Boliviens Lagunenroute | Wüsten, Lagunen & Flamingos

image

620 Kilometer, davon 40 asphaltiert

14 Tage, davon 1 radfrei

5’760 MüM Maximalhöhe

Nahrung:
Frühstück Avena (Haferbrei)
Mittagessen: Chinesensuppen, Polenta, Kartoffelstock
Abendessen: Pasta mit Fertigsuppe als Sauce
Zwischendurch: Schokolade (Sublime!), Kekse, Cocatee

Highlights:
Sand, Sand, Sand: auf den Spuren der Dakar
surreale Wüsten
farbige Lagunen
mächtige Vulkane
fantastische Campspots
Vulkan Uturuncu: mit dem Rad auf 5’760 MüM

Route: Uyuni – Rio Grande (entlang Bahnlinie) – Julaca – San Juán de Rosario – Salar de Chiguana – Avaroa – Laguna Hedionda – Desierto Siloli & Arbol de Piedra – Laguna Colorada – Quetena Chico (Abkürzung entlang Nordufer Laguna Colorada, 12 km, sehr sandig, großteils nicht fahrbar) – Volcán Uturuncu (5’760 MüM) – Quetena Chico – Quetena Grande – Laguna Hedionda (süd) – Laguna Kollpa – Salar de Chalviri – Polques (Aguas Calientes) – Desierto Salvador Dalí – Laguna Verde – Laguna Blanca – Hito Cajon (Grenze Chile) – San Pedro de Atacama

BOLIVIENS WÜSTEN & LAGUNEN

Unsere Tage in Uyuni verbrachten wir damit, auszuspannen, unser Material wieder auf Vordermann zu bringen und die weitere Route zu planen. Nach der Überquerung der beiden Salare waren unsere Räder von Salz verkrustet und bedurften dringend einer gründlichen
Wäsche und einer allgemeinen Wartung. Diese hatten sie sich verdient! Ohne mit der Wimper zu zucken verflog eine Woche und wir waren bereit für die nächste Etappe.

Die ‚Lagunenroute‘ (offiziell ‚Ruta de las Joyas altoandinas‘ genannt) führt von Uyuni in Bolivien nach San Pedro de Atacama in Chile. Sie durchquert dabei den äussersten Südwesten Boliviens durch Wüstengebiete, gilt als hart, unberechenbar, sehr abgelegen und ist ein Klassiker unter Tourenfahrern. Genau nach unserem Geschmack.

Auf Grund der schlechten Versorgungslage unterwegs empfahl es sich, für mindestens sechs Tage Proviant mitzuführen. Wasser sollte mindestens alle zwei Tage auffindbar sein. Nach einer ausgiebigen Einkaufstour durch Uyunis Märkte und Lebensmittelgeschäfte waren unsere je zwei verbliebenen Satteltaschen zum Bersten gefüllt. Dazu gesellten sich noch je fünfeinhalb Liter Wasser in PET-Flaschen und Wassersäcken und wir waren bereit für ein neues Abenteuer.

image

Proviant für sechs Tage

Mit – für unsere Verhältnisse – bleischwer bepackten Rädern verliessen wir an einem Samstagmorgen Uyuni entlang der Bahnlinie nach Chile. Erst über 600 Kilometer später, bereits in Chile, würden wir wieder Asphalt unter die Reifen bekommen.

image

Bahnlinie, unser Weg aus Uyuni

Mal links und mal rechts davon auf Motorradspuren im Sand ‚fahrend‘, nahmen wir so auf den ersten 70 Kilometern den direktest möglichen Weg durch die Wüste. Doch wie so oft ist der kürzeste nicht zwingend der einfachste Weg: Die Spuren waren weich, oft alles andere als fahrbar und verliefen sich immer wieder im Sand. Zudem lernten wir bereits am ersten Tag einen unserer stärksten und unberechenbarsten Gegner der kommenden zwei Wochen kennen: Der Wind. Unbarmherzig machte er uns das Leben schwer und blies uns den ganzen Nachmittag frontal ins Gesicht. Oft so stark, dass wir stossend (5 km/h) schneller vorwärts kamen als fahrend und unser Tagesziel, das Dorf Rio Grande, erst im Dunkeln erreichten. Das einzige auffindbare Hotel war voll, man liess uns aber im Hof campieren.

image

am Rande des Salar

image

selbst spurt der Mann

image

Einziger Weg über den Fluss

Weiter westwärts fahrend wehte uns am nächsten Morgen bereits nach kurzer Zeit wieder ein frisches Lüftchen ins Gesicht, das sich im Laufe des Tages zu einem ausgewachsenen Plagegeist- und Spielverderberwind entwickelte. In den kommenden zwei Wochen versuchte er immer wieder unser Vorwärtskommen und vor allem unsere Moral zu drücken. Dabei wurde er nachmittags oft so stark, dass an ein Zelten ohne irgend eine Art von Windschutz nicht zu denken war.

image

Julaca, wie im wilden Westen

Am Morgen des dritten Tages, immer noch westwärts haltend, verpassten wir im Temporausch auf dem topfebenen ‚Salar de Chiguana‘ nach San Juan de Rosario (letzte Möglichkeit einzukaufen) prompt die Abzweigung und damit auch die einzige Wasserquelle für die nächsten zwei Tage. Dies zwang uns zu einem Umweg von 30km, weiter westwärts nach Avaroa, an die chilenische Grenze.

image

Salar de Chiguana

image

Güterzug unterwegs nach Chile (bei Avaroa)ö

image

Grenzbahnhof und Wasserquelle

Dort, nun mit Wasser eingedeckt, schlugen wir endlich den Weg nach Süden ein und fanden vor Sonnenuntergang einen versteckten, aber fantastisch gelegenen Campspot. Einzig der Fund einer, einem frisch ausgehobenen Grab zum Verwechseln ähnelnden, Grube mit Reifenspuren, keine fünfzehn Meter hinter unserem Zelt, dämpfte etwas den Wohlfühlfaktor.

image

Campspot mit Blick über den Salar de Chiguana

Die nächsten drei Tage schlängelten wir uns durch ein wahres Natur-Disneyland von wechselnden Wüstenlandschaften – mit all den dazugehörigen Herausforderungen. So keuchten wir gerade noch über holprige, felsige Pfade oder kämpften uns über rollende Hügel, steckten im nächsten Augenblick in einem endlosen Meer aus Kies fest, wühlten durch feinste Sandwüsten – und standen unvermittelt vor farbig spiegelnden Lagunen im Schatten mächtiger Vulkane.

image

Laguna Chiar Khota

image

auf geht’s, in die Wüste

image

Flamenco

image

Laguna Hedionda

image

Campspot im Sand

image

Felsformationen am Rande der Wüste Siloli

Leider liessen uns die schwierigen Pistenverhältnisse oft nur wenig Zeit, unsere Umgebung zu bewundern. Sandige Reifenspuren in allen nur erdenklichen Variationen versuchten uns gemeinsam, und scheinbar in Absprache, mit Hirnzermarternden Wellblechpisten aus dem Sattel zu zwingen – was ihnen glücklicherweise nur selten gelang.

image

im kleinsten Gang

image

die Wüste ändert sich stetig, bleibt aber sandig

image

an der Grenze zu fahrbar

image

Spurensuche, welche könnte fahrbar sein?

image

die Wüste mit dabei

Das Wetter, obwohl uns meist freundlich gesonnen, tat das Seine dazu. Am vierten Morgen tobten sich Gewitterwolken zwischen den nahen Vulkanen so mächtig aus, dass es uns im Sattel etwas ungemütlich wurde und wir zwischen den Felsbrocken einer nahen Bergflanke Schutz suchten. Keine Minute zu früh! Kaum hatten wir unsere Pelerine als notdürftiges Dach zwischen die Felsen gespannt, prasselte eine Hagelfront auf uns herunter. Während über uns aus Hagelkörnern langsam Schneeflocken wurden, nutzten wir die halbe Stunde, um uns im Trockenen ein Sandwich-Mittagessen zu gönnen.

image

Blitz, Donner, Hagel

image

Pelerine & Felsen schützen vor Gewitter und Hagel…

image

…und darunter wird gefuttert!

Diese Art von Wetterumschwung war nicht die Regel, doch blieben auch weitere Überraschungen nicht aus. Meist dann, wenn wir beim Mittagessen sassen. So wurden wir etwa, zwischen Sanddünen Spaghetti kochend, mit Schneeflocken eingedeckt. Ein andermal verspürte eine sandbeladene Windhose genau in dem Moment den Drang über uns hinwegzufegen (hinterhältig von hinten!), als wir uns die ersten Löffel Polenta in die Backen schieben wollten. Über die sandige Garnitur freuten wir uns mässig.

Mässig freuten wir uns auch über die regelmässig, mal nahe, mal am Horizont vorbeibrausenden Geländewagen voller Touristengruppen und können nun nachvollziehen, wie sich Löwen in der Serengeti fühlen müssen: Regelmässig wurden wir aus offenen Fenstern fotografiert und bestaunt. Richtig peinlich – aber nicht schlecht fürs Ego – wurde es aber, wenn sich neben uns die Fenster eines Jeeps senkten und wir, staubig und verschwitzt, von Gruppen von Touristen beklatscht wurden. Deren Fahrer versorgten uns ‚arme Radfahrer‘ mit Menüs von übriggebliebenem: Reis, Quinua, Kartoffeln, Kartoffelstock, Pouletbrüstchen, Lamaspiesschen und Gemüse. das Wahre Festessen, völlig unerwartet und deshalb umso besser!

image

Laguna Colorada – macht ihrem Namen alle Ehre

Als wir am fünften Tag nach unserer Abfahrt aus Uyuni die Laguna Colorada, und damit die Mitte der klassischen Lagunenroute erreichten, verabschiedeten wir uns auch schon wieder von dieser. Wenigstens für ein paar hundert Kilometer. Wir wollten nämlich zum gut 70 Kilometer östlich gelegenen Vulkan Uturuncu. Zwischen die beiden Gipfel dieses 6’008m hohen Riesen führt eine alte Bergbaustrasse, was die seltene Möglichkeit bietet, mit dem Rad auf eine Höhe von sage und schreibe 5’760 MüM hinauf zu fahren. Konnten wir da nein sagen? Nein! So suchten und fanden wir eine Abkürzung(!) entlang des Nordufers der Lagune (laut Wirt des Refugios und Parkwächtern fahrbar und schneller) und verbrachten im Anschluss einen halben Tag und 12 Kilometer damit, unsere Räder durch tiefen Sand zu stossen und zerren – hier war schon seit Monaten keiner mehr gefahren.

image

Laguna Colorada – Flamingoparadies

image

Laguna Colorada – Lamaparadies

image

Laguna Colorada

image

Laguna Colorada – Vogelparadies

image

manchmal ist stossen die einzige Lösung, Nordufer Laguna Colorada

Im kleinen, offensichtlich hauptsächlich von Lamas bewohnten Ort Quetena Chico (4’150 MüM), dreissig Radkilometer vom ‚Uturuncu‘ entfernt, verbrachten wir eine Nacht in einer einfache Herberge (‚Hostal Quetena‘, nächtliches Lama-Gejammer inklusive) und machten uns am nächsten Tag nach dem Mittagessen bestens vorbereitet in Richtung des Riesen auf. Mit dabei unser Zelt, unsere Schlafsäcke und -Matten, sechs Liter Wasser, einigen Frühstücksbrote, ‚Framebags‘ voller Schokolade und Kekse, sowie eine ‚Spaghettibombe‘ (vorgekochte Spaghetti in Sauce in einem Plastiksack: So konnten wir den Kocher weglassen).

image

von der Laguna Colorada nach Quetena Chico: Uturuncu, wir kommen!

image

Bevölkerungsmehrheit in Quetena Chico

image

Herz mit Vizcachakot-Füllung

Wir hatten vor, am ersten Nachmittag gemütlich die Hälfte der Strecke bis an den Fusse des Vulkans zu fahren, dort zu campieren – hier kam die ‚Spaghettibombe‘ als Abendessen ins Spiel – und dann am nächsten Morgen früh, ohne Gepäck die restlichen 15 Kilometer und vor allem 1’300 Höhenmeter des Aufstiegs in Abgriff zu nehmen. Unser Plan ging auf. Wir fanden einen perfekten, windgeschützten Campspot bei Kilometer 15, auf einer Höhe von 4466 MüM, genau dort, wo wir ihn erhofft hatten. Am nächsten Morgen versteckten wir unsere Campingausrüstung unter Felsbrocken und waren bereits um sieben Uhr im Sattel, leicht und bereit für den Aufstieg.

image

Campen vor dem grossen Aufstieg

Der Weg nach oben war nicht nur lang, sondern auch sehr schlecht. Teils sandig, meist aber mit grossen und kleinen Steinbrocken gepflastert war es ein mühsames Vorwärtskommen. Dessen nicht genug. Je höher wir stiegen, umso steiler wurde die ‚Strasse‘, umso häufiger kamen wir ins Rutschen und umso öfter wurden wir aus den Sätteln gezwungen. Die Höhe trug, nicht ganz überraschend, ihren Teil dazu bei und machte uns das Leben, beziehungsweise Vorankommen schwer. Auch sie konnte uns aber schliesslich nicht vom Erreichen unseres Ziels, dem Ende der Strasse und damit der Höhe von 5’760 MüM, abhalten. Dieses erreichten wir nach fünfeinhalb Stunden, ziemlich geschafft, inmitten von Schwefelwolken – nicht unsere eigenen wohlgemerkt.

image

Uturuncu

image

sandig, staubig, schwefelig

image

5’600 MüM – die Luft wird dünner, die Pausen länger

image

letzte steile, strenge Meter

Wie immer waren bald alle Anstrengung vergessen und wir waren vor allem erleichtert, dass Daina, anders als am gut 1000 Höhenmeter tieferen Salkantay Pass in Peru, keine schwerwiegenden Probleme mit der Höhe hatte: Sie konnte sprechen, lachen und antworten. Alles wunderbar und vier Stunden später, von 30 Kilometer holprigster Abfahrt gut durchgeschüttelt und nachdem wir unterwegs unsere versteckten Sachen wieder eingesammelt hatten, standen wir pünktlich zum Abendessen wieder in Quetena Chico und beschlossen: Am zehnten Tage sollst du ruhen – was wir auch taten.

image

über dem Altiplano

image

fünftausendsiebenhundertsechziger Erschöpfung

image

zwischen den Gipfel des Uturuncu, 5’760 MüM

image

Uturuncu, Goal!

Noch trennten uns aber etwa 170 Kilometer, endlose Wellblechpisten, zwei kleine Pässe und viel Sand von San Pedro de Atacama und auch der Wind, das fiese Kind, spielte uns einige Male übel mit. Dies machten die wechselnden Landschaften, scheinbar in flammen stehenden Sandberge, schillernden Lagunen und heissen Quellen unterwegs aber wieder wett. Und wiederum fanden wir sensationelle, mehr oder weniger windgeschützte Plätze für unser Zelt. Wenn manchmal auch erst nach stundenlangem, suchendem weiterkämpfen, kurz vor Sonnenuntergang.

image

wer mit Crocs fährt, muss keine Schuhe ausziehen

image

auch kurze Aufstiege erschöpfen!

image

lange gesucht (vor Salar de Chalviri)

image

Desierto Dalí

image

Paso del Condor

image

vor dem ‚paso del condor‘

So auch an unserem letzten Tag in Bolivien. Wieder einmal fanden wir einen perfekten Campspot, wieder einmal aber bereits um zwei Uhr Nachmittags. Viel zu früh, fanden wir und erhofften uns noch ein paar Kilometer hinter uns bringen zu können. Was folgte war abzusehen: Bis kurz vor Sonnenuntergang suchten und fanden wir keine windgeschützten Möglichkeiten mehr, wurden immer müder und frustrierter und mussten doch weitersuchen. Schliesslich campierten wir, keinen Kilometer von der Bolivianischen Grenze entfernt, hinter zwei riesigen Felsbrocken im Sand. Doch noch ein fantastisches, windgeschütztes Nachtlager.

image

Campspot Suche

image

vulkanischer Campspot mit Blick auf Vulkan Licancabur

image

frühmorgens im Camp

image

perfekt!

image

‚Migracion Bolivia‘ – unkomplizierte Ausreise

Der Weg an die Grenze war am nächsten Morgen entsprechend kurz, die Zollformalitäten entspannt und dann war es soweit. Sieben Kilometer hinter der Grenze erreichten wir (auf 4’660 MüM) nach zwei Wochen bolivianischem Sand und Kies, chilenischen Asphalt – und waren traurig, dass der Spass schon vorüber war. Jetzt trennten uns nur noch 40 Kilometer vom, über zweitausend Meter tiefer in der Atacamawüste gelegenen, Touristenstädtchen San Pedro de Atacama. Dort waren die Zöllner erst nach einer halbstündigen Wartezeit auffindbar und es beherrschten plötzlich Strandmode und Sommerkleider das Strassenbild. Letztere ein Kulturschock pur. ‚Bienvenido a Chile‘!

image

Chile? Argentinien? …Chile

image

Abfahrt nach San Pedro de Atacama (Chile) – auf Asphalt!

….und zum Schluss wie immer die GALERIE mit diesen und weiteren Bildern.

Boliviens Altiplano | Höhe, Lamas & Salare

809 Kilometer, davon 130 asphaltiert

36 Tage, davon 23 „radfrei“ (wovon 21 in La Paz)

Durchschnittshöhe geschätzt 4’000 MüM

Maximalhöhe 4’740 MüM

Highlights:
ohne Wasser in der Wüste
ein Abstecher nach Chile
Hagel, Blitz & Schneegestöber im Niemandsland
nackt auf dem Salar

Kulissen:
farbige Cañons & bizzarre Steinwüsten
rauchende Vulkane & weisse Salare (Salzseen)
kleine Dörfchen & wenige Menschen
…und dazwischen die endlosen Weiten des Altiplano

Statisten:
tausende wollige Lamas und Alpacas
hunderte scheue Vicuñas (wild & dem Lama ähnlich)
dutzende Flamingos
einige Suri (wild & dem Vogelstrauss ähnlich)

Salat de Uyuni

Route:

Bolivien: La Paz – Viacha – Corocoro – Pando – Caquingora – Playa Verde – Salar Tarquiamaya – Laguna Blanca – Limacota – Malcuchusi – Okururo – Sajama – Tambo Quemado (Grenze Chile)
Chile: Chungará – Chirigualla (Aguas Calientes) – Guallatire – Chilcaya – Salar de Surire (östlich um den Salar zu Aguas Calientes de Polloquere) – Enquelga – Isluga – Colchane (Grenze Bolivien)
Bolivien: Pisiga – Salar de Coipasa – Hizo – Llica – Salar de Uyuni (verkehrsfreie Route, nördlich der ‚Isla Incahuasi‘) – Colchani – Uyuni

Der Ankunft in Boliviens Hauptstadt ‚La Paz‘ geht eine zwölf Kilometer lange Abfahrt auf der ‚Autopista‘ genannten Autobahn (Radfahren verboten) ins Stadtzentrum voraus, garniert mit atemberaubenden Ausblicken über den Talkessel. Unten wartet eine eigenartige, aber sehr angenehme Mischung aus südamerikanischer und westlicher Stadt: Hektik, Lärm und Komfort liegen hier nahe und auf spannende Weise ineinander verschlungen beieinander.

image

La Paz vor eisiger Kulisse

image

neue Seilbahn verbindet La Paz mit El Alto

Schon im Voraus hatten wir uns einen Platz im zentral gelegenen ‚Casa de Ciclistas‘ gesichert. Cristian, ein bolivianischer Mountainbike-Enthusiasten, Warmshower-Host und Idealist, stellt Radreisenden aus aller Welt gegen einen geringen Unkostenbeitrag eine gemeinsame Wohnung zur Verfügung. Dort lässt sich’s gut wohnen, kochen, Räder reparieren, Geschichten austauschen, jeweils Dienstags gemeinsam putzen (!) und in der Regel auf der eigenen Campingmatte im Obergeschoss übernachten. Manche, wir, haben Glück und können das einzige Einzelzimmer ergattern. Ha! Hier fanden wir ein Zuhause, fühlten uns inmitten immer wieder wechselnder Gesellschaft von Radreisenden jeden Schlages mal mehr und mal weniger wohl und machten viele spannende Bekanntschaften.

Die radfreie Zeit verging wie im Flug und wie immer kamen wir gar nicht dazu, nichts zu tun. Dainas Felge musste ersetzt werden, unsere Räder wollten unsere pflegende Aufmerksamkeit, die Super-, Gemüse- und Früchtemärkte forderten tägliche Besuche und auch sonst wollte die Stadt erkundet werden. Dank Nick und Sämi machten wir die Bekanntschaft von Pedro Brunhart. Der engagierte liechtensteiner Wahlbolivianer lebt mit seiner Frau schon seit über 25 Jahren in La Paz und betreibt ein vegetarisches Restaurant, wofür er über die Jahre etwas ausserhalb von La Paz eine Finca aufgebaut hat. Pedros Mitarbeiter Telmo führte uns dann auch einen ganzen Morgen durch die beeindruckende Anlage, auf der verschiedene biologische Methoden zur Anwendung kommen und hängte im Anschluss gleich noch einen Überraschungsbesuch in der Klasse seiner Frau an.

mit Telmo im Gewächshaus

mit Telmo im Gewächshaus

Immer so brav?

auf Schulbesuch

Nach zwei Wochen Frieden in La Paz waren wir bereit weiterzuziehen…. hätte sich nicht überraschend die Möglichkeit ergeben, individuell an unsere Räder angepasste ‚Framebags‘ (Rahmentaschen) schneidern zu lassen. Diese überraschende Chance konnten wir uns nicht entgehen lassen – und blieben eine Woche länger. Deutlich agiler, mit neuen ‚Framebags‘, weniger Gepäck (Adios, vordere Packtaschen!) und modifizierten Rädern (die Wasserflaschen fahren jetzt links und rechts an der Gabel mit), machten wir uns nach drei Wochen Stadtleben an den 500-Höhenmeter-Anstieg, hinauf in La Paz‘ Schwesterstadt ‚El Alto‘. Zurück aufs Altiplano, 4’100MüM.

raus aus La Paz

raus aus La Paz

Freunde unter sich

Freunde unter sich

Einsichten ins Strassengewirr - Aufstieg aus La Paz

Aufstieg aus La Paz

Als nächstes Ziel hatten wir uns Sajama, ein südwestlich von La Paz an der chilenischen Grenze gelegenes Dorf, am Fusse des gleichnamigen Vulkans, ausgesucht. Aus der Enge der Stadt in die Weiten des Altiplano. Wir hatten uns vorgenommen einen möglichst direkten Weg dorthin zu nehmen – und taten dies auch. Erschwert wurde dieses Unterfangen dadurch, dass diese Gegend auf den Landkarten relativ „leer“ erscheint. Telmo hatte uns schon einige Tips gegeben, doch fanden wir unseren Weg, hauptsächlich auf Aussagen von Dorfbewohnern gestützt, vorne zu selbst. Dass die wenigen angetroffenen Verkehrsteilnehmer in dieser Gegend vorwiegend per Fahrrad unterwegs waren (zum Feld und zurück), erwies sich bezüglich Verlässlichkeit der Angaben als Glücksfall. So fuhren wir fünf Tage lang immer wieder ins Ungewisse, folgten vagen (oft in den Sand gezeichneten) Beschreibungen und mussten bei (nicht erwähnten) Verzweigungen die rchtige Wahl erahnen. Einzig der, sich in der Ferne erhebende, schneebedeckte Kegel des 6’542 m hohen ‚Sajama‘ gab uns die generelle Richtung an und wies uns den Weg über das, uns mit einer unglaublichen Vielfalt von atemberaubenden Landschaften überraschende, bolivianische Altiplano.

wollige Familie

wollige Familie

railway to nowhere

Railway to Nowhere

die ganze Stadt tanzt (Viacha)

die ganze Stadt tanzt (Viacha)

in den Strassen von Corocoro

in den leeren Strassen von Corocoro

Regen- & Gewitterwolken - nur noch eine Frage der Zeit

Regen- & Gewitterwolken – eine Frage der Zeit

Daina camouflage

Daina camouflage

unerwarteter Cañon

unerwarteter aber umso schöner, Cañon bei Playa Verde

salzige Böden bei Tarquiamaya

salzige Böden bei Tarquiamaya

Salzgewinnung, Salar de Tarquiamaya

Salzgewinnung, Salar de Tarquiamaya

Lamas

Antennen aufgestellt – Lamas

plötzlich sandig (bei Limacota)

plötzlich sandig (bei Limacota)

weit & sandig

endlos weit!

weist uns die Richtung - Vulkan Sajama

weist uns die Richtung – Vulkan Sajama

...und wieder Sajama

Boliviens höchster Berg …Sajama

Sajama (links) und Vulkanische Freunde

…nochmals Sajama (links)

mighty Sajama & wohnen im 'Star Wars' Style

wohnen im ‚Star Wars‘ Style, Sajama

Kirche in Sajama

Kirche in Sajama

Hä?!

Hä?!

Als nächstes wollten wir dem nahegelegenen Chile einen Besuch abstatten. Mit prall gefüllten Satteltaschen – wir hatten uns im staubigen, verschlafenen Dorf Sajama mit Nahrungsmitteln für eine Woche eingedeckt – verliessen wir den Grenzort Tambo Quemado. Der kleine Pass im Niemandsland zwischen den beiden Ländern war weder hoch noch steil, hielt aber jede Menge Spannung für uns bereit. Diese entlud sich, kaum waren wir hoch und exponiert genug, in Form eines mächtigen Gewittersturms. Von krachendem Donner gejagte Blitze und dichter Hagel kämpften um unsere Aufmerksamkeit. Als dann Dainas Lenker elektrische Impulse an ihre Finger abgab, verkrochen wir uns schleunigst in ein Wasserrohr unter der Strasse, bis das Gewitter nach einiger Zeit an Zorn verlor und statt Hagel Schnee fiel. So schnell es ging ritten wir unsere bereits eingeschneiten Räder über die Passhöhe, wo wir wegen des anhaltend dichten Schneegestöbers wenige Minuten später in der Baustelle des zukünftigen Zollabfertigungskomplexes Schutz suchen mussten. Bienvenido a Chile.

saliendo de Sajama

saliendo de Sajama

Tambo Quemado - vor dem Sturm

Tambo Quemado – vor dem Sturm

'Schneeflucht' im Niemandsland

‚Schneeflucht‘ im Niemandsland

Niemandsland - nach dem Sturm

Niemandsland – nach dem Sturm

Aguas Calientes de Chirigulla

Aguas Calientes de Chirigualla

Ständig in Grenznähe südwärts fahrend, beehrten wir die Nationalparks ‚Parque Nacional Lauca‘, ‚Reserva Nacional las Vicuñas‘ und ‚Parque Nacional Volcán Isluga‘ mit unserer verstaubten Cicloviajero-Anwesenheit. Vor grandioser vulkanischer Kulisse wurden wir zweimal mit entspannenden (und ebenso reinigenden) Hotsprings verwöhnt, kamen in den Genuss sandiger Pisten und wahnsinniger Panoramen in allen erdenklichen Ausführungen und fanden jeden Abend idyllische Plätzchen für unser Zelt. Unsere gesellschaftlichen Kontakte beschränkte sich meist auf Lamas, Vicuñas und den gelegentlichen Lastwagen. Die wenigen Dörfer, die wir passierten, schienen gespenstisch ausgestorben und wir sahen in der ganzen Zeit keinen einzigen Laden! …glücklicherweise hatten wir uns in Bolivien genügend Nahrungsvorräte zugelegt.

gibt ständig Rauchzeichen ab: Vulkan ...

gibt ständig Rauchzeichen: Vulkan Guallatire

nach eisiger Nacht: auftauen und trocknen

nach eisiger Nacht: auftauen und trocknen

Trocken-Suri

Trocken-Suri

Salar de Surire

Salar de Surire, Chile

Salar de Surire -offensichtlich vulkanisch

wohl schon länger da (Salar de Surire)

Salz, Wasser & Flamingos (Salar de Surire)

Salz, Wasser & Flamingos (Salar de Surire)

Mit Wasser waren wir leider etwas weniger weitsichtig. Nach einer Nacht  bei den Aguas Calientes de Polloquere, am Rande des ‚Salar de Surire‘, galt es, einen kleinen Pass (4’740m) zu bezwingen. Uns blieben noch je ein Viertel Liter Wasser in unseren Bidons und Nachschub gab es vorerst keinen: Daa dampfende Wasser der wunderbaren Hotsprings um uns herum war schwefelhaltig und nicht trinkbar.

Camping bei Salz und Schwefel

Camping bei Salz und Schwefel

Vicuñas gehen baden (Aguas Caliente de Polloquere)

Vicuñas gehen baden (Aguas Caliente de Polloquere)

Laut Parkwächtern fänden sich auf der anderen Seite des Passes Flüsse mit bestem Trinkwasser. Der gut zwanzig Kilometer lange, sandige Aufstieg war zwar nicht sonderlich steil, aber ohne Wassers heiss und entsprechend streng. Mit jedem Schluck sank unser Wasservorrat und damit unsere Zuversicht. Die Landschaft um uns herum verwandelte sich langsam aber sicher in eine Wüste – weit und breit kein Rinnsal in Sicht! Langsam regten sich Zweifel. Dies änderte sich weder nach zwanzig Kilometern auf der Passhöhe, noch nach dreissig Kilometern am Fusse der Abfahrt. Weit und breit nicht das kleinste Rinnsal in Sicht und vor uns lag eine endlose, am Horizont von ebenso sandig erscheinenden Bergen umgebene Ebene. Nicht gut. Die Sonne stand hoch am Himmel, der letzte Tropfen Wasser war längst getrunken, unsere Zungen klebten im Mund und es machte sich Hunger breit. Ohne Wasser war jedoch auch unsere Nahrungsversorgung Schachmatt gesetzt: Spaghetti, Polenta, Fertignudeln – nichts lässt sich ohne Wasser kochen! Waren da erste Anzeichen von Panik im Anflug? …es sollte über eine Stunde und zehn weitere lange Kilometer dauern, bis wir endlich einen Fluss mit, von einer Herde Lamas veredeltem, herrlich-grünlich schimmerndem Wasser erreichten. Welch eine Erleichterung!

Suche nach Wasser (nahe Cero Capitan)

Suche nach Wasser (nahe Cero Capitán)

Wellblech, Sand & Sonne - aber kein Wasser weit und breit

Wellblech, Sand & Sonne – aber kein Wasser weit und breit

Wasser filtern

Wasser filtern

Zurück in Bolivien stand die Überquerung zweier Salare, um diese Jahreszeit ausgetrocknete Salzseen, bevor. Den kleineren davon, den auf 3’657 MüM gelegenen ‚Salar de Coipasa‘ mit einer Fläche von 806 km², erreichten wir dank Wegbeschreibung von Militär und einem alten Quinua-Bauern über ein wirres Netzwerk von Pfaden.

Campspot, zurück in Bolivien

Campspot, zurück in Bolivien

Salar Coipasa

Salar Coipasa

schön knusprig, Rand des Salar Coipasa

schön knusprig, Rand des Salar Coipasa

Die ersten Meter auf dem am Rande matschig-nassen, aber strahlend weissen Salz waren surreal und unsere wintererprobten Gehirne spielten uns Streiche: Ständig hatten wir Angst im Eis einzubrechen, darauf auszurutschen oder im Schnee zu versinken. Radfahren im ‚Salzschnee‘! Wir brausten mit zusammengekniffenen Augen über die gleissende, topfebene Fläche.

Salzschnee?

Salzschnee?

Salzstrasse

Salzstrasse (Salar de Coipasa)

Zur Orientierung dienten uns Jeepspuren und Vulkane am Horizont. So erreichten wir nach ein paar Stunden wieder ‚festen‘ Boden und damit Sand. Weiterhin folgten wir den Spuren, die sich regelmässig verzweigten und uns immer wieder vor die Wahl stellten. Was folgte war eine stundenlange Irrfahrt. Mal holperten wir über harte Wellblechpisten, dann wieder versanken unsere Reifen von einer Sekunde zur nächsten im tiefen Sand und wir hatten keine andere Wahl als die Räder zu stossen. Dank dieser kleinen ‚Ehrenrunde‘ – wer ohne GPS fährt und nicht beschriebenen Routen folgt muss büssen – erreichten wir das Ufer des ‚Salar de Uyuni‘ (mit einer Fläche von 10’582 km² der grösste Salar der Welt) mit einem Tag Verspätung.

...verloren im Sand

…verloren im Sand

Sand & Wellblech, unsere bolivianischen Gegenspieler

Sand- & Wellblechpisten – unsere bolivianischen Gegenspieler

Hier bot sich ein ganz anderes Bild. Das Salz war steinhart und im Gegensatz zum ‚Salar de Coipasa‘ nicht ganz so weiss, sondern eher dreckig braun. Obwohl man uns in Llica, dem sympatischen kleinen Ort am Westufer des Salars, versichert hatte, man könne den Weg nicht verfehlen, schafften wir genau dies: Wir verfehlten ihn und damit die mitten im See liegende Insel Incahuasi – was sich im Nachhinein als Glückstreffer herausstellte. Da wir einen Pfad eingeschlagen hatten, der zwar parallel zur, aber geschätzte 20 Km nördlich der ‚Hauptachse‘ verlief, hatten wir während den zwei Tagen und gut 170 Km unserer schnurgeraden – und teils zugegebenermassen etwas eintönigen – Überfahrt so gut wie kein Verkehr und den Salars für uns alleine.

erste Meter, Salar de Uyuni

erste Meter auf dem Salar (bei Llica)

Gummi auf Salz

Gummi auf Salz

'off road' (Salar de Uyuni)

‚cruisen‘ auf Salz

Mal anders: Kochen auf Salz, statt mit Salz

Kochen auf Salz

Mittagspause, Salar de Uyuni

Pause auf Salz

Bereits mitten im Nachmittag suchten wir uns einen Campspot. Hätten wir aus Blitzschutzgründen – am Horizont türmten sich schon die Gewitterwolken – ein Inselchen vorgezogen, begnügten wir uns dann aber mit einem Plätzchen etwas abseits der ‚Piste‘ und genossen bis zum Sonnenuntergang die Stille, die Weite und die fatamorganösen, skurrilen Verzerrungen über dem Salar. Aus Inseln wurden Ufos, aus liegen gelassenen Autoreifen Türme und in der Ferne fahrende Autos verwandelten sich in bunte, fahrende Eier. Welch ein Spass, so ein Salar – wenn man gerade Pause macht.

Risse im Salz, wohnen hier die Salzmonster?

Risse im Salz, wohnen hier die Salzmonster?

Fatamorganinseln

Fatamorganinseln

wir vier

wir vier

Und dann galt es da noch dem Pflichtteil einer ‚Salar de Uyuni‘-Fahrrad-Überquerung nachzukommen: Einer Nacktfahrt auf dem Salar. Dies ist unter Tourenradlern über die Jahre zu einer Tradition geworden – und wir haben uns natürlich auch nicht lumpen lassen.

Pflicht

Pflicht

Die Gewitterwolken tobten sich zu unserer Beruhigung in weiter Ferne aus und unter einem atemberaubenden Sternenhimmel erlebten wir eine ungefährliche Nacht, auf dem im Mondlicht gefluteten, plötzlich strahlend weissen Salar. Dass in der Nacht ein starker Wind versuchte unser freistehendes Zelt einzudrücken (im harten Salz lassen sich keine Heringe einschlagen) oder es in Stücke zu reissen, sei entschuldigt.

letzte Sonnenstrahlen, bald kommt der Wind! (Salar de Uyuni)

letzte Sonnenstrahlen, bald kommt der Wind!

erste Sonnenstrahlen, Salar de Uyuni

erste Sonnenstrahlen, Zelt steht noch (Salar de Uyuni)

Verstaubt, sandig, dreckig und mit salzverkrusteten Rädern erreichten wir schliesslich Uyuni, ein kleines, staubiges und von Touristen überlaufenes Städtchen am Rande des Salar. Nicht ganz überraschend hatten wir nur eines im Sinn: Essen!

wir

wir zwei

Zum Schluss wie gewohnt obige Fotos und mehr in der GALERIE: