1636 Kilometer / 49 Tage / tausende Höhenmeter
1 Reifenpanne, 1 Sturz
Route: Turbo – Necocli – San Juan de Uraba – Monteria – Lorica – Tolú – Maria Labaja – Arjona – Cartagena – Arjona – San Juan Nepomuceno – El Carmen de Bolivar – El Piñal – Magangue – Mompox – El Banco – El Burro – Pelaya – Aguachica – San Alberto – Bucaramanga – Gíron – Zapatoca – Barichara – San Gil – Olival – Puente Nacional – Chiquinquira – Ubaté – Suesca – Guatavita – Calera – Bogotá
Turbo war hektisch, was bei dem Namen zu erwarten war. Schon die Ankunft am schmalen, völlig überfüllten hölzernen Pier vermittelte diesen Eindruck. Turbo war Afrika – und wir liebten es! Die kolumbianische Hafenstatt (mit schlechtem Ruf) war voller Energie und Leben und auch die überwiegend schwarze Bevölkerung passte bestens ins Bild. Wir kamen, sahen und blieben gleich für drei Tage. Zwar waren wir die ersten Nächte noch von heftigem Seegang geplagt, doch genossen wir es, endlich wieder festen Boden unter den Füssen zu haben. Jetzt waren wir unseren Rädern eine ordentliche Wäsche schuldig. Immerhin hatten sie neun Tage auf Deck den Wellen trotzen müssen und waren (obwohl wir sie vor der Überfahrt von Kopf bis Fuss mit WD40 eingesprüht hatten) salziger als manche Salzstange. Dafür stellte uns Jhon, der Hotelbesitzer, auch gleich Schlauch, Kübel, Lappen und Waschmittel zur Verfügung und so glänzten sie bald wie schon lange nicht mehr!
Turbo
Dann galt es, unsere Route zu planen. Angesichts der Grösse Kolumbiens (so gross wie ganz Zentralamerika) kein einfaches, geschweige denn motivierendes Unterfangen. Wohin des Weges? Wo sollten wir hinfahren? Am liebsten, obwohl ein riesiger Umweg, erst nördlich entlang der Karibikküste nach Cartagena…wo wir ja schon längst sein sollten. Auf Nachfrage bei der Polizei (und, um sicher zu gehen, gleich auch noch beim Zoll und beim gut informierten Jhon) erfuhren wir, dass diese (von Guerillia-Aktivitäten geplagte) Strecke dank erhöhter Polizeipräsenz um Weihnachten momentan sicher sei. Diese war dann manchmal auch wirklich auffallend gross, dann wieder inexistent. Auf Nachfrage bei Bevölkerung (und Polizei) wurde uns aber immer versichert, dass alles ‚tranquilo‘ sei. Gut zu wissen.
So fuhren wir dann eines Morgens aus Turbo hinaus, dem 450 Km entfernten Cartagena entgegen. Wie schön war es, wieder auf dem Rad zu sitzen! Wir genossen das erneute Gefühl der Freiheit und den festen Boden und radelten munter durch Kolumbiens tropische Natur. Von Asphalt, holprigen Naturstrassen, endlose, schattige Alleen über staubige, rollende Hügel, Kolumbien bot uns bereits in dieser ersten Woche einiges an Abwechslung. Dazwischen nächtigten wir in Badeorten für kolumbianische Touristen, Tankstellenhotels für Trucker entlang der Strasse, grossen und kleinen Städten und erweiterten täglich unseren Horizont darin, was man in Kolumbien wo und vorallem, wie es heisst.
am Golf von Urabá
Haben die Kolumbianer eine eigene Sprache?! Warum verstanden wir die Leute nicht mehr, obwohl wir uns in Zentralamerika wunderbar mit allen hatten unterhalten können? …uns kam dies spanisch vor, oder eben nicht! Wir waren dann aber beruhigt zu erfahren, dass die ‚Costeños‘ (Bewohner der Küstenregion) auch für andere Kolumbianer nur schwer verständlich sprechen, vom vorwärtsspul-mässigen Tempo ganz zu schweigen. Also plapperten wir trotzdem mit allen und gaben unser Bestes, möglichst viel davon zu verstehen. Oft mit Erfolg.
Monteria, Stadtgewühl
Lorica
Sieben Tage nach unserer Abfahrt aus Turbo erreichten wir Cartagena. Weder die See noch die Tücken eines alternden Segelbootes (mit skurrilem Kapitän) hatten uns daran hindern können – und auch keine aufmüpfigen Darmbakterien. Die Austreibung letzterer nahm ‚Chucho‘ (ein energetischer Hotelbesitzer in Tolú) mit einem interessanten Mix aus Coca Cola, Alka Seltzer, Aspirin und Limonen vor – mit Erfolg! Ein letztes Mal bäumte sich unser Schicksal auf und versuchte uns mit einem Platten wenige Kilometer vor Cartagena doch noch aufzuhalten, vergebens! Während des Reifenflickens kam ein junger Mann auf einem Motorroller angedüst und händigte uns ohne grosse Worte zwei Flaschen Coca Cola aus. So motiviert erreichten wir die Stadt dann mit Links, wenn auch extrem verschwitzt, was uns aber vielleicht einen Vorteil im rauhen Stadtverkehr verschaffte.
Verkehrsgewühl vor Cartagena
In Cartagena gönnten wir uns zehn Tage touristisches (fast-)Nichtstun, erholten uns nochmals von der Überfahrt und gaben unseren Beinen Zeit sich zu erholen. Wir genossen die schöne, mit einheimischen Weihnachtstouristen geradezu überlaufene Stadt mit ihrem kolonialen Zentrum, schlichen durch die weihnachtlich (kitschig) dekorierten Strassen und genossen das emsige Treiben auf den Plätzen und schlürften tagsüber ‚Tinto‘ (Kaffee) am Stassenrand und abends Bier in den Parks der Stadt.
Cartagena
Gut ins neue Jahr gerutscht, waren wir anfangs Januar bereit, uns wieder den endlosen Strassenkilometern Kolumbiens zu stellen. Wir beschlossen, Kolumbiens Norden mehr oder weniger diagonal zu durchqueren, Cartagena-Bogotá, sozusagen. Dies führte uns, wie auch schon unsere erste Kolumbienetappe, durch Regionen, an deren Durchquerung noch vor wenigen Jahren nicht zu denken gewesen wäre. Bereits nach zwei Tagen und knapp 200 Kilometern liessen wir den Nord-Süd-Schwerverkehr hinter uns und bogen ins Landesinnere ab. Per „Fähre“ (sprich grosses Kanu mit Motor) überquerten wir den Rio Magdalena, worauf am andern Ufer von Asphalt plötzlich nicht mehr viel zu sehen war. Wir holperten die nächsten vierzig Kilometer über Schotterpisten – stellenweise so tief, dass wir in der Wiese neben der Strasse fahren mussten – bevor wir die malerische (und von einheimischen Touristen auch völlig überlaufene) Kolonialstadt Mompox erreichten.
Radverlad bei Magangue
Mompox und der Weg dorthin
Aber die nächsten Tage sollten nicht weniger holprig werden und dank einem gesunden Mischung aus Schotter, Schlaglöchern, freundlichen Leuten, einer weiteren unverhoften Flussüberquerung und jeder Menge Sand war für Abwechslung gesorgt. Letzterer sorgte in Kombination mit grossen Lastwagen immer wieder für plötzliche Sandsturm-Verhältnisse.
Weiterreise aus Mompox
Nochmals eine „Fähre“…
…und sonst Schotter und Sand.
Schon bald türmten sich die Anden am Horizont. Deren hügeligen Ausläufern folgten wir noch ein paar Tage, bevor es dann ernst galt. Um der Hitz ein Schnippchen zu schlagen starten wir bereits um halb sechs zu unserer ersten Andenetappe – und sollten unser, zugegebenermassen etwas hoch gestecktes Ziel, Bucaramanga, erst kurz vor Sonnenuntergang erreichen. Steigungen und Abfahrten wechselten sich munter ab. Kurz vor der dritten Passhöhe sorgte ein Stau, an dem wir uns hechelnd vorbeikämpften, zu Tour-de-France-ähnlichen Szenen, mit Anfeuern und Wasserbeutel reichen.
entlang den Anden
…und dann ging es aufwärts
Nach etwa elf Stunden trennte uns noch ein letzter Aufstieg von vier Kilometern von der Stadt. Dieser führte uns leider durch die „unschöneren“ Vororte der Stadt. Menschen starrten und die Polizei trug plötzlich Stahlhelme und Schutzwesten – keine guten Vorzeichen. Wir hatten keine Wahl und begannen mit dem Aufstieg. Schon nach wenigen Minuten wurden wir von einem Kleinlaster verfolgt. Er blieb immer dicht hinter uns und sorgte damit gleich noch für einen ordentlichen Stau. Ziemlich genervt hielten wir an um ihn zur Rede zu stellen. Der gute Mann erklärte uns, dass wir ohne seine Begleitung nicht oben ankommen würden, oder wenigstens nicht mit Rädern und Geld. Er würde uns bis in sicherere Gegenden begleiten würde….also wieder Tour de France, diesmal mit Begleitfahrzeug! Irgendwann kamen wir aber heil (und völlig erschöpft) oben an, bedankten unserem Beschützer und fanden ein Hotel im, wie sich später herausstellen sollte, Rotlichtviertel. 12 1/2 Stunden, 100 Kilometer und über 2000 Höhenmeter – wir hatten uns etwas übernommen. Dafür erholten wir uns dann zwei Tage im nahen, ruhigen Giron.
Bucaramanga
Gíron
Doch die Berge hatten erst begonnen und Bogotá war noch hunderte Kilometer entfernt. Um dem Verkehr ausweichen zu können, suchten wir uns auf der Karte eine ruhigere Route. Diese sah auf dem Papier nicht ganz so steil aus – ein gewaltiger Trugschluss, der uns jedoch durch eine atemberaubende Berglandschaft führte. Bevor wir nämlich den bescheidenen Aufstieg von gut 900 auf 1700 MüM in Angriff nehmen konnten, kam uns noch ein gewaltiger Cañon in die Quere.
Aufstieg nach Zapatoca
Also zuerst Abfahrt bis auf etwa 400 MüM, nur um dann an der „Wand“ gegenüber alles wieder hochzukämpfen – und zwar teils so steil und heiss (keine schöne Kombination!), dass es im Aufstieg wieder einmal Zeit für eine Stunde Koma-Schlafen in unserem Notbiwak am Strassenrand (sprich: Strassengraben) wurde. Wieder wurde es schon fast dunkel als wir unser Ziel erreichten. Das malerische, abgelegene Zapatoca entschädigte uns aber für die Strapazen.
Zapatoca
Schlafzimmerblick auf den Dorfplatz
Aus Zapatoca ging es dann über Feld- und Waldwege weiter nach Barichara, hinauf und hinab, an Viehweiden entlang und durch rauschende Wälder hinauf nach Barichara, wo jeder der in Kolumbien etwas sein möchte – und vorallem Geld hat – ein Anwesen zu besitzen scheint. Kolonialer Flair, eine wahnsinns Aussicht und geröstete Ameisen, welch eine Kombination.
und weiter über Stock und Stein
Wir waren noch etwa 350 Kilometer von Bogotá entfernt. Begleitet von Schwerverkehr treteten wir die nächsten Tage über die niemals flache „Hochebene“ (2600 MüM).Zwischen Städtchen wie Socorro, Chiquinquira, und Ubaté kämpften wir uns Serpentinen hoch, freuten uns über Abfahrten, pausierten auf Dorfplätzen und nächtigten oft in Zimmern bei Tankstellen. 150 Kilometer vor Bogotá wurde der Verkehr deutlich stärker. So suchten wir uns wenn möglich Abkürzungen und Umwege abseits der stark befahrenen Strasse. Zwar waren auf dem Land die Hunde agressiver, doch lassen wir uns von diesen Langweilern nicht mehr einschüchtern. Stattdessen genossen wir die Ruhe und die fantastischen Landschaften – nicht zu vergessen auch den frischen Käse dieser Region. So kamen wir Bogotá in gemütlichem Tempo immer näher.
Barichara
…und Dörfer unterwegs
Glichen teile dieser Hochebene stark an Tibet – und auch deren rotbackige, freundliche Bewohner – so erinnerten die letzten 50 Kilometer vor Bogotá dann plötzlich an eine Landschaft, die man in der Schweiz hätte finden können…inklusive Scharen von Rennradfahrern. Auffälliger Weise hatten diese fast immer ein Begleitfahrzeug im Schlepptau – sicher ein riesiges Freiheitsgefühl. Schliesslich musste noch ein letzter Aufstieg überwunden werden und dann lag das Endlose Häusermeer von Bogotá vor uns. Wir waren da!
…oder wenigstens fast. Denn in der letzten Abfahrt in die Stadt hinunter rutschte Robin auf einer nassen Strassenmarkierung das Vorderrad weg, was einen Abstieg à la Rolle vorwärts nach sich zog. Und auch die Crocs nahmen sich einen Moment frei und übten das Fliegen. Den stehenden Gegenverkehr dürfte es gut unterhalten haben. Glücklicherweise war unsere Spur gerade einen Moment verkehrsfrei und so ging das Ganze mit einem Schrecken und Prellungen aus….die anschliessende Fahrt durch Bogotá fühlte sich dann allerdings nicht mehr ganz so triumphal wie es hätte sein sollen. Wir suchten und fanden eine Bleibe im historischen (touristischen) Zentrum „la Candelaria“ und versprachen unseren Beinen zwei wohlverdiente Ruhewochen.
Und hier die Gallerie mit diesen und anderen Bildern:
Wie immer toll euer Bericht und die Bilder!!! Hebät sorg bim ränke! Cheers Hans
incredibile! saludos! el condor pasa…
papagei
einfach genial.Der brecht und dia schöna Belder begleitet vom ben howard als hintergrundsound bringt mine oga zum nass wöra
Your route is almost the same as ours! The photos bring back memories of those places, especially the boat to Mompox and the climb up to Zapatoca. The photo of the hostel looks like Fatima. We stayed there as well!