einem Kopftuch und einer regelkonformen Über-den-Hintern-Bluse für Daina im Gepäck waren wir in Jerewan aufgebrochen und hatten uns weiter keine Gedanken mehr gemacht. Als uns aber an der iranischen Grenze plötzlich ein heisser Wind entgegenschlug, wurde es Daina mulmig. Würde sie bei dieser Hitze in Jeans und ‘Vollvermummung’ Radfahren können? Sie bekam es plötzlich mit der Angst zu tun, doch führte kein Weg daran vorbei. So schüttelte sie auf der Grenzbrücke zum Iran ein letztes Mal ihr Haar im Wind, legte das Kopftuch über und rollte die hochgekrempelten Ärmel lang.

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Iran, ab jetzt mit Kopftuch – immer.

Unser Plan für den Iran war simpel. Möglichst direkt wollten wir von der armenischen Grenze in Agarak die 160 km südlich gelegene Stadt Täbris (Tabriz) erreichen, um dann in nordwestlicher Richtung zur aserbaidschanischen Grenze zu fahren.

Die Reise durch den dünn besiedelten, bergigen und oft wüstenartigen Norden begann, keine 20 km nach unserer Einreise in den Iran, mit einer eigenartigen Begegnung. Ein Motorradfahrer hielt an und zeigte uns, nachdem er uns vor Schlangen gewarnt, mehrmals in sein Funkgerät gesprochen und ungeduldig neugierige Autofahrer durchgewunken hatte, ein Bild. Darauf war (wahrscheinlich) er selbst zu sehen, dem eine Pistole an den Kopf gedrückt wurde. Angesichts seines nicht eben glücklichen Gesichtsausdrucks auf dem Bild und der Tatsache, dass wir bei gefühlten 45 Grad mitten in einer ausgetrockneten Mondlandschaft standen, mutete dies etwas seltsam an.

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Über Hügel und Pässe windet sich die Strasse südwärts nach Tabriz …

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… und verschafft uns unerwartete Fernsicht.

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Dazwischen passieren wir einzelne Dörfer.

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‚Parvaz‘ passiert uns nach wenigen Kilometern im Iran. Er stellt Fragen, warnt uns vor Schlangen und zeigt uns merkwürdige Fotos.

Doch in den Stunden und Tagen darauf tauchten wir ein in ein Land der Gastfreundschaft. Einen ersten Geschmack davon erhielten wir, als wir gegen Abend dieses ersten Tages einen Platz für die Nacht suchten. Waren wir morgens durch menschenleere Gebiete mit scheinbar endlosen Camp-Möglichkeiten gefahren, war das Tal um uns herum nun dichter besiedelt und bis an die aufragenden Steilhänge heran mit Feldern überzogen. Schliesslich liess uns ein freundlicher Bauer neben seinem Feld campieren. Als wir gerade die letzten Nudeln aus der Pfanne kratzten, kam der Mann auf einem kleinen Esel geritten. In rührender Besorgtheit drückte er uns ein in Tuch gewickeltes Paket in die Hand: Ein Abendessen aus frischem Brot, Käse und Waben voller Bienenhonig, dazu einen Kanister voller Trinkwasser. Bevor er auf seinem Esel wieder in die Dunkelheit verschwand, hebelte er gleich auch noch das bewährte Bewässerungssystem aus Gräben, welches die Felder verband, für uns aus. Im Schein des eben aufgehenden Mondes genossen wir einen ‘Nachtisch’, der uns ob so viel Gastfreundschaft dankbar und nachdenklich stimmte.

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Nachtessen für die Reisenden. Ein Bauer überrascht uns mit einem Paket: Trinkwasser, Brot, Käse und triefende Honigwaben. Welch ein Empfang im Iran!

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Gegen Mittag sind wir für Leckereien immer gerne zu haben. Dieses Essen in einem Teehaus lässt uns noch lange davon träumen. Fast Food – nachhaltig.

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Brot kommt im Iran in vielen Formen daher. Wie oben, hauchdünn wie Papier, oder so wie hier. Was nach Skateboard aussieht, ist ein Brot. Morgens frisch beim Bäcker gekauft, wird es oft noch vor Ort verputzt.

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Wir gewöhnen uns gerne an direkt auf dem Gehsteig zubereitete Lammspiesse.

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An manchen Tagen aber ist Schatten rar und das Essen mitgebracht.

40 km vor Täbris wurde der Verkehr zusehends dichter. Die Dörfer schienen zu verschmelzen und schon bald fanden wir uns auf dem Pannenstreifen der Autobahn wieder. Nach zwei Monaten auf ruhigen Strassen, Pisten und Pfaden kam dies einem Kulturschock gleich und war ein Erlebnis für sich. Je näher wir der Stadt kamen, umso dichter wurde der Verkehr und umso mehr Spuren gesellten sich dazu. Zwischen diesen konnte man scheinbar spontan und ohne Vorwarnung wechseln! Auch schien es die Möglichkeit zu geben, ein überholendes Fahrzeug zu überholen, den Pannenstreifen für diesen Zweck zu nutzen oder darauf, falls nötig, die entgegengesetzte Richtung einzuschlagen. Auch Einbahnstrassen schienen in ihrer Fahrtrichtung nur bedingt verbindlich zu sein. In einem Land, in dem der Staat die Regeln sprichwörtlich diktiert und Kontrolle allgegenwärtig ist, schien es uns oft so, als ob der Verkehr eine der wenigen Möglichkeiten für die Menschen biete, sich frei ‘auszudrücken’. Dass dies via Gaspedal geschieht, ist natürlich unglücklich.

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Eine Kreuzung mitten im Nirgendwo. Die Strasse wird breiter, der Verkehr bald dichter. Wir biegen links ab.

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Auf der Autobahn nach Tabriz – Immersion pur.

«Welcome to Tabriz!», «Welcome to Iran!», «Welcome to my country!» Immer wieder hörten wir solche Rufe von Passanten, ob alt oder jung, in der Stadt oder auf einem Feld. Menschen winkten uns im Vorbeigehen zu oder hupten hinter, vor und oft direkt neben uns. Man sprach uns an, wollte Englisch sprechen, Zeit verbringen oder uns einfach nur helfen. Beim Schlendern durch einen beliebten Park am Stadtrand von Täbris sprach uns etwa eine junge Frau an und wir verbrachten den Rest des Nachmittags bei Eiscrème und Gesprächen über das Leben, Familie, die Liebe und die Regeln hier und dort, bevor sie uns im Wagen ihrer Eltern zurück ins Zentrum fuhr.

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Tabriz mischt Tradition mit Moderne und trumpft gar mit einer westlich anmutenden Einkaufsmeile auf.

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Ein Kiosk im Zentrum von Tabriz.

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Der riesige Bazar von Tabriz, einer der grössten im Iran: Ein endloses Labyrinth von Gängen und Hallen.

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Tee oder Gewürze vielleicht?

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Nüsse in allen Formen und Grössen werden angeboten: Getrocknete Energie für lange Tage auf heissem Asphalt oder einfach handliche Snacks. Wir stocken auf.

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… und auch beim Käse greifen wir zu. Die arabischen Zahlen geben den Preis statt in der offiziellen Währung Rial in ‚Toman‘ an. Bezahlt wird trotzdem in Rial!

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Freitags ist der Bazar ausgestorben…

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Wir fahren zum beliebtesten Park der Stadt. Wir sind dort nicht die einzigen.

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Ein Nachmittag im Park. Eiscreme mit Fatima, die wir dort kennenlernen.

Anderswo wieder drückte man uns Brote in die Hand und immer wieder steckte uns jemand Früchte oder Süssigkeiten zu. Eins ums andere Mal wurden wir zum Tee eingeladen – so oft, dass wir nicht jedes Mal annehmen konnten – und während der Fahrt oder in Pausen am Strassenrand hielten Passanten an, um uns Wasser oder Getränke anzubieten oder uns wortlos kleine Geschenke in die Hände zu drücken.

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Im Bazar von Tabriz. Wir verhandeln hart, um bezahlen zu dürfen, ohne Erfolg.

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Selfie hier, Selfie da – Alltag im Iran.

Bizarr wurde es, als wir an einem heissen Nachmittag nordöstlich von Täbris von Ali in sein Haus zum Tee eingeladen wurden. Ali war mehrmals an uns vorbeigefahren und hatte schliesslich den Mut aufgebracht, uns anzusprechen und einzuladen. Wir versprachen ihm, ihn in seinem Haus im nächsten Ort zu besuchen, und tauschten Telefonnummern aus. Ali war noch keine Minute weg, da hielt das nächste Auto. Ein freundlicher Mann mit einem Rasenmäher auf der Ladefläche seines Pick-ups wollte uns zu sich nach Hause zu Tee und Essen einladen – ein Déjà-vu, was wir jedoch freundlich aber bestimmt ablehnen mussten.

Kurz darauf hielt ein weiterer Wagen. Ein junger Soldat drückte uns je eine Flasche Eistee und je eine Vanille-Eis in die Hand. Da er Dienst habe, könne er uns nicht einladen, entschuldigte er sich! Er brauste davon und schon wenige hundert Meter später, direkt am Ortseingang, wartete ein kleines Empfangskomitee von örtlichen Radfahrern auf uns zu, zusammen mit dem ‘Rasenmähermann’. Und auch Ali war da! Es wurden Fotos gemacht, Hände wurden geschüttelt und es wurde viel gelacht – am meisten lachte jedoch der sympathische Ali. Er hatte uns zuerst entdeckt, wir waren seine (wenn auch ob der gewöhnungsbedürftigen Aufmerksamkeit etwas verwirrten) Gäste.

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Wir werden erwartet – Empfang am Ortseingang.

Ali (auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin posten wir hier keine Bilder von Ali oder seiner Familie) führte uns zu seinem Haus, wo er uns seine liebe Frau Leila, seine Tochter und ihren kleinen Sohn vorstellte. Wir assen, tranken Tee, versuchten Sprachbarrieren zu überwinden und hatten eine gute Zeit. Aufgrund der Hitze mit Höchsttemperaturen weit über 40 Grad hatten wir vor, den Anstieg des bevorstehenden Passes noch am selben Abend in Angriff zu nehmen. So konnten wir zum einen im Sattel von den etwas kühleren Abendtemperaturen profitieren, zum anderen würden wir aber in der Höhe auch besser schlafen. Und dies, ohne dabei im eigenen Saft zu schmoren. Ali liess uns etwas widerwillig ziehen, bestand aber resolut darauf, mit seiner Familie im Auto voraus zu fahren und nach einigen Kilometern mit einem kleinen Snack auf uns zu warten. So jagten wir Kilometer um Kilometer den Pass hinauf, getrieben von der Angst, Ali zu enttäuschen. Doch als nach 25 km und über 1000 Höhenmetern immer noch kein Ali in Sicht war, begannen wir an Alis Plan zu zweifeln.

Schliesslich, wir hatten bereits einen Nachtplatz in der Nähe der Passhöhe ausgespäht, kamen sie zurück. Wie sich herausstellte, hatten sie an einem schönen See, nochmals 20 km weiter und bereits weit auf der anderen Seite des Passes, auf uns gewartet! Doch damit nicht genug. Mittlerweile etwas genervt, bestand Ali darauf, uns in sein Auto zu verladen. Auf Alis Drängen liessen wir unsere Räder (wenn auch sehr widerwillig) im Kuhstall von Leilas Verwandten zurück. So kam es, dass wir einen wundervollen Abend mit Ali und seiner Familie verbrachten. Die Frauen (auch seine Schwestern und sein Vater waren gekommen) tanzend im Haus, die Männer Tee trinkend auf einem Teppich im Garten, der Samowar ständig heisses Wasser für frischen Tee liefernd. Am nächsten Morgen setzte uns Ali wie versprochen wieder an derselben Stelle oben am Pass ab, wo unsere Räder von grossen, übel hustenden Hunden bewacht worden waren.

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In den Bergen leben im Sommer halbnomadische Hirten in Jurten und Zelten.

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Freundlicher Hirte. Die Rinder, Schafe und Ziegen der Nomaden grasen an den Hängen. Ihre Hunde sind gefürchtet und wollen uns ans Fleisch.

Auf unserem Weg durch den Iran änderte sich die Landschaft um uns herum ständig. Von kargen Wüsten und trockenen Flussläufen über grüne Oasen und wogende Weizenfelder bis hin zum schneebedeckten Vulkan und zu endlosen Hügeln war alles dabei. Was blieb, waren die Hitze und der von ihr diktierte Tagesablauf. Wir versuchten, so früh wie möglich auf der Strasse zu sein. In den morgendlich ‘kühlen’ Temperaturen liessen sich bereits 50 bis 70 Kilometer zurücklegen, bevor es spätestens nach 13 Uhr zu heiss zum Radfahren wurde und die Sonne uns in den Schatten zwang. Diesen suchten wir bevorzugt in Parks in Dörfern oder Städtchen. Aber auch Autobahn-Raststätten mit schattigen Rasenflächen oder bepflanzte Verkehrskreisel kamen uns gelegen – nein, wir waren nicht die Einzigen, die dort Schatten suchten. Als wir eines Mittags auf einer solchen Raststätte den Eis-Lieferanten bei seiner Arbeit beobachteten, malten wir uns aus, wie wir ihn überfallen und an seine süsse, kühle Fracht kommen würden. Dies erübrigte sich, als 20 km später eben dieser Lastwagen vor uns auf dem Pannenstreifen der Autobahn hielt und der Lieferant uns breit grinsend zwei exotische Eis in die Hände drückte. Kurz darauf war er nochmals da – er hatte vergessen, ein Selfie für Instagram mit uns zu schiessen!

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Nachmittags sind die guten Plätze im Schatten bereits besetzt. Dieser Verkäufer war in Plauderlaune.

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Diese Wanderarbeiter ziehen mit ihren Mähdreschern durchs Land. Sie drücken uns Gläser mit heissem Tee in die Hände. Und dann Selfie.

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Eiscreme, selten so gut! Bei Gegenwind und sengender Hitze drückt uns ein Eis-Lieferant auf der Autobahn je eine kühles Eis in die Hand!

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Über der Baumgrenze wird es stachlig und karg.

So freundlich die Menschen auch waren, immer wieder wurden wir mit den Regeln und Gesetzen der islamischen Republik konfrontiert, auch jenseits der Kleiderordnung. In Restaurants wurde uns ein Platz ‘bei den Familien’ zugewiesen und Teehäuser waren für Frauen tabu. Alkohol war es sowieso, obwohl wir den nach Georgien nicht wirklich vermissten. Männer sprachen erst mit mir, Frauen erst mit Daina. Als wir in einem kleinen Dorf im einzigen Laden etwas zu trinken kaufen wollten, war dort leider gerade nichts verfügbar. Kurzerhand führte uns der junge Besitzer zum nahen Teehaus, dem einzigen im Dorf. Dieses war geschlossen, wurde aber für uns aufgesperrt und es wurde Tee aufgesetzt. Während Robin im kühlen Inneren mit den Männern Tee schlürfen durfte, wurde Daina draussen in der Sonne von den Frauen des Dorfes herzlich aufgenommen und ausgefragt. Frau war unter sich. Selfies inklusive.

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Zu Teehäusern haben Frauen keinen Zutritt. Dieser freundliche Herr serviert Daina ihren Tee im Freien.

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Draussen gibt es keinen Schatten, doch viel muntere Gesellschaft!

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Die nächste Moschee ist meist nicht weit und der Rufe des Muezzin hallt weit in die Hügel hinaus.

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Regelkonform mit langer Bluse und Jeans. Unsere selbstgenähten Taschen halten, doch der Rücken von Dainas Bluse hält der täglichen Dosis Salz und Sonne nicht stand und verbleicht.

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Tee, im Iran immer und überall – getrunken mit viel Zucker.

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Auch überall: Propaganda.

Unsere Zeit im Iran war kurz. Wir hatten eigentlich nur einen Weg gesucht, von Armenien nach Azerbaijan zu fahren. Da die beiden Länder immer noch miteinander im Krieg um Berg-Karabach (Nagorno-Karabach) stehen, sind die direkten Grenzen geschlossen. Und hier kam der Iran ins Spiel. Wir wussten, dass es ein neues Kapitel dieser Reise werden würde, weg von den geliebten, staubigen Pisten und holprigen Pfaden, zurück auf die Strassen – damit zur traditionelleren Art des Radreisens – und nahmen es in Kauf.

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Glück trotz Asphalt.

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Abseits der Städte sind Irans Strassen zu fast 100% asphaltiert, aber über weite Strecken beinahe verkehrsfrei.

Hatten wir bei unserem letzten Besuch des Landes (2005, damals mit dem Rucksack von Asien her) den Iran der Städte, der gekachelten Moscheen und der historischen Stätten besucht, so wurde diese neue Reise durch den Iran der Menschen, geprägt von Freundschaft und Begegnungen. Eine Reise, die jeden Meter heissen Asphalts wert war! Aber es machte uns auch nachdenklich und zeigte uns auf, was Freiheit wirklich bedeutet und wie ein Leben ohne sie sein kann.

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Doch im Sattel sind wir frei, auch bei erbarmungslosem Gegenwind.

Nichtsdestotrotz waren wir froh, als wir am Grenzübergang in Bilasuvar nach einer letzten freundlichen Passkontrolle ins Niemandsland zu Azerbaijan entlassen wurden – und Dainas Haare wieder frei im Winde wehen durften.

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Die Mullahs wachen über dem Grenzübergang nach Azerbaijan in Bilasuvar und wollen nicht geknipst werden. Fotografiert durchs Moskitonetz aus der Dunkelheit unseres Hotelzimmers.

Galerie:

Armenien | Berge & Klöster

Juni 2018
21 Tage, davon 7 Ruhetage
727 km, 15’966 hm
6 Pässe, davon 3 ungeteert

Frühling – im Land der Aprikosen
Berge – Pässe & endlose Blumenwiesen
Hirtenhunde – Bestien im XXL-Format

ROUTE | Grenze Georgien (Bavra) – Trchkan Wasserfall – Shirakamut – Spitak – Vanadzor – Margahovit – Meghradzor (via H27, GPX Tracks zum Download) – Hrazdan – Arzakan – Saralanj – Yeghvard – Yerevan – Geghard – Geghamagebirge (GPX Tracks zum Download) – Nshkark – Selim Pass – Shatin – Karmrashen – Sisian – Vorotnavank Kloster – Shenantagh – Tatev (GPX Tracks Shenantagh – Tatev hier) – Karpan – Meghri (via M17) – Agarak (Grenze Iran)

ARMENIEN

Bereits die letzten Dörfer in Grenznähe zu Armenien haben sich nicht mehr georgisch angefühlt. Die Menschen sahen anders aus, sprachen armenisch und die Autos waren (noch) klappriger. Aprikosen, so hatte man uns bereits gesagt, wären in Armenien am besten. Und unsere Erwartungen wurden nicht enttäuscht: Sie waren süss, fruchtig, saftig und vor allem omnipräsent! Waren wir nicht gerade abseits jeglicher Zivilisation in den Bergen, so verging selten ein Tag, an dem uns nicht jemand frische Aprikosen in die Hände drückte. Mehr als einmal sprangen Aprikosenhändler vor uns aus ihren überfüllten kleinen Ladas, um uns mit den süssen Früchten zu überhäufen. Manchmal gab es dazu gleich auch noch anderes Gemüse.

Von den Aprikosen abgesehen, haben wir an Armenien keine Erwartungen gehabt. Umso schöner war es, ein Land voller offener, freundlicher und herzlicher Menschen bereisen zu dürfen. Passanten und Hirten kamen auf uns zu, löcherten uns mit Fragen und gaben uns Tips. Autofahrer hielten, boten uns Wasser an. Und bereits im ersten Dorf nach der Grenze drückte uns ein Soldat je ein Glacé in die Hände: „Welcome to Armenia!“

Selbst genäht für diese Reise: Satteltaschen am Sattel/Hinterradträger sowie an Lenker/Vorderradträger vermitteln ein komplett neues Fahrgefühl. Das Gewicht ist da, doch wirkt es sich (anders als die Seitentaschen) kaum auf die Fahreigenschaften des Rades aus.

Armenien blüht und strahlt in allen Farben!

Weniger freundlich begrüsst wurden wir, besonders in abgelegenen Gegenden, von den armenischen Hirtenhunden. Diese Bestien im XXL-Format drehten bei unserem Anblick teils völlig durch und wurden zu Löwen. Altbewährte Hunde-Deeskalations-Taktiken wie Brüllen, Drohen oder Gegenangriff halfen nur begrenzt. Die Hunde drehten kurz ab, nur um Sekunden später, noch wütender, wieder zum Angriff überzugehen. Es blieb uns nur, auf Hilfe zu warten und zu hoffen, dass diese eintraf, bevor die Hunde zubissen. Hilfe kam dann meist in Gestalt eines Hirten aus einem nahen Zelt geschlurft. Teils waren die Viecher aber so in Rage, dass sie die Kommandos ignorierten und von den Hirten nur durch rabiates (sprich brutales) Zerren an den Hinterbeinen von uns abgebracht werden konnten. In einem Fall machte dies einen der Hunde – sein Kopf fauchte und triefte auf Ellbogenhöhe! – so wütend, dass er den Kopf seines Kameraden keine zwei Meter neben uns zu zerfleischen begann.

Wo Hirten sind, warten oft Hunde auf uns.

Wenigstens mit den Menschen klappte die Kommunikation meist problemlos, trotz unserer rudimentären Russisch-Kenntnisse. Englisch war hier viel weiter verbreitet als im benachbarten Georgien.

Wie in der ganzen Kaukasus-Region war der Frühling 2018 sehr nass ausgefallen. Unsere erste Woche in Armenien war dann auch von Gewittern geprägt. Der Staub der Nebenstrassen verwandelte sich in klebrigen Schlamm, kleine Bäche wurden zu Flüssen und eine Passstrasse glich einer Wasserrutsche. So war statt Fahren immer wieder Schieben angesagt, und die Crocs an unseren Füssen zeigten hier ihr wahres Können.

Leicht gepackt ist gut getragen – könnte man denken.

Bei Margahovit steigen wir hoch und folgen einer alten Strasse südwärts über die Berge.

Dunkle Wolken drohen, doch meistens sind wir schneller.

In Afrika, genauer in Gabun, hatte man uns vor einigen Jahren befohlen, vor dem Besuch der Hauptstadt aus Respekt gefälligst (!) unsern alten Jeep zu waschen. In Erinnerung daran – und um unsere Chancen bei der Hotelsuche zu erhöhen – gönnten wir unseren Fahrrädern am Stadtrand von Jerewan, der Hauptstadt Armeniens, eine ordentliche Reinigung, die an ein Schaumbad grenzte.

Schaumbad for hard working bikes.

Jerewan wir kommen!

Als erstes galt es dann in Jerewan auf der iranischen Botschaft ein Visum zu ergattern. Den nötigen Antrag hatten wir bereits zwei Wochen zuvor online gestellt. Dies ist aber kein Garant dafür, das Visum auch wirklich zu bekommen. Doch die Botschaftsmitarbeiter waren freundlich und zuvorkommend. Sie hakten beim Ministerium in Teheran nach – und drei Tage später hatten wir beide ein gültiges Visum im Pass! Wir konnten es kaum glauben, hatten wir doch mit dem Schlimmsten gerechnet: Beim letzten Mal, 2004 in Bishkek, Kirgisien, hatte man uns nämlich geschlagene zwei Wochen täglich antraben und warten lassen!

Die fünf Tage in Jerewan, einer schönen, grünen und überraschend westlichen Stadt mit 1 Mio. Einwohnern, nutzten wir auch zur Planung der Weiterreise. In stunden-, wenn nicht tagelangem Studium vom Onlinekarten (Openstreetmaps, OpenHikeHD) entstand eine Route durch die Berge.

Der Plan ging auf. Unsere Route führte uns von Jerewan nach Osten durchs das Geghamagebirge (Geghama Lerrnashght’a) zum Selim-Pass – ein grosser Umweg, aber ein schöner! Nach gut 30 km ging der Asphalt in Schotter über und nochmals 15 km später war von der Strasse nichts mehr übrig. Es blieben sanfte Spuren im Gras, dort wo einmal Autos gefahren waren. Dann verschwanden auch diese. Aber Smartphone- und Offline-Navigation sei Dank, wir hatten unseren Lotsen namens Samsung in der Tasche! Vorbei an den letzten Zelten der halbnomadischen Bauern, welche jetzt hier oben ihre Sommercamps errichteten, schoben wir die Räder immer höher, bis wir auch die letzten Kühe und Schafe hinter uns gelassen hatten.

Gesucht, gefunden. Schnell sind wir abseits jeder Zivilisation.

Der nasskalte Frühling hatte seine Spuren hinterlassen, an vielen Flanken und in schattigen Passagen lag noch meterdick Schnee. Nach einer Nacht im Zelt, zwischen hunderten Felsbrocken vor dem beissenden Wind geschützt, kamen auf der Weiterfahrt unsere breiten Reifen hier so richtig in Fahrt und zauberten uns ein breites Grinsen in die Gesichter. Umgeben von schneegekrönten Bergen rollten wir über saftige Wiesen, durchquerten sumpfige Senken im Sattel und ‚cruisten‘ über grosse Schneefelder. Wir waren im Bikepack-Paradise – und es sollte noch besser kommen.

Oberhalb vom 2500 m ist der Boden noch sumpfig von der Schneeschmelze.

Vorbei am ‚Geghasar‘ mit seinen 3’443 m. Viel fehlt nicht zum Gipfel.

Oberhalb von 3’000 m liegt teils noch Schnee. Wir haben unseren Spass, für alle anderen Fahrzeuge ist die Strecke unpassierbar.

Mit der (namenlosen?) Passhöhe auf 3‘199 m erreichten wir den höchsten Punkt dieser Route. Weit unten, auf 2‘000 m, glitzerte der Sewan-See in der Sonne, direkt dahinter ‚Bergkarabach‘ (‚Nagarno Karabach‘) und die Waffenstillstandslinie zu Aserbeidschan, mit welchem Armenien seit 1991 offiziell im Krieg steht. Doch ‚Nagorno Karabach‘ war für uns ‚off limits‘. Obwohl es ruhig ist und ein Besuch problemlos möglich gewesen wäre, wollten wir nicht riskieren, deswegen dann an der iranisch-aserbeidschanischen Grenze zurückgewiesen zu werden.

Vor uns lag jetzt eine der bisher unvergesslichsten Abfahrten hinunter in die Ebene, von wo uns nur noch ein kurzer Aufstieg zum Selim-Pass (2‘410 m) trennte, der früher auch als Vardenyats Pass bekannt war. In Ermangelung eines Pfades holperten und kurvten wir an die 1000 Höhenmeter hinunter – auf einem scheinbar endlosen Teppich von farbige Blumen.

Ein Traum in bunt. Blumenwiesen soweit das Auge reicht!

Eine unvergessliche Abfahrt: 1000 Höhenmeter Blumenwiesen!

… … Blumen!

Dieser freundliche Hirte reitet verdutzt auf uns zu, als wir von hoch oben herabkommen. Seine Tipps zum Umgang mit Wölfen sind aufschlussreich … wie auch die Warnungen vor seinen Hunden!

Hier oben hatte um diese Jahreszeit niemand mit uns gerechnet! Auf der Passhöhe schlug unsere Erscheinung zwei Füchse in die Flucht, wenig später suchten zwei Wölfe das Weite. Diese wären für Menschen keine Bedrohung, erklärte uns später ein freundlicher Hirte in einer Mischung aus Russisch und Zeichensprache – man müsse sie bloss erschiessen, bevor sie beissen. Zum Abschied warnte er uns dann noch vor seinen eigenen Hunden!

Ausblick vom Selim-Pass: Armenien scheint aus Bergen zu bestehen … und die Osttürkei in der Ferne ebenso.

So schön es auch wäre, Schotterstrassen und Blumenwiesen stehen nicht täglich auf dem Programm. An manchen Tagen ist Asphalt Trumpf.

Unsere Route durch Armenien bestand aus einer einzigen Abfolge von Tälern und Pässen. Generell begannen wir nach 19 Uhr nach einem Campspot Ausschau zu halten. Einmal, nach Sisian, es begann bereits einzudunkeln und Gewitterwolken zeigten gewaltige Drohgebärden, hatten wir immer noch keinen Nachtplatz gefunden. Und dann öffnete sich unverhofft das Tal vor uns. Und gab den Blick auf ein altes Kloster frei. Das Kloster ‚Vorotnavank’ sass auf einem Felsvorsprung und bot uns, im Schein der letzten Sonnenstrahlen, seinen Schutz an – den wir dankend annahmen! Das Kloster aus dem 11. Jh. war verlassen, es war durch ein Erdbeben im Jahre 1913 teils beschädigt, aber wunderschön. So hatten wir es in all seiner Pracht für uns alleine! Mit Blick auf den alten Friedhof und den klostereigenen Aprikosengarten platzierten wir das Zelt windgeschützt im Hof und kochten, während sich rundherum das Gewitter austobte, ein bescheidenes Abendessen. Göttlich!

Und göttlich ging es dann auch gleich weiter, mit einem Besuch beim (viel bekannteren) Kloster von Tatev.

Das verlassene Kloster Vorotnavank bei Sisian bietet Schutz. Wir nehmen dankend an und campieren neben den dicken Mauern.

Wir erkunden die Kapelle, die Gemächer und alle möglichen nasskalten Kammern…

… und staunen ob der alten Steine und Inschriften.

… dieser hat jedoch seine Tücken. Er führt über einem Pass, ist teils überwachsen und die letzten zweihundert Höhenmeter sind nicht fahrbar.

Der Besuch des Klosters von Tatev will verdient sein. Wir suchen und finden einen Weg abseits von Asphalt und Verkehr …

Der Weg sei das Ziel, doch auch das Kloster ist schön.

Der Grenze zu Nagorno Karabach folgend hielten wir südwärts und erreichten schliesslich, keine 20 km von der Grenze zu Iran, den Meghri Pass. Und damit traten wir ein in eine völlig andere Welt. Das üppige Grün, das wir in Armenien so geliebt und genossen hatten, wich einer schroffen, kargen Wüstenlandschaft. Gegen Böen in Backofentemperatur fuhren wir hinab in die Hölle, die hier in trocken-staubigem Braun gehalten war.

Entlang der Grenze zu Nagorno Karabach finden sich stumme Zeugen sinnlosen Blutvergiessens, verlassen am Strassenrand. Der Helm hat mehrere Löcher …

Zwischen Mohn und Bergen: Ausblick vom Meghri-Pass (2’254 m) und zugleich nach vorne.

Doch Armenien hatte noch eine letzte Überraschung für uns bereit. Am Grenzfluss zum Iran, weniger als 20 km vor der Grenze in Agarak, wurden wir an einem Checkpoint angehalten. Zu unserem Erstaunen wurden hier unsere Pässe (und auch unsere Fotos auf Robins Telefon!) von Soldaten kontrolliert. Auf Nachfrage stellten wir erstaunt fest, dass es sich bei ihnen nicht etwa um armenische, sondern von russische Soldaten handelte. Man traute uns anscheinend nicht! Waren wir Fahrradspione? Wollten wir vielleicht heimlich den Grenzfluss durchschwimmen? Zur Sicherheit setzte man danach zwei Russen in Zivil in einem schwarzen Lada mit getönten Scheiben auf uns an. Ihren Auftrag, uns auffällig zu beschatten, unfreundlich zu kontrollieren und bedrohlich zu blicken, haben sie über eine gewisse Strecke perfekt ausgeführt.

Am Ende der Serpentinen wartet ein russischer Checkpoint auf uns. Und dahinter ein neuer Abschnitt dieser Reise: Der Iran.

Nach genau drei Wochen in Armenien war es an der Zeit weiterzuziehen. Land und Leute hatten uns begeistert, Aprikosen täglich unser Leben versüsst, und die Berge hatten sich von ihrer besten Seite gezeigt – wir wären am liebsten geblieben. Merci Armenien! Շնորհակալություն Հայաստան!

Georgien | Westlicher Kaukasus

Mai / Juni 2018
22 Tage
986 Kilometer, 21’777 gestiegene Höhenmeter

Tiflis – Sattelt die ‘Pferde’!
Kaukasus – Pässe, Schlamm & Schnee
Menschen – harte Blicke, sanfte Seelen
Pläne – Georgien, Armenien, Iran, Aserbaidschan

ROUTE | Tiflis – Gori – Sachkhere – (Track über Pass) – Ambrolauri – Tsageri – Lentheki – Zagari-Pass (2’650 m) – Ushguli – Mestia – Kutaisi – Sairme – Aspindza – Vardzia – Akhalkalaki – Ninotsminda / Bavra (Armenien)

Georgien tickt anders. Dies merkten wir gleich nach unserer Ankunft in Tiflis, als uns der Besitzer des ‘Hostels’ morgens um 5 Uhr als erstes Bier vorsetzen wollte. Er habe soeben seine neue, eigene Wodka-Destille getestet – wie uns schien erfolgreich. Nach über zwölf Stunden Reisezeit mit fünf Stunden Aufenthalt in Istanbul, mussten wir übermüdet ablehnen. Dass dies nicht immer so einfach sein sollte, würden wir in den nächsten Tagen noch feststellen.

So verbrachten wir die ersten beiden Tage in Tiflis damit, die Stadt zu erkunden, unsere Räder zusammenzusetzen und das Gepäck an den Rädern festzumachen. Einmal mehr hatten wir im Vorfeld dieser Reise unser Gepäck optimiert und neue Taschen genäht. Mehr dazu aber im Detail in einem Blogpost zum Ende der Reise, voraussichtlich Ende Juli 2018.

Ausserdem wollte auch noch die im Vorfeld (grob) geplante Route angepasst werden. Denn – wer hätte das gedacht – oberhalb von 2000 m über Meer lag immer noch Schnee und viele Pässe schienen noch unpassierbar. Doch ein neuer Plan war schnell gefasst: Wir wollten erst einmal westwärts fahren und dann, in einem grossen Bogen den ‘Kleinen Kaukasus’ erkundend, wieder nach Osten abdrehen, um schliesslich nach Baku ins benachbarte Azerbaidschan zu gelangen. Von dort wollten wir Mitte Juni nach Duschanbe in Tajikistan fliegen, um die hohen Berge des Pamir zu befahren.

Dieser Plan war gerade einmal zwei Tage alt, als wir im kleinen Städtchen Gori (der Geburtsstadt Stalins, die 2008 im Krieg um Südossetien von der russischen Armee angegriffen und besetzt worden war) der Verlockung der hohen Berge nicht widerstehen konnten. Anstatt weiter westwärts zu fahren, drehten wir nach Norden ab und folgten dem südossetischen Grenzverlauf – unerwartet Checkpoint-frei – nach Norden, wir hielten geradewegs auf die Berge zu.

Tbilisi (Tiflis): Stahlrahmen und dicke Reifen

Wir erkunden die Stadt…

… während andere im Sonnenschein tanzen.

Stalin, im kleinen Städtchen Gori geboren, lebt in manchen Gärten weiter

Georgien blüht und wir sind mitten drin.

… andere ebenso.

Aber nicht alle stehen gerne im Mittelpunkt.

Doch wie so oft verlaufen die Strassen nicht dort, wo man sie gerne hätte. In Sachkhere versperrte uns eine Bergkette den direkten Weg und versuchte uns zu einem Umweg von etwa drei Tagen zu zwingen. Aber dank Smartphone und digitalen Karten fanden wir schnell eine direkte, wenn auch ungewissere Route von Sachkhere nach Ambrolauri. Bei der örtlichen Feuerwehr in Sachkhere, wo wir um einen Platz zum Campen im Garten gefragt hatten, hielt man die Passierbarkeit des Weges für ungewiss. Gewiss aber sei es dort steil und schlammig. Auch riet man uns – mittels ‘Google Translate’ – von jener Route ab und warnte uns insbesondere davor, die Nacht oberhalb der Baumgrenze zu verbringen. Bären, Wölfe, „Problema!“ Durch solche Aussagen etwas unter Druck, brachen wir frühmorgens auf, um die Passhöhe auf über 2100 m vor Sonnenuntergang erreichen und überqueren zu können.

Und es wurde steil. So steil, dass wir bereits auf den ersten hundert Höhenmetern Aufstieg immer öfter aus den Sätteln gezwungen wurden. Als die steinige Strasse dann in eine schlammige Offroad-Piste überging, war an Fahren nicht mehr zu denken. Stattdessen wuchteten wir unsere beladenen Räder Meter um Meter vorwärts, aufwärts. Nachmittags um 3 Uhr, auf bereits 1600 m Höhe angelangt, warfen wir für einen Moment das Handtuch – beziehungsweise die Räder in den Dreck – und beschlossen umzukehren. Wir hatten bereits 1000 Höhenmeter zurückgelegt, wovon geschätzte 900 Höhenmeter geschoben. Doch zur Passhöhe fehlten uns noch immer 500 Höhenmeter – und jetzt sollte es erst richtig steil werden. Aber es liess uns keine Ruhe.
Zwei Stunden später standen wir auf der Passhöhe – eines Passes, dessen Namen wir nicht einmal kannten. Ziemlich erschöpft schoben wir unsere Räder über ein Schneefeld, bevor wir euphorisch in den Sonnenuntergang holperten. Abwärts, natürlich weiter ohne Asphalt.

Die Feuerwehr in Sachkhere lässt uns nicht im Garten zelten, sondern stellt uns ein leeres Zimmer zur Verfügung.

Wie sagten die Jungs von der Feuerwehr: Steil…

… und schlammig! Der Regen in der Nacht zuvor macht die Sache auch nicht griffiger.

Passhöhe auf 2’100 m. Wir erhaschen erste Blicke auf die weissen Riesen des Hohen Kaukasus … und die bevorstehende Abfahrt.

Doch erst gilt es noch ein kleines Schneefeld zu überqueren. Nachdem wir unsere Räder 1’500 Höhenmeter hochgewuchtet haben, fällt diese kleine Rutschpartie nicht mehr ins Gewicht.

Von den hohen Bergen im Svaneti National Park trennte uns 160 km später ein weiterer Pass (Zagari-Pass, 2’650 m), diesmal allerdings mit wirklicher Strasse – die aber stellenweise noch unter Lawinenkegeln begraben lag und daher für den Verkehr geschlossen war. Ein Glück, dass sich Fahrräder, wenn auch mühsam, tragen lassen.

Wenige Tage später wartet bereits der nächste Pass (Zagari-Pass, 2’650m) und hält statt Schlamm Schnee für uns bereit.

Im faulen Schnee finden wir keine Zeit, uns auf die faule Haut zu legen.

Oben angekommen fallen all die Mühen des zweitägigen Anstiegs von uns ab, es bleibt pure Freude!

Freude, gefolgt von einer Abfahrt nach Ushguli.

Das 2’100 m über dem Meeresspiegel gelegene Dorf Ushguli …

…trumpft mit Wehrtürmen und Ladas auf.

Doch uns interessieren besonders Kaffee, Cola und Kekse.

Der Pass ist bezwungen, doch dauert es noch lange, bis wir einen flachen Fleck für die Nacht finden.

Auch im Kleinem Kaukasus warteten Kurven, wie hier im Borjomi-Kharagauli Nationalpark.

Dort kämpfen wir uns nicht durch den Schnee, lassen aber unsere Entourage davor posieren.

Dank dicken Reifen geht’s auch ohne Federung mit Schwung talwärts.

Wie daheim, mit staunenden Kühen auf satten Wiesen.

In Aspindza kommen wir in den Genuss schwefelhaltiger Bäder mit Soviet-Charme.

Während man im Hohen Kaukasus Wehrtürme baute, versteckte man im Kleinen Kaukasus Klöster in Höhlen und Felswänden.

Das Höhlen-Kloster von Vardzia, vor 1’000 Jahren erbaut, beherbergte einst 50’000 Menschen.

Das Wetter spielt verrückt und fährt täglich dicke Wolken auf.

Wer aufsteigt, kann Ausblicke geniessen.

Da tut jeder Sonnenstrahl wohl. Nicht nur uns.

Wir nehmen uns Zeit, erkunden Wasserfälle am Wegrand …

…. und staunen über wundersame Blumen.

…. in allen Farben.

Obwohl die Natur uns täglich aufs Neue begeisterte und mit ihrer unglaublichen Vielfalt überraschte, waren unsere drei Wochen in Georgien von den Menschen geprägt. Harte Gesichter zerbrachen innert Sekunden in freundliches Lachen. Und war das Eis erst einmal gebrochen, brachten uns die Menschen eine enorme Herzlichkeit – und auch Trinkfreude – entgegen! Immer wieder wurde uns von Wildfremden Brot und Käse gereicht oder wir wurden durch ein verschwörerisches Schnipsen gegen die eigene Kehle zum Trunk geladen.

Eine Familie nahm uns im Regen spontan bei sich auf, verwöhnte uns mit einem herzhaften Abendessen, gefolgt von Gläsern voller Wodka. Auch am nächsten Morgen liess man es sich nicht nehmen, uns gut auf den Tag vorzubereiten: Parallel zum Frühstück wurden Trinksprüche ausgebracht, bevor die Gläser, erst mit rotem und dann mit weissem Wein gefüllt, auf ex gestürzt werden mussten. Was früher bei der Tour de France ging, ging auch hier – dafür setzte dann 40 km später in der prallen Mittagssonne der Kater ein.

Diese Familie lädt uns bei strömendem Regen spontan in ihr Heim ein.

Wir bekommen ein Bett zugeteilt, während Mutter und Tochter in der Küche schlafen.

Unsere Gastgeber. Wladimir und seine Frau.

Die Nächte verbrachten wir nach Möglichkeit im Zelt. Jeweils gegen 19 Uhr begannen wir auf abzweigende Wege oder Pfade zu achten und wurden meist schnell fündig. Wir übernachteten ungestört in Blumenwiesen, zwischen Feldern oder in Wäldern. Einmal aber begingen wir den Fehler, das Zelt zu früh aufzustellen, und dies an einem Samstag. Innert kürzester Zeit statteten uns betrunkene Herren aus der Nachbarschaft einen Besuch ab. Wir wurden begrüsst und umtorkelt, es wurde über die Fahrräder gestürzt, in lauwarmen Kuhfladen ausgerutscht oder darin getanzt und man wollte uns wiederholt in Ladas verfrachten, um irgendwo Wein oder Chacha (Schnaps) zu geniessen. Während alldem wurden im Minutentakt Brüderküsse verteilt – bevor die Show wieder von vorne begann.

In Georgien wird Gastfreundschaft gross geschrieben! Wir werden von schlemmenden Familien mit Brot, Käse und Wein eingedeckt.

Restaurants locken uns mit köstlichen Snacks aus den Sätteln.

Man lässt Arbeit ruhen …

… und zwingt uns, Pausen einzulegen.

Die Prioritäten sind jedoch eindeutig!

In diesen drei Wochen wuchs in uns die Überzeugung, von unserem ursprünglichen Plan abzukommen. Anstatt nach sechs Wochen Georgien und Aserbaidschan von Baku nach Tajikistan in Zentralasien zu fliegen wurde uns klar: Wir waren gekommen, um zu bleiben – jedenfalls in der Region. Eine Runde in der ‘Nachbarschaft’ klang verlockend. Wir beschlossen, nach Armenien zu fahren und mit Glück ein Visum für den Iran zu ergattern. Von dort liesse es sich dann durch Aserbaidschan wieder zurück nach Georgien fahren – und bis dahin sollten auch die letzten Pässe des Grossen Kaukasus schneefrei sein. Mit diesem Plan im Gepäck verliessen wir Georgien und seine herzlichen Menschen und unglaublich schönen Landschaften nach drei Wochen, 986 Kilometern und 21’777 gestiegenen Höhenmetern nach Armenien. Wölfe und Bären hatten wir noch nicht gesehen – sie uns vielleicht schon. Georgia, we’ll be back!

Südkorea | Küsten und Strände

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November 2017
8 Radtage, 4 Ruhetage in Busan
533 km, 100 % asphaltiert

Gangneung – endlich am Meer!
Häfen – Fischerdörfer & Industriestädte
Südkoreas Ostküste – Klippen, Strände, Fischerdörfer
Nächte – Strände, Parks & selten Motels
Busan – ein neuer Plan: Japan!

ROUTE GANGNEUNG – BUSAN | 533 km

Route Seoul - Busan

ROUTE Gangneung – Busan | Gangneung – Donghae – Samcheok – Uljin – Pyeonghae – Ulsan – Busan (mehr oder weniger dem ‚Ostküsten-Radweg‘ folgend) GPX-Datei und zoombare Detailkarte

GANZE ROUTE SÜDKOREA | SEOUL – GANGNEUNG – BUSAN (1113 km)

Route Gangneung - Busan

ROUTE SÜDKOREA | Seoul – Gangneung – Busan (1113 km) GPX-Datei und zoombare Detailkarte

Der ‚Ostküsten-Radweg‘ von Gangneung nach Busan

Nach zwei Wochen in den schönen, aber kalten koreanischen Bergen freuten wir uns auf etwas wärmere Temperaturen. Trotzdem wollten wir nach einem Nachmittag im Olympischen Dorf unser Zelt ein letztes Mal in den Bergen aufschlagen. Nach wenigen Kilometern erreichten wir die Passhöhe und konnten erste Blicke auf das „Japanische Meer“, das die Koreaner „Ostmeer“ oder „Koreanisches Meer“ nennen, geniessen. Die ausufernde Hafenstadt Gangneung erstreckte ihre Tentakel bis weit herauf in die Berge. Ehe wir uns versahen, waren wir in immer dichter besiedeltem Gebiet. Mehrere Versuche, einen geeigneten Campspot zu finden, schlugen fehl, plötzlich drängte die Zeit. Die Sonne verschwand am Horizont und kurz darauf war es stockdunkel – während wir immer noch einen Nachtplatz suchten. Schliesslich liess man uns im Garten einer ‘Golf-Driving Range’ campieren. Erleichtert stellten wir uns im nahen Restaurant mit Schweinekopfsuppe und -würsten einer letzten Herausforderung, bevor wir uns ins Zelt verkrochen.

Gangneung machte es uns nicht leicht. Bevor wir das Zentrum erreichten, verirrten wir uns auf eine Autobahn – im morgendlichen Berufsverkehr eine nicht eben entspannende Erfahrung. Doch nun waren wir wieder auf Stadt eingestellt und landeten vollbepackt im erwachenden Markt der Stadt. Auch unsere Neugierde erwachte. Während wir fasziniert die für uns doch recht ungewöhnliche Auswahl an Trockenfischen bestaunten, beguckten die Marktfrauen uns. Ein Geben und Nehmen also. Nach über einer Woche ohne feste Unterkunft befürchteten wir allerdings, in Sachen Duft mehr zu geben als zu nehmen. Wir gönnten uns ein Zimmer mit Meerblick und taten, was getan werden musste – wir duschten und schliefen.

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Auf dem Markt von Gangneung herrscht buntes Treiben. Fische warten, Frauen schauen und man verständigt sich mit Hand und Fuss.

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Grosse Fische hängen wie Drachen aufgespannt von der Decke …

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…. und kleinere Fische tragen Stützkorsette.

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Nach all den Fischen ist uns nach Strand. Gangneung hat ihn.

Ab Gangneung folgten wir dem Verlauf der Küste südwärts, mal direkt am Meer, dann wieder über tausendundeinen Hügel weiter landeinwärts. Durch ein mehr oder weniger zusammenhängendes Netz von Radwegen, nennen wir es den ‘Ostküsten-Radweg’, wurde uns die Navigation leicht gemacht. Wir brauchten bloss bunten Plaketten am Strassenrand oder einer gelben Linie am Boden zu folgen. Aber wehe dem, der ein Schild übersah! Täglich verfuhren wir uns und standen meist plötzlich vor für Radfahrer gesperrten Autobahnabschnitten oder -tunnels. Auch an den Toren eines Atomkraftwerks wurden wir zurückgewiesen.

Dasselbe geschah, als wir, wiederum unabsichtlich, am Tor eines Endlagers für radioaktive Abfälle bei Wolsong auftauchten. Unser eigener Abfall war zwar nicht radioaktiv, doch haben wollte ihn trotzdem keiner. Öffentliche Mülleimer waren in ganz Korea rar. Es blieb uns nichts anderes übrig, als bei Besuchen in ‘Convenience Stores’ nicht nur einzukaufen, sondern gleich auch noch unseren Müll zu entsorgen – in deren Abfalleimern, nicht zwischen den Regalen wohlgemerkt.

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Supermarktbesuche dauern oft lange und grenzen an Überforderung.

Die gut 500 Küstenkilometer zwischen den beiden Städten Gangneung und Busan waren geprägt von kleinen Fischerdörfern direkt am Meer. Nachts flackerte der Schein der Fischerboote vor der Küste. Und während wir tagsüber die oft unglaublich steilen (aber meist nur einige hundert Meter langen) Steigungen hochkeuchten, winkten uns tausende am Strassenrand zum Trocknen aufgehängte Fische und Tintenfische zu. Auch Senioren, die in kleinen Gruppen die Strassen und Plätze der Dörfer fegten, hatten ihren Spass an uns – oder genehmigten sich in den Pausen ein paar Schnäpschen. Die Nächte verbrachten wir, abgesehen von einer Nacht bei einem ‘Warmshowers’-Host, im Zelt. Wir fanden schöne Campspots direkt am Strand: Ob im Schutze eines Wäldchens, in kleinen Parks, neben der Wache der örtlichen Rettungsschwimmer oder am Fuss eines Leuchtturms. Die nächtlichen Temperaturen waren ein paar Grad wärmer als wenige Tage zuvor in den Bergen, doch der Wind trieb uns meist schnell ins Zelt.

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Selbst bei der Ankunft im Dunkeln erkennen wir die Exklusivität dieses Campspots sofort und gestalten ihn zum Schlafplatz um.

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Während wir unsere Tage im Sattel verbringen, hängen andere am Strand ab.

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Strandcamping zwischen Hafenbecken und Küstenstrasse, mit den örtlichen Rettungsschwimmern als Nachbarn.

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Künstlich angelegte Wellenbrecher, vor Ort aus Beton gegossen, sind bei Fischern sehr beliebt.

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Während nachts die Lichter der Fischerboote vor der Küste schaukeln, bietet uns das Wäldchen direkt am Strand Schutz vor Wind, Kälte und neugierigen Blicken.

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Fischereihäfen zieren die Küste. In manchen geht es gemächlich zu …

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… andere erfreuen sich grösster Beliebtheit.

Im Gegensatz zur Mongolei schienen wir nicht vom Fleck zu kommen, Tagesleistungen über 80 km waren selten. Denn es war nicht einfach. Direkt am Wegrand wollten eindrückliche Tempel besucht und deren farbenprächtige Malereien erkundet sein. Strandpromenaden luden zum Flanieren mit Sack und Pack. Überall riefen uns nun öffentliche Toiletten zur täglichen Katzenwäsche. Dies waren wir unserem Gastland schuldig! Darüber hinaus lockten ‘Convenience Stores’ ganztags mit Tischen in der Sonne, Kaffee, süssen ‘Mooncakes’ und mittags leckeren Fertigmenüs. Bei dieser Gelegenheit gönnten wir jeweils Zelt und Schlafsäcken eine trocknende Dosis Sonnenstrahlen gegen das temperaturbedingte nächtliche Kondenswasser.

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Sonnenstund hat Gold im Mund – und trocknet unsere Schlafsäcke vor einem ‘CU’ Convenience Store. Wir schlürfen genüsslich Kaffee und üben uns in Geduld.

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Mikrowellen-Menüs à la Koreana – Not the real thing, aber lecker, schnell und überall zu haben. Vorteil im Vergleich zu anderen Restaurants: Man weiss, was man bekommt.

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Unverhofft locken uns Tempel aus den Sätteln. Hier der berühmte buddhistische ‚Haedong Younggungsa‘ Tempel, der sich bei Busan an die Klippen klammert. Seine Anfänge reichen ins Jahr 1376 zurück.

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Wir verlieren uns in den Details, ob in Tempeln ….

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… oder auf Fahrradbrücken.

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Katzenwäsche: Morgens um 10 Uhr erwarten uns an der Hafenpromenade von Pohang frisch geputzte Toiletten.

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Doch Pohang hat weit mehr zu bieten als saubere öffentliche Toiletten!

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Kunst im Hafen zum Beispiel.

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Pausenplätze versuchen sich gegenseitig zu überbieten.

Je weiter südlich wir entlang der koreanischen Küste kamen, umso öfter durchquerten wir Hafenstädte. Industriegebiete zogen sich endlos hin. Hyundai produziert dort Schiffe, und am Strassenrand bewerben Poster die Umweltfreundlichkeit der hier allgegenwärtigen Stahlindustrie. Stadtgrenzen waren plötzlich fliessend, nur der Verkehr nicht immer. Dass dies auch auf Radwegen vorkommt, erfuhren wir vor Ulsan. Unverhofft – und völlig unvorbereitet – fanden wir uns von einem Moment auf den anderen in einem dichten Strom von Radfahrern, der uns das Fürchten lehrte. Schichtwechsel im nahen Hyundai-Werk, Fahrrad-Rushhour!

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Viele kleine Hyundais, bereit die Welt zu erobern.

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Industrie ist Trumpf und vielerorts nicht zu übersehen.

Nach 8 Tagen erreichten wir schliesslich Busan, unser Ziel am südöstlichen Ende der Koreanischen Halbinsel. Die mit über 3 Mio. Einwohnern zweitgrösste Stadt Südkoreas erstreckt sich über mehrere Buchten und krönt sich selbst mit einer grandiosen Skyline. Tagsüber glich sie einem geschäftigen Meer aus Hochhäusern, Brücken und Strassenschluchten direkt am Meer. Doch nachts verwandelte sie sich in einen pulsierenden Brei aus grellbunten LED- Lichtern, Märkten und Fischrestaurants. Pulsierend war dann auch die Deko des (Stunden-) Hotels, in welchem wir in Hafennähe Unterschlupf fanden. Diese in Südkorea ‘Motel’ genannten Herbergen trumpfen teils mit Themenzimmern auf und schlagen mit umgerechnet 25 bis 55 USD pro Nacht und Zimmer zu Buche. Die Stundentarife dürften billiger sein. Nach zwei Nächten im fluoreszierend bemalten und mit Ultraviolett-Licht ausgeleuchteten ‘Strand-Zimmer’ wechselten wir für zwei weitere Nächte samt Räder ins ‘Büro-Zimmer’. Dort räkelte sich die gemalte Sekretärin bereits an der Wand.

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Busan, Gross- und Hafenstadt, bietet Strände, Strassenschluchten und eine grandiose Skyline.

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Im Hafen von Busan treffen wir auf ‚Hulk‘ und kommen ungeschoren davon.

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Nächtlicher Blick über den Hafen von Busan.

Neben dem täglichen Stillen des für Pausentage üblichen Heisshungers beschäftigte uns etwas anderes. Wir hatten Busan an der Südostspitze Koreas erreicht. Und nun lag, nur 200 km oder 6 Fähr-Stunden entfernt, plötzlich Japan in Reichweite. Welch ein Zufall, dass im nahen internationalen Passagierhafen beinahe täglich Fähren eben dorthin in See stachen! Ursprünglich wollten wir die Küste und die Halbinseln südlich von Busan weiter erkunden und dann irgendwie den Bogen zurück nach Seoul schlagen. Doch Japan war zu nah, die Verlockung zu gross – ehe wir uns versahen, hatten wir Tickets nach Fukuoka gebucht. Zwei Mal mit der Fähre nach Japan und zurück, Holz- oder in diesem Fall Futon-Klasse.

Next Blogpost: Japan!

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Nicht nur Schall und Rauch. Busans Buchten und Häfen sind durch eine Vielzahl von bunt beleuchteten Brücken verbunden.

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Mit bereits ausgestempelten Pässen und geröntgtem Gepäck an den Rädern irren wir durch die endlosen Gänge des Fährterminals im internationalen Hafen von Busan. Auf nach Japan!

Zum Schluss die Galerie:

Südkorea | Kimchi und die DMZ

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Oktober / November 2017
11 Radtage, 4 Ruhetage
580 km, 99,5 % asphaltiert

Seoul — von der Steppe in die Stadt
DMZ — Besuch an der Grenze
‚Urban Camping‘ — Parks, Parkplätze und Gedenkstätten
Pyeong Chang — Vorbereitungen auf Olympia 2018

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Korea und unsere Route von Seoul nach Gangneung im Überblick. GPX Datei und Detailkarte finden sich hier.

ROUTE | Seoul — Chuncheon — Yanggu — Haean Myeon — ‚Eulji Observatory‘ (DMZ) — Buk Myeon — Soeroksan National Park — Pillye — Garin — Odaesan Nationalpark (Eintritt mit Rad verweigert) — Jinbu — Daegwanryong (Pyeong Chang Olympic Stadium) — Gangneung

Der zweistündige Flug von der Mongolei nach Südkorea war ein Flug in eine andere Welt. In eine Welt voller Menschen, Hektik, Verkehr und Sauberkeit. Auf Fussgängerstreifen und rote Ampeln war Verlass und überall leuchteten LED in allen Farben. So hatten wir uns eigentlich Japan vorgestellt, nicht Südkorea. Die ersten Tage in Seoul kamen wir in den Genuss der Gastfreundschaft unserer weit gereisten ‚Warmshower‘-Hosts Ji-Hyun und Jung Song. Sie nahmen uns in ihrem gemütlichen, als Treibhaus getarnten Heim am Rande der riesigen Metropole Seoul auf. Von dort erkundeten wir die Stadt — sie hatte so einiges zu bieten — und machten uns mit den Eigenheiten einer ’neuen‘ Kultur vertraut. Dazu gehörten neben Sightseeing auch Streifzüge durch verschiedene ‚Convenience Stores‘ und Supermärkte zur Erkundung des Angebots und um herauszufinden, womit wir wohl unsere ‚Framebags‘ für unterwegs füllen könnten.

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Grünes Seoul – auch im Zentrum gibt es grüne Oasen.

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Bei unseren Warmshower-Gastgebern Ji Hyun und Song Jong wohnen wir etwas ausserhalb in einem ‚green belt‘, einer Landwirtschaftszone, und erkunden gemeinsam die Stadt.

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Seoul by night – scheint die Stadt tagsüber gemächlich, pulsiert sie bei Nacht.

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In Seouls engen Gassen herrscht Touristen-Stau.

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Verkehrsregeln sind hier, im Gegensatz zur Mongolei, zu beachten – auch nachts.

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Die Beschriftung im ganzen Land ist gut – freilich koreanisch.

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Seoul Traffic – wir nehmen die U-Bahn.

Mit einem Kilo Reis und ein paar Packungen Nudelsuppen im Gepäck verabschiedeten wir uns nach einigen Tagen von Ji-Hyun und Sung Jong. Siebzig Kilometer auf (Süd-)Koreas grosszügigen Radwegen später waren wir immer noch in Seoul. Jetzt war es an der Zeit, unser neues Camping-Konzept zu testen. Während koreanische Familien ihre (Sonnen-)Zelte abbauten und sich auf den Heimweg machten, stellen wir unser kleines Zelt mitten in einem Park auf. Um uns herum führten Menschen ihre Hunde und Katzen aus, statteten dem nahen öffentlichen und mit klassischer Musik berieselten Klo einen Besuch ab oder drehten bloss eine Runde auf dem Rennrad. Wir krochen ins Zelt und hatten eine unruhige Nacht — so viel nächtliche Aktivität um uns herum waren wir nach der Mongolei nicht mehr gewohnt. Der Trick am Park-Camping lag schliesslich darin, das Zelt spät aufzustellen und vor Sonnenaufgang wieder abzubauen. Es sollte sich bewähren und wir verbrachten den Grossteil unserer Nächte in Korea im Zelt in städtischen Parks, auf Parkplätzen, an Stränden, neben einer Driving Range und neben öffentlichen Toiletten. Einmal pro Woche gönnten wir uns ein ‚Motel‘ — der Dusche wegen.

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Einen Tag lang fahren wir durch Seouls Strassen-Dschungel….

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….und legen uns in Parks ins Gras.

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Seouls Radwege sind erstklassig, winden sich durch die Stadt und laden zum Verweilen ein.

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Auch nachts. Campieren in Parks ist zu Beginn etwas gewöhnungsbedürftig.

Auf dem ‚Bukhangang‘ Radweg, dem gleichnamigen Fluss nach Nordosten folgend, liessen wir Seoul hinter uns und kamen die nächsten Tage ob der unglaublichen Radweg-Infrastruktur nicht mehr aus dem Staunen heraus. Mindestens alle paar Kilometer gab es speziell für uns (Radfahrer) aufgestellte öffentliche Toiletten, fest montierte Luftpumpen, erholsame Parks und schattenspendende Pavillons. So gondelten wir in gemächlichem Tempo durch die malerischen Berge des südkoreanischen Nordens und machten ‚Ferien‘. Wir hielten an jeder Ecke, kurvten durch kleine Dörfer, machten Fotos und legten Kaffeepausen ein.

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Bicycle Highways made in Korea – wir glauben unsern Augen kaum.

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Mit Brücken wird hier nicht gegeizt.

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Auch Toiletten sind nie weit entfernt.

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Tunnel-Erlebnis mit musikalischer Untermalung: Radweg in höchster Perfektion.

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Auch der Kunst wird genüge getan. Ob im See wie hier bei Chuncheon…

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…oder an Ausstellungen von Filmplakaten.

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Ziemlich Science-Fiction sind diese Kerle hier – oder was sie zurückliessen. Die Bewohner der kleinen Larven-Monster sind bereits ausgeflogen.

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Dann doch lieber Frühstück mit Aussicht.

Nach einigen Tagen erreichten wir die kleine Stadt Yanggu an der berühmt-berüchtigten und hochaktuellen ‚DMZ‘, der seit dem Ende des Koreakriegs 1953 entmilitarisierten Zone an der Grenze zu Nordkorea. Dort gab es im ‚Eulji Observatory‘ die Möglichkeit, einen Blick über das Niemandsland zu erhaschen, wo sich nord- und südkoreanische Truppen, am 38. Breitengrad durch einen 4 km breiten Streifen getrennt, seit Jahren in höchster Bereitschaft gegenüber stehen. Je näher wir der Grenze kamen, umso spürbarer wurde die Militärpräsenz. Panzersperren, Lastwagen und Truppen gehörten bald zum Strassenbild und Helikopter oder Jets dröhnten regelmässig über unseren Köpfen. Passend dazu hielt um uns herum der Winter Einzug. Die letzten farbigen Blätter verschwanden und die Temperaturen sanken tagsüber unter 10° Grad und nachts zum Gefrierpunkt.

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Wir ‚cruisen‘ durch Täler und bunte Wälder.

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Farbige Ginkgo Blätter lassen uns nicht vergessen, wo wir sind.

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Ein Aufstieg jagt den nächsten.

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Die Belohnung erfolgt in Form gewundener Abfahrten, oft ohne Verkehr.

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Und natürlich schöne Ausblicke!

Ein Besuch der DMZ auf eigene Faust wollte geplant sein. Vor dem Besuch der Grenze mussten wir in Yanggu das nötige ‚Permit‘ besorgen. Dieses hatten wir nach ein paar Stunden im Irrgarten eines koreanischen Verwaltungsgebäudes in unseren Händen und konnten die verbleibenden 40 km zur Grenze in Angriff zu nehmen. Dort warteten am nächsten Tag die nötigen Dokumente bereits auf uns und gegen eine Eintrittsgebühr von 7’000 Südkoreanischen Won, umgerechnet 6.- CHF, bekamen wir die endgültige Erlaubnis zum Besuch der Grenze. Doch es galten Vorschriften. Sie besagten, dass eine Annäherung an die DMZ auf dem Fahrrad nicht erlaubt sei. Doch eine Lösung war schnell gefunden: Unsere Räder wurden unter einer der allgegenwärtigen Überwachungskameras abgestellt, und wenig später sassen wir bereits in einem Bus voller koreanischer Senioren und bekamen Früchte und Getränke zugesteckt. Unter den fürsorglichen Fittichen der Reisegruppe aus Busan besuchten wir zuerst den mehrere Kilometer langen ‚4th Infiltration Tunnel‘. Der Tunnel war von der nordkoreanischen Armee in feindlicher Absicht in über 400 m Tiefe in den Fels unter der südkoreanischen Grenze getrieben worden. Der Besuch des Tunnels war eindrücklich und mit einem strikten Fotoverbot belegt. Von freundlichen jungen Soldaten geführt marschierte die ganze Gruppe in Zweierreihe durch den (nach der Entdeckung gegrabenen) südkoreanischen Zugangsstollen in den Berg hinein. Nach einigen hundert Metern im Berg trafen wir auf den nordkoreanischen Tunnel. Dort erwartete uns eine kleine Eisenbahn, welche uns in kleinen Gruppen einige Meter in den 1,7 m hohen und ebenso breiten, in den rohen Fels getriebenen Tunnel hinein und wieder zurück chauffierte.

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Bevor es zur Grenze geht, besorgen wir uns in Yanggu die nötigen Dokumente und verbringen die Nacht auf unserer eigenen kleinen Insel, mitten im See, zwischen Pavillons und Flugzeug-Oldtimern.

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Nicht nur beim Militär herrscht strenge Ordnung. Rettichstängel hängen zum Trocknen in Reih und Glied.

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Nahe der DMZ, der entmilitarisierten Zone, stehen Strassensperren bereit. Diese werden notfalls zum Einsturz gebracht und machen die Strasse unpassierbar. Zudem vernehmen wir bereits leise, schräge Musik.

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Unsere Reisegruppe für einen Vormittag.

Um den strikten Zeitplan unserer Reisegruppe einzuhalten, sassen wir kurz darauf wieder im Bus. Nun ging es an die DMZ, die wir bisher ja nur von ‚unten‘ erlebt hatten. Vom Innern einer spiegelverglasten Aussichtsplattform aus blickte man auf das 4 km breite Niemandsland. Dahinter lagen die Grenzposten und Befestigungsanlagen Nordkoreas. Das Observatorium war ein eigentümlicher Ort, an dem zwar der Verkauf von Popcorn durchaus nicht fehl am Platz gewesen wäre, der einen aber trotzdem erschaudern liess.

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Blick vom Eulji Observatorium – jedoch in die erlaubte (falsche) Richtung.

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Wir campieren diese Nacht hinter dem Monument bei der Unification Hall an der DMZ. Musik dröhnt die ganze Nacht und plärrt Propaganda aus Nordkorea über die Grenze.

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Neben einem sehr guten Museum erwarten dort die Besucher auch bizarre Attraktionen.

Und das Schaudern ging weiter. Zurück beim ‚Unification Center‘ und bei unseren Rädern, immerhin 7 km von der Grenze entfernt, erhielten wir die Erlaubnis, direkt auf dem Gelände des Koreakriegs- Denkmals zu campieren. Bereits am Morgen hatten wir in Grenznähe von irgendwo her relativ laute Musik vernommen. Da hatten wir den Musikgeschmack der unbekannten Person ernsthaft angezweifelt, uns aber nichts weiter gedacht. Doch mit Anbruch der Dunkelheit drehte der Wind. Die Musik dröhnte nun plötzlich um ein Mehrfaches lauter. Was uns in dieser Nacht keine Ruhe gönnte, entpuppte sich am Morgen darauf als nordkoreanische Propagandamusik von jenseits der Grenze.

Mit der DMZ waren wir am nördlichsten Punkt unserer Reise in Korea angekommen. Wir drehten nach Süden ab. Von unserem Ziel Busan, der Hafenstadt im Südosten Koreas, trennten uns noch etwa 1000 km und ebensoviele Berge. So wand sich unser Weg in den folgenden Tagen durch die wunderbar schroffen Berge Gangwons, Südkoreas nordöstlichster Provinz. Versuche, den geteerten Strassen den Rücken zu kehren, hatten gemischten Erfolg. Während wir am Eingang zum ‚Soeroksan Nationalpark‘ sämtliche koreanischen Hinweistafeln nicht lesen und eine geschlossene Schranke ungehindert passieren konnten, wurden wir mit unseren Rädern am Tor zum ‚Odaesan Nationalpark‘ bestimmt (und leicht misstrauisch) abgewiesen.

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Obwohl die Verständigung oft zäh ist, sind die Menschen überaus freundlich und hilfsbereit! Sie verkaufen teils riesige, fantastisch süsse Äpfel. Wir Fremdlinge bekamen sie geschenkt.

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Am Eingang zum ‚Soeroksan Nationalpark‘, inmitten unlesbarer Hinweise. Wir machen uns schlau, verstehen nichts und winken uns selbst durch…

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Endlich haben wir wieder Dreck unter den Reifen.

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Camping im Nationalpark. Natur pur.

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Sieht es aber nach Regen aus, suchen wir ein Dach für die Nacht. Etwa auf dem Parkplatz eines Museums.

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Doch auch hier sind die Nächte im Zelt oft kalt.

Immer noch in den Bergen erreichten wir schliesslich die Region Pyeong Chang. Hier liefen die Vorbereitungen auf die im Februar 2018 bevorstehenden Olympischen Winterspiele auf Hochtouren — es war kaum zu übersehen. Im Umkreis von 100 km wurden Strassen aufgerissen, Stadtzentren gepflastert und öffentliche Toiletten saniert. Hotels wurden eröffnet, Autobahnen gebaut. Uns schien, es gebe noch einiges zu tun. Durch den ganzen Trubel neugierig gemacht, beschlossen wir, der Sache auf den Grund zu gehen, und statteten dem künftigen Olympiastadion einen Besuch ab. Es war nicht abgeschlossen.

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Nur die wenigsten fahren im November schon Ski, dazu fehlt der Schnee. Doch im Januar soll es hier eisig kalt werden.

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Wir parkieren exklusiv am Olympiastadion von Pyeong Chang.

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Das Tor steht offen, es zieht uns hinein. Wir nehmen Augenschein und befinden den Ausbau für angemessen.

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Pyeong Chang ist bereit – lasset die Spiele beginnen!

Nach dem Olympia-Augenschein trennte uns ein letzter kleiner Pass von der Hafenstadt Gangnueng an Koreas Ostküste. Dort wartete der Pazifische Ozean, wärmere Temperaturen versprechend.

Zum Schluss die Galerie:

Mongolei | die letzten Meter

Oktober 2017
2 Tage im Sattel
150 km, 50 % asphaltiert
1 gebrochene Zeltstange

Motivation — der fehlende rote Faden & ein neues Ziel
Lost — verloren in der Routenwahl
Kälte — Zeltstangen brechen, Knie schlottern
Stimmen im Dunkeln — Schlaflos in der Mongolei

ROUTE | Sükhbaatar (Grenze Russland) — Shaamar — Zuunburen — Shaamar — Darchan — Ulaanbaatar (Wir sind nur den roten Teil der Strecke mit dem Rad gefahren)

Nach einem erlebnisreichen Monat im herbstlichen Sibirien hat uns die Transsibirische Eisenbahn am 14. Oktober im mongolischen Grenzbahnhof Sükhbaatar ausgespuckt. Jenem Ort, an dem wir wenige Wochen zuvor unsere Räder für die letzten Kilometer zur russischen Grenze bei Altanbulag gesattelt hatten.

Der mongolische Grenzbahnhof Sükhbaatar in der Abenddämmerung.

Doch beginnen wir von vorne. Bereits Wochen zuvor waren unsere ursprünglichen Reisepläne durch ein zermahlenes Radtretlager und einen geschlossenen Grenzübergang nach Russland bei Murun komplett über den Haufen geworfen worden.

Mit Visabestimmungen und vorgegebenen Ein- und Ausreisedaten jonglierend, hatten wir unsere Reiseroute seitdem laufend improvisiert und angepasst. Wir hatten das Beste aus jeder Situation gemacht und die Reise genossen. Es war uns gelungen, eine sinnvolle, spannende und in grossen Teilen fantastische Route zusammen zu knüpfen.

Trotzdem hatte sich seither immer wieder — und öfter — ein Gefühl des Herumirrens breitgemacht. Nein, unsere Reiselust war nicht etwa gesättigt und unsere Neugier nicht erloschen. Ganz im Gegenteil! Doch plötzlich war aus der grossen Runde durch die Mongolei und Sibirien eine ‚Sternwanderung‘ geworden — mit Ulaanbaatar als deren Mittelpunkt. So schlitterten wir nach und nach in eine gewisse Sinnkrise: Uns fehlte der rote Faden einer zusammenhängenden Route.

Je näher wir Irkutsk gekommen waren, umso mehr nahmen diese Gefühle überhand. Die Distanzen in diesem Teil der Welt waren weit, schienen oft endlos und verleiteten zum Grübeln. Und natürlich begannen die Gedanken bei täglich bis zu zehn Stunden im Sattel Kreise zu ziehen. Doch eine Rückkehr nach Ulaanbaatar war unumgänglich. Die russische Visa-Uhr tickte und visafreie Nachbarländer lagen fern. Ausserdem hatten wir einige Habseligkeiten in der Mongolei deponiert.

Nun waren wir also zurück auf Feld eins, zurück in der Mongolei. Zu unserem Entsetzen mussten wir uns eingestehen, dass hier die Luft wie raus, der Zauber verflogen schien. Die farbigen Blätter waren verschwunden. Der erste Schnee hatte die sandigen Pisten in schlammige Gräben verwandelt, war aber nicht liegen geblieben. Die Nomaden trugen plötzlich gefütterte Hosen und dicke Stiefel — und wir immer noch ‚Beinlinge‘ und Sneakers.

Auf den Märkten sind warme Stiefel um diese Jahreszeit gefragt.

Da standen wir also an diesem 14. Oktober in Sükhbaatar. Eigentlich wollten wir mit der Eisenbahn bis nach Ulaanbaatar fahren. Doch unserer Räder wegen wollte dies die mongolische Bahn nicht. So lag nun eine Strecke vor uns, die zu radeln wir keinerlei Lust verspürten. Doch in einem plötzlichen Anflug von Abenteuerlust und in der Hoffnung, den mongolischen Funken erneut zu entzünden, beschlossen wir, Ulaanbaatar in einem weiten Bogen nach Westen anzusteuern. Weitere 500 bis 700 Radkilometer auf einer Route, von der wir nicht wussten, ob sie realistisch war.

Nach einem ersten Tag im Sattel fanden wir in einem Wäldchen am Ufer des Selenge einen Lagerplatz. Obwohl die Temperaturen nicht unter -10° fallen sollten, war mit einer bitter kalten Nacht zu rechnen. Bereits beim Aufbau des Zeltes fiel eine Zeltstange der Kälte zum Opfer — sie brach so leicht, als wäre sie eine Salzstange. Die erste Euphorie war dahin, und kurz darauf lagen wir missmutig im Zelt.

Doch die Nacht war noch jung und kam erst richtig in Schwung. Obwohl die Gegend menschenleer erschien, liess im Laufe der Nacht nicht allein die Kälte unseren Atem stocken. Immer wieder erklangen einzelne Stimmen in der Dunkelheit! Mal waren sie nah, mal fern, mal flüsterten, mal schrien sie! Als Krönung begann mitten in der Nacht jemand aus vollem Hals wenige Meter neben unserem Zelt laut zu singen. Er schritt im dichten Gestrüpp an uns vorbei und verstummte kurz darauf so plötzlich, wie er erschienen war.

Die Nacht war kalt. Der kluge Camper sorgt vor und giesst das Wasser bereits abends in den Topf — aus jeder Flasche etwas. So lässt sich am Morgen ein wärmender Kaffee damit kochen. Schluckweise in gefrorene Wasserflaschen gegossen, verwandelt sich auch dort das Eis schneller wieder zu Trinkwasser.

Doch diese eine Nacht lässt uns alt aussehen, auch mit Kaffee am Morgen danach. Desillusioniert enteisen wir das Innere unseres Zeltes, packen unsere Sachen und ändern unsere Pläne.

Doch die 50 km zurück zur Hauptstrasse sind wir bereits in beide Richtung gefahren. Wir wollen sie nicht noch ein drittes Mal abstrampeln und halten einen Lastwagen an.

Am Morgen sass uns die Kälte in den Knochen. Auch machten uns Zelt und Wetter Sorgen. Vor allem aber hatte die unheimliche Nacht den letzten Funken Motivation erstickt. Wir kehrten auf die Hauptstrasse zurück und legten die verbleibende Strecke nach Ulaanbaatar zu je einem Drittel im Sattel, per Anhalter im Lastwagen und in der Wärme eines lärmigen Busses zurück.

Zwischen den endlosen Geraden windet sich die Strasse immer wieder über zahllose kleine Pässe.

Die Strecke in die Hauptstadt ist schön und lässt unvermittelt kleine Seen neben uns erscheinen.

Doch im Gegensatz zu den einsamen mongolischen Nebenstrassen braust uns hier Schwerverkehr um die Ohren. Mongolische, russische, aber auch europäische Lastwagen lassen uns in ihrem Nebel husten.

In der nordmongolischen Industriestadt Darchan starten wir einen zweiten und letzten Versuch, die mittlerweile sehr stark befahrene Haupstrasse zu verlassen.

Wir werden jedoch bereits wenige Kilometer ausserhalb der Stadt von Schnee und Schlamm ausgebremst. Enttäuscht kehren wir um und nehmen den Bus nach Ulaanbaatar.

In Ulaanbaatar herrscht Regen statt Schnee. Wir buchen einen Flug nach Seoul und erkunden die Stadt mit ihrem riesigen Markt…

…während im Zentrum der Stadt ein buntes Hochzeitsfieber grassiert, bietet sich uns ein Kontrast aus Tradition und Moderne, wie er grösser kaum sein könnte.

Unbeeindruck von dem Trubel halten die mongolischen Krieger auf dem Hauptplatz ihre Stellung. Im Wissen, dass sie dies auch weiterhin tun werden, können wir getrost nach Südkorea fliegen.

Wir hatten für diesen Teil aufgegeben, doch es war aufgrund der Umstände richtig so. Es war an der Zeit, die Mongolei zu verlassen. Auch um das unvergleichliche Land und die freundlichen Menschen in guter Erinnerung behalten zu können. Bayarlalaa, Mongolia! Danke!

Next Stop Südkorea. Die Reise geht weiter!

Sibirien | Odyssee zum Baikalsee

September / Oktober 2017
13 Tage im Sattel / 9 Ruhetage
1019 km, 95 % asphaltiert

Schnee — ein Wintereinbruch bremst uns aus
Asphalt — Hauptstrassen und ihre Vorteile
Sibirien — an den Ufern des Baikalsees

ROUTE (nur gefahrene Strecke auf Karte markiert | Kjachta (Grenze Mongolei) — Novoselinginsk — Gussinoosjorsk — Ulan-Ude— Tarbagatai — Podlopatki (ca. 30 km Umweg zu Brücke) — Novoselinginsk — Selenduma — Tsaydam — Gussinoosjorsk — (Minibus nach Ulan-Ude) — Ulan-Ude — Babushkin — Baikalsk — Sludjanka — Irkutsk — (Minibus nach Ulan-Ude, Zug nach Naushki, Grenze Mongolei) GPS Tracks & Detailkarte hier

 

Sibirien — Taiga, Bären, Wölfe und endlose Wälder! In freudiger Aufregung rollten wir auf den mongolischen Grenzposten zu, wo wir prompt abgewiesen und zu einem anderen Tor umgeleitet wurden. Dort empfing man uns noch eine Spur unfreundlicher und liess uns wissen, dass Fahrräder nicht erwünscht wären — alles auf Mongolisch wohlgemerkt und leider ohne Untertitel.  Nach längerer Beratung stellte sich heraus, dass das Überqueren der Grenze auf Fahrrädern verboten ist. So wurden unsere Räder auf die leeren Lastwagen zweier hilfsbereiter mongolischer Trucker verladen und wir wurden ausgestempelt. Die Reise ins 500 m entfernte Russland konnte beginnen. Sie würde insgesamt fünf Stunden dauern. Drüben wurden unsere Räder ausgeladen (von uns) und kontrolliert (von Zöllnern und Hunden). Unsere Dokumente wurden geprüft, wir wurden über Sinn und Zweck unserer Reise befragt, fotografiert und schliesslich eingestempelt. Auch auf der russischen Seite war — wie könnte es auch anders sein — Radfahren verboten! Nochmals hievten wir die Räder auf die Ladeflächen und legten auch die verbleibenden 50 m bis zum Tor regelkonform auf mehr als zwei Rädern zurück.

Erste Kilometer in Sibirien. Wo sind die Jurten geblieben?

Ausserhalb der Städte ist die Infrastruktur einfach gehalten – auch diese Tankstelle.

Die wenigen Dörfer sind oft mehr Schein als Sein.

Nach drei Tagen im Sattel erreichen wir die Stadt Ulan-Ude.

Wie immer in einem neuen Land waren die ersten Tage spannend. So bescherte uns der erste Besuch in einem Supermarkt im kleinen Städtchen Kjachta, direkt an der Grenze, einen zünftigen (!) Kulturschock und ein Déjà-vu — dasselbe ‚Wow, wie zuhause!‘-Gefühl hatten seinerzeit auch ein ‚Spar‘ in Namibia und ein ‚Carrefour‘ in Vorkriegs-Syrien bei uns ausgelöst. Die erste grössere russische Stadt, das knapp 300 km vom Grenzübergang entfernt gelegene Ulan-Ude mit immerhin 400’000 Einwohnern, erreichten wir in drei Tagen gegen den Wind.

Ulan-Ude, 400’000 Einwohner

Auf dem Markt wird klar, wir sind in Russland…

…sonst spätestens hier: Lenins Kopf — mit asiatischen Gesichtszügen wohlgemerkt! — prangt 8 m hoch und 22 t schwer im Zentrum von Ulan-Ude.

Zum ersten Mal auf dieser Reise legten wir in Sibirien nun längere Distanzen auf einer asphaltierten Hauptstrasse zurück. Wir genossen das Gefühl des Vorwärtskommens und machten von der Möglichkeit, zwischendurch in einem Café ‚Borscht‘ (Suppe mit Roter Beete, ein Klassiker!), ‚Lagman‘ (Suppe mit Nudeln und Gemüse) und ‚Piroschkis‘ (gefüllte Teigtaschen) zu verputzen, regen Gebrauch! Um diese hier schon späte Jahreszeit war der Schiffsverkehr auf dem Baikalsee bereits eingestellt. Ein Abstecher weiter nordwärts blieb uns somit verwehrt. Denn auch eine Umrundung des 600 km langen und an einigen Stellen über 1600 m tiefen ostsibirischen Sees — hier gibt es übrigens Robben! — ist entlang der Küste nicht möglich.

Beim Studium der Karte auf der Suche nach Alternativen drängte sich eine südlich zum Baikalsee verlaufende Bergkette samt Überquerung derselben geradezu auf! So war eine aussichtsreiche Route schnell gefunden. Ein Stück davon war früher Teil der ‚Great Tea Road‘, einer Handelsstrasse, über die vom 17. bis ins 19. Jahrhundert Tee von China nach Russland und weiter westwärts transportiert wurde. Einmal mehr studierten wir Landkarten und stellten mittels ‚GoogleMaps‘ sicher, dass zu überquerende Flüsse auch wirklich mit Brücken versehen waren oder aber Fährverbindungen bestanden.

Beim Verlassen von Ulan-Ude ist der Verkehr teils dicht und die Strasse im Bau.

Die Menschen auf dem Land sind meist freundlich und bei näherem Kontakt ausserordentlich hilfsbereit. Auch dieser kleine Kerl fühlt sich sichtlich wohl bei uns. Noch lange hören wir ihn hinter uns winseln.

Doch wir müssen weiter, die Strasse ruft.

Fähren machen glücklich, denn Brücken sind spärlich gesät. Wir müssen dafür stundenlange Umwege in Kauf nehmen.

Gerade Umwege.

Gussinoosjoersk, Kohlestadt. Das nahe Bergwerk haben wir ungewollt durchquert.

Womit wir jedoch nicht gerechnet hatten, war ein plötzlicher Wintereinbruch. Dieser bremste uns nach vier ebenso kalten wie erlebnisreichen Tagen — zwar ohne Bären, dafür mit nächtlichem Wolfsgeheul! — komplett aus. Als wir am Morgen des vierten Tages an einer Tankstelle nahe Selenduma nach Wasser und dem Weg fragten, wurde schnell klar, dass dieser für uns hier nicht weitergehen würde. In den Bergen vor uns war über Nacht knietief Schnee gefallen. Dies bestätigte uns auch ein Passant in tarnfarbener, dicker Winterkleidung. Er komme gerade von dort oben. Wir verstanden nur die russischen Wörter ‚Schnee‘ und ‚Bären‘, doch allein der Anblick seiner arktistauglichen Winterstiefel erstickte auch noch den letzten Funken Hoffnung im Keim. Inzwischen hatte die freundliche Tankstellenbetreiberin ihren Vater, den Nachfahren von teebewachenden Kosaken, angerufen. Auch er riet uns dringend davon ab, in die Berge zu fahren, und empfahl uns gleich noch eine mögliche Alternative für den unvermeidlichen Rückweg nach Ulan-Ude. Dabei gerieten wir, nachdem wir zwei strassenversperrende Erdwälle überquert hatten (Because we can!), gleich noch mitten in ein grosses Kohlebergwerk — wo wir vom Wachpersonal auf eine Tasse Tee eingeladen wurden! Diese und weitere Begegnungen mit, trotz Sprachbarrieren, unglaublich hilfsbereiten und freundlichen Menschen entlöhnten uns reichlich für die 300 umsonst gefahrenen Kilometer.

Da wir dann jedoch keine Lust hatten, die Strecke zurück nach Ulan-Ude nochmals zu fahren, nahmen wir schliesslich ab Gussinoojoersk ein ‚Marshrutki‘, einen Minibus. Damit waren wir sozusagen wieder zurück auf Feld eins und vor uns lagen immer noch die 450 offenbar unumgänglichen Kilometer auf der Hauptstrasse nach Irkutsk und gleichzeitig der einzigen Verbindung von Moskau nach Vladivostok.

Wir kommen durch Dörfer….

…und wir schneuzen uns hinter bunten Wartehäuschen den Wind aus den Nasen.

Wir machen Abstecher ans Ufer des Baikalsees…

…und wir machen ‚russische‘ Gruppenfotos auf sibirischen Rastplätzen.

Und selbstverständlich besuchen wir sibirische Cafés!

Wir ergaben uns also ins Schicksal und bissen in den sauren Hauptstrassen-Apfel, der sich als süsser entpuppte, als wir vermutet hatten. Trotz des nasskalten Wetters kamen wir gut voran, gönnten uns aber den Luxus, in Truckstops und einfachen ‚Motels‘ zu übernachten und Energie in stark beheizten Cafés zu tanken. Solche fanden sich mindestens alle 50 km und dort fanden wir auch Zuflucht vor unverhofftem Regen oder Schnee.

Die Strecke lädt zum Verweilen ein.

Wir fahren auf jene Berge zu, welche wir von der anderen Seite zu überqueren gedachten. Es liegt Schnee.

Dunkle Nadelwälder weichen unvermittelt feurigen Birkenwäldern…

…und alles verwandelt sich nach und nach in eine schimmernde Märchenlandschaft.

Auch hinter Leitplanken findet sich schönes.

Schliesslich dreht die Strasse ab und wir erhaschen letzte Blicke auf den kalten Baikalsee. Wo sind die Robben?

Plötzlich tanzen uns Flocken um die Ohren.

Schnee statt See.

Die Ausblicke sind atemberaubend und Temperaturen um den Gefrierpunkt treiben uns Tränen in die Augen.

Auch der Gegenverkehr tut das Seine.

Nach fünf Tagen und den erwähnten 450 km erreichten wir Irkutsk bei dichtem Schneegestöber. Auch während unseren vier Tagen in der schönen Stadt wechselten sich Sonnenschein und Schneeflocken teils im Zehnminutentakt ab. Irkutsk liegt malerisch an der Angara, dem einzigen Abfluss des Baikalsees. Mit über 600’000 Einwohnern ist sie eine der grössten Städte Sibiriens. Die westlich anmutende Stadt war uns mit ihren vielen Bäumen auf Anhieb sympathisch. Auch Lenin und Gagarin schienen sich hier heimisch zu fühlen, wenn auch nur in Form von Statuen. Trotz Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt lud Irkutsk mit vielen kleine Parks und verschiedenen Vierteln zum Schlendern ein.

Ankunft in Irkutsk. Das letzte Schneegestöber haben wir vor 10 min hinter uns gelassen, die nächsten Flocken lassen noch 4 min auf sich warten.

Der Verkehr in Irkutsk hält für Fussgänger. Konsequent

Traditionelle sibirische Häuser gehören immer noch zum Stadtbild von Irkutsk und Ulan-Ude.

Irkutsk lädt zum Schlendern ein, ob bei Schneefall oder Sonnenschein.

Die Stadt gefällt uns. Hier unser Vorschlag für eine weitere Statue in Irkutsks Strassen.

Wir wären länger geblieben, doch das  Ablaufdatum unseres russischen Visums erlaubte kein weiteres Trödeln. Den Rückweg in die Mongolei wollten wir per Bahn antreten und so die Strecke entlang des Baikalsees, die wir eben im Sattel erlebt hatten und die oft als schönes Teilstück der transsibirischen Eisenbahn bezeichnet wird, nochmals erleben. Doch dies sahen die untermotivierten Angestellten der Russischen Bahn anders und nach langem Hin und Her rückte ein Fahrradtransport mit der Bahn in weite Ferne. Frustriert nahmen wir schliesslich für die erste Hälfte der Strecke einen Minibus bis Ulan-Ude. Aber es liess uns keine Ruhe. Morgens um 4 Uhr fuhren wir in Ulan-Ude zum Bahnhof. Wir hatten dazugelernt. Diesmal erwähnten wir die Räder bei der Buchung erst, als unsere Tickets zur Grenze schon ausgestellt waren. Und siehe da, es funkionierte. Zwar hiess es auf dem Bahnsteig dann grimmig ‚NJET!‘, doch mit etwas ruhiger Beharrlichkeit sassen wir trotzdem kurz darauf im Zug nach Naushki, dem russischen Grenzbahnhof zur Mongolei. Dort angekommen mussten wir mit Sack und (Rad-)Pack aussteigen und am Schalter Tickets für die Weiterfahrt nach Sükhbaaatar kaufen, dem mongolischen Grenzbahnhof. Nach vier Stunden Wartezeit und einem weiteren gekonnt ignorierten ‚NJET‘ durften wir wieder einsteigen und sassen —  Hurra! — wieder im Zug. Dieser lieferte uns, weitere drei Stunden später und keine 20 km weiter südlich, in der Mongolei ab. Doswidanja, schönes Sibirien! Sain bainuu, Mongolia!

Die Transsibirische Eisenbahn bei Selenduma, wir kennen sie jetzt auch von innen.

 

Mongolei | der Weg nach Sibirien


September 2017
6,5 Tage im Sattel / 10 ‚Ruhetage‘
522 km, 20 % asphaltiert

Planänderung — geschlossene Grenzen & zermahlene Tretlager
Offroad nach Sibirien — über Dünen, Pässe & durch bunte Wälder
Amarbayasgalant — ein Kloster & kein Weg nach Norden
Tracks & Trails — wer sucht, der findet!

Route | Ulaanbaatar – Batsumber – Zuunkharaa – Bayangol – Khutul – Amarbayasgalant – Zuunburen – Sükhbaatar – Altanbulag (Hier geht’s zu Detailkarte & gpx-Dateien)

Zwei Tage Erholung hatten wir uns in Murun (Mörön) gönnen wollen, doch wieder einmal kam alles anders als geplant. Denn Nachfragen ergaben, dass der nächste Grenzübergang nach Russland für Nicht-Mongolen und Nicht-Russen weiterhin gesperrt blieb. Damit hatten wir zwar insgeheim bereits gerechnet, mussten nun aber einen Umweg von 700 km zur russischen Grenze in Altanbulag in Kauf nehmen.

Letzte Blicke zurück nach Murun. Uns ist noch nicht bewusst, wie bald wir dorthin zurückkehren werden.

Alle Versuche, ein Tretlager aufzutreiben schlagen fehl. So kommen unsere übergrossen Räder zu Logenplätzen im Bus nach Ulaanbaatar.

Frischen Mutes und mit einer notdürftig zurechtgelegten Alternativroute zum nächstgelegenen, für alle Nationalitäten geöffneten Grenzübergang im Gepäck, rollten wir vier Tage später auf der Hauptstrasse aus Murun hinaus. Wir kamen sechs Kilometer weit — bevor wir mit Verdacht auf ein kaputtes Tretlager an Robins Rad umkehren mussten. Ein Verdacht, der sich bestätigte. Damit waren wir mit einem Problem konfrontiert. Die nächste Möglichkeit zur Beschaffung von Ersatzteilen war gut 800 km entfernt in der Hauptstadt. Versuche, uns ein Tretlager senden zu lassen, scheiterten am Fehlen des nötigen Spezialschlüssel zum Ausbau des Lagers. Einen solchen Schlüssel selbst herzustellen, beziehungsweise einen ähnlichen Spezialschlüssel für ein altes russisches Motorrad anzupassen, misslang ebenfalls. So blieb uns nichts anderes übrig, als unsere Räder in einen Bus nach Ulaanbaatar zu packen, wo das Problem nach fünfzehnstündiger Fahrt im Handumdrehen gelöst werden konnte. Bei dieser Gelegenheit gönnten wir unseren Rädern auch neue Ketten — auch Ketten verschleissen — und der herzliche und kompetente Besitzer der ‚Giant‘-Mongolia-Vertretung stattete uns gleich noch mit einem Tretlager-Schlüssel für alle Fälle aus.

Wir waren bereit für die nächste Etappe, diese bedurfte jedoch etwas Planungsarbeit. Um die Hauptverkehrsachse zur russischen Grenze in Altanbulag zu meiden und möglichst nur ungeteerte Strassen zu befahren — es soll auch Spass machen! —, arbeiteten wir unter Zuhilfenahme dreier (!) verschiedener Landkarten sowie der Onlinekarten von ‚Openstreetmaps‘, ‚Google Maps‘ und ‚Google Earth‘ eine Route heraus, welche unwegsame, durch Flüsse abgetrennte Regionen verband. Sie stellte sich dann als abwechslungsreicher heraus, als wir zu hoffen gewagt hatten.

Ulaanbaatar verliessen wir auf geradem Weg nach Norden. Schon bald hatten wir Sand unter den Reifen und suchten unseren Weg quer durch die Berge. Den Anweisungen von Bauern folgend fuhren wir eine Route, die noch direkter war als jene, die wir im Vorfeld mittels Karten festgelegt hatten. Doch nicht alle Wege führten ans Ziel und wir standen eines Morgens vor verschlossenen Toren einer mongolischen Goldmine. Die Männer am Tor waren freundlich und hilfsbereit, doch Einlass wollte man uns nicht gewähren — und Goldbarren konnten wir aus der Ferne keine schimmern sehen. Schade eigentlich! Ein andermal fand unser Zelt aus Mangel an windgeschützten Alternativen seinen Platz zwischen Mähdreschern und Traktoren eines Camps von Feldarbeitern. Die offerierte Suppe war bei den kalten Temperaturen sehr willkommen.

Nördlich von Ulaanbaatar folgen wir immer wieder der Eisenbahnlinie.

Was wir in Südamerika und Australien gelernt haben gilt auch hier: Wo Telefonmasten sind, da ist meist auch ein Weg.

Wir kommen durch Dörfer, treffen Menschen und sorgen für Druck in den Reifen der Kleinsten.

Die Natur hält uns bei Laune, überrascht uns und lässt in dieser Gegend so manchen nach Gold suchen. Wir suchen das Glück und finden es, immer und immer wieder.

Wir fallen aus allen Wolken, als wir westlich von Bayangol plötzlich auf mächtige Dünen stossen. Umso grösser ist die Freude!

Die Pfade sind sandig. Wir feuen und verfahren uns, kommen aber trotzdem ans Ziel.

…und jagen dabei an manch einem bunten Ovoo vorbei…

…der Abendsonne entgegen.

Weiterhin zieren Jurten die Täler. Wir fragen aus Respekt um Erlaubnis zum Campen. Die Familien leben oft unter einfachsten Bedingungen und nehmen uns trotzdem mit offenen Armen auf. Schöne Momente, die uns nachdenklich stimmen.

Der Weg zum Kloster von Amarbayasgalant ist schön, abgelegen und unglaublich abwechslungsreich.

Nach zwei langen, kalten Regentagen geniessen wir die Sonne!

Eine willkommene Abwechslung auf halber Strecke nach Norden bot das buddhistische Kloster von Amarbayasgalant. Es war, dank seiner Abgeschiedenheit in den Bergen, relativ gut erhalten geblieben und lud zum Verweilen und Aufwärmen im kleinen Dorf mit dem selben Namen ein. Dass so ein Ort allerdings nur über zwei holprige Jeep-Tracks von Süden her erreichbar sein soll, konnten und wollten wir nicht glauben. Wir bohrten nach, suchten auf Google Earth nach Spuren und bekamen schliesslich Hinweise auf einen Track, welcher uns nach Norden — oder vielleicht nach Osten? — führen mochte. Wir konnten der Versuchung nicht widerstehen und brachen schliesslich auf. Zwei Tage lang fragten wir uns durch und kamen dabei durch leuchtend gelbe Wälder, wir stiegen über Pässe in Täler, die über weitere Pässe in andere Täler führten. Wir unterbrachen Nomaden beim Ausnehmen einer Ziege, bekamen aus blutigen Händen Käse geschenkt, wurden vor Wölfen gewarnt und hofften dabei immer, unser Ziel auch wirklich auf dem eingeschlagenen Weg erreichen zu können. Was wir nicht ganz ohne Erleichterung auch taten. Unter tosendem Beifall eines strahlenden Regenbogens überquerten wir, sieben erlebnisreiche Tage und 490 holprige, aber vielfältige Kilometer nach unserer Abfahrt aus Ulaanbaatar, den Fluss Orkhon nahe der kleinen Stadt Sükhbaatar — und hatten damit wieder Asphalt unter den Pneus. Es trennten uns nur noch 30 km bis zum kleinen Grenzort Altanbulag. Dahinter lag Sibirien.

Das Kloster von Amarbayasgalant, von Bergen beschützt, scheint es uns voller Teenager-Mönche zu sein.

Wir verlieren uns in den Details und Malereien des Klosters.

Sonnenstrahlen lassen das Gold für uns leuchten und wir fühlen uns nach Tibet zurückversetzt.

Amarbayasgalant, weniger ein Dorf als ein Tal voller Jurten.

Während die Menschen im Dorf ihrem Alltag nachgehen….

…wacht Buddha über dem Dorf, in Stein gemeisselt…

…und mit Gold überzogen.

Beim Kloster von Amarbayasgalant sind wir laut Karten in einer Sackgasse. Dies können und wollen wir nicht glauben. Vagen Hinweisen von Einheimischen folgend erfragen wir uns die folgenden zwei Tage unseren Weg nordwärs. Dieser führt uns über Pässe, durch leuchtend gelbe Wälder…

…und über tausend rollende Hügel. Felder soweit das Auge reicht, in der Mongolei ein seltsames Bild.

Hier werden Jurten von Mähdreschern verdrängt. John Deere is here!

Schliesslich werden wir von den Windungen des Selenge in unsere Schranken gewiesen. Dieser mächtige Fluss, er mündet später in den Baikalsee, zertrennt den Norden der Mongolei und ist auch für uns ein unüberwindbares Hindernis.

Gewitterwolken treiben uns 30 km vor sich her — und ziehen dann in Sekunden über uns hinweg.

Was bleibt ist ein fantastischer Regenbogen über dem Orkhon.

Mongolei | über Stock und Stein nach Mörön


August 2017
4,5 Tage im Sattel / 4,5 ‚Ruhetage‘
280 km, davon nichts asphaltiert

Durch Flüsse, über Pässe & gegen den Wind
Umzug ins Wintercamp — mit Sack, Pack & Herden
Verblüffende Vielfalt — Taiga, Tibet, Alpentäler

Route | Tariat – Jargalant – Shine Ider – Mörön (Murun)
Hier geht’s zu Karte, GPX- & KML-Dateien.

Mörön, Moron, Murun, Muruun — der Name unserer nächsten, knapp 300 km entfernten, Destination war unaussprechlich. Und jetzt pfiff uns auch noch der Wind mit freudig unangenehmer Stärke von genau dort ins Gesicht. Darauf hatten wir bereits klägliche
15 km hinter Tariat keine Lust mehr. Da kam das einladende Winken des freundlichen Besitzers eines touristischen ‚Ger‘-Camps am Nordufer des malerischen Tsaagaan Nuur gerade recht. Wir schoben unsere Räder in Jurte Nr. 2, heizten den kleinen Holzofen kräftig ein und verbrachten den Nachmittag lesend in der Wärme, während draussen der kalte Wind pfiff.

Der Holzofen, Kochherd und Wärmespender zugleich, bildet den Mittelpunkt jeder Jurte.

Das Nordufer des grossen ‚Tsaagan Nuur‘ windet sich vor uns in der Morgensonne.

Manchmal macht Aufgeben Spass — und auch Sinn. Als wir nämlich am nächsten Morgen unsere Räder aus der warmen ‚Ger‘ schoben, hatte sich der Wind beinahe gelegt.

Bereits auf den ersten 40 km entlang des Seeufers durften wir Dutzende kleine Flussläufe und Bäche durchqueren. Also Schuhe ausgezogen (ja, dank der frischen Temperaturen fuhren wir in Schuhen), Tiefe ausgelotet und dann munter durchgewatet. Wir kamen gut voran und verschwanden schon bald landeinwärts in den Bergen. Die Strecke war auf ihrer gesamten Länge abwechslungsreich und bot von tibetisch anmutenden Hochtälern, alpinen Flussläufen und Taiga-Wäldern bis zu bizarren Felsformationen, als wären sie  direkt aus dem Norden Argentiniens oder dem marokkanischen Atlas importiert jede Menge Abwechslung. Vor allem aber stellte sie uns täglich mindestens einen Pass bereit. Diese Pässe waren zwar nicht hoch, hatten es aber dank der ausgefeilten, nämlich  schnurgeraden mongolischen Routenführung — man denke an ‚Hillclimbing‘ — oft in sich. Und sollte zwischen Pässen und Flüssen doch einmal Langeweile aufkommen, wurden die staubigen Reisenden durch zweckmässig eingestreute Abschnitte knochenverschiebender Wellblechpiste wachgeschüttelt.

Für uns hält die Küste kleine und grosse Hügel bereit….

….und Flussmündungen halten unsere Reifen und Füsse sauber.

Flussebenen können sumpfig sein. Wer trocken bleiben will macht Höhenmeter.

Radlerfreundlich sind kleine Dörfer im Abstand von jeweils etwa 70 km eingestreut.

Brücken trifft man selten an und oft sind sie in desolatem Zustand. Nicht so unsere Räder.

Jeder scheint sich seinen Weg zu suchen.

Auch von tierischer Seite war für Abwechslung gesorgt! Die nächste Yak-, Schaf- oder Ziegenherde war nie weit und die Tiere tummelten sich in allen erdenklichen Hanglagen. Die besten Plätze befanden sich aber offensichtlich meist auf der Strasse! So wurde uns dann die zweifelhafte Ehre zuteil, regelrechte Massenpaniken auszulösen.

Nicht alle Tiere flüchten mit der Herde.

Andere lassen sich auch durch uns nicht von ihrem Aussichtspunkt vertreiben.

Der Verkehr hielt sich in Grenzen, war aber mit zwischen 20 und 30 Fahrzeugen pro Tag reger als auf vorangegangenen Etappen. Immer wieder begegneten uns einzelne mit Hab und Gut, Kind und Kegel und Motorrad be- und überladene, kleine chinesische Transporter oder grosse russische Lastwagen. Der mongolische Winter ist kalt und lang und der Countdown läuft. So machen sich schon einzelne Familien oder ganze Sippen auf, um sich in ihrem Winterlager auf den harten Winter vorzubereiten und Brennholzvorräte anzulegen. Im Sattel ihrer Pferde und Motorräder sitzend, trieben ganze Hirtenfamilien johlend und hupend ihre manchmal bis zu tausend Tiere zählenden Herden durch die Täler. Das Beobachten dieses Treibens lehrte uns Verständnis für das ausgedehnte mongolische Zeitgefühl und die oft stoische Geduld der Mongolen. Denn die Tiere, allen voran die Ziegen, waren ein kaum zu bändigendes Pack und hatten häufig ihre eigenen Vorstellungen betreffend Richtung und Bewegungsgeschwindigkeit!

Umzug mit Kamelen und Wagen war einmal…

…heute muss grosses Gerät aus russischer Produktion her!

Weiterhin campierten wir in der Nähe von Nomaden, wo wir wunderschöne Campspots fanden und man sich rührend um uns kümmerte. Wir wurden mit selbst gemachtem, gezuckertem Yak-Joghurt verwöhnt oder bekamen die Erlaubnis, unser Zelt am schönsten Platz am Fluss aufzustellen — diesen Platz dann auch wirklich mit all seiner natürlichen Schönheit und Ruhe zu geniessen, war jedoch schwierig. Die uns geschenkte Aufmerksamkeit der gastgebenden Familien — oder einfach unser scheinbar immenser Unterhaltungswert? — war so gross, dass wir erst zur Ruhe kamen, wenn wir kurz vor Sonnenuntergang ins Zelt krochen. Bis dahin sass man um uns herum, bestaunte uns, sprach über uns, verhandelte uns, begutachtete unsere Sachen und war einfach fasziniert. Der Abend an dem die zwei Radfahrer da waren, wird wohl allen in Erinnerung bleiben, auch dem Nachbarn, zu dessen Ehren man uns morgens um sieben wieder aus dem Zelt klopfte. Erst als wir in die Pedale stiegen, kehrte der Alltag ein. Yaks wollten gemolken werden, Motorräder wurden gestartet, Herden in die Hänge getrieben, und aus den Kaminenrohren der Jurten stieg Rauch.

Flussläufe und Campspots zum verlieben…

…serviert mit Yak-Joghurt aus der ‚Ger‘ (Jurte‘) nebenan.

Gross und klein, alle sind sie da! Auch von dieser Hirtenfamilie werden wir mit offenen Armen empfangen.

Manch eine Flusswindung ist so einladend, dass wir um eine Pause einfach nicht herumkommen.

Manchmal spielte alles mit. Dunkle Regenwolken zogen tatenlos vorüber, Regen fiel neben und nicht über uns, der Wind schob uns an, und die Flüsse waren glasklar und genau dann zur Stelle, wenn sich die Flaschen zu leeren drohten.

Doch die Freude sollte nicht lange währen. Im Laufe des dritten Tages, keine 80 km vor Murun, wurde Daina flau im Magen. Trotzdem kämpfte sie eine Steigung nach der anderen hoch und ertrug das Durchschütteln der Gedärme in den anschliessenden Abfahrten tapfer. Je weiter der Tag voranschritt, um so schlechter ging es ihr. Eine ungeschriebene Regel scheint zu besagen, dass dies nicht an Orten geschieht, an denen man sich einfach unter den nächsten Baum, ins Gras oder gar in ein Hotelzimmer legen kann. Nein, es ereilt einem in unwirtlichen Gegenden mit einem Ende-der-Welt-Flair. So schleppte sich Daina gegen Abend, nach einem kurzen Powernap im Staub und einer anschliessenden spontanen Magenentleerung, einen weiteren steilen Hügel hinauf. Als sich dann, oben angekommen, hinter einem Regenschleier und unter einem unglaublich leuchtenden Regenbogen, eine Ebene abzeichnete, war sie gerettet. Wir schlugen unser Zelt auf, krochen sogleich hinein und verbrachten eine Nacht in kollektiver fiebriger Übelkeit. Diese, wohl von einer Lebensmittelvergiftung stammenden, Übelkeit, hatte mittlerweile auch Robin im Griff. Vielleicht Lust auf Yakbutter aus dem Eimer?

Die Pfade in der Mongolei sind endlos und verworren.

Manch eine Abfahrt ist mit grossen Steinen gespickt und mit Schlaglöchern gewürzt.

Wir würzen unseren Mittag teils mit einem Nickerchen am Wegrand.

Oder lassen es auf der Abfahrt krachen.

Am nächsten Morgen ging es uns bereits etwas besser und weiteres Erbrechen half, wieder halbwegs munter zu werden. Doch da wir am Vorabend nichts mehr hatten essen können, fehlte beiden Kraft und Saft. Der 10 km lange Anstieg zur Passhöhe, keine 500 Höhenmeter höher gelegen und eigentlich ein Klacks, war ernüchternd qualvoll und wir kämpften um jeden Meter. Kurz nach der Passhöhe plötzlich ein kleines Restaurant vorzufinden war für die Mongolei äusserst ungewöhnlich — und in diesem Moment ein Segen. Im Regal strahlte uns dort eine grosse Flasche Coca Cola an, die uns wieder zu Kräften bringen wollte — was sie auch tat! Die Welt wurde langsam wieder bunt, die Sonne zeigte sich, die Strasse neigte sich und wider Erwarten konnten wir die noch verbleibenden 30 km nach Murun tatsächlich geniessen.

Mit der rettenden Flasche Coca Cola sitzen wir in der Sonne…

….und verputzen dann im Restaurant eine Portion ‚Guilasch‘.

So blühen die Blumen bald wieder für uns und wir erreichen Mörön (Murun) bei bester Laune, wenn auch nicht ganz gesund.

Mongolei | die Berge von Khangai

August 2017
7 Tage im Sattel / 4 ‚Ruhetage‘
480 km, davon 72 km asphaltiert
3’335 Höhenmeter

endlose Hügel und steinige Tracks
nomadische Gastfreundschaft
Vodka, Feldstecher & Hirtenhunde
Kälte, Pässe, Schneegestöber

Route | Tsetserleg – Jargalant – Zag – Changai – Tariat (Um die Strecke auf der Folgeetappe nicht doppelt zu fahren, folgten wir die letzten 43 Km der Strasse entlang der Südseite des Sees) GPX und zoombare Karte

Tsetserleg, die kleine Provinzhauptstadt, hielt uns zwei Tage auf Trab. Anstatt unseren müden Knochen etwas Ruhe gönnen zu können, galt es, einiges zu erledigen. Wir hatten uns vor unserer Abreise selbst ein Ei gelegt, welches wir nun dringend ausbrüten mussten. Zur Trinkwasseraufbereitung verwendeten wir ein kleines Gerät von der Grösse einer mittleren Karotte, ‚MSR-MIOX‘ genannt. Damit lassen sich mit Strom, einer Prise Salz und ein paar Millilitern Wasser, innert weniger Sekunden, ein paar Tropfen einer Chlorlösung erzeugen. Ins Wasser gemischt wird damit, nach entsprechender Wartezeit, aus Yakdunglastigen Gebirgsbächen und verunreinigten Flüssen, sauberes Trinkwasser — wenn auch mit leichtem Freibadgeschmack. Dies klappt aber nur mit den nötigen Batterien, kleine dicke Dinger vom Typ CR123a, wie sie früher in jeder Kamera Platz fanden. Solche Ersatzbatterien aufzutreiben, hatten wir im Abreisestress vergessen und dies stellte sich nun in Tsetserleg als unmöglich heraus, ebenso wie bereits zuvor in Ulaanbaatar und Kharkhorin. Die Suche danach nahm aber einen Grossteil unserer Zeit in Anspruch.

Generell bevorzugen wir es, uns unsere Wege selbst zu suchen, und hatten dies auch in den beiden vorangegangenen Etappen so gehandhabt. Dazu werden Karten studiert, mit Onlinekarten abgeglichen, Distanzen abgeschätzt und, da viele Wege weder hier noch da aufscheinen, auch ‚GoogleEarth‘ nach sandigen Jeepspuren durchforstet. Es gilt mögliche Verpflegungspunkte in Form von Ortschaften zu finden, die nötigen Vorräte zu berechnen und — nicht ganz unwichtig — Wasserquellen, meist Flüsse, zu definieren. Für die nächste Etappe durch die Khangai-Berge bot sich aber eine, von Cass Gilbert gemünzte, Route geradezu an. Sie versprach abgelegene, wilde Natur, schöne Pässe und schön-schlechte Pisten. Die asphaltierte Alternative nach Norden stand dagegen von Beginn weg auf verlorenem Posten. Wir sollten nicht enttäuscht werden.

Die Pfade sind verspielt, fordern uns….

…und sie sind oft mit grossen Steinen übersät.

Auf der Passhöhe wartet jeweils der Ovoo mit seinen Geistern, teils in dunkle Wolken gekleidet.

Wie Kamele ziehen wir, oft in Einerreihe, dahin.

Während andere ihrer Arbeit nachgehen oder sich der Menge unterordnen.

So verliessen wir Tsetserleg schliesslich ohne die gewünschten Batterien, dafür mit einigen Tabletten zur Desinfektion von Schwimmbädern (Poolwasser gleich Trinkwasser, wenn richtig dosiert) und den wichtigsten Informationen zur bevorstehenden Route im Gepäck. Auch weil Murray Benn, der hilfreiche, australische Besitzer des ‚Fairfield Guesthouse‘ in Tsetserleg, sein fundiertes Wissen um Strassenzustand und örtliche Gegebenheiten bereitwillig mit uns geteilt hatte.

Wie immer waren die ersten Meter ‚On the Road‘ befreiend — ein Gefühl von Freiheit so intensiv, dass es sich nur schwer beschreiben lässt! Wir füllten an der Quelle am Ortsausgang unsere Trinkwasservorräte und verschwanden kurz darauf wieder in den endlosen Hügeln der Mongolei, wo Pferdeherden freudig galoppieren und abgetrennte Ziegen- und Schafhufe (kein Witz), Motorradteile und Vodkaflaschen die Pfade säumen. Eben diese Vodkaflaschen liessen uns unsere Camping-Strategie neu überdenken. In den ersten beiden Wochen hatten wir meist nach fünf Uhr damit begonnen, ein möglichst abgeschiedenes Plätzchen für die Nacht zu suchen, und waren in 3 von 4 Fällen trotzdem kurz vor Sonnenuntergang von Hirten gesehen worden — das jeder Hirte einen Feldstecher oder ein Fernglas unter seinem Mantel verborgen am Gurt trägt, fanden wir erst nach einiger Zeit heraus. Dies war bisher nie ein Problem gewesen, doch hatten wir durch Andeutungen oder Blicke das ein oder andere Mal zu spüren bekommen, dass die Wahrnehmung westlicher Frauen bei manchen mongolischen Männern nicht eben der Realität entsprach. Diese Einstellung, in Kombination mit rauen Mengen Vodka und Abgeschiedenheit, war nicht etwas, wovon wir nachts, schlafend im Zelt, überrascht werden wollten. Anstatt uns zu verstecken, hielten wir von nun an zu gegebener Zeit bei Jurten, möglichst solche mit Frauen oder Kindern in Sichtweite, und baten darum, in ihrer Nähe, und damit unter ihrem Schutz, unser Nachtlager aufschlagen zu dürfen.

Von nun an campieren wir in der Nähe von Jurten. Auch dort finden sich schönste Aussichten und…

…die Nomaden sind oft unglaublich freundlich, aber scheu.

Doch auch sie mögen dicke Reifen.

Obwohl die Nomaden anfangs oft skeptisch waren, gewährten sie uns unseren Wunsch, erst in Zeichensprache und später durch ‚GoogleTranslate‘ übermittelt, meist. Die daraus resultierenden Begegnungen werden unvergessen bleiben. Manche Familien kümmerten sich anschliessend nicht gross um uns und überliessen uns müde Stinker uns selbst. Dies war uns, nach einem strengen Tag im Sattel, oft ganz recht. Wir kochten unser Abendessen und legten uns früh schlafen. Am nächsten Morgen aber, nachdem wir unser Zelt abgebaut hatten und klar wurde, dass wir weder Randale machen noch ihre Hunde töten und ihre Rinder rauben wollten, war man plötzlich freundlich. Unser Lächeln wurde erwidert und oft lud man uns sogar, mit überraschender Herzlichkeit, in die ofenbeheizte Jurte zu salzigem Milchtee und Gebäck ein, während gleichzeitig Babies gewickelt oder Plätzchen gebacken wurden.

An anderen Abenden aber waren wir zugleich Zirkus als auch Ehrengäste. Nachdem man uns abwägend den optimalen Platz für Zelt und Wohlbefinden zugewiesen hatte, half man uns beim Aufstellen unseres Zeltes, was für diese Berufscamper in der hundertsten Generation natürlich ein Leichtes war! Die Art, wie uns diese unter einfachsten Umständen lebenden Menschen mit offenen Armen empfingen, sich unser annahmen und alles mit uns teilen wollten, berührte uns tief — einmal bot man uns sogar den zuvor unter Jubel gefangenen Fisch an.

Man lädt uns in die gute Stube ein…

….und verwöhnt uns mit Milchtee oder Yakbutter.

Und manche würden uns sogar den eben gefangenen Fisch schenken!

Während uns die wachenden Hirtenhunde oft nachts im Tiefschlaf behüteten, konnten sie auch anders. Denn nicht immer war allen Hunden klar, dass wir geduldete Gäste in ihrem Revier hätten sein sollen. Einem besonders grossen Exemplar, nennen wir es ‚Cujo‘, passten wir ganz und gar nicht in den Kram. Dies deutete er bereits bei Tageslicht durch Markieren von Robins Fahrrad und durch ständiges, unfreundliches Knurren an. So richtig in Fahrt kam er dann aber, als wir gerade friedlich in die Tiefschlaf-Phase eintauchen wollten. Dann nämlich läutete er die erste Angriffswelle ein. Was auch immer ihn dazu bewogen hatte, er war fuchsteufelswild und kläffte, knurrte und tobte direkt neben unserem Zelt, immer gefühlte zwanzig Zentimeter und fünf Sekunden von einem Biss in Robins Schädelplatte entfernt. Nur die Imprägnierung unseres Zeltes verhinderte wohl, dass wir seinen mit Sicherheit fauligen Atem nicht riechen konnten. Dieses haarsträubende Prozedere wiederholte sich im Laufe der Nacht noch weitere zwei Mal und liess uns am Morgen mit dunklen, schwarzen Ringen unter den Augen aus dem Zelt kriechen. Da hütete die Bestie bereits friedlich Schafe.

Kamelherde am Wegrand: Ausgeglichener als die meisten Hirtenhunde.

Aber nicht nur Hunde hielten uns bei Laune. Auch das Wetter zog alle Register. Regenwolken ärgerten uns, Gewittertürme drohten uns und immer wieder machten wir uns auf Unwetter gefasst, blieben jedoch meist verschont. Bald aber wurde es zu kalt für Gewitter, denn täglich sanken die Temperaturen tiefer und ein beissender Wind pfiff uns tagelang ins Gesicht. Mit besagten, dunklen Ringen unter den Augen kam dann, was kommen musste. Schnee, oder besser gesagt Graupel, fiel aus dichten schwarzen Wolken, und kurz vor einer Passhöhe auf etwa 2’700 MüM winkten uns zwei junge Nomadenfamilien zu ihren Jurten. Den Pass könnten wir bei diesem Wetter nicht passieren, gaben sie uns zu verstehen. Stattdessen luden sie uns in ihre Ger zu Yakbutter-Brot und Yakbutter-Tee ein, erzählten uns von der Murmeltierjagd, zeigten uns ihr Satellitentelefon und die Murmeltöter-Flinte und versorgten uns schliesslich mit einer dampfenden Flasche Tee für die Weiterfahrt, die noch den einen oder anderen Schneesturm im Hochgeschwindigkeits-Hagelformat für uns bereit hielt.

Erwischen uns Gewitter im Sattel, so schaltet Robin unweigerlich in den Notfallmodus, die Beine legen plötzlich ein dopingverdächtiges Tempo vor und hören erst auf, wenn er sich ausser Reichweite der Blitze wähnt. Jedem seine Ängste.

Dunkle Wolken künden Unheil an…

…und wenig später zieht der erste Schneesturm heran. An Flucht ist hier nicht mehr zu denken.

Meistens aber ist der endlose Augusthimmel über den Bergen mit Wolken überzogen.

Nach sieben schönen, strengen und ereignisreichen Tagen erreichten wir das kleine Dorf Tariat am See Tsaagaan Nuur, wo wir uns — nach sieben Tagen weder unverdient noch unnötig — erst eine heisse Dusche in der öffentlichen Dorfdusche (!) gönnten und dann, im ersten ‚Minimarkt‘ in einem Regal, einen Haufen eben jener von uns so dringend zum baldigen Ersatz gesuchten Batterien entdeckten! CR123a, alles wird gut.

Glaubt man diesem Steinkreis aus der Bronzezeit direkt am Wegrand, sind wir nicht die Ersten, die hier durchkommen.

Mongolei | hinaus in die Wildnis

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Juli / August 2017
14 Tage, davon 3 Ruhetage
605 km, davon 175 asphaltiert

Ulaanbaatar— Ankunft ohne Gepäck
Im Sattel — Jurten, Sand & Wodkaflaschen
Natur pur — Pferde, Stiere, Wolfsgeheul
Camping — Gewitter, Stürme & eine Sturzflut

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Route von Ulaanbaatar nach Tsetserleg | Ulaan Baatar — Altanbulag — Undurshireet — Erdenesant — Rashant — Kharkhorin — ‚Orkhon Valley‘ — Tsetserleg

GPX Tracks: Ulaanbaatar – Kharkhorin; Kharkhorin – Tsetserleg

Der Blick auf endlos rollende und von sandigen Jeepspuren durchschnittene Hügel beim Anflug auf Ulaanbaatar, der Haupstadt der Mongolei, löste in uns Nervosität und Vorfreude zugleich aus. Mit einem Upgrade unseres Fluges von Zürich nach Moskau, und einem zum Frühstück (!) servierten Becher Eiscrème kurz vor der Landung in der Mongolei hatte uns Aeroflot eigentlich gut unterhalten. Dabei blieb aber unser Gepäck – wie auch das der meisten Passagiere – auf der Strecke und kam in den unverhofften Genuss eines verlängerten, visafreien Stopovers in Russland.

Bereits einen Tag später durften wir aber Räder und Ausrüstung glücklich in die Arme schliessen. Nach einigen Tagen ‚Rekalibrierung‘ im relativ westlich anmutenden Ulaanbaatar, ritten wir in die mongolische Steppe hinaus beziehungsweise pedalten über eine neue Strasse am Flughafen vorbei westwärts, vorbei an Jurten, Pferden und neuen Plattenbauten.

Letzte Blicke auf Ulaanbaatar.

Keine 40 km später endete der Asphalt und wir fanden uns in genau jenen Hügeln wieder, welche wir wenige Tage zuvor bereits von oben gesehen hatten. ‚Mission Mongolia‘ konnte beginnen! Unsere Routenwahl schien vielversprechend, unsere Reifen spielten im Sand, und abgesehen von einem gelegentlichen Auto oder Lastwagen teilten wir die mongolische Steppe nur mit Pferdeherden, leeren Wodkaflaschen und deren hunderttausend Scherben.

Pferdeherden, so hatten wir uns die Mongolei vorgestellt!

Der erste Tag im Sattel war sonnig. Am frühen Nachmittag passierten wir das letzte Dorf, eine Ansammlung von Jurten und Zäunen. Auf der Suche nach einem geeigneten Nachtplatz stiessen wir gegen Abend auf eine leichte Vertiefung in der sandigen Weite: Schutz vor neugierigen Blicken, nächtlichen Windböen und, vor allem, vor Blitzen. Die Freude über den gefundenen Lagerplatz war gross, ebenso der Hunger. So hatten wir, als sich wie aus dem Nichts über uns eine Gewitterwolke formte und sogleich zum Angriff bliess, bereits gegessen und flüchteten in die trockene Sicherheit unseres Zeltes. Der darauf folgende Hagel und die Windböen hätten einen beinahe gemütlichen Abend einläuten können.

Doch ein kurzer Blick nach draussen bereitete der Gemütlichkeit ein Ende. Bereits sassen wir mitten in einem Bach, der mit jeder Sekunde stärker wurde! Nur in Unterwäsche bekleidet, und binnen Sekunden völlig durchnässt, konnten wir erst Gepäck und dann unser Zelt gerade noch an eine nur wenige Meter entfernte, höher gelegene Stelle retten, während die Fluten — nein, ich übertreibe nicht! Fluten — um uns herum anstiegen. Kaum waren Zelt und Ausrüstung einigermassen in Sicherheit, merkten wir, dass wir von unseren Rädern mittlerweile durch diesen neuen Fluss getrennt worden waren — und sie darin zu versinken drohten! Im Halbdunkel und bei natürlichem Blitzlichtgewitter überquerten wir die schlammige, mittlerweile oberschenkeltiefe und bedrohlich reissende Flut. Daina wäre um ein Haar mitgerissen worden! Doch darüber nachzudenken, hatten wir mitten im Sturm keine Zeit. Wir legten die Räder einige Meter vom Fluss entfernt nieder und durchquerten die Sturzflut nochmals, nur um zu entdecken, dass unser Zelt, in der Hitze des Gefechts mit unseren Drybags und den verbleibenden Häringen notdürftig gesichert, vom Wind komplett niedergedrückt wurde, aber immerhin standhielt. Doch schon begann das Wasser die Wände des neu geschaffenen Flussbetts einzureissen. Mit dumpfem Dröhnen brachen die Flanken gleich meterweise ein und auch uns unter den Füssen weg. Plötzlich war unser Zelt erneut in Gefahr. Es drohte in die tosend-braune Suppe zu stürzen. Wieder war Handeln angesagt.

Der mit voller Wucht tobende Sturm wollte sich noch nicht geschlagen geben und das Gewitter wütete weiter. Mittlerweile in Regenbekleidung, aber immer noch durchnässt — denn nein, zum Abtrocknen und Föhnen war beim Umziehen keine Zeit geblieben — kauerten wir uns an einen schützenden Abhang, hofften, nicht vom Blitz erledigt zu werden, und begannen erbärmlich zu schlottern! Es kam also keine Langeweile auf und dies sollte auch bis nach Mitternacht so bleiben. Erst dann konnten wir in unser zwar komplett durchnässtes, aber unversehrtes Zelt kriechen und uns, wie Kinder, über die trockengebliebenen Schlafsäcke freuen.

Der Morgen danach: Das ’neue‘ Flussbett trocknet in der Sonne. Unsere Räder (links) und das Zelt (rechts) sind stumme Zeugen der nächtlichen Turbulenzen.

Am nächsten Morgen bot sich ringsum ein Bild der Zerstörung. Zu unserer grossen Freude liess sich jedoch bald die Sonne blicken und bereits am Mittag waren unsere Sachen wieder getrocknet. So nah können Freude und Leid beieinander liegen. Wir schwangen uns, erschüttert durch die Ereignisse der vergangenen Nacht, in die Sättel unserer frisch gefluteten Räder und strampelten durch eine über weite Strecke vom Wasser verwüstete und zerfurchte Landschaft.

Die folgenden zwei Tage führten uns durch ein breites, aber ausgetrocknetes, sandiges Tal. Dessen Unfruchtbarkeit spiegelte sich in den immer grösser werdenden Abständen der Jurten (in der Mongolei ‚Ger‘ genannt). Zierten sie anfangs das Tal wie weisse Perlen im Abstand von wenigen Kilometern, so wurden es nun, keine 100 km später, immer weniger. Wasser war knapp, dies bekamen auch wir zu spüren. Die Regennacht hatte uns einiges an Wasserreserven gekostet und so schöpften wir schon bald Wasser aus den letzten trüben Pfützen, bevor auch diese austrockneten. Weniger ausgetrocknet waren die beiden Herren, welche uns am zweiten Morgen in traditioneller Tracht mehrfach überholten und dabei, sturzbetrunken wie sie waren, mindestens einmal vom Motorrad purzelten. Dasselbe Schicksal ereilte wenige Tage später einen Reiter im kleinen Ort Undurshireet. Don’t drink and ride.

Heiss, sandig und trocken. Gab es hier wirklich Gewitterstürme?!

Die Nomaden ziehen etwa alle drei Monate um, sie tun dies mit Sack und Pack und Ger, jedoch nicht mehr auf Pferden oder Kamelen, sondern mit chinesischen Kleinlastern oder dem in der Mongolei unglaublich beliebten Toyota Prius.

In der zweiten Nacht blieben wir von Unwetter verschont, uns sass der Schreck in Form von Erschöpfung aber immer noch in den Knochen. Nachdem wir der Einladung einer Nomadenfamilie zu Tee, Buuz (Teigtaschen mit Fleischfüllung) und mongolischem Nachmittagsfernsehen in ihrer ‚Ger‘ gefolgt waren, beschlossen wir am dritten Tag beim Anblick eines kleinen Flusslaufes mit Schatten spontan, bereits um drei Uhr die Segel zu streichen und uns in den Schatten einiger Bäumchen zu legen. Wir hatten ein bisschen Erholung verdient.

Doch so einfach sollte es dann doch nicht sein! Wie nach solch entspannten Nachmittagen üblich, lauerte die Überraschung in der Dämmerung. Kaum lagen wir im Zelt, begannen in der Ferne Hirtenhunde zu heulen. Erst links, dann rechts, mal nah, dann in der Ferne. Damit konnten wir leben. Weniger angenehm waren die Stiere, welche sich gegen neun um uns herum gruppierten. Anscheinend, und wir hätten es anhand der abgebrochenen Äste wissen müssen, hatten wir ihren bevorzugten Hörnerwetz-Platz besetzt, und so schnaubten, trampelten und randalierten sie in den Büschen rings um unser Zelt herum, bis sie irgendwann in ein tiefes Schnarchen verfielen. Wir taten es ihnen gleich — und wurden morgens um fünf durch eindringliches, erschreckend nahes Geheul und Geschnüffel direkt um unser Zelt aufgeschreckt. Dies dauerte eine Weile an, kam näher, entfernte sich und ging dazwischen in ein fieses, hyänenartiges Gekicher über. Wölfe….Wölfe? Wölfe! Wir sahen uns an und legten uns schlafen, zugegebenermassen etwas nervös. Wir würden wohl hoffentlich nicht in deren Beuteschema passen. Der freundliche Hirte, der uns am nächsten Morgen zum Tee in seine ‚Ger‘ einlud, bestätigte unseren Verdacht. Wir hatten Wolfsbesuch bekommen, auch seine Hunde hatten in der Nacht zuvor Witterung aufgenommen. Wir wollten Natur, wir hatten Natur.

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Im Gegenzug kann die Abfahrt ‚buttrweich‘ und der Wind zahm sein.

Es finden sich Felsformationen mit Weitsicht…

…und Campspots mit Ausblick.

Mit den letzten Sonnenstrahlen sinkt die Chance entdeckt zu werden und damit auf unliebsame Begegnungen mit Vodkagetränkten Zeitgenossen.

Weiterhin hielt das Wetter immer wieder Überraschungen für uns bereit. Dazu kam, dass Robins Knie unserem Vorhaben nicht durchwegs positiv gesonnen war und wir uns zu Beginn auf kürzere Tage im Sattel beschränken mussten. Eines Morgens, wir hatten die Nacht keine 300 m von der Hauptstrasse entfernt hinter einer wunderbaren Felsformation verbracht, gab sich das besagte Knie schon beim Aufstehen widerwillig. So beschlossen wir, nach fünf Tagen im Sattel, einen Ruhetag einzulegen und, auch aus Mangel an Wasser für einen weiteren Tag, für einen Tag und eine Nacht in einem nahegelegenen Ger-Camp, einem Jurtenhotel, einzuziehen. Hier konnten wir dem gegen Abend aufziehenden Sturm getrost entgegensehen. Doch die Wucht, mit welchem dieser schliesslich zuschlug, war trotz unserer Erfahrung in der ersten Nacht überraschend. Wieder begann es mit Sturmböen und starkem Regen, welcher bald in Hagel überging. Bald hagelte es auch im Innern der Jurte durch die wenigen Ritzen in der Dachöffnung und der Sturm wurde so stark, dass die ganze ‚Ger‘ zu vibrieren begann und es sich anfühlte, als ob das ganze Jurten-Raumschiff gleich abheben würde! Tat es aber nicht. Doch plötzlich entstandene kleine Bäche verwüsteten einige der Jurten um uns herum und spülten deren chinesische Tourgruppen-Bewohner beinahe mitsamt Möbel ins Freie. Diesmal blieben wir verschont.

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Jurten haben oft schöne Türen, die immer nach Süden ausgerichtet sind…

…und ein ‚Dachfenster‘ für den Kamin…

….und glühen im Dunkeln. Die Konstruktion aus Latten, Filz und Stoff hält dicht – einigermassen. Dafür lässt sich’s damit locker alle 3 Monate umziehen.

Unsere erste Zwischenstation, Kharkhorin (Karakorum), entpuppte sich als kleines Nest mit einem schönen, buddhistischen Tempel. Nach drei Knie-Ruhetagen verliessen wir die einstige Hauptstadt der gefürchteten Mongolen. Für die Weiterfahrt hatten wir uns eine schöne Route nach Tsetserleg herausgesucht, einer Provinzhauptstadt am Rande der Khangai-Berge. Diese führte uns, auf nicht eben direktem Weg und erst dem Fluss ‚Orkhon‘ folgend, durch eine Bilderbuchlandschaft von oft saftig grünen Hügeln, vorbei an weidenden Herden von Yaks, Schafen, Ziegen, Kühen und Pferden. Während die struppigen Yaks, sie schienen uns kleiner als ihre tibetischen Freunde, sich meist nicht aus der Ruhe bringen liessen, flüchteten Hundertschaften von Ziegen und Schafen, sobald wir in ihre Nähe kamen. Ganze Herden von galoppierenden, wiehernden Pferden vergnügten sich hingegen auch ohne unser Zutun.

Das Kloster in Kharkhorin wurde unter sovietischer Herrschaft zu grossen Teilen zerstört, doch einiges blieb bestehen. Schönes.

Die enge Verwebung des mongolischen und tibetischen Buddhismus sticht ins Auge….

…Gebetsmühlen beten tausend Gebete für den armen Sünder…

…denn, viel hilft viel!

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Das kleine Städtchen Tsetserleg entpuppt sich als geschäftiges kleines Nest.

Immer wieder trafen wir Hirten. Diese trieben, mal auf dem Motorrad, mal zu Pferd, ihre Tiere zusammen. Wir wurden zu Tee, Fleischgebäck (Buuz) oder ein paar Happen luftgetrocknetem, beinhartem Käse in Jurten eingeladen, oder man setzte sich einfach nur neben uns, wenn wir Passanten während einer Pause ein Stück Brot oder ein paar Kekse anboten. Die Kommunikation allerdings gestaltete sich oft schwierig und verlief, trotz ‚Phrasebook‘, nach kurzer Zeit meist im Sand. Denn Mongolisch scheint uns eine Sprache zu sein, die es eigentlich nicht geben kann, geschweige denn, dass jemand sie versteht. Unsere Versuche jedenfalls ernteten oft bereits ob unserer Aussprache des Wortes ‚Danke‘ verständnislose Blicke — wir werden es trotzdem weiterhin versuchen.

Auch hier gibt es Fleisch: Restaurant an der Landstrasse. Man versteht uns oft nicht und hofft, dass das Problem (wir!) schnell wieder geht. Versteht man uns doch ist das Essen lecker und der Milchtee salzig.

Die Menschen auf dem Land leben ein hartes, einfaches Leben….

…zu Pferd oder auf chinesischen Motorrädern hüten sie Herden von Pferden, Yaks, Ziegen und Schafen.

Sie sind meist freundlich und nach etwas Aufwärmzeit sehr herzlich! Hier geht es zur Feier des Tages gerade einem Schaf ans Eingemachte, denn…

…man isst Fleisch! Willkommen in der Mongolei!

Indonesien | Bali

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Juli 2016
8 Tage, davon 4 Radtage
220 Kilometer
Reisfelder, Götter & Vulkane
5’613 : Kilometerstand am Ende dieser Reise durch Indonesien & Australien

 

Letzter Halt Bali — Wir runden unsere Reise ab
Blumen, Farben, Räucherstäbchen — zurück in Indonesien
Hinduistisches Bali — ein Kontrast zum muslimischen Sumatra
‚Bikepacking‘ light — ‚Tour de Bali‘ mit Minimalgepäck

 

Route durch Bali | Kuta (ganz unten) — Ubud — Candi Kuning (Bedugul) — Ubud — KutaRoute ins Innere Balis

Nur gerade eine Flugstunde trennt Bali in Indonesien von Darwin in Australien, einer anderen Welt. Nach vielen, langen Tagen in Australiens Sand, hatten wir uns für Bali ein ruhiges Programm zurecht gelegt. Ein radfreies. Wir wollten die, für die acht Tage später anstehende Weiter- und Heimreise zerlegten und in Kartonschachteln verpackten Räder so lassen und unseren müden Knochen etwas Erholung gönnen. Soweit der Plan. Mitten im super-touristischen Kuta, wo sich Tattoo Studios, Souvenirläden und Modeboutiquen Kilometer weit dicht an dicht drängten, quartierten wir uns in einem kleinen Hotel mit Pool — nach zwei Monaten im Zelt Luxus pur. Wir fühlten uns, als ob wir Indonesien nie verlassen hätten, plapperten auf Indonesisch, schlürften heissen, süssen Kaffee aus kleinen Plastikbechern von fliegenden Händlerinnen am Strassenrand, genossen leckeres ‚Soto Ayam‘ (würzige Suppe mit Huhn mit Reis), naschten dazu fettige ‚Gorengan‘ (in Teig frittiertem Gemüse) und freuten uns über die ungeheure Auswahl an meist wunderbar scharfen Speisen in den muslimischen Buffet-style Restaurants. Und dann kam, was kommen musste. Wir wollten das richtige Bali sehen. Wir wollten raus und wir wollten Rad fahren. So motiviert, befreiten wir am dritten Tag unsere Räder aus ihren engen Schachteln, bauten sie zusammen, packten nur das Allernötigste daran (T-Shirt, Hose, Regenjacke, Zahnbürste und Reifenflicken) und verliessen Kutas Hotel-Dschungel am nächsten Morgen im Sattel und mit einem grossen Grinsen im Gesicht.

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Schon bald lassen wir Kutas Stadtverkehr hinter uns und entdecken das Bali der kleinen Dörfer.

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Die Dörfer und Felder sind mit grossen und kleinen Tempeln und Schreinen gespickt.

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Während andere an kleinen “Tankstellen“ ihre Scooter betanken….

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…kaufen und geniessen wir bei kleinen Läden köstliche balinesischen Leckereien…

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…und verbringen die kühlen Nächte im „Komfort“ einfacher Hotelzimmer in Ubud und dem kalten, bereits auf 1’500m gelegenen, Candi Kuning.

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Bali scheint aus prachtvollen Tempeln zu bestehen…

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…und Reis. Reis. Reis. Reis.

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Die Arbeit in den Reisfeldern ist hart, auch mit Maschine.

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Reisfelder ziehen sich die Hänge hoch….

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…während wir uns keuchend die teils unglaublich steilen Strassen hinauf kämpfen.

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Auch die Götter wollen wohl gestimmt sein. Der hier etwa, Hanuman der Affenkrieger.

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Überall stehen kleine, oft liebevoll geschmückte Schreine…

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…und morgens werden kleine, blumige Opfergaben vor die Häuser gelegt. Den Göttern gefällt’s, Wind und Hunde spielen damit und manch ein Tourist stolpert wohl darüber.

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Je höher wir steigen, umso schöner wird die Aussicht. Blicke über die Hügel…

Wald

…und alte, verwachsene Wäldern laden zum verweilen ein.

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Wir nehmen uns Zeit und halten an, plaudern oder staunen…

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…entdecken am Wegrand faszinierendes.

Strauch

Während manch eine vermeintliche Zierpflanze sich im Freien tummelt…

Blumentopf

…müssen auch hier manche drinnen spielen.

Blumen

Blumen lachen uns aus…

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…strecken uns die Zungen heraus…

Gecko

…und Geckos spielen mit uns Verstecken…

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Bali zieht uns in seinen Bann.

Nach vier Tagen, die uns wie zwei Wochen vorkamen, kehrten wir glücklich und zufrieden nach Kuta. Bali hatte uns für sich gewonnen. Im ländlichen Bali schien die Kultur noch echt und lebendig. Ein letztes Mal auf dieser Reise galt es, die Räder zu verpacken, bevor wir den Heimflug über Singapur antraten.

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Doch vorher gönnen wir uns noch einen letzten, sonnigen Tag am kleinen aber feinen Pool.

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Bereits am Flughafen in Zürich befreiten wir unsere Räder aus ihren Schachteln. Den Rest des Weges durften auch sie einmal Passagiere sein. Die SBB macht’s möglich.

 

 

 

Australien | Top End

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Juni / Juli 2016
24 Tage, davon 18 Radtage
1’353 Kilometer, 30% ungeteert
NT ‚Northern Territory‘
Rinder, Sand & Gegenwind

Zwischen Rindern und Rentnern
Erschöpfung im Outback
Off Road im ‚Judbarra / Gregory National Park‘
Hochsaison im ‚Litchfield National Park‘
1 Beinahe-Schlangenbiss

Kilometerstand: 5’393 Reisekilometer durch Indonesien & Australien

Route | Kununurra — Timber Creek (km 227) — ‚Judbarra/ Gregory National Park‘: Bulita Campsite — Humbert Track — Humbert Top Yard — Humbert Track — Ende NP — Yaralin Community — Top Springs (km 520) — Katherine (km 810) — Lelyin (Edith Falls) — Robin Falls — Batchelor (via ‚Old Coach Road‘) — Litchfield NP: Florence Falls — Wangi Falls — Ende Park, ‚Litchfield Park Road‘ — Cox Peninsula Road, Berry Springs Turn Off — Wagait Beach — Fähre Mandorah – Cullen Bay, Darwin (km 1’353)

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Route Kununurra – Darwin

Kununurra, schön am Fluss gelegen, von Obst und Gemüsefarmen umgeben und täglich von Touristenhorden geflutet, hatte für uns einen Hauch von Trostlosigkeit an sich. Nach dem täglichen ‚Beutezügen‘ durch den einzigen Supermarkt, nahmen wir unsere Plätze in der ‚Campers Kitchen‘ des Campingplatzes ein, wo wir die Tage mit Schlemmen und der Planung der Weiterreise verbrachten. Wir wollten erst 300 km auf der ‚Duncan Road North‘ nach Süden, dann etwa 400 km auf dem ‚Buntine Highway‘ nach Osten und schliesslich grob 300 km durch den ‚Gregory NP‘ nach Norden fahren — alles ungeteert und abgelegen. Die Distanzen würden gross, 700 km zum nächsten ‚Roadhouse‘ in Kalkarinji, und ein Grossteil der Flüsse ausgetrocknet sein. Auch endlose Telefonate mit ‚Ranger ‚, Strassenbauämtern, Touristeninformationen im Umkreis von 500 km brachten uns nicht weiter. Niemand konnte uns sagen, welche Flüsse noch Wasser führten oder ob sich in für uns machbaren Abständen (konservativ geschätzt 250 km) Wasser finden lassen würde. Alle aber waren sich einig, dass wir ‚mad‘ waren und flehten uns teils an, unsere Vorhaben nochmals zu überdenken. Schliesslich gaben wir unser Vorhaben auf — ein Risiko wollten wir nicht eingehen — und strampelten die 227 relativ ereignislosen Kilometer auf dem ‚Victoria Highway‘ nach Timber Creek in zwei Tagen ab.

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Are you prepared? …Treibstoff? Essen? Sicherheitsausrüstung?

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Yes, we ARE prepared! Mit Ration für 12 Tage — links etwa Frühstück mit bereits portioniertem Müesli. Damit wäre auch der Treibstoff abgedeckt. Als Sicherheitsausrüstung müssen Helme und ein paar Pflaster genügen.

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Bloss, was tun gegen diese hier — und vor allem gegen deren grosse, hungrige Brüder?

Entlang der weniger befahrenen Highways suchten und fanden wir in gewohnter Manier täglich einen verborgenen Nachtlagerplatz, gut geschützt durch Gestrüpp, Termitenhügel und die Farbe unseres Zeltes. Auf den Hauptverkehrsachsen aber boten sich in regelmässigen Abständen ‚Rest Areas‘ zum Campieren an und ersparten uns die Zeltplatzsuche. Diese, meist mit einigen Tischen und Bänken — für uns Bodensitzer mittlerweile Luxus! — einem Plumpsklo und teils sogar einem Wassertank ausgestatteten Rastplätze, füllten sich jeweils im Laufe des Nachmittags mit Wohnwagen der ‚Grey Nomads‘ und verwandelten sich über Nacht in wahre Campingplätze. Natürlich kamen wir regelmässig ins Gespräch. Der Einstieg erfolgte meist etwa so: ‚These bikes have bloody fat tyres! (Diese Räder haben verdammt dicke Reifen)‘, so: ‚Where have you ridden from? (Wo seid ihr losgefahren?)‘ oder gar so: ‚Are you the mad cyclists? (seid ihr die verrückten Radfahrer?)‘. Darauf folgte, relativ unabhängig von unseren Antworten etwa ‚Good on you! (Gut gemacht)‘ oder ‚We’ve come a long way too, but not on a pushbike (Wir sind auch weit gefahren, aber nicht mit dem Rad!)‘ Dann Gelächter und die einheitliche Abschlussfeststellung: ‚You’re mad! (Ihr seid verrückt!)‘. In den meisten Fällen war der Wissensdurst daraufhin gestillt und die Herren schlenderten nach einem ’see you‘ davon — dem Hündchen hinterher, zurück zu Gattin und Wohnwagen oder weiter zum nächsten Gefährt, Bier oder Grill. Um spätestens sieben Uhr kehrte dann Ruhe ein, die Klappstühle wurden eingeklappt und die Wohnwagenvorhänge gezogen. Nur der eine oder andere verwegene Fernseher flackerte noch eine Weile, bevor sich auch die letzten Nomaden dem Schlaf ergaben.

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Dieser Lagerplatz ist ganz nach unserem Geschmack. Die Idylle wird aber nach Einbruch der Dunkelheit von unerwünschten Besuchern gestört. Wir sitzen brav im Dunkeln und werden nicht entdeckt.

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Ganze Landstriche werden präventiv abgebrannt. Wir sitzen in der Kohle. Hier überrascht uns nachts kein Feuer.

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Und hin und wieder geraten wir in die Flammen der magischen Art: Sonnenuntergang am Victoria River bei Timber Creek.

Im ‚Community Store‘ in Timber Creek ergatterten wir 10 Orangen — deren einer Verzehr ein tägliches Highlight in der kommenden Woche wurde — und luden 30 Liter Wasser. Zehn Kilometer später bogen wir vom Highway in den ‚Judbarra / Gregory National Park‘ ab. Wie Kinder im Sandkasten freuten wir uns, als unter unseren Reifen der Asphalt in eine Sandpiste überging. Der Nationalpark — trocken, staubig und einsam — erstreckte sich über die Ländereien einer ehemaligen ‚Station‘ (Farm) und die ‚Tracks‘ folgten, wie die meisten Highways in Australien, traditionellen und teils tausende Kilometer langen Überland-Viehrouten. Sie waren von rauher Natur, mit Felsbrocken gespickt, teils überwachsen und schienen nach jeder Kurve einen Bach oder Fluss zu durchqueren. Dass die meisten davon bereits ausgetrocknet waren, kam uns ganz gelegen. Unsere Motivation, die Bekanntschaft von Salzwasser-Krokodilen zu machen — die bösen, grossen mit den scharfen Zähnen — hielt sich in Grenzen.

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Die Wege im ‚Judbarra / Gregory NP‘ sind oft holprig, mit grossen und kleinen Felsbrocken gespickt….

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…und führen über Stock, Stein und durch (meist trockene) Flüsse.

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Dank einem geschätzten Verkehrsaufkommen von 1-2 Geländewagen pro Tag sind die Spuren teils überwachsen und kaum erkennbar — mit allem, was sich darauf tummelt.

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Entsprechend freuen sich die Fliegen über eine Mitfahrgelegenheit.

Nach drei Tagen Fahrt nach Süden folgten wir, nun ausserhalb des Parks, einer weiteren ehemaligen Viehroute, dem ‚Buchanan Highway‘, nach Osten — wir mussten ja nach Norden. Dies war Rinder-Land mit ‚Stations‘ von immensen Ausmassen. Von den meisten bekamen wir bloss endlose Zäune oder, in der Ferne schwebende, viehtreibenden Helikopter zu Gesicht. Hatten uns auf der ‚Gibb River Road‘ vor allem schwarze Stiere am Wegrand zugeblinzelt, so ergriffen nun plötzlich Herden dürrer, klappriger, weisser Rinder vor uns die Flucht. Diese indischen ‚Brahmin‘ Rinder gelten als ‚drought resistent‘ — Dürre resistent, ha! — und sind der Exportschlager. Sie werden zu Millionen nach Indonesien exportiert. Vorausblickend haben wir versucht, einigen ein paar Brocken ‚Bahasa Indonesia‘ zu vermitteln, stiessen aber auf wenig Verständnis.

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Der anschliessende ‚Buchanan Highway‘ ist teils sandig und über lange Strecken auch holperig — aber immer ist er staubig.

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Er erfüllt die Erwartungen an einen Highway weniger. Für viele Rinder ist er wohl der ‚Highway to Indonesia‘.

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Kängurus müssen sich darüber keine Sorgen machen, haben aber von sicherem Verhalten im Strassenverkehr wenig Ahnung und geraten regelmässig unter die Räder. Der Abdruck verrät, dass Kängurus ‚Schwanzläufer‘ sind.

Unvermindert blies uns täglich der Wind ins Gesicht. Die Tage waren heiss, die holprige Piste machte plötzlich immer weniger Spass und die Kilometer wollten immer härter erkämpft werden. Die Monate im Sattel ohne längere Pausen schienen sich nun bemerkbar zu machen und wir waren erschöpft, von morgens bis abends. Mitten in der Pampa, mit abgezählten Tagen an Nahrung, ein denkbar unglücklicher Zeitpunkt. Dem Wind war das egal und die Rinder zeigten sich unbeeindruckt. Als wir nach 300 km Tracks und Schotterpisten erschöpft und ausgelaugt, an einer Kreuzung mitten im Nirgendwo, das Roadhouse von ‚Top Springs‘ erreichten, schien uns dies wie ein kleiner grüner Himmel auf Erden.

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Müder Strampler — mit Spass trotz Erschöpfung.

Nach einem Tag Erholung auf dem bizarr grünen Rasen des angeschlossenen Zeltplatz, waren wir wieder bei Kräften. Kräftig genug jedenfalls, um uns auf die Jagd nach Katherine zu machen. Doch von Katherine trennten uns noch 291 nun durchwegs asphaltierte Kilometer — oder zweieinhalb Tage im Sattel. Von eiskaltem Coca Cola und frischem Obst träumend rasten wir nun auf dem, über weite Strecken einspurigen, ‚Buntine Highway‘ nordwärts. Und sogar der Wind, der uns wochenlang hämisch aus Südosten ins Gesicht gepustet hatte, war nun, wenn auch nicht immer, auf unserer Seite, so doch meist nicht gegen uns. Trotzdem erreichten wir Katherine, bekamen das lange herbeigesehnte eiskalte Coca Cola und hatten in Eli und Nici aus der Schweiz, die mit ihrem Toyota ‚Landcruiser‘ durch Australien reisten und auf den Grey Nomads-lastigen Caravanparks eine eher seltene Ausnahme waren, gute Gesellschaft.

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‚Buntine Highway‘ — einspurige, endlose Geraden. Benannt nach dem Erfinder des zwei- und dreiteiligen Roadtrains und des doppelstöckigen Anhänger für selbige.

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Die endlosen Zäune entlang der Highways halten Rinder drinnen und uns draussen. Termiten lassen sich durch sie nicht beirren.

‚You will be eaten! (Ihr werdet gefressen)‘ Mit diesen Worten riet uns der Rangers des ‚Litchfield National Parks‘ davon ab, auf dem ‚Reynolds River Track‘ in den Park zu fahren. Der 4×4 Track, zu dieser Zeit selbst für Fahrzeuge noch geschlossen, querte stellenweise (noch) zu tiefes Wasser — gerade in Kombination mit fiesen Salzwasserkrokodilen ganz schlecht für Radfahrer. Wir folgten seinem Rat, wenn auch etwas widerwillig. So gingen wir unsere letzte Etappe in Australien gemütlicher an und liessen uns, für gerade mal 500 km von Katherine nach Darwin, 10 Tage Zeit. Wiederum kamen wir um Tage auf dem Highway, diesmal dem ‚Stuart Highway‘ mit Roadtrains voller Rinder und Wohnwagen voller Rentner, nicht völlig herum. Einmal auf ruhigeren Nebenstrassen genossen wir aber nochmals die vielfältige Natur, fanden abwechslungsreiche Campspots, lutschten an den dichter angesiedelten Roadhouses Glace und plantschten im schönen aber sehr touristischen ‚Litchfield National Park‘ im einen oder anderen Wasserloch. Dazwischen beantworteten wir weiterhin in regelmässigen Abständen Fragen.

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‚Dirt Roads’— gesucht und gefunden — eine, zwischen Katherine und Darwin leider rare aber sehr wilkommene Abwechslung zu den tosenden Schnellstrassen…

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…führen uns an kleinen ‚Creeks‘ mit allen möglichen komischen Namen vorbei. Obwohl dies ein Krokodil-Spielplatz, sehen wir keins.

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Wir nehmen uns Zeit für Exkursionen an seichte Gewässer…

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…verbringen einen Tag an einem ruhigen Plätzchen oberhalb der überlaufenen ‚Edith Falls‘ — wer hat hier übrigens die Namen gegeben? ‚Edith Falls’…

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…’Florence Falls‘ im Litchfield NP. Das Bild zeigt allerdings nur ein Bächlein daneben.

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Robin Falls! …muss ein Genie gewesen sein. Wir bleiben eine Nacht, sehen aber keine Fälle. Trotzdem schön.

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Aber Wasserfälle sind nicht alles, wir kurven zwischen burgenartigen Termitenbauten herum…

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…sind fasziniert von der Baukunst dieser kleinen Armeen…

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…und begeistern uns für Urzeitpflanzen. Dem Knipsen dieses Bildes folgte ein jäher, markanter Schrei, als unverhofft eine dicke, braune Schlange auf Robin zu…(Schreckssekunde, Schrei)…und nur knapp an seinem Fuss vorbei schoss. Ach, diese Touristen.

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Dann doch lieber Wasserfälle!

Schliesslich standen wir nach insgesamt 5’393 Reisekilometern überraschend plötzlich am verlassenen Strand von Wagait Beach, gegenüber von Darwin. Blieb uns nur noch, die Fähre von Mandorah hinüber nach Darwin zu nehmen (10 min) und dort Vorbereitungen für den anstehenden Flug nach Bali — wir folgen den Rindern — und von dort nach Hause zu treffen.
Have a good one, Australia!

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Wagait Beach: Siegerpose mit allen Beteiligten.

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…und manche spielen schon im Sand. Unser Material haben wir auf eine harte Probe gestellt. Mehr dazu in einem der nächsten ‚posts‘. Wir gehen erst mal nach Bali…

Australien | Gibb River Road

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Juni 2016
13 Tage im Sattel, 3,5 Pausentage
994 Kilometer gesamt
Broome – Derby, 220 km, asphaltiert, 2 Tage
‚Gibb River Road‘: 743 km, 11 Tage
Pannen: 1 gerissenes Schaltkabel, 2 Platten

von Sand, Wellblech, Gegenwind
zwischen Road Trains, ‚Trailers‘ & Geländewagen
in Flüssen, Schluchten & Wasserlöchern
das Outback und die Tücken leichten Gepäcks

Route | Flug: Perth — Broome ; ab Broome per Rad: Broome — Derby (Start ‚Gibb River Road‘) — ‚Mount Barnett Roadhouse‘ (Tankstelle) — Kununurra

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‚Gibb River Road‘ inklusive Asphalt-Etappe von Broome nach Derby

 

Darwin, im Norden Australiens gelegen und gerade mal eine Flugstunde von Bali entfernt, war unser neues Fernziel. Anders als während unserer Zeit in Südamerika hatten wir jedoch nicht vor, die gut 4’000 Km von Perth nach Darwin in nützlicher Frist (2 Monate) tretend zu bewältigen. Wir waren wählerisch geworden und hatten einfach keine Lust auf schnurgerade Highways und garantierten Pampa-Koller. Mit dem Flug nach Australien hatten wir unser Tabu gebrochen. Wir waren während der Reise geflogen, wir würden wieder fliegen — wir buchten einen Flug. Noch einen. Aber nicht nach Darwin, sondern nach Broome.

Der Check-In für den zweieinhalbstündigen Virgin Australia -Flug nach Broome war die nächste Hürde. Fliegen mit Fahrrädern kann tückisch sein und war es in diesem Fall. Trotz gebuchten 40 kg Gepäck pro Kopf durfte jedes Gepäckstück die Marke von 23 kg nicht überschreiten. Unsere in Kartons verpackten Räder lagen mit 32, respektive 26 kg ‚leicht‘ darüber. Aber nach knapp zweistündiger, kreativer Komplett-Umpackung vor Ort checkten wir unsere Fahrräder schliesslich elegant mit 23,1 kg und 23,2 kg ein — die 300 g Übergewicht wurden grosszügig übersehen.

 

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In Broome geniessen wir Wärme und Strand — manche können wohl einfach nicht entspannen.

 

Als erste Etappe hatten wir die ‚Gibb River Road‘ von Derby nach Kununurra gewählt. Diese gut 700 km lange, zu 80% unbefestigte Strasse (Piste) durchs Outback versprach Natur pur und eine Prise Herausforderung. Von deren westlichem Ende in Derby trennten uns 220 Highway-Kilometer, welche wir in zwei Tagen zurücklegten.

 

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Zwischen Broome und Derby kommen wir gut voran und legen, nach einem schwierigen Start mit nur gefahrenen 30 km und zwei platten Reifen, nach drei Uhr noch 70 km zurück.

 

Diesem ersten Testlauf in Sachen Wasserverbrauch folgte die ernüchternde Erkenntnis, dass unser, auf Kälte eingestelltes, Munda-Biddi-Ernährungskonzept bei vorherrschenden Tagestemperaturen zwischen 32°C und 35°C nochmals zu überdenken war. Allgemein bedurfte unser erster Vorstoss ins australische Outback besonders betreffend Wasser und Nahrung einiger Vorbereitung. Unterwegs würden wir auf uns allein gestellt sein. Sollte uns eines davon auf dieser Strecke ausgehen würden wir zwar weder verhungern noch verdursten, dazu war das Verkehrsaufkommen auf dieser Strecke gross genug und etwa in der Mitte gab es gar eine Tankstelle. Aber wir hatten ja unseren Stolz.

 

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So etwas in dieser Art schwebte uns vor…

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…aber auch das würde uns gefallen.

 

Sicherheitshalber rechneten wir mit einer Reisezeit von bis zu vierzehn Tagen und benötigten entsprechende Mengen Frühstück, Mittag- und Abendessen, Snacks für zwischendurch und Energie-Nahrung für schwache Minuten. Dies alles wollte ausgeklügelt und errechnet — was? wieviel? wozu? — eingekauft, portioniert, abgepackt und vor allem verstaut werden. Ohne Kühlschrank und mit nur zweimal 12 Litern Stauraum pro Person in den beiden kleinen Satteltaschen, war dies eine logistische Herausforderung.

 

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Auch mit voller Beladung sind die Beiden keine Schwergewichte. Wollen aber gut parkiert werden.

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Fahrspass-Grantie auch mit Ladung. Im Gegensatz zu ‚Virgin Australia‘ gibt es bei ‚HolaVelo Dirtyways‘ mit Übergepäck keine Probleme.

 

Wegen den warmen Temperaturen rechneten wir mit einem gemeinsamen Verbrauch zwischen 5 und 10 L Wasser pro Tag. Aber woher würden wir das Wasser nehmen? Gemäss Routenbeschreibungen im Internet sollte sich Wasser in mehr oder weniger regelmässigen Abständen in Flüssen auffüllen und entkeimen lassen. Die vorangegangene, magere Regenzeit machte diese Option unsicher. Sicher aber sollten sich unsere PET Flaschen (2 x 1,5 L, 1 x 1 L), Bidons (2 x 1 L; 1 x 0,7 L), unser Ortlieb-Wassersack (1 x 8 L), unsere umfunktionierten Weinblasen (1 x 2 L; 1 x 4 L) , sowie der Wasserkanister (1 x 10 L) und die beiden faltbaren ‚Platypus‘-Flaschen (2 x 2 L) nach spätestens 306 km beim ‚Mount Barnett Roadhouse‘ (Tankstelle & Kiosk) auffüllen lassen.

 

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VIele Flüsse führen tatsächlich kein Wasser oder haben nur noch Tümpel für uns übrig. Haupsache Wasser!

 

Zu den knapp 30 L Wasser für hoffentlich drei Tage (die ‚Platypus‘-Flaschen blieben vorerst unbenutzt), gesellten sich ‚Futter‘ für zwei Wochen und zwei Liter Brennsprit. Eine ganze Menge also. Im Sinne von Transparenz und um das Ganze etwas zu veranschaulichen, gewähren wir am Ende dieses Beitrags Einblick in unseren ausgefeilten, knapp bemessenen ‚Holavelo-14-Tage-Outback-Ernährungsplan‘ und die passende ‚Holavelo-für-14-Tage-Einkaufsliste‘.

Schliesslich schwangen wir uns in die Sättel und ritten frohen Mutes dem Outback entgegen. Deutlich schwerer bepackt, als es in den vergangenen Monaten nötig gewesen war, rollten wir die ersten knapp 80 km über Asphalt, bevor dieser in eine leuchtend rote Wellblech-Piste überging. Der Spass begann und in freudiger Entzückung holperten wir dahin. Nach vier Uhr bogen wir schliesslich auf einen Trampelpfad in den Bush ein und schlugen unser erstes Bushcamp unweit eines Wasserlochs auf, wobei uns das Einhalten des empfohlenen Krokodil-Sicherheitsabstands von 50 m nicht sehr überzeugend gelang. Da wir damit aber gleich einem Rindvieh den Nachplatz streitig machten, so erklärten wir uns jedenfalls das nächtlichen Herumstreifen, Jammern und Klagen um unser Zelt, gingen wir davon aus, dass die Croc-Gefahr nicht sehr gross war.

 

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Wildes Campen am Abgrund der Bindoola Falls — grandios! Wo in der Regenzeit Wassermassen über die Kante donnern, finden wir einen der wohl spektakulärsten Campspots. Unten schwimmt ein Krokodil, oben funkeln die Sterne. Sonst Stille.

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Farbiges Erwachen. Dank milden Temperaturen lässt es sich oft unter der Netzkuppel des Innenzeltes schlafen.

 

Schnell fanden wir in eine, die folgende, von der Sonne bestimmte Routine — wobei genannte Zahlen nicht immer auf zwei Stellen hinaus korrekt sein mögen, jeder Tag seine eigenen Überraschungen für uns im Ärmel hatte und dies neben Sonnenaufgang und Sonnenuntergang die einzige sichere Konstante war. Hätte es aber Tage ohne Überraschungen gegeben, so hätten diese etwa wie folgt ausgesehen:

6 Uhr | Tagwache zu Vogelgezwitscher der kreativeren Art

6 Uhr bis 8 Uhr | Bereitschaft erstellen
Matten aufrollen; Schlafsäcke einpacken; Zelt abbauen; Räder bepacken; Fahrradpflege (Ketten, Zahnkränze, Umwerfer reinigen und ölen); ‚Sun Care‘ (eincremen SPF 50+); Frühstück; evtl. abwaschen; Notdurft & Morgenhygiene optional (Zahnpflege, Katzenwäsche mit max. 2 Blatt Feuchttüchern); Abfahrt

8 Uhr bis 12 Uhr | Radfahren
mehr oder weniger stündliche Verschnaufpausen (Stehen-Atmen-Trinken-Plaudern; Urinieren optional); Fotostops erlaubt (solange nicht als Vorwand benutzt); Serious Business also

10 Uhr | Znüni-Pause

12 – 13 Uhr oder 14 Uhr | Mittagspause

Entspannungsphase, möglichst im Schatten

13 oder 14 Uhr bis 16 Uhr | Radfahren
schwere Beine hin oder her! Fotostops wiederum erlaubt

16 Uhr – 17.30 Uhr | Campspot-Suche
Ausschau nach möglichen Campspots während Weiterfahrt (als Anzeichen galten Trampelpfade in Busch, vernünftige Baumdichte, Viehspuren, überwachsene Zubringer zu Sandgruben), ungesehen abbiegen & durch Busch strampeln (beim Gedanken an Schlangen eher unangenehm), Erfolg oft erst beim zweiten oder dritten Anlauf; Zelt aufstellen; Vorbereitung zur Nachtruhe treffen; Matten Aufblasen; Küche und Nahrungsmittel auspacken; Kochen; je einen Müesliriegel verdrücken; Abendessen; ‚Belohnung‘ verzehren; evtl. Abwasch; Sterne gucken & Tieren lauschen; Verarbeitung des Erlebten im persönlichen Gespräch; Flucht vor Mücken ins Zelt

18.30 Uhr: Nachtruhe!

Auch in Australiens endloser Natur waren wir selten alleine. Fliegen hefteten sich von Anfang an hemmungslos und scheinbar tagelang als blinde Passagiere an unsere Rücken und liessen keine Möglichkeit für Exkursionen in unsere Ohren, Augen und Nasenlöcher ungenutzt. Eine vermutlich schöne Art zu reisen. Jeweils pünktlich mit den letzten Sonnenstrahlen übernahmen dann Mücken die Nachtschicht und im Morgengrauen begann das Ganze wieder von vorne.

Obwohl sie schon lange kein Geheimtipp mehr war, erstaunte uns das Verkehrsaufkommen trotzdem. Bis zu 50 Fahrzeuge täglich holperten, keuchten oder rasten an uns vorbei. Viele bretterten, im Glauben ihrem Fahrwerk so Gutes zu tun, mit über 90 Sachen über die raue Piste und liessen uns oft in dichten, farblich der jeweiligen Strassenbeschaffenheit angepassten Staubwolken stehen. Die ‚Grey Nomads‘ (australische Rentner auf Winterreise) stellten den Grossteil davon. Mit ihren hoch motorisierten Geländewagen zogen sie modernste Wohnwagen, Offroad-Camping-Anhänger, Boote oder gleich mehreres davon hinter sich durch die Landschaft, winkten uns zu oder machten einfach nur ein Foto von uns — im Gegensatz zu Sumatra ohne Selfie-Sticks. Offenbar fügten wir uns nahtlos in eine lange Reihe von Sehenswürdigkeiten ein.

 

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Mit Staub und Getöse: Bis zu 50 m lange ‚Road Trains‘ sind sie hier draussen seltener anzuteffen.

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Andere schleichen auf leisen Pfoten und lassen uns wissen, wo der Sand trägt — Dingos?

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Manche wühlen bloss im Sand und hinterlassen Spuren von beeindruckender Breite.

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Die meisten Spuren beeindrucken weniger. Caravans & Trailer.

 

Die absoluten Highlights aber — neben uns — waren die verschiedenen ‚Gorges‘ (Schluchten) und ‚Waterholes‘ (Wasserlöcher). Dank bester Beschilderung liessen sich diese, oft mehrere Kilometer von der Strasse entfernt und von der Natur bestens verborgenen kleinen Oasen leicht finden. Mit wucherndem Grün und paradiesischen Wasserfällen luden sie zum Baden und Abkühlen ein — manche Besucher wuschen sich darin auch den Staub aus den Haaren.

 

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Wasserloch…

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…ist nicht gleich Wasserloch.

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Einige sind bewohnt.

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In manchen lässt sich’s schwimmen. Frischwasser-Krokodile beissen nur, wenn man sie verärgert…

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…oder sauber ist. Wir sind nicht in Gefahr.

 

Wir genossen jeden Tag in vollen Zügen. Die Natur um uns herum veränderte sich ständig, begeisterte und entschädigte uns immer und immer wieder für die, teils doch anstrengenden Stunden im Sattel, das magere Mittagessen, den Staub in den Lungen, den Dreck im Gesicht und den ständigen Kampf gegen den Wind. Besonders auf der zweiten Streckenhälfte forderte die Strasse aber oft unsere ganze Aufmerksamkeit und wartete mit langen Knochenbrecher-Wellblech-Abschnitten, sandigen Stellen oder wahren ‚Minenfeldern‘ aus scharfkantigen Reifenschlitzer-Steinen auf — exzellent!

 

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Anfang und Ende der ‚Gibb‘ sind geteert…

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….doch dazwischen pflügen wir roten Sand….

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…rasseln über Schotterpisten…

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…suchen die Optimallinie im tiefen Sand…

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…oder haben die Wahl zwischen holprigem Wellblech, weichem Sand und ganz selten festem Lehm.

 

In zehn Tagen hätten wir die 700 km zurücklegen können, ohne Badepausen sogar in acht. Anstatt jedoch in einer letzten langen Etappe Kununurra entgegen zu rasen entschieden wir uns, stattdessen lieber noch eine weitere Nacht unter dem gewaltigen südlichen Sternenhimmel im Busch zu zelten, zu geniessen, uns von Ameisen bedrängen zu lassen, die letzten Vorräte zu verzehren und die Rückkehr in die Welt der Supermärkte noch etwas hinaus zu schieben. Diese erreichten wir am nächsten Tag mit nur noch drei Esslöffel Rosinen, zwei Portionen Haferflocken, einigen Päckchensuppen, etwas ‚La Vache qui rit‘ und einigen scheiben Schmelzkäse — zufrieden und wie immer mit neuen Plänen.

 

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Während manche, sich ihrer Schönheit bewusst, um Aufmerksamkeit ringen…

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…geben andere ihre wahre Identität nur ungerne Preis.

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Der Besitzer dieser Hose zu Recht.

 

Fehlen noch die versprochenen Einblicke in den
‚Holavelo-14-Tage-Outback-Ernährungsplan‘ und die passende ‚Holavelo-für-14-Tage-Einkaufsliste‘, beides in der laienhaften ‚Outback Edition‘. Have a good one!

 

‚HOLAVELO-14-TAGE-OUTBACK-ERNÄHRUNSPLAN‘
(Portionen verstehen sich pro Person, zum Glück)

FRÜHSTÜCK
~125 g Müesli, mit einer Handvoll Rosinen, 3 EL Zucker, 3 EL Milchpulver und 1 EL Vanille!-Pudding Pulver in 1/2 L Wasser angerührt, 14 Portionen im Vorfeld abgepackt.
Getränk: Wasser

ZNÜNI-PAUSE
1 Müesliriegel (Geschmack Aprikose, Schokolade oder Waldfrüchte),
4 gedörrte Pflaumen
4 gedörrte Aprikosen

MITTAGESSEN
1 Wrap (aus papierdünnem ‚Mountain Bread‘, 2/8 ‚la vache qui rit‘ oder 2 Scheinen Schmelzkäse und 4-8 Sprenkel getrocknete Tomaten, an 3 Tagen zusätzlich Brocken von Beef Jerky, Trockenfleisch, eher nüchtern).
1 Wrap mit ~1,7 EL Erdnussbutter, Nutella oder Kombination davon
+ an drei Tagen zusätzlich ‚Indomie‘ Fertignudeln mit Trockenerbsen
+ an drei Tagen zusätzlich 1/2 Frucht (Apfel oder Orange).
Getränk: Wasser

ABENDESSEN
Couscous gewürzt mit Suppenpulver & Trockenerbsen, evtl, Getrocknete Tomaten (an 5 Abenden)
Polenta gewürzt wie Couscous (an 2 Abenden)
Spaghetti mit Sauce aus Tomatenmark oder Suppenpulver, optional mit Erbsen (an 2 Abenden)
‚Indomie‘ Fertignudeln, mit Trockenerbsen & 4 EL Reis (an 1 Abend)

SNACKS
1 zusätzlicher Müesliriegel
+ sporadisch eine Handvoll gesalzene Nüsse (gemischt)

BELOHNUNG
1 x täglich 6-7 Fruchtgummis (süss & sauer, im Vorfeld abgepackt)

 

‚HOLAVELO-FÜR-14-TAGE-EINKAUFSLISTE‘
für 2 Personen, passend zum ‚Holavelo-14-Tage-Outback-Ernährungsplan‘

Müesli, 3 x 750 g
Pudding Vanille (Pulver), 100 g
‚Mountain Bread‘, 5 x 8 Wraps
Käse ‚ La Vache qui rit‘, 4 x 8/8
Schmelzkäse, 1 x 12 Scheiben
Erdnussbutter, 500g
Schokoaufstrich, 400g
Tomaten sonnengetrocknet, 2 Packungen
Erbsen getrocknete, 400 g
Nudeln Indomie ‚Mie Goreng‘, 10 x 180g
Couscous, 1 kg
Polenta, 500 g
Spaghetti Nr. 5 (schnellkoched), 500g
Reis Basmati, 3 Tassen
2 x Päckchensuppe ‚Minestrone‘
2 x Päckchensuppe ‚Süsskartoffel & Karrotten‘
2 x Päckchensuppe ‚Chicken Noodles‘
2 x Quicksoup Tomate
Tomatenmark, 3 Beutel à 50 g
gesalzene Nüsse, 250 g
Müesliriegel, 36 Stück
Rosinen, 1 kg
getrocknete Aprikosen, 500 g
getrocknete Pflaumen, 500 g
Fruchtgummis, 3 x 200 g
3 Äpfel
3 Orangen

 

 

Australien | Munda Biddi

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Mai 2016
20 Tage, davon 18 Tage im Sattel
920 km, 95% off road
Australiens ‚Munda Biddi Trail‘

Weshalb es uns nach Australien verschlug
Sand, Schotter, Singeltrack
Nasse Wochen, kühle Tage, kalte Nächte
Küsten, Wälder, Hütten-Camping

 

Route | Jakarta — Flug via Bali — Perth (AUS) — Bus nach Albany— Start ‚Munda Biddi Trail‘: — Albany — Denmark — Walpole — Northcliffe — Pemberton — Manjimup — Nannup — Collie — Dwellingup — Dandalup Damm (für uns das Ende des ‚Munda Biddi Trail‘) — Mandurah — Zug nach Perth

 

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Die Route des vollständigen ‚Munda Biddi Trail‘ auf Google Maps‘. Wir fuhren von Süden nach Norden und verliessen ihn nordwestlich von Mandurah.

 

Das bevorstehende Java, mit einer sensationellen Bevölkerungs- und Verkehrsdichte, versprach verkehrsreiche Tage im Sattel und die Aussicht auf abgelegenen Pfade oder gar aufregend-holprige Routen schien klein. Der Beginn des Fastenmonats Ramadan im Juni stimmte uns auch nicht eben optimistisch. Dessen Konsequenzen im Alltag, geschlossene Restaurants und nur heimliches Essen und Trinken tagsüber, hatten wir bereits 2012 bei unserem ersten Aufenthalt in Sumatra erleben dürfen. Besonders für immer-hungrige Radfahrer keine verlockenden Aussichten.

Auch das Ablaufdatum unseres Indonesischen Visums rückte näher. Ein- und Ausreisetag mit eingerechnet hatte man uns 60 Tage zugestanden und diese neigten sich langsam aber sicher dem Ende zu. Es war an der Zeit unsere Möglichkeiten abzuwägen. Visum-Verlängerungen sind aufwändig, theoretisch machbar aber nicht ganz unproblematisch. Als Alternative dazu kam einzig ein ‚Visa Run‘, die Aus- und wieder Einreise nach Singapur oder Malaysia, per Flugzeug oder Fähre, in Frage.

Wenn schon fliegen, dann gleich richtig! …sagten wir uns und so kam es, dass wir am 1. Mai 2016 unsere Räder vor dem Flughafen von Perth, Australien, zusammenschraubten und anschliessend auf Radwegen in die Stadt rollten. Unser Gastgeber für die ersten Tage, Tom, Freund und Weggefährte durch Teile Patagoniens ein Jahr zuvor, empfing uns mit offenen Armen. Bei ihm und seinen drei aufgestellten Mitbewohnern betrieben wir erst ein paar Tage feinstes Terassen-Camping und überwanden so den Kulturschock einer Rückkehr zurück in den Überfluss einer westlichen Konsumgesellschaft leichter.

 

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Tom empfing uns mit offenen Armen in Perth. Zweimal.

 

Dann war es an der Zeit, dass unsere Räder Busfahren lernten. Ein weiteres Novum und für unsere eigenen Reisen bisher ein ‚No Go‘. Aber wie wir in Indonesien gelernt hatten, sind Regeln da, um sie zu brechen — auch selbst auferlegte. So gelangten wir nach Albany und ans südliche Ende des ‚Munda Biddi Trails‘. Dieser war genau das, was sein Name in der Sprache der lokalen Noongar Aborigines bedeutet — ‚ein Pfad durch den Wald‘. Genauer, ein über 1000 Kilometer langer Mountainbike-Pfad.

 

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Wir dürfen vorstellen, ‚Manolito‘ und ‚ Gordo‘ — die beiden breitfüssigen Gefährten unserer Wahl. Vollbepackt mit Proviant für mehrere Tage.

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Unser Fussabdruck mit gerdae mal 2 Bar. Wir sind gewappnet für Australiens Sand und Kies und fahren dicke Reifen statt dicke Autos.

 

Der Trail, zu geschätzten 95% ungeteert, wurde von der dazu ins Leben gerufenen ‚Munda Biddi Foundation‘ markiert und in Stand gehalten, durchquerte Nationalparks und folgte auf den ersten Etappen der wilden, rauen Südküste. Dann begann er sich langsam landeinwärts zu winden, oft durch hohe, sich immer wieder verändernde Eukalyptuswälder. Er bediente sich dazu einer Mischung aus Forst- und Feuerstrassen, Waldwegen und herrlichen, teils langen Abschnitten von eigens angelegten, oft auf langen Strecken schmalen, einspurigen Pfaden durch den Busch.

 

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Nach zwei Monaten Asphalt ist dies wie im Himmel.

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Der Sand ist mal weiss und weich, der Himmel mal blau aber oft grau.

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…. Farben fliessen in einander….

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Sandige Pisten….

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…und Schotterstrassen wechseln sich ab. Die teils langen Singletrackpassagen geniessen wir zu sehr, um Fotostops einzulegen.

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Untergrund und Wälder verändern sich um uns herum.

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Vereinzelte Sonnenstrahlen bringen Licht ins Dunkel…

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….alte Holzbrücken verbinden Teilstücke…

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…und an manchen Tagen bestimmt der Regen die Landschaft.

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Auch Kangurus dürfen in Australien nicht fehlen. Manche davon so gross wie wir, fliehen sie in Horden vor uns.

 

Obwohl es oft so schien und der Trail ein Natur-Pur-Wildnis-Erlebnis vermittelte, war die nächste Ortschaft nie weiter als 70Km entfernt. Ausserdem war der Pfad so angelegt, dass er in regelmässigen Abständen (alle 100 bis 150 km) durch kleine Ortschaften führte, wo sich sich Nahrungsmittel aufstocken oder auch einmal die Vorzüge der Zivilisation — man denke an eine heisse Dusche — geniessen liessen. In sehr kurzen Abständen von etwa 45 Km waren eigens für diesen Zweck ‚Huts‘ errichtet worden. Sorgfältig angelegt und immer idyllisch, abgelegen im Wald platziert, waren diese ‚Huts‘ vom Feinsten. Sie boten auf stockbettartigen Holzplattformen trockene Campingplätze für 10-20 Personen und waren jeweils mit Plumpsklo und zwei grossen Regenwassertanks ausgerüstet, die zu dieser Jahreszeit bestens gefüllt waren.

 

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Ganze Landstriche sind in der Vergangenheit grossflächigen Waldbränden zum Opfer gefallen. Manche vor Jahren. Hier hat das Leben wieder Einzug gehalten.

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Dieser Wald brannte erst im Januar 2016. Was bleibt ist zu gespenstisch, um nicht unsere Räder zu verstecken.

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Bäume verkohlten und spriessen wieder neu.

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Auch diese Hütte wurde in Mitleidenschaft gezogen…

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Plastikfenster schmelzen. Zurück bleiben surrile Formen.

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Die ‚huts‘ sind meist mitten im Wald versteckt…

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Sie bieten Schlafplätze auf zwei Etagen. Türen sucht man vergeblich.

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Essensrationen wollen geplant sein, in diesem Falle für 5 Tage. Unsere selbst gemachten Framebags tragen den Grossteil davon ohne klagen.

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Wir kochen morgens Kaffee und abends Pasta, Polenta oder Couscous.

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Im Munda-Biddi-all-inklusiv-Sorglospaket ist auch eine bestimmte Anzahl spektakulärer Sonnenuntergänge über dem australischen ‚bush‘ enthalten.

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Bei so viel Luxus ist wildes Campen nicht regelmässig angesagt, dann ist es aber umso schöner.

 

Der Pfad war also ein Rundum-Sorglos Paket, gemacht um die Natur geniessen zu können. Diese zeigte uns immer wieder ihre kalte, nasse Schulter und — aus der Hitze Sumatras kommend — schlotterten wir manche Nächte in unseren dünnen Sommerschlafsäcken vor uns hin. Dies war die Quittung dafür, Australien unvorbereitet einen Besuch abzustatten. Da bei Regen die Vorteile eines Daches über den Köpfen jene eines Zeltes ganz klar überwogen, passten wir uns oft dem vorgegebenen Rythmus der Hütten an und verbrachten relativ kurze Tage im Sattel. Wir genossen die Trails und den Komfort der Hütten, nahmen uns dafür unterwegs Zeit um die Natur zu betrachten und zu geniessen, dehnten Mittagspausen aus und sahen uns all die merkwürdigen australischen Pflanzen genauer an — viele davon hatten sich ganz klar nicht an ihren Bauplan.

 

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Wir entdecken Australiens Natur. Blumen winken uns auf alten Monoliten zu.

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Buchten laden zum verweilen ein.

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Am Wegrand bestaunen wir scheinbar sprechende Samenkapseln…

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…und beobachten Insekten auf flauschigen Früchten…

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Der Regen lässt Pilze aus dem Boden schiessen…

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…die uns in unterschiedlichsten Farben und Formen Spalier stehen.

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Uns manchmal ….legen wir Pausen auch einfach nur so ein.

 

Dort hatten wir auch hin und wieder beste Gesellschaft anderer Radfahrer, die teils alleine aber meist in kleinen Gruppen auf dem ‚Munda Biddi Trail‘ unterwegs waren. Während unseren 18 Tagen auf dem Trail begegneten wir elf Radfahrern in sechs Gruppen — kein allzu grosses Gedränge also!

 

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In den Munda Biddi Hütten schliesst man Bekanntschaften, teilt Geschichten, brütet über Karten, beäugt Ausrüstung und Setup und wird inspiriert. Diese vier hier sind beste Gesellschaft.

 

Nach achtzehn Tagen auf dem Trail, mit noch zwei Tagesetappen vor uns, kam die unverhoffte Wendung. In Dwellingup, einem kleinen Nest mit einem Laden, einem Hotel/Bar/ATM, einer Post/Campingladen/ATM, einem Campingplatz und einer Touristeninformation, ging uns das Bargeld aus. Beide ATMs (Bancomaten) wollten nichts von unseren unterschiedlichsten Karten wissen. Ohne Geld und ohne Vorräte sahen wir uns plötzlich gezwungen, den Trail in Richtung der nächsten Stadt, Mandurah, und deren ATMs zu verlassen. Dies taten wir aber nicht, ohne noch eine letzte und fahrerisch eine der anspruchsvollsten, ausgewaschensten und schönsten Etappen zur nächsten Hütten nahe, ‚Dandalup Dam‘ gelegen, zu fahren. Dort verbrachten wir noch eine Nacht mit Blick auf die Küste und das Meer und verputzen unsere wenigen verbliebenen Vorräte, bevor wir uns nach 920 gefahrenen Kilometern, vom Trail verabschiedeten. Über Mandurah, dann wieder mit Geld in den Taschen und neuen Plänen im Hinterkopf, gelangten wir zurück nach Perth.

Indonesien | Sumatras Süden

 

header sumatras süden

April 2016
17 Tage, wovon 13 Tage im Sattel
1’073 km, ~ 536 Liter Schweiss
2’037 km gefahren seit Reisebeginn

Ölpalmen, Kokospalmen & Sandstrände
Mandi, Monokultur & Monotonie
Verkehrsanarchie & erste Platten
Abschied von Sumatra, per Fähre nach Java
die Polizei, dein Freund und Wegelagerer

 

Route | Mukomuko — Sebelat — Bengkulu — Lais — Manna — Merpas — Krui — Tanjung Setia — Sedeka — Pringsewu — Bandar Lampung — Kalinda — Bakauheni — (Fähre nach Java) — Merak — Cilegon — Karangantu — Kronjo — Tangerang — Jakarta

Route von Mukomuko nach Jakarta

Route von Mukomuko nach Jakarta

 

Die Strecke, die vor uns lag verhiess zwar nicht allzu viel, trotzdem waren wir nach drei Tagen Pause im kleinen Mukomuko froh, wieder frischen Fahrtwind im Gesicht zu haben. So richtig fit waren wir jedoch beide nicht und die nächsten zwei Wochen wurden ein Gesundheits-Wechselbad. Die Hitze war oft drückend, die Luft schien zum schneiden dick und die Erfrischung einer kühlenden Dusche war oft schon nach wenigen Minuten verpufft.

 

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Mandi — Die Dusche, unser Freund und Retter, sieht in Indonesien oft so aus. Ob in Hotel, bei der ‚Polisi‘ oder an der Tankstelle. Es gibt sie in jeder erdenklichen Zerfalls- und Hygiene-Variation. Erfrischen tun sie alle!

 

Immer in Küstennähe, aber selten mit Meerblick, ging es auf und ab, während uns Ölpalmen stundenlang Spalier standen. Umso vehementer wurden wir aus der Monotonie der Monokultur gerissen, sobald wir durch Dörfer kamen und von den ersten Kindern entdeckt wurden. Diese stürmten bei unserem Anblick jeweils an die Strasse und riefen voller Freude „Tu-rist, Tu-rist, Tu-rist!“. Dies gelang sogar Kindern, die sonst wohl noch weder sprechen noch gehen konnten.

 

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Kurz nach Mukomuko verlassen wir die Küste und strampeln die nächsten Tage mehr oder weniger fröhlich und gelangweilt durch Monokulturen der palmigen Art.

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Doch Sumatra hat nicht nur Öl, sondern auch Kautschuk im Angebot.

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Noch nicht oft, aber immer wieder funkeln Wellen durch die Palmenreihen.

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Auch Katzen finden sich reichlich!

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Weiterhin sind wir gerne geknipste Gäste.

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Unsere sensationell lange Nasen sind der Hit, aber auch der Grössenvergleich sorgt für Gelächter!

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…da hat die Konkurenz keine Chance.

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In Bengkulu ist es dann an der Zeit, sich der lokalen Frisurenmode anzupassen.

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Wohl dank Robins neuer Frisur stoppt uns die Polizei von Manna eines Morgens mit quietschenden Reifen. Wir werden Teil ihrer Anti-Drogen-Kampagne!

 

Und dann, als unser Durchaltewille an einem immer dünner werdenden Faden hing und uns jede Steigung zur Weissglut trieb — in einem besonders fiesen Stück hatte Daina bereits den Abbruch der Reise beschlossen —, geschah das Unerwartete. Die Wogen der Ölpalmen lichteten sich, kühlende Lüftchen zerschnitten die Hitze und die Hügel zerflossen zu Reisfeldern. Es wurde Strand. Mit Fischerdörfern gespickte Sandstrände erstreckten sich entlang der Strasse oft Kilometerlang, das Radfahren machte plötzlich wieder mehr Spass und schliesslich erreichten wir Krui. Obwohl im kleinen Surf-Mekka an Sumatras Südküste zu dieser Jahreszeit mehr Mekka als Surf angesagt war, ‚gönnten‘ wir uns ein paar Ruhetage. Daina war krank. Dafür doppelten wir dies im Anschluss mit zwei Tagen am Strand von Tanjung Setia, keine 20 Km südlich gelegen, nach.

 

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Was sich fies und steil anfühlte, sieht von oben nicht so schlimm aus. Im Gegenteil.

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Wo die Strasse durch den Dschungel verläuft….

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….nehmen wir uns umso mehr Zeit, halten an, beobachteten und lauschen.

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Halten wir um etwas zu trinken, halten Familien an und staunen bis wir ausgetrunken haben.

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Dann Strände, endlich.

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Das süsse Leben…

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…im Häuschen am Strand…

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…mit Platz für Alle!

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Auf dunkle Wolken über Krui…

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…folgten entweder brennende Sonnenuntergänge…

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…oder stundenlanges, elektrisches Donnerwetter vom Feinsten.

 

Vor der nächsten Etappe durch einen Nationalpark wurden wir immer wieder gewarnt, da es in dessen Nähe nachts Überfälle gebe. Von verschiedenen Seiten riet man uns, die Nacht auf dieser Strecke in der Polizeistation in Sedaka zu verbringen, welche wir tatsächlich kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten. Dass uns auf den letzten Kilometern ein, mit einer Sturmhaube vermummter, Motorradfahrer ‚verfolgte‘, war bei über 30 Grad etwas unheimlich, aber wohl weniger für einen Überfall, sondern wirklich als Schutz gegen den kalten Fahrtwind gedacht. Andere Länder, andere Sitten.

 

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Im Nationalpark nimmt uns heftiger Regen jegliche Sicht. Der Himmel öffnet sich mit solcher Wucht, dass wir auch am nächsten Morgen noch nass sind. Hier der Nebel danach.

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Die Sonnenuntergänge bleiben malerisch.

 

So auch bei der Polizei. Freundlich wiesen uns die vier in Zivil herumflachsenden Polizisten einen Campingplatz vor ihrer Moschee zu — richtig gehört, jede Polizeistation hat eine Moschee — bevor plötzlich Bewegung aufkam und die Herren sich uniformierten. Anschliessend wurde das Polizeiauto am Strassenrand vor dem Tor platziert. Mit Blaulicht. Kurz darauf, wir stellten gerade in aller Ruhe unser Zelt auf, ging plötzlich ein riesiges Gezeter los, gefolgt von einer Episode ‚Guter Bulle, Böser Bulle‘ und schliesslich wechselten Geldscheine ihren Besitzer, worauf der Fahrer des kontrollierten Kleinlasters kleinlaut davon fuhr. Nicht so die ‚Polisi‘. Sie warfen sich wieder in Zivilkleider und — wer hätte das gedacht — fuhren voller Freude Im Dienstwagen zum Abendessen. Sie hatten es sich verdient!

Der Weg an Sumatras Südspitze, entlang der ‚Sundastrasse‘ führte uns durch immer dichter besiedeltes Gebiet. Der damit einhergehende, immer dichtere Verkehr, bereitete uns darauf vor, was uns auf Java erwarten sollte. Die ‚Hello Mister‘-Rufe nahmen merklich ab, die Dörfer wurden bereits städtischer und die Menschen waren zwar immer noch sehr freundlich aber merklich distanzierter. Nach Bandar Lampung fuhren wir stundenlang im Schwerverkehr Richtung Fährhafen in Bakauheni. Die malerischen Hügel und der Blick in Richtung Krakatau konnten nicht über den grässlichen Gestank der Nebel hinwegtäuschen, welche die hier angesiedelte Stahlindustrie gegen Himmel pustete. So gelangten wir schliesslich an Sumatras südlichen Zipfel und bevor wir uns versehen konnten, standen wir auf der Fähre nach Java.

 

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Je näher wir Bandar Lampung kommen, umso dichter wird der Verkehr.

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Schliesslich fahren wir in Bakauheni, an Sumatras Südspitze die Fähre nach Java. Die 2 Stunden-Überfahrt kostet pro Kopf mit Rad gerade mal 1.50 Fr. .

 

In Java liefen wir bei Einbruch der Dunkelheit in den Hafen ein. Es blieb uns gerade noch genügend Zeit, ein Zimmer in einem Hotel zu ergattern. Später kamen nicht umhin zu bemerken, dass die hauseigene Disco ihre Tore erst um Mitternacht öffnet, dafür umso lauter aufdreht. Etwas zermürbt machten wir uns darum am nächsten Tag daran, Java zu erkunden. Bis Jakarta blieben uns noch 140 Km. Wir dachten aber nicht daran diese auf direktem Weg mit allen Lastwagen zu teilen und, anders als in Südamerika, war hier die Autobahn für Radfahrer tabu. So suchten wir uns eine Route nach unserem Geschmack. Kaum die Schnellste dafür mit viel Unterhaltungswert — über Feldwege, durch Sümpfe und Reisfelder, entlang kleiner Flüsse, mitten durch einen Markt oder auf den Fussgängerweg für Pilger. Als Buleh durften wir das.

 

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Einer davon führt uns zu einer mit Pilger gefluteten Moschee…

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…umgeben von kleinen, Buffetartigen Ständen. Die Auswahl ist gross.

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Hier Reis mit Tofu.

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Aber auch an kleinen Holzbuden am Strassenrand lässt sich rasten und speisen. Immer noch dürfen Fotos mit allen Anwesenden nicht fehlen.

 

Einzig die Unterkunftssuche gestaltete sich zum ersten Mal richtig schwierig. Gegen Abend waren wir den Ausläufern Jakartas schon näher als uns lieb war und wir fanden partout keinen Zeltplatz, weder bei Schulen, Fabriken noch bei der Polisi, wo man uns jeweils weiterschickte mit den Hinweis auf ein Hotel. Das erste Hotel gab es nicht und mittlerweile war es stockfinster. Auch hatten wir trotz eines späten Starts bereits 100 km in den Beinen und unsere Rücklichter begannen auch zu schwächeln. Nicht gut. So jagten wir bereits etwas nervös in einem Strom von hunderten Scootern, oder deren Lichtern, dahin. Das zweite Hotel hatte 5***** und wir waren dreckig, das dritte Hotel war voll und die folgenden ebenso. Schliesslich, erschöpft nach einer dreistündigen Odysse durch Jakartas Vororte, fanden wir nach 21 Uhr endlich eine Bleibe für die Nacht. Ein Hotel, für das wir nur auf den ersten Blick zu dreckig waren.

Die letzten 20 km ins Stadtzentrum der 14-Mio-Stadt (oder sind es 20 Mio?) waren dann am nächsten Morgen nur noch der Nachtisch. Obwohl Jakarts Verkehr ein schlechter Ruf voraus eilte, war das Navigieren mit dem Fahrrad kein Problem — während die Autos stundenlang im Stau standen flitzten wir mit dem Flow, überholten und drängten in Lücken. Im von Korruption zerfressenen Indonesien (der Führerschein ‚kostet‘ hier umgerechnet 7.- Fr.) werden Verkehrsregeln mehr als Vorschläge verstanden, an die man sich halten kann. So können Einbahnstrassen getrost, und nicht etwa mit verminderter Geschwindigkeit, in die falsche Richtung befahren werden und ein Rot bei Kreuzungen kann durchaus auch als Grün verstanden werden. Bedenkt man dies, kann Stadtverkehr durchaus Spass machen. Sicherheit geht aber leider nicht vor.

 

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Die Landschaft ist malerisch aber dicht besiedelt.

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Solche Wege haben wir vermisst! Das Knirschen unter den Reifen zaubert uns beiden ein breites Grinsen ins Gesicht.

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Doch der Verkehr wird dichter…

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…dichter, Jakarta wird spürbar.

 

Indonesien | Sumatras Berge

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März / April 2016
17 Tage, wovon 9 Tage im Sattel & 3 Tage krank
535 km, 10’261 Höhenmeter

Sumatra Superstars — Foto, Selfie, Hello Mister. Sumatra im Social-Media-Rausch!
Bukittinggi — Trails, Dschungel & Reisfelder
Berge — rollende Hügel & steile Strassen
Camping — Geheimdienst, Polizei & Karaoke

Route | Bukittinggi — Solok — Sungai (via Jl. Solok – Danau Kembar) — Solok Selatan — Kayu Aro — Sungai Penuh — Tapan — Mukomuko

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Route Bukittinggi — Mukomuko

Von Bukittinggi hatten wir uns kühlere Temperaturen, Touristen und entsprechend weniger freundliche Menschen erwartet. Also nicht allzuviel. Trotzdem gefiel uns die Stadt auf Anhieb, Die Touristenmassen blieben aus, sofern man bei 10 gesehenen Touristen pro Tag nicht von Massen sprechen kann. Die Menschen waren gewohnt freundlich und fröhlich, wenn auch etwas weniger neugierig als auf dem Land.

Wir fanden ein günstiges Zimmer im ‚Rajawali Homestay‘, dessen deutscher Besitzer Ulrich nicht nur ein Original, sondern auch ein Kenner der Strassen Sumatras, besonders der Region um Bukittinggi, ist. Sein Wissen teilte er gerne mit uns und so sassen wir nach zwei Touristen-Tagen (Marktbesuche, Erkundungsspaziergänge, Essens-Expeditionen, Fruchtsaft-Schlürfen, Kleider-waschen-lassen, Lesen) bereits wieder im Sattel.

bukittinggi

Im geschäftigen Bukittinggi, schön zwischen drei Vulkanen gelegen erkunden wir die Märkte.

mini

Ob Snacks im Miniformat…

früchte?

… Snacks in der Originalverpackung…

hand mit früchten

…oder Früchte zum angreifen, alles da!

durian

Diese stachligen Übeltäter hier, Durian genannt, riecht man lange bevor sie in greifbarer nähe sind. Sie stinken!

kücken

Auch sieht man, was mit Ostereiern geschieht, wenn man sie ausbrütet!

schlangen

Getrocknet verkaufen sich diese speziellen Snacks. Wir würden sie als Blindschleichen einstufen.

Ulrich empfahl uns eine Runde, die mit einem etwas holprigen Mittelstück gespickt sei. Dies liessen wir uns nicht zweimal sagen und nach knapp 20 Kilometern erreichten wir den Waldrand wo die Strasse zum Pfad wurde, der sich höher und höher wand. Nachdem der überwachsene Pfad durch den Dschungel im Anstieg zur kleinen Passhöhe rutschig und steil gewesen war (wir musste alles schieben), hofften wir oben angekommen, auf einen etwas einfacheren, vielleicht sogar teils fahrbaren Abstieg auf der anderen Seite. Weit gefehlt! Was früher einmal ein Weg gewesen sein mag, hatte sich der Urwald längst zurückgeholt! Der Pfad war jetzt oft nur noch als haarfeine Line durch das grüne Dickicht erkennbar — wenn überhaupt. Rambo hätte sich hier mit seiner Machete wohl gefühlt und dem Gebrüll in den Baumkronen über uns nach zu urteilen, taten es die Affen auch! Wir wünschten uns auch eine Machete herbei, versuchten den Gedanken an Schlangen auf dem meist unsichtbaren Boden vor uns zu verdrängen und stürzten uns, unsere Räder als rollende Heckenscheren vor uns schiebend, ins Gestrüpp. Meter um Meter um Meter um Meter kämpften wir uns durch das Dickicht, immer in der Hoffnung, das Grün um uns herum möge sich bald lichten, die Blätter uns nicht mehr in die Ohren kriechen und die Äste uns nicht mehr Füsse und Beine zerkratzen. Dies tat es nicht, und wenn dann nur kurz und oft nur, um uns mit Hindernissen wie umgestürtzten Urwaldriesen, übergrossen Spinnennetzen inklusive Besitzer auf Kopfhöhe oder tiefen Flussbetten ohne Brücken zu erschrecken. Rambo hätte es geliebt!

Irgendwann wurde der Pfad doch weniger holprig, das Gestrüpp lichter und schliesslich konnten wir — den dicken Reifen sei dank! — den letzten Dschungelkilometer durchs Gebüsch flitzen. Und dann, als ob nichts gewesen wäre, begann die Strasse wieder. Wir hatten für 9.5 Kilometer viereinhalb Stunden gebraucht! Als wir Ulrich am Abend davon erzählten fiel er aus allen Wolken. Er war die Strecke neun Jahre zuvor mit dem Motorrad gefahren. Da war sie noch durchgehend für Autos befahrbar und mit den nötigen Brücken bestückt! Tags darauf hängten wir gleich noch eine Runde, grob nach Ulrichs Vorschlägen, an. Sie führte uns in einem wilden Auf und Ab durch abgelegene Täler, vorbei an Bauern, Wasserbüffeln und Horden von johlenden Schulkindern und schlängelte sich mit uns durch Reisfelder und Wälder. Diesmal waren die Pfade meist breiter, durchgehend fahrbar — dafür jedoch oft unglaublich steil!

dschungel robin

Bereits der Anstieg ist nicht ohne, mit ‚Crocs‘ an den Füssen schon eine Herausforderung.

lenker dschungel

Und auch die ersten Meter im Abstieg verheissen auch nichts Gutes.

farne dschungel

Nicht bloss Farne und Gräser arbeiten gegen uns.

daina kriecht im dschungel

Manchmal müssen wir kriechen…

brücke

…und manchmal balancieren. Mit Fahrrad eine Nervensache.

blick zurück im dschungel

Der zweite Tag ist dann eher nach unserem Geschmack.

Zwei weitere Entspannungstage später begannen unsere Räder ungeduldig zu schnauben — es war Zeit weiter zu ziehen. Immer nach Süden durch die Berge ging es, wobei die erhofften kühlen Temperaturen ausblieben. In Kombination mit Strassen, deren Erbauers Ziel es gewesen sein muss, den direktest möglichen Weg nach oben zu nehmen und die oft entsprechend steil waren, machte uns die Hitze ganz schön zu schaffen.

berge

Südlich von Bukittinggi strampeln wir durch malerische Täler….

reisfelder

…und die Strasse windet sich in Kurven um Bergflanken und Reisplantagen.

regenschleier

Regenschleier eilen uns voraus oder folgen uns, doch sie erreichen uns selten.

jungel kerinci

Steile Anstiege führen uns weiter südlich durch nebelverhangene Wälder.

arbeiterinnen kerinci

…und Arbeiterinnen in Gummistiefeln nehmen weite Fussmärsche zu ihren Kaffeeplantagen in Kauf. Wir hören sie noch lange lachen.

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Schliesslich kommt der rauchende Vulkan ‚Kerinci‘ in Sicht. War er früher von Urwald (Hutan) umgeben, so steht er heute inmitten von Teeplantagen.

teearbeiter

Wie überall wird auch hier gearbeitet — und wie überall ist man auch hier fröhlich!

Erschöpft nach langen Tagen und vielen Höhenmetern (Tagesrekord in Sumatra bisher: 2300 Hm) galt es jeweils eine Bleibe für die Nacht zu finden. An Wildcamping war bei der Bevölkerungsdichte — überall wohnte jemand, überall rief uns jemand zu — bisher nicht zu denken und so mussten wir uns anderweitig umsehen. Hotels waren dünn gesäht. Und wenn dann eines da war, bedeutete dies nicht, dass man dort auch nächtigen durfte! Eimal wurde uns kurz vor Einbruch der Dunkelheit die Unterkunft verwehrt, da wir keinen Trauschein (!) vorlegen konnten — Willkommen in Saudi Arabien! So landeten wir immer mal wieder bei der nächsten Polizeiwache, ob vom Regen oder eben von gläubigen Besitzern leerer Hotels getrieben. Dort gewährte man uns immer einen Zeltplatz für die Nacht. Immer war das Misstrauen zu Beginn gross — in Indonesien spricht niemand freiwillig mit der Polizei, warum sollten es also diese tropfenden Bleichlinge tun? Immer bot man uns an, wohl nicht ganz grundlos, die Dusche zu benützen und immer erhielten wir einen Raum für unser Zelt zugewiesen. Einmal allerdings erst Abends um neun, als die diensthabenden Herren Geheimdienst nach vier Stunden Wartezeit schliesslich ihren Kommandanten aufzuwecken wagten. Eine mächtige Regen-Gewitter-Kombination hatte uns hartnäckig die Weiterfahrt und -suche verunmöglicht. So campierten wir etwa in einem zerfallenden Nebengebäude, im Karaoke-Raum einer Polizeiwache (!) oder gar im Versammlungsraum der regionalen Filiale des Indonesischen Geheimdienstes (!!). Eine feine Sache, oft gefolgt von stundenlangen Gesprächen (oder Karaoke) mit freundlichen Polizisten. Wunderbar und unglaublich herzlich — aber in unseren Erschöpfungszuständen meist unglaublich streng!

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Der Albtraum eines erschöpften Radfahrers: Karaoke-Camping im Versammlungs-/Karaokeraum der Polizei. Auch wir werden ans Mikro gebeten.

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Dafür sind wir nach solchen Nächten jeweils mit den ersten Sonnenstrahlen wieder auf der Strasse. Vor dem Antritt der Morgenschicht. Wann die Gefangenen hinter den Western-style Gittertüren nebenan wieder frische Luft schnuppern dürfen, werden wir nie erfahren.

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Wir haben jetzt nämlich meist nur Augen für dies hier: Gorengan, fritiertes! Lecker, fettig, Frühstück.

Es muss für manch Einen ein wunderlicher Anblick gewesen sein, diese beiden Bleichgesichter mit grossen Nasen und roten Köpfen — auf Rädern! Denn Radfahren, wie jede Art von Fortbewegung durch Körperkraft, scheint in Sumatra ein ganz und gar fremdes Konzept zu sein. Scooter (Motorroller) sind Trumpf! Jeder hat einen, jeder fährt einen und jeder nimmt darauf so viele Kinder, Freunde oder Verwandte mit, wie er will. So wurden wir von Kindern mit dröhnenden Motoren überholt, von quietschenden Teenies mit wehenden Kopftüchern verfolgt und regelmässig von in den Rückspiegel staunenden Schülern ausgebremst. Wir wurden von Motorrädern aus angefeuert, angesprochen, ausgefragt, bejubelt, fotografiert, eingeladen und von ganzen Familien mit Selfiesticks auf Motorrädern für gemeinsame Fotos angehalten. „Hello Mister! Selfie, Selfie?“ Alles nur für Facebook, Instagram und Co. Langsam bekamen wir eine Vorstellung davon, wie sich anfühlen muss, berühmt zu sein. Dies in einem Masse, von dem manch ein Promi nur träumen kann! Endlich Superstar! … das wollten wir nie sein.

kids auf truck

Ganze Lastwagenladungen mit Schulkinder drehen bei unserem Anblick durch. Jede Bewegung in der Abfahrt, ein Ducken etwa, wird mit euphorischem Gejubel quitiert!.

family rini

Sobald wir anhalten werden Familien zusammen getrommelt…

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…und lange geübte, oft ungeahnte Posen werden zum Besten gegeben.

Unsere zweitletzte Etappe zur Küste führte über die Berge und durch den Kerinci Nationalpark, einem Urwald um den gleichnamigen Vulkan. Dass hier Sumatra Tiger und Unmengen seltener, oft endemischer Vögel leben, liess man uns bereits im Vorfeld wissen — gesehen haben wir leider weder noch. Dafür wurden wir mehrmals fotografiert und erhielten einmal das Angebot zum Islam zu konvertieren und, so schlossen wir aus den Gesten, durch heiligen Krieg in den Himmel zu gelangen. Wir lehnten ebenso dankend ab, wie wir 2009 in Uganda inmitten von Tränengas und Gebrüll das Angebot eines Motorradtaxi-Fahrers ausgeschlagen hatten, Waffen zu ergreifen und uns am Sturz des Präsideten zu beteiligen. Ist einfach nicht unser Ding.

Was Natur und Strasse betraff, gehören die 45 Kilometer durch den Dschungel des Kerinci Nationalparks bisher zu unseren absoluten Favoriten in Sumatra. Die Strasse, für Autos unglaublich schlecht, war für uns der reinste Spielplatz. Ein Spielplatz in unglaublicher Naturkulisse, zwischen Urwaldriesen, Farnen, Blumen und Motorroller.

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Im Kerinci Nationalpark entdeckten wir keine Tiger, dafür Blumen.

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Lichtet sich das Blätterdach, erhaschen wir Ausblicke auf den Ur-alten-Wald.

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So schlecht die Strasse für Autos ist, uns macht sie umso mehr Spass.

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Trotz Konzentrazion auf. die Strasse entdecken wir am Strassenrand immer wieder seltsames… Solches!

Endlich an der Küste gewann die Erschöpfung Überhand und Robin lag drei Tage mit einer Bauchinfektion in einem Hotelzimmer in Mukomuko, einem kleinen Nest mit Tsunami-Warnschildern und eigenem Flughafen. Als am Nachmittag des ersten Tages das Fieber Malaria-verdächtige Höhen erreichte, erfuhr Daina auf Nachfrage, dass das nächste Spital 20 Kilometer entfernt sei. Taxis gebe es aber keine. Ganz schlecht. Doch wer hatte da wohl zufällig eine Feier im selbigen Hotel? Die Polizei, komplett mit eigener Ärztin! Schnell erhielten wir Besuch von einer Horde Polizistinnen, die alle eimal sehen wollten, wie bleich den ein kranker Buleh wohl noch werden kann. Eine davon war scheinbar die Ärztin. Sie nahm jedenfalls den Blutdruck, führte die nötigen Untersuchungen durch — auch drücken am Schienbein durch mehrere der Anwesenden gehörte dazu — und stellte schliesslich die Diagnose. Die entsprechenden Medikamente gab es dann gleich mit dazu. Hat funktioniert. Danke, Polisi!

Singapur & Indonesien | nach Sumatra

 

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März 2016
11 Tage, wovon 5 im Sattel
430 km gefahren
Temperatur: heiss! (knapp unter 40°C)

Singapur – Asien light
Fähren fahren – von Singapur nach Sumatra
Sumatra – erste Meter, erste Eindrücke
“Hello Mister, Hello Mister!
immer im Mittelpunkt – ungebremste Aufmerksamkeit

 

ROUTE | Singapur – (Fähre) – Harbor Bay, Batam – Sekupang, Batam – (Fähre)  – Dumai – Duri – Kandis – Simpang Petapahan – Bankinang – Pangkalan – Bukittingi

 

Es lag frischer Schnee, als wir am 9. März 2016 bei 10 Grad unter Null, früh morgens die Haustüre hinter uns abschlossen. Ein Flug und 16 Stunden später, schlugen uns in Singapur morgens um 7 Uhr bereits motivierte 28 Grad entgegen. Die eigenartige Visapolitik der chinesischen Botschaft in Zürich hatte uns kurz vor Antritt der geplanten Reise nach China gezwungen, total umzustellen. Klappe auf, Südostasien!

Drei Tage lang schlurften wir durch Singapurs saubere Strassenschluchten, Märkte und Gassen und wurden dabei von Klimaanlagen immer wieder auf angenehme Betriebstemperaturen heruntergekühlt. Yong und SK, die beiden jungen Inhaber der „Tree Inn Lodge“ (wo wir uns einquartiert hatten) waren nicht nur beste Gesellschaft, sie verfügen auch über ein enormes Know-How in Sachen Radreisen in ganz Asien. Dies ist Südost-Asiens „Radreise Ground Zero“, für uns ein Glückstreffer und ein hervorragender Reisebeginn.

Aus Singapur brachte uns eine kleine Fähre in knapp einer Stunde nach Batam, einer vor Singapur gelegenen Insel. Aus Sicherheitsgründen musste dazu unser gesammtes Gepäck geröngt werden – sowohl beim Check-In für die Fähre, als auch nochmals vom Indonesischen Zoll. „Selamat Datang di Indonesia“, Herzlich willkommen in Indonesien. So stand es wenigstens geschrieben, die Zöllner sahen dies nicht ganz so, mussten sie doch die Playstation beiseite legen um zu erörtern, aus welchem Land wir wohl kämen. Am Ende liess man uns einreisen, gewährte uns 60 Tage Aufenthalt (dazu waren wir laut unseres im Vorfeld bezogenen Visums auch bemächtigt) und wir durften unsere ersten Kilometer auf indonesischem Boden zurücklegen – im Regen. Auf die Frage, ob es denn um diese Jahreszeit oft regne, sagte man uns: „Nein, nie.“…..hmmm, dann war es an der Zeit, dass wir kamen!

Eine weitere Fähre, diesmal indonesischer Standard (und auch Preis), brachte uns tags darauf in acht Stunden nach Dumai in Sumatra. Unsere Räder waren schon ganz kribbelig und nach einer Nacht im Hotel (auch hier nun indonesischer Standard, erkennbar an Zigarettenstummeln unterm Bett) durften sie dann endlich loslegen. Lasset die Spiele beginnen!

 

Unsere Fähre spuckt uns am Pier in Dumai aus, während das Gedränge zum Einsteigen bereits tobte.

 

Hello Mister! Bereits auf unseren ersten Metern auf Sumatra kommen wir ins Gespräch!

 

Im grössten muslimischen Land der Erde ist eine Moschee nie weit. Ob hier im Zentrum von Bangkinang…

 

 

 

 

Was die Hitze schon ankündigt hatte, lauert mitten im Aufstieg. Einmal mehr überqueren wir den Äquator.

 

 

Die Hitze verwandelte uns bereits am ersten Tag in rotarmige Krebse und sobald bei einem Stop der Fahrtwind ausblieb versuchten unsere Körper, in möglichst kurzer Zeit, möglichst grosse Mengen an Flüssigkeit auszustossen. Das Ergebniss war wohl erbärmlich anzusehen, daran (oder an die Temperaturen) würden wir uns aber wohl gewöhnen. Vorläufig blieb uns nichts anderes übrig, als die grösste Mittagshitze im Schatten auszusitzen, regelmässige Pausen einzulegen und viel, viel, ja wirklich viel zu trinken und zu tropfen.

 

Fruchsäfte in allen Farben spenden Kraft . Dieser hier wurde aus der Drachen-Frucht (Buah Naga) gewonnen.

 

„Pop Mie“ – Fertignudeln warten überall darauf, mit heissem Wasser aufgegossen und geschlürft zu werden. Nein, nicht das Bild, sondern die Nudeln stehen auf dem Kopf

 

Täglich schlürfen wir unser treffend benanntes Lieblingsgetränk „Tehbotol“ (süsser Eistee) und „Kopi Susu“ (mit viel Kondensmilch gesüsster Kaffee).

 

 

 

Weniger gewöhnungsbedürftig war überraschenderweise der Verkehr. Trotz etwas unbedachtem Überholverhalten (in Indonesien wird positiv formuliert) etwa in unübersichtlichen Kurven oder über Kuppen, behandelte man uns respektvoll und hielt Abstand. In den ersten Tagen immerhin. Unsere Hoffnung, ungeteerte Nebenstrassen anzutreffen, wurde bereits früh im Ansatz zerschmettert, zusammen mit der Gewissheit, dass alle auf unserer Karte (oder auf Google Maps) eingezeichneten Strassen existieren. Trotzdem fanden wir unseren Weg nach Bukittingi – wenn auch nicht den, welchem wir uns zurechtgelegt hatten.

 

Diese futuristisch anmutenden Kehren suchen in Sumatra wohl immer noch ihres Gleichen.

 

Meistens schlängelt sich die Strasse durch Palmen-Plantagen zur Ölgewinnung (nein, nicht im Bild). Je mehr wir an Höhe gewinnen, umso mehr nehmen Reisfeldern (im Bild) die Überhand.

 

Mal sind sie trocken und in Terassen angelegt…

 

…mal nass in der Ebene gelegen.

 

All dies wurde jedoch von den Menschen in den Schatten gestellt. Sie begegneten uns mit einer Herzlichkeit, Offenheit und Neugier, dass wir aus dem Staunen tagelang nicht mehr herauskamen. Wobei die Neugier und die uns geschenkte Aufmerksamkeit oft peinliche Ausmasse annahm. Mittagspausen wurden von Fragen und Foto-Sessions dominiert, Neugierige fuhren auf Scootern neben uns her um mit uns zu plaudern und mehr als einmal wurde dabei ein sanfter Hinweis auf nahenden Gegenverkehr notwendig. Äusserster Beliebtheit erfreuten sich gemeinsame Fotos und wir wurden sogar während der Fahrt von Motorrädern aus dafür zum Anhalten gebeten, was wir auch taten. Natürlich fehlten oft auch staunende oder winkende Kinderhorden nicht und auf manchen Strecken rief sprichwörtlich vor und auch aus jedem Haus (!) mindestens jemand „Hello Mister“. Da wurde das Antworten, besonders in Kombination mit Hitze und anstrengenden Steigungen, oft zur Herausforderung.

 

 

Kaum sind die beiden „Buleh“ (Ausgebleichte) mit ihren Sepeda (Fahrrädern) im Dorf, werden sie auch schon von Kinderhorden umstellt..

 

 

 

 

Als wir eines Abends unser Nachtlager im Schulzimmer einer Sekundarschule aufschlugen, ging dies so weiter. Natürlich wollten die freundlichen Nachbarn mit Kind und Kegel diese beiden „Bulehs“ (Ausgebleichten) betrachten. So schön dies und die Gespräche mit unserem Brocken-Indonesich (Ja, wir arbeiten daran) waren, war dies nach einem Tag im Sattel unter Sumatras fieser Sonne auch ganz schön anstrengend und wir erwachten am nächsten Morgen erschöpfter, als wir am Abend ins Bett gegangen waren. Dies könnte auch damit zu tun gehabt haben ,dass wir vor dem Eintruddeln der Schüler weg sein wollten.

 

 

 

Am nächsten Abend dann neuer Ort, selbes Muster, als wir auf dem Gelände der Indonesischen Elektrizitätswerke in einem verlassenen Bürogebäude campieren durften. Wiederum wurden wir rührend aufgenommen und plauderten stundenlang mit dem Personal. Nachdem wir gekocht hatten, statteten uns dann noch gefühlte 50 Anwohner einen Besuch ab – ein ständiges Kommen und Gehen. Ein freundlicher junger Mann brachte uns sogar zwei Portionen „Nasi Goreng“ (gebratener Reis), da Spaghetti (die wir bereits gegessen hatten!) ja wohl nichts richtiges wäre und nur Reis uns die nötige Energie liefern könne! Wer könnte da ablehnen? Alles so unglaublich, dass wir danach mit prallvollen Bäuchen noch lange lachend und überwältigt im Zelt lagen.

 

 

Indoor-Camping im alten Bürogebäude der Elektrizitätsgesellschaft. perfekt.

 

Bezaubert von Sumatras Schönheit, erschöpft von dessen Klima und begeistert von dessen Menschen erreichten wir schliesslich nach fünf Rad-Tagen und 430 Km das, zwischen Vulkanen in den Bergen gelegenen Bukittingi. „Hello Mister! Hello Bukittingi!“

 

 

 

Argentinien & Chile | Tierra del Fuego

April 2015
698 Kilometer
9 Tage, wovon 0 radfrei

Gastfreundschaft in karger Wildnis
Küste, Pampa & rollende Hügel
eine weitere gestörte Nacht
angekommen am Ende der Strasse am ‚Ende der Welt‘

ZAHLEN ZUR REISE
22 Monate | 13 Länder | 20 Grenzübertritte
18’394 gefahrene Kilometer
221’409 gefahrene Höhenmeter

ROUTE | Punta Arenas – Fähre – Porvenir – Pingüinera – Camerón – Forestal Russfin – Pampa Guanacos – Paso Bellavista / Paso Radman – Rio Grande – Lago Yehuin – Tolhuin – Lago Escondido (Hosteria Petrel) – Ushuaia – Lapataia – Ushuaia

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Route Punta Arenas – Ushuaia

DURCH FEUERLAND: VON PUNTA ARENAS NACH USHUAIA

3’764 km nachdem wir am 2. Januar Santiago de Chile verlassen hatten, erreichten wir, nach einer ereignisreichen Tankstellenübernachtung in der Pampa, schliesslich Punta Arenas. Was uns als hektische Hafenstadt ohne viel Flair beschrieben worden war, traf genau unseren Geschmack. Die Stadt war lebendig, wies ein angenehmes Mass an Unordnung auf und wir hätten problemlos noch ein paar weitere Tage dort verbringen können, wäre nicht etwas Eile angesagt gewesen. Der patagonische Winter sass uns seit Wochen im Nacken und hatte uns in den letzten Wochen bereits wiederholt seine eisigen Krallen gezeigt.

Immerhin hatten wir aber etwas Zeit gefunden, um die Machbarkeit verschiedener Routen durch Feuerland zu überprüfen. Anstatt die, zwischen Chile und Argentinien geteilte Insel, wie ‚üblich‘ erst im Norden von Osten nach Westen zu durchqueren und dann an der Atlantikküste gemeinsam mit dem ganzen Schwerverkehr südwärts zu fahren, wollten wir lieber im Landesinneren bleiben. Ja, am liebsten wären wir im chilenischen Teil entlang der Grenze nach Puerto Yendegaia am Beagle-Kanal gefahren! …immerhin war auf mindestens einer Karte ein Wanderpfad eingezeichnet. Bloss wohin dann? Würden wir von dort wieder wegkommen, gar nach Puerto Williams, noch südlicher als Ushuaia gelegen, mit einem Schiff übersetzten können? Unter anderem sprachen wir in Punta Arenas bei der, für die Grenzen zuständige, ‚Policia Internacional‘ vor. Wo man uns sehr freundlich und ausführlich über -Strassenverhältnisse und mögliche Grenzübergänge informierte, uns aber wissen liess, dass man uns nicht so weit südwärts reisen lasse. Die Strasse wäre dort nämlich noch im Bau – für uns eigentlich kein Problem, für sie scheinbar schon. Aufgrund dieser Aussagen entschieden wir uns für eine nicht ganz so abenteuerliche, aber trotzdem verlockend klingende, sozusagen ‚diagonale‘ Route durch Feuerland, auf der nur die letzten 100 km geteert sein würden.

So sattelten wir an einem regnerischen Sonntagmorgen in Punta Arenas wieder einmal unsere Räder, und fuhren durch die nassen und noch stillen Strassen der Stadt zum Hafen. Denn noch trennte uns die Magellanstrasse und eine 2 1/2 stündige Überfahrt mit einer Fähre von der – wenigstens dem Namen nach – feurigen Insel.

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Dieses Robust wirkende Fähre begann, kaum hatten wir den Hafen verlassen, zünftig zu schwanken. Aber wir erreichten damit Porvenir

Tierra del Fuego, Feuerland. Ein magischer Name und die letzte Etappe auf unserem Weg an die Südspitze der Amerikas. Ausserdem ein weiterer Teil der Welt, den zu besuchen nie unser Plan gewesen war. Doch Pläne ändern sich glücklicherweise. Jetzt waren wir da und liessen uns von angenehmem Rückenwind die 7 km vom Hafen in die Stadt schieben, wo wir sogleich von einem Hund begrüsst wurden. Er war von uns dermassen begeistert, dass er uns für die nächsten 34 km begleitete! Nun südwärts fahrend, war es vorbei mit windgetriebenem, leichtem Rollen. Während der blonde Fellknäuel freudig vor uns her trabte, kämpften wir vier Stunden lang gegen starke Windböen an. Diese gaben sich alle Mühe, uns von unseren Rädern oder unsere Räder unter uns weg zu blasen, was ihnen teils auch gelang. Da waren sie nun also, die berüchtigten patagonischen Winde!

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Unser blonder Begleiter konnte Wind und Wellen mehr Freude abgewinnen als wir.

An ungeschütztes Zelten war so nicht zu denken. Als der Nachmittag voran schritt, hielten wir nach möglichen Windschutz für die Nacht Ausschau. Nun an der kargen Küste entlang fahrend, passierten wir immer wieder kleine Blech- und Bretterbuden, meist keine 10m vom Meer entfernt und inmitten eines Wirrwarrs von Körben und Netzen – Fischerhäuschen. Vor einem solchen trafen wir Carlos, einen Fischer, der gerade dabei war, seine frischen Kartoffeln zu ernten. Er lud uns ein, die Nacht in seinem kleinen Heim zu verbringen und konstruierte dazu eigens behelfsmässige Betten für uns. Während draussend der kalte Wind pfiff, sassen wir abends am wärmenden (heissen!), von Carlos selbst konstruierten Ofen beisammen, sprachen über Gott und die Welt, das Leben auf Feuerland, die Einflüsse vom Festland und die politischen Verhältnisse in diesem abgelegenen Teil Chiles.

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Carlos – Fischer, Gastgeber, Denker & Leseratte

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Nicht nur dieses Auto hinter Carlos‘ Hütte machte sich gut in der Morgensonne…

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…auch andere wollten posieren.

Beeindruckt von Carlos und seiner Gastfreundschaft verabschiedeten wir uns am nächsten Morgen. Er wollte die restlichen Kartoffeln retten, wir möglichst weit kommen. Zunehmend von Rückenwind getrieben holperten wir entlang der kargen Küste durch die hügelige Landschaft, mal direkt am Strand mit Blick auf spielende Delfine, dann weiter landeinwärts mit Blick auf Schafe und erreichten gegen Abend eine Kolonie von Königspinguinen, der einzigen ausserhalb der Antarktis. Was idyllisch klang, war dann eine etwas ernüchternde Erfahrung. Da sich die kleinen Kerle auf privatem Boden eingenistet hatten, war ein Erdwall um sie herum aufgeschüttet worden. Um den finanziellen Wohlstand der Landbesitzers zu sichern, wurden sie so vor neugierigen Blicken von der nahen Strasse bewahrt. Das Resultat war ein Zoo-Feeling und eine Flut von Verbotsschildern. Die Pinguine in der Ferne waren trotzdem schön.

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Die Königspinguine waren sicherlich ein Highlight, hinterliessen aber einen müden Eindruck…

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…einige schliefen ausgestreckt, andere reckten und streckten sich und manche stritten.

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Aber Tierra del Fuego bot mehr Guanacos als Pinguine. Wir wurden für viele von ihnen zum Inbegriff von Angst und Schrecken.

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Schafe verlockten so manchen auf Feuerland zum Schafsdiebstahl beim Nachbarn. Die Polizei zum Beispiel.

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Schafs-Rush-Hour: Patagonischer Stau.

Obwohl sich das Wetter immer mal wieder etwas regnerisch-verstimmt zeigte, erlebten wir Feuerland von seiner besten und gastfreundlichsten Seite. Da man uns nicht, wie von anderen Radfahrern berichtet und daher geplant, bei der ‚Pinguinera‘ hatte kampieren lassen, hatten wir an jenem Abend etwa um Campier-Erlaubnis nahe einer Finca (Farm) gebeten, was uns von einem Arbeiter erlaubt wurde. Als wir um neun Uhr abends gerade ins Zelt kriechen wollten, näherte sich uns ein Auto aus der Dunkelheit. Lachend und mit einer Zigarette im Mundwinkel sprang der Arbeiter heraus, drückte Robin ein in Alufolie gewickeltes Paket voller dampfender ‚Empanadas‘ (gefüllte Teigtaschen) und selbstgemachte Brote in die Hände. Wir waren verblüfft und gerührt von so viel Herzlichkeit – und machten uns, sobald er davon gebraust war, über die Köstlichkeiten her.

Auch die folgenden Nächte suchten und fanden wir Schutz vor Wind und Wetter. Im ehemaligen Goldschürferort Russfin durften wir eine regnerische Nacht trocken in einem leerstehenden Häuschen am Rande eines industriellen Forstbetriebs verbringen und nachdem wir am kleinen Grenzübergang ‚Bellavista‘ unsere Räder durch einen Fluss über nach Argentinien gewuchtet hatten, bot man uns ein trockenes Plätzchen im Grillpavillon des Zolls an. Beim Checkpoint der Polizei ausserhalb der Stadt Rio Grande wollte man uns allerdings nicht, dafür nahmen uns die Mannen der Nachtschicht im städtischen Wasseraufbereitungsbetrieb, keine drei Kilometer weiter, freundlich auf und liessen uns gleich auch noch in ihrer warmen Küche kochen.

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So stark hat uns der Wind nicht zugesetzt….

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…auch wenn er auch mal salzig vom vorne kam.

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Aber alle 100 km fanden sich mitten im Nichts solche Häuschen. Refugios und Bushaltestellen. Perfekt zum Mittagessen.

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In diesem verlassenen Haus bei Russfin durften wir eine geschützte Nacht verbringen.

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Immer wieder kamen wir an Estancias vorbei. Farmen, mal nahe und mal weit entfernt. Mal schienen sie belebt und dann wieder scheinbar ausgestorben. Manche davon zählen bis zu 1’000’000 Schafe.

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Tierra del Fuego war selten flach.

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Oft waren die letzten Ausläufer der Anden im Süden sichtbar, nach Regentagen verschneit.

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Die Wälder zeigten sich bereits herbstlich. Farbig.

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Dieser Fluss am Grenzübergang Bellavista war kühl und sorgte für Abwechslung. Die Nacht im Pavillon an der Grenze dann dafür warm.

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Bereits in Argentinien, Rio Grande nicht mehr weit.

Nachdem wir uns am nächsten Tag nach nur 8 km wieder einmal gegen Asphalt und für Schotter entschieden hatten, erreichten wir gegen Abend den kleinen, gut versteckten Lago Yehuin. An dessen Ufer fanden wir einen wettersicheren Platz für unser Zelt in den etwas gespenstischen Ruinen einer verlassenen Hotelanlage.

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Immer mit Blick auf die weissen Berge der Cordillera, erreichten wir…

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…den idyllisch erscheinenden Lago Yehuin

Dunkelheit lag über dem See und Daina war eben ins Zelt gekrochen, als Robin keine 30m entfernt im Gebüsch ein Licht aufblitzen sah. Im selben Moment hörten wir auch schon die Reifen eines Autos heran preschen, begleitet von lautem Hupen. Es blieb gerade noch der (nicht sehr vielversprechende) Griff zur Machete, als schon ein Geländewagen mit Volllicht und immer noch hupend auf den Kiesplatz vor uns zu stehen kam. Sekunden vergingen. Das Hupen ging weiter, doch nichts geschah. Die Türen blieben geschlossen und dann gab der hinter dunkeln Scheiben verborgene Fahrer wieder Gas. Zurück blieb Staub und Schrecken. Was war eben passiert? Woher war der hupende Wagen mitten im Nichts aufgetaucht – wir hatten auf den letzten 80 km bloss drei oder vier Estancias passiert!? Würden er zurück kommen oder wollte man uns bloss vertreiben? War es eine Warnung gewesen, eine Drohung oder bloss ein übler Scherz? War noch jemand im Gebüsch oder würde man uns auflauern?

Wir mussten weg, soviel war klar. Hier würden wir so oder so kein Auge mehr zu tun. Möglichst schnell packten wir im Schein unserer Stirnlampen Alles zusammen. Déja Vù! Bevor wir unser Zelt in den Ruinen aufgeschlagen hatten, waren wir keine 10 km entfernt bei einer Estancia mit der Bitte um einen geschützten Nachtplatz abgewiesen worden. Trotzdem entschieden wir uns jetzt, aus Mangel an Alternativen, nochmals dorthin zurück zu fahren. So verliessen wir keine 10min nachdem das Hupen verklungen war, die Ruine. Nervös rollten wir auf verräterisch laut knirschenden Reifen im Dunkeln der Estancia entgegen. Als wir diese eine gefühlte Ewigkeit später auch erreichten, nahm uns der chilenische Knecht, nachdem wir den Vorfall geschildert hatten, diesmal herzlich und ohne Zögern auf. Wir verbrachten den Rest des Abends gemeinsam plaudernd in der warmen Küche bei Kaffee und frischem Gebäck. Der Abend hätte gegensätzlicher nicht sein können!

Mit der ‚Panaderia La Union‘ in Tolhuin, gut 100 km von Ushuaia entfernt, liefen wir am folgenden Abend einen sichereren Hafen an. In der wohl berühmtesten Bäckerei des Kontinents fanden wir Unterschlupf – wie schon Hunderte, wenn nicht Tausende vor uns. Seit Jahren stellt der grosszügige Bäckermeister Reisenden, ob mit Rad, Motorrad oder zu Fuss, in einem kleinen Zimmerchen hinter der Backstube gratis ein Bett zur Verfügung. Die drei Betten waren zwar schon besetzt, wir fand aber am Boden dazwischen gerade noch etwas Platz für uns und unsere Matten. Zu unserem Erstaunen durften wir nicht nur die Dusche neben der Backstube benutzen, sondern auch in einer zweiten, kleineren Backstube kochen – während dort gearbeitet wurde. Als Dank haben wir dann kräftig Gebäck verputzt!

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Die Spuren des Kommen und Gehens vieler, vieler Reisender an den Wänden des kleinen Gästezimmers der Panaderia ‚La Union‘.

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Ushuaia kam näher, daran gab es nichts zu rütteln.

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Erste Blicke auf den Lago Fangnango.

Was blieb waren noch 104 km. Für diese sozusagen letzten Meter unserer Reise wollten wir uns Zeit nehmen um am liebsten nochmals ‚im Dreck zu wühlen‘. Wer sucht der findet, wenn auch nur einen kurzen Abschnitt der ehemaligen Hauptstrasse. Diese gerade mal knapp sieben Kilometer waren ein Genuss. Ohne Verkehr rollten wir, vor Freude euphorisch, über die mit Gras überwachsene Piste, bis wir irgendwann, etwas weniger euphorisch, vor einer unüberwindbaren Brücke (schwimmen wäre möglich gewesen) standen. Ein Bauer auf der anderen Seite teilte uns mit, dass wir die ‚Ausfahrt‘ zurück zur Strasse verpassten hätten. Dank seinen Erklärungen fanden wir dann aber trotz Dickicht und umgestürzten Bäumen zurück zur Strasse. Wir hatten im Laufe des Nachmittags nicht einmal 10 km zurückgelegt.

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Die Erlaubnis zum Betreten hatten wir, zum Campieren scheinbar nicht.

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Als es immer sumpfiger wurde halfen meist Brücken in unterschiedlichen Verfallsstadien…

...aber nicht immer.

…aber nicht immer.

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Jedenfalls überzeugte das Panorama…

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…immer!

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Der Rückweg zur Strasse war nicht immer so einfach. Auch Wurzeln umgestürtzter Bäume stelten sich quer.

Pünktlich mit den letzten Sonnenstrahlen erreichten wir den kleinen Lago Escondido und die zerfallenden Cabañas der ehemaligen ‚Hosteria Petrel‘, einer velassenen Hotelanlage. Im noch wohnlichen Häuschen Nr. 6 trafen wir auf Tom, dem Australier. Ihn hatten wir am Vorabend in der Panaderia wieder getroffen und uns provisorisch hier verabredet. Wie auch wir wollte er Ushuaia nicht in einem Tag erreichen und so die Ankunft in Ushuaia und damit das Ende des Abenteuers, noch etwas hinauszögern. In dieser Nacht wurden wir weder von Locos noch von hupenden Autos gestört.

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Unsere luxuriösen Cabañas am Lago Escondido…

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…welcher am nächsten Tag nach einem kurzen Anstieg zum ‚Paso Garibaldi’…

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…auch von oben einen guten Eindruck hinterliess.

Nach der kalten Nacht war die Strasse über einen kleinen Pass teils noch vereist. Vorsichtig und vor Kälte schlotternd rollten wir nun gemeinsam mit Tom, meist stillschweigend und gedankenversunken,  dahin. Das Ziel war nahe – und damit auch das Ende des Abenteuers. Was dann? Wie würden wir uns fühlen? Das Ende nach 52 km kam dann abrupt hinter einer Kurve. USHUAIA, geschafft! Wir wurden von einer Flut von Gefühlen überschwemmt: Freude über die Ankunft mischte sich mit Stolz über das Erreichte, Traurigkeit über das Ende und Angst vor dem Leben danach. Glück war wenig dabei und wir lenkten uns damit ab, Siegerfotos zu machen.

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Unter sommerlich-verlassenen Sesselliften hindurch…

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..und über ein paar Hügel…

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…erreichten wir Ushuaia.

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USHUAIA!

Nun blieb uns nur noch, uns mit der Realität des Angekommen-Seins anzufreunden, abzufinden und einen Tag später noch die letzten, obligatorischen 25 km bis ans ‚Ende der Strasse‘ an die Bucht von Lapataia am Beagle Kanal zu fahren. Das Tacho zeigte 18’394 km gemessene Kilometer und 221’409 Höhenmeter.

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Während die Sonne über Ushuaia aufging, machten wir uns auf den Weg nach Lapataia…

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…dem Ende der Welt – oder wenigstens der Strasse. Für uns Kilometer 18’394.

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Dann hiess es im Hinterhof des Hostels Räder verpacken…

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…verladefertig, geschützt für den Flug (hier mit Toms Rad bereit zum einchecken)…

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…3’000 km nach Norden, nach BUENOS AIRES.

UND HIER NOCH DIE GALERIE: