Argentinien & Chile | nach Patagonien

1’700 Kilometer

35 Tage, wovon 12 Tage radfrei, davon 7 Tage wartend

17’859 gefahrene Höhenmeter

2’062 m Maximalhöhe, 0 m Minimalhöhe

Ruta 40
staubige Strassen, heisse Winde und trockene Kehlen

Paso Pichachen
Schotter, Wind und Vulkane – mit einer weiteren Andenüberquerung zurück nach Chile

warten auf Reissverschlussschlitten
DHL, der chilenische Zoll und unsere Geduld

Chiles Seenregion
gezuckerte Vulkane, blaue Seen und eine Nation im Ferienfieber

ROUTE: Manzano Historico – Tunuyan – Pareditas – El Sosneado (über die alte RN40, sehr schlecht, viel Sand) – Malargüe – Barda Blanca – Barrancas – Chos Mal – El Cholar – Moncol (Gendarmeria & Aduanas Argentina) – Paso International Pichachen, Grenze ARGENTINIEN / CHILE (4’602 m) – Los Barros (SAG, Aduanas Chile) – Antuco – Santa Barbara (über Qilleco & Puente Duqueco | Ripio) – Ralco – Troyo – Lonquimay – Curacautin – Temuco – Villarrica – Lican Ray – Panguipulli – Rio Bueno (über Los Lagos | Autopista) – Puerto Octay (Autopista bis Osorno) – Puerto Montt (Autopista ab Frutillar)

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Zick-Zack-Route

DER LANGE WEG NACH PATAGONIEN

Nach knapp einem Monat in Argentinien und Chile hatten wir uns Mitte Dezember im Norden Argentiniens entschieden, weiterhin südwärts zu fahren und Patagonien zu unserem Ziel gemacht. Seither hatten wir über tausend Kilometer in der Hitze Nordargentiniens geschmort, waren in Santiago de Chile gewesen, hatten die Anden zweimal überquert und waren nun zurück in Argentinien. Dies nicht nur, weil wir uns die Überquerung des ‚Paso de los Piuquenes‘ in den Kopf gesetzt hatten, sondern auch, weil wir auf dem Weg nach Süden in Chile viele, viele Autobahnkilometer hätten abstrampeln müssen.

Obwohl sich dies trotzdem nicht ganz vermeiden liess, versuchten wir den spannenst möglichen Weg zu suchen. Dass dieser nicht immer der direkteste war, lässt sich beim Betrachten der Karte leicht erkennen. Diese Etappe wurde für uns zu einem Flickenteppich aus Landschaften, Strassenabschnitten in und zwischen Argentinien und Chile.

Nach vier Tagen ‚Rest and Recreation‘ im kleinen Städtchen Tunuyan, keine 100 km südlich von Mendoza, war es an der Zeit weiter zu ziehen. Unsere Körper schienen sich von den Strapazen des ‚Paso de los Piuquenes‘ einigermassen erholt zu haben, die Räder waren gewartet und die Blasen an den Füssen soweit verheilt.

Time to hit the Road, again. Zur Auswahl stand nur eine: Die ‚Ruta 40‘. Sie wand sich entlang des Andenkamms südwärts und bot wenig Ausweichmöglichkeiten. Tage flossen ineinander, auf heisse Morgenstunden folgten heisse Nachmittage mit sich türmenden Gewitterwolken und zuckenden Blitzen. Die Nächte im Zelt hingegen waren kühl, mal schlaflos auf öffentlichen Campingplätzen (wo man in Argentinien hingeht, wenn man nachts singen, schreien oder saufen möchte!) oder selig schlummernd auf Estancias (Farmen) oder in nächtlichen Verstecken am Wegrand.

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Zurück auf der Ruta 40…

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…mit ihren motivierenden Kilometerangaben. Die verbleibenden Kilometer wohlgemerkt.

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Manchmal Ripio, manchmal geteert, immer aber trocken und karg.

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Die alte Ruta 40 folgt der Kordillera immer in Sichtweite. Irgendwo dort oben, nahe des Cerro Sosneado, zerschellte Ende Oktober 1972 Flug 571 der Uruguayischen Luftwaffe. Es folgte ein monatelanges Drama. Die Überlebenden (Mitglieder einer uruguayischen Rugbymannschaft) ernährten sich an den Verstorbenen. Bekannt aus dem Film ‚Alive‘.

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Sieht ja gar nicht tief aus? War es auch nicht, nur gerade weich und tief genug, dass an Fahren nicht zu denken war.

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Morgens war dann jeweils kein Wölkchen weit und breit in Sicht. So spielten wir im heissen Sand.

Jeden Abend aufs Neue wurden wir auch mit unserem ‚Zeltproblem‘ konfrontiert. Sand und Staub hatten den Reissverschlüssen über Monate stark zugesetzt und einer nach dem anderen wurde von Tag zu Tag unbrauchbarer. Es musste eine Lösung her und wir beschlossen, uns Reissverschlussschlitten schicken zu lassen – nochmals! Der erste Anlauf hätte uns bereits vor Weihnachten in Santiago erreichen sollen, war aber in der Weihnachtspost kläglich untergegangen.

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Auf Estancias (Farmen) fanden wir hinter Hecken Zuflucht vor dem nächtlichen Wind…

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…und wurden bewundert und beäugt!

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Wenn Gewitterwolken aufzogen, verzogen wir uns. Hier am Rande eines Flussbettes nahe ‚El Sosneado‘.

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Danach kamen die Nacht. Stille und die Sterne.

Da wir jedoch ohnehin mit einer verlockend klingenden weiteren Andenüberquerung und zwei Routen durch Chiles Wälder geliebäugelt hatten, passte uns dies ganz gut in die Planung. Wir wollten lieber schöne Routen fahren anstatt südwärts zu drängen – hier fanden wir den perfekten Grund für einen weiteren Schlenker.

So tauschten wir kurz nach Chos Malal ein weiteres Mal die Gewissheit der Ruta 40 gegen die Ungewissheit einer abgelegenen, uns unbekannten aber umso vielversprechenderen Strecke quer über die Anden, über den ‚Paso Pichachén‘, und damit das schnelle Surren unter den Reifen gegen ein langsameres Knirschen. Einzig der Gegenwind blieb uns treu und versuchte uns das Leben auch auf dieser wunderschönen Strecke schwer zu machen. Es gelang ihm, und auch dem abschnittweise tiefen Sand, nicht!

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Wie immer wies uns die Karte den Weg.

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Nach Chos Malal wand sich die Strasse langsam in die Berge hoch. Wir wollten hinauf, der Wind wollte herunter – ein stundenlanger Zweikampf.

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Mit den ersten Sonnenstrahlen waren wir auf der Strasse…

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…und warfen langen Schatten.

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Aber sonst war Schatten rar – trotzdem machte es Spass.

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Seltsame Felsformationen liessen uns staunen, ob als Wand…

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…oder als Felskopf.

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Felsen wie von Kinderhand gestapelt, untermalt von Windgeheul.

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Der Kommandant der ‚Gendarmeria Nacional‘ besuchte gerade alle ihm unterstellten Aussenposten – im Lastwagen. Uns liessen sie deshalb im Dörfchen El Cholar nicht in ihrem Hof campieren. Die Polizei nebenan bot uns dafür ein Zimmer an.

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Señor Turista wird informiert, dass die Grenze naht und er dort kontrolliert werden würde.

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Aber erst noch ein paar Kurven.

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Nach einer Nacht im Pferdestall der Gendarmerie Moncol (hier war der hohe Besuch schon überstanden) waren wir früh auf den Beinen – nicht der Pferde wegen, die schliefen im Freien.

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Die Prognose fiel günstig aus: Wetter gut, Wind gemässigt und zur Grenze fehlen bloss 25 km. Aufwärts.

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Mit der (bescheidenen) Höhe verändert sich im Laufe des Morgens die Landschaft um uns herum. Bäume werden rarer und Schafherden suchen die Wärme der Morgensonne.

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Blick zurück, immer dankbar!

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Die Spitze des weissen Kegel des mächtigen ‚Antuco‘ in der Ferne raubt uns kurz vor der Passhöhe den verbleibenden Atem.

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Es herrschen beste Pistenverhältnisse!

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Auf gerade mal 2’000 m fehlt kurz vor der Passhöhe plötzlich jede Vegetation.

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‚Paso Pichachén‘, Passhöhe und Grenze zwischen Argentinien und Chile

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Gletscher und Vulkane. Neue Welten eröffnen sich. Obwohl es ab hier tendenziell abwärts ging, kamen wir immer schlechter vorwärts. Oft war Stossen angesagt.

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Oben Eis, unten Sand.

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Das Panorama hält uns trotz Mühen bei Laune…und lässt uns unsere Snowboards vermissen.

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Dazwischen gibts Kaffee a la bicicleta: Der verlorene Filter wird erfolgreich durch eine Socke ersetzt. Sieht lecker aus? War es auch!

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Dann wird im Schatten einer Brücke…

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…geschlummert.

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Auch im Wald hinter dem ‚Refugio‘ des chilenischen Militär durften wir schlummern. Der Vorgesetzte servierte uns ‚Sopaipillas‘ (frittiertes Gebäck) und die drei Soldaten spielten den ganzen Tag Tischfussball. Argentinien scheint hier keine Bedrohung darzustellen.

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Nicht alle erreichen das Refugio. Am 18. Mai 2005 gerieten drei Kompanien frisch rekrutierter Soldaten auf einem Übungsmarsch zu eben diesem Refugio in einen Schneesturm. 45 von ihnen fanden bei Temperaturen unter -35 Grad den Tod. Entlang des Weges erinnern heute Tafeln an die Verstorbenen. Für jeden Soldaten eine, jeweils dort wo er gefunden wurde.

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In vulkanischem Sand umrundeten wir den Vulkan Antuco…

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…entlang der halbtrockenen ‚Laguna de las Lajas‘. Im Kampf Nationalpark gegen Wasserkraftwerk gewinnt in Chile immer die Energie. Die Lagune verlor, Wasser.

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Der Weg führte durch unwirkliche vulkanische Schutthaufen gigantischen Ausmasses.

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Sommersaison in Chakay, dem Skigebiet auf der Flanke des Vulkans. Leider falsche Saison für uns.

Mit Antuco in Chile waren wir einmal mehr zurück in der Zivilisation, diesmal der chilenischen. Die Reissverschlussschlitten hatten mittlerweile Santiago de Chile erreicht. Um ihnen etwas Zeit für die Reise an ihren Bestimmungsort Temuco zu geben, schlugen wir sogleich einen Haken zurück in die Berge.

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Eine Kombination aus Waldwegen und Brücken brachte uns von Quillaco nach Santa Barbara.

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In den Pausen luden Wälder zum Spielen ein. Hier wird gerade eine Partie ‚Waldboccia‘ gewonnen.

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Der Maestro und seine Bocciakugel.

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Campingplatz-Nachbarn. In Chile ist campieren Familiensache.

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Noch ein Freund, getroffen in Antuco.

Bald holperte es wieder unter unseren Reifen, geschäftige Städtchen wichen kleinen Mapuche-Siedlungen (den Mapuche, Chiles indigener Bevölkerung, ergeht es ähnlich wie ihren nordamerikanischen ‚Schicksalsgenossen‘) und mit den Höhenmetern wurden aus den Hügeln um uns herum wieder Berge und Vulkane. Irgendwann kam was kommen musste: Das Ende der Schotterstrasse. Also taten wir, was wir am besten zu beherrschen schienen: Schieben. Sogar für unseren Geschmack hatten wir aber in letzter Zeit bereits genug geschoben und änderten am nächsten Morgen nach einigen warnenden, im Nachhinein vielleicht etwas übertriebenen Worten eines Bauers („…dort versenken sie Jeeps in Sand“) unsere Pläne und damit unsere Route.

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Wir folgen dem Rio Bio Bio durch rauschende Wälder und rollende Hügel.

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‚Embalse Ralco‘: Auch hier wird gestaut, aber Widerstand regt sich.

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Das Ende der befestigten Strasse haben wir längst hinter uns gelassen. Für diese Art von Pfaden über diese Art von Hügeln sind wir (unsere Räder!) zu schwer. Wir stossen mit Fassung.

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Was im Winter als Schlamm klebt, staubt uns jetzt Knöcheltief um die Füsse, füllt unsere Schuhe und verleiht uns einen neuen Teint.

Wenige Tage darauf waren wir in Temuco. Das Paket hingegen, so mussten wir feststellen, hing immer noch am Flughafen von Santiago im Zoll fest! Dort wartete es darauf, von uns in einem nervenaufreibeden Kampf gegen DHL befreit und durch Lösegeldzahlungen an den chilenischen Zoll freigekauft zu werden. Der Kampf tobte sieben Tage, bevor wir ihn gewinnen konnten. %@#* DHL!

Erleichtert und mit einem (gefühlt) neuen Zelt machten wir uns auf den Weg südwärts, durch die chilenische Seen-Region.

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Villarrica, Sommer-Hochsaison am Fusse des gleichnamigen Vulkans.

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Puerto Octay, zerfallender Charme.

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Deutscher Einfluss ist überall sichtbar…

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…hier bereits etwas chilenisch.

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Vulkan Osorno.

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Früchte, Chiles Exportschlager, halten uns bei Laune.

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Chiles Seenregion: Vulkane, Seen und viele, viele Touristen.

Möglichst schnell, möglichst gradlinig und möglichst verkehrsarm hatten wir uns diesen Weg vorgestellt, dabei aber die Rechnung ohne den starken Reiseverkehr auf sämtlichen Nebenstrassen gemacht. Zum Glück gab es da noch den schützenden Pannenstreifen der ‚Autopista‘ (Autobahn). In dessen Schutz legten wir schliesslich gut die Hälfte der rund 400 km von Temuco nach Puerrto Montt zurück. An dieser Stelle ein Dankeschön an die chilenische Polizei, die uns bereits nach wenigen Autobahnkilometern beiseite nahm – bloss um uns mit einem Kamerateam zu interviewen, uns mit gelben Leuchtwesten auszustatten und uns eine gute Weiterreise zu wünschen. Puerto Montt haben wir schliesslich gelb leuchtend und bei Sonnenschein erreicht. ¡Muchas Gracias!

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Autopista nach Temuco, noch ohne Leuchtweste.

Fehlt nur noch die GALERIE:

Nicaragua | wilder Westen

563 Kilometer / 38 Tage / 1 Platten

Route: Somotillo (Grenze Honduras) – Chinandega – León – Nagarote – Managua – Masaya – Granada – San Jorge – Ometepe – Rivas – San Juan del Sur – Playa Maderas – San Juan del Sur – Peñas Blancas (Grenze Costa Rica)

Montagmorgen, Kilometer 644 und die dritte Grenze unserer Reise am Rio Gausaule. Wir alten Füchse passierten die Grenze mit wehenden Fahnen (lächeln und plappern hilft auch hier) und schossen natürlich gleich auch das, von den honduranischen Grenzbeamten bewilligte, Foto auf der Grenzbrücke.

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Da hatten wir aber die Rechnung ohne die Soldaten auf der anderen Seite der Brücke gemacht. Und so wurden wir kurz darauf von Nicaraguas Grenzsoldaten ziemlich unfreundlich dazu aufgefordert, die Kamera herauszurücken. Wir sahen unsere Fotos schon verloren, doch den Nicas ging es nicht um Spionage oder ähnliches, sonderen einfach darum, dass sie persönlich nicht auf den Bildern zu sehen sein wollten – was sie waren. Wir zeigten ihnen aber nur das erste Bild (auf welchen sie nicht zu sehen waren) und schnell wurden die grimmigen Gesichter freundlich ¡Bienvenidos a Nicaragua!

Nicaragua begrüsste uns mit brandneuem Asphalt, in starkem Kontrast zu Honduras‘ löchrigen Strassen und wir rollten bereits nach wenigen Kilometern im Grenzstädtchen Somotillo ein, dem ersten Ort nach der Grenze. Dort wechselten wir erst einmal ein paar Dollar bei den „Coyotes“, den Geldwechslern auf der Strasse, machten den Markt unsicher und sogen die ersten Eindrücke von Nicaragua auf. Und siehe da, im gleichen Hotel (eines von zwei in Somotillo) trafen wir auf einen anderen Radreisenden.

in Somotillo

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Ciclistas

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Unser Weg durch Nicaragua war von Vulkanen gesäumt, manche rauchend, die meisten jedoch – es war Regenzeit – in eine dicke Wolkenmütze gehüllt. Nicaragua war Cowboy-Land, besonderes im Norden. Überall Rinderherden, Cowboys auf Pferden und natürlich, da wir ja immer noch auf der Panamericana fuhren, der eine oder andere Lastwagen unterwegs nach Costa Rica, Honduras, El Salvador oder Guatemala. Je näher wir Managua kamen, umso stärker wurde der Verkehr und umso schmaler wurde der Seitenstreifen auf welchem wir normalerweise fuhren…bis er schliesslich nur noch aus Kies und einzelnen bröseligen Flecken Asphalt bestand und uns zwang, auf der Strasse zu fahren und den Lastwagen ihre Spur streitig zu machen. Eine nervenaufreibende Angelegenheit.

Erfrischungsstopps

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unterwegs auf der „Carretera Interamericana“

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Von Somotillo aus pedalten wir via Chinandega, der heissesten Stadt Nicaraguas, nach León. Die Strecke von Chinandega nach León war mit etwa 40 km zwar kurz, war aber für einige Überraschungen gut. Es war der 15. September, Nationalfeiertag in Nicaragua, Honduras, El Salvador und Guatemala. Wir hatten im Vorfeld an verschiedenen Orten Proben beobachten können. Heute galt es aber ernst und so hielten wir neugierig an, als in einem Dorf gerade ein Umzug im Gange war. Sofort kamen wir mit Jenny und Haniel, zwei aufgeschlossenen Mädchen ins Gespräch, die uns dann gleich mit zum Festakt mit Tanz und Ansprachen in die örtliche Schule schleppten.

15. Septemer, Unabhängigkeitstag in Nicaragua

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Da sich aber ein Sturm anbahnte riet man uns, uns schleunigst auf denn Weg zu machen – wir kamen 200 m bis es in Strömen schüttete. Unter einem Baum fanden wir Zuflucht (wurden aber trotzdem tropfnass) und als der Regen nach einer halben Stunde immer noch nicht nachliess, entschlossen wir uns zur Weiterfahrt im Regen. Dainas Reifen hatte aber bereits eigene Pläne gemacht und seiner Luft die Freiheit geschenkt. Zwei freundliche Jungs auf der anderen Strassenseite winkten uns zum Glück unter das Vordach ihrer Hütte und gemeinsam flickten wir den Schlauch im Trockenen. Aber viele Köche verderben den Brei und wir mussten das Ganze nach wenigen Kilometern wiederholen. Diesmal kamen wir mit dem freundlichen Wachmann Miguel ins Gespräch, der sich danach mehrmals telefonisch meldete und rührend besorgt darum war, dass wir Nicaragua von seiner besten Seite kennenlernen.

Reifen flicken

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In León, 1524 von den Spaniern gegründet und nach Managua die zweitgrösste Stadt in Nicaragua, gönnten wir uns ein paar Tage Rast. Wir schlenderten durch die breiten Strassen mit ihrem etwas verlotterten, kolonialen Charme, schlugen uns die hungrigen Bäuche voll und besuchten das Revolutionsmuseum. Dort erhielten wir eine eindrückliche Führung durch einen verschmitzten ehemaligen Revolutionär, Kampfname „Comandante Hugo“, der in einer um Jahre jüngeren Version auf einem Teil der Fotos posierend und triumphierend zu sehen war. Er führte uns durch die düsteren Räume des Museums und spickte die geschichtlichen Ereignisse mit seinen eigenen Erlebnissen.

León und seine Kirchen

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im Revolutionsmuseum mit „Comandante Hugo“

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ehemalige Kämpfer warten auf ihren Einsatz als Museumsführer

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Graffiti in León

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Doch bereits nach wenigen Tagen juckte es uns wieder in den Beinen und so fuhren wir weiter, entlang der Cordelliere, flüchteten eine Nacht vor heftigem Regen ins kleinen Städtchen Nagarote. Kurz vor Managua machten wir am nächsten Tag die Bekanntschaft eines einheimischen Radfahrers. Orlando (ohne Gepäck dafür, auf einem klapprigen alten Renner) schloss kurz zu uns auf und so kam man tretend ins Gespräch über Gott und die Welt – mit einem Ohr immer auf die heranbrausenden Lastwagen gerichtet. Orlando wartete auch geduldig, als wir am Stadtrand von Managua in einem trockenen Wassergraben einen Platten flicken mussten. Nach getaner Arbeit trotzten wir gemeinsam dem hektischen Verkehr Managuas. Als dann des Verkehrsgewusel etwas nachliess und wir die vierspurige Ausfallstrasse nach Masaya, unserem eigentlichen Ziel an diesem Tag, erreicht hatten, verabschieden wir uns. Radfahren verbindet!

Reifenpanne vor Managua

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Doch wir sollten Masaya an diesem Tag nicht erreichen. Aber nicht etwa wegen widrigen Verhältnissen oder einem Unfall, sondern weil wir etwa 15 km nach Managua den „Parque Nacional Volcán Masaya“ passierten. Nach einem kurzen Schwatz mit der freundlichen Parkwächterin am Eingang liessen wir von unserem ursprünglichen Plan ab und beschlossen, die Nacht im Park zu campieren. Man liess uns freundlicherweise neben dem Besucherzentrum / Museum campieren. Nachdem der Park um 17 Uhr seine Tore schloss waren wir dann alleine im Park, jedenfalls fast, abgesehen von einem herumschleichenden Parkwächter, der uns einschärfte, ja nicht im Dunkeln die Vulkane erklimmen zu wollen! Wir waren brav, befolgten seine Anordnung, genossen die fantastische Aussicht über die Laguna de Masaya und wurden mit einem spektakulären Sonnenuntergang belohnt.

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Am nächsten Morgen waren wir bereit für den steilen, ohne Gepäck federleichten, Aufstieg an den Kraterrand. Es waren heisse und steile 4 km durch bizarre Lavafelder und schweflige Nebelschwaden. Und wieder wurden wir mit einer wahnsinns Aussicht belohnt.

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Am Kraterrand

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Masaya war nach dem Park eine gute, lebendige Abwechslung. Gerade an diesem Wochenende fand die alljährliche „Desfile Hipico de Masaya“ statt, ein dreistündiger Umzug zu Pferd durch die Stadt. Dabei versuchte jeder Pferdebesitzer, sich und sein Pferd von der besten Seite zu präsentieren- was oft gelang. Kurz ein Cowboy-Umzug erster Güte. Für einige standen die Pferde im Mittelpunkt, für die meisten schien es jedoch mehr um Speis und vorallem Trank zu gehen. Alles in allem also ein wilder Mix aus betrunkenen Reitern im Sonntagsgewand, Familien-Saufgelagen im Stadtpark, Jahrmarktstimmung für die Kinder und ein Transvestitentanzwettbewerb zum Schluss. Alles sehr unterhaltsam, wir sind aber nicht sicher, ob es die Pferde auch geniessen konnten.

Hipico de Masaya

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Nach Masaya statteten wir Granada am Lago Cocibola (Lake Nicaragua) einen Besuch ab. Die Stadt scheint Kirchen im Überfluss zu haben und etwa ähnlich viele Touristen. Wir hatten ein paar schöne Tage und fuhren dann 70 km nach Süden um von San Jorge mit der Fähre noch Ometepe, einer Insel im Lago Cocibola, überzusetzen. Aber soo einfach ging das dann doch nicht! Da musste zuerst Hafensteuer für Personen und am Fenster für Fahrzeuge dann noch eine Fahrrad-in-den-Hafen-Steuer bezahlt werden. Schliesslich durften wir unsere Räder über eine Planke aufs Schiff schieben. …und wie fast immer wenn wir uns aufs Wasser begeben fing es kurz darauf an zu regnen.

Granada

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Die kleine Insel Ometepe könnte mit ihren zwei Vulkanen Jim Knopfs Lummerland sein, gäbe es bloss eine Eisenbahn und einen König. Da es aber keine Eisenbahn gab, umrundeten wir Ometepe auf seinen holprigen und teils steilen Strassen zu Rad und zu fuss, schliefen im Zelt, bestaunten die Schönheit der Natur, beobachteten Brüllaffen, bewunderten bunte Vögel, wurden von Papageienlärm geweckt, plauderten mit Bauern und Fischern, futterten grosse Fische, kayakten im Sonnenuntergang auf dem See herum und traffen Reisende aus aller Welt, So verbrachten wir lustige Tage mit Shane (IRL) und Abby (USA). Und nebenbei ernährten wir ganze Moskitofamilien mit unserem reichhaltigen Blut. Kurz, das gemächliche Inselleben zog uns rasch in seinen Bann – und unsere Hängematten erledigten den Rest.

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Moyagalpa mit Blick auf Vulkan „Concepción“

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„Congos“ – Brüllaffen

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holprige Wege um Ometepe

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Vulkan Concepción

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Mit Abby und Shane auf dem Fluss

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Prozession in Altagracia

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Verschnaufpause

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wie überall in Nicaragua: Werbung für die Partei FSLN am Strassenrand

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Camping

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Lago Cocibola

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Als wir das nächste Mal auf die Uhr sahen, waren zwei Wochen um und es war an der Zeit, aufs Festland zurückzukehren.

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Rivas – Festland

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Damit wir jederzeit Kokosnüsse öffnen können sahen wir es als dringend notwendig an, eine Machete zu kaufen. Dieses Vorhaben setzten wir zurück an Land gleich in die Tat um, bevor wir die verbleibenden 30 km von dunklen Sturm- und Regenwolken gejagt an den Pazific preschten. Sie haben uns natürlich nicht einholen können! So erreichten wir verschwitzt aber mit neuer Machete San Juan del Sur, einem Surferstädtchen am Pazifik. Wo wir gleich auf mehrere bekannte Gesichter stiessen, Brendan (IRL) hatten wir schon in Antigua kennen gelernt, Abby und Shane wie auch Loz (ENG) und Jed (USA) in Ometepe. Dazu kamen noch Joanne und Neil aus Australien, die Shane schon in Südamerika und Panama getroffen hatte. Wir verbrachten dort ein paar unterhaltsame Tage und Nächte und campierten dazwischen ein paar Nächte am abgelegnen Traumstrand „Maderas“. Der Weg dorthin und wieder zurück war excellentes offroad Training und wir konnten an unseren Schlammfahrkünsten feilen, bis sich die Räder vor lauter Schlamm fast nicht mehr drehen liessen.

vom Regen gejagt

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Strand – schön streng!

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…mit „Radleibchen“

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San Juan del Sur

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„Piraten“ am Strand

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Und dann hiess es wieder einmal Abschied nehmen und auf in den Sattel, für die verbleibenden 48 km nach Peñas Blancas, der Grenze zu Costa Rica.

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Galerie in gross: