Mongolei | der Weg nach Sibirien


September 2017
6,5 Tage im Sattel / 10 ‚Ruhetage‘
522 km, 20 % asphaltiert

Planänderung — geschlossene Grenzen & zermahlene Tretlager
Offroad nach Sibirien — über Dünen, Pässe & durch bunte Wälder
Amarbayasgalant — ein Kloster & kein Weg nach Norden
Tracks & Trails — wer sucht, der findet!

Route | Ulaanbaatar – Batsumber – Zuunkharaa – Bayangol – Khutul – Amarbayasgalant – Zuunburen – Sükhbaatar – Altanbulag (Hier geht’s zu Detailkarte & gpx-Dateien)

Zwei Tage Erholung hatten wir uns in Murun (Mörön) gönnen wollen, doch wieder einmal kam alles anders als geplant. Denn Nachfragen ergaben, dass der nächste Grenzübergang nach Russland für Nicht-Mongolen und Nicht-Russen weiterhin gesperrt blieb. Damit hatten wir zwar insgeheim bereits gerechnet, mussten nun aber einen Umweg von 700 km zur russischen Grenze in Altanbulag in Kauf nehmen.

Letzte Blicke zurück nach Murun. Uns ist noch nicht bewusst, wie bald wir dorthin zurückkehren werden.

Alle Versuche, ein Tretlager aufzutreiben schlagen fehl. So kommen unsere übergrossen Räder zu Logenplätzen im Bus nach Ulaanbaatar.

Frischen Mutes und mit einer notdürftig zurechtgelegten Alternativroute zum nächstgelegenen, für alle Nationalitäten geöffneten Grenzübergang im Gepäck, rollten wir vier Tage später auf der Hauptstrasse aus Murun hinaus. Wir kamen sechs Kilometer weit — bevor wir mit Verdacht auf ein kaputtes Tretlager an Robins Rad umkehren mussten. Ein Verdacht, der sich bestätigte. Damit waren wir mit einem Problem konfrontiert. Die nächste Möglichkeit zur Beschaffung von Ersatzteilen war gut 800 km entfernt in der Hauptstadt. Versuche, uns ein Tretlager senden zu lassen, scheiterten am Fehlen des nötigen Spezialschlüssel zum Ausbau des Lagers. Einen solchen Schlüssel selbst herzustellen, beziehungsweise einen ähnlichen Spezialschlüssel für ein altes russisches Motorrad anzupassen, misslang ebenfalls. So blieb uns nichts anderes übrig, als unsere Räder in einen Bus nach Ulaanbaatar zu packen, wo das Problem nach fünfzehnstündiger Fahrt im Handumdrehen gelöst werden konnte. Bei dieser Gelegenheit gönnten wir unseren Rädern auch neue Ketten — auch Ketten verschleissen — und der herzliche und kompetente Besitzer der ‚Giant‘-Mongolia-Vertretung stattete uns gleich noch mit einem Tretlager-Schlüssel für alle Fälle aus.

Wir waren bereit für die nächste Etappe, diese bedurfte jedoch etwas Planungsarbeit. Um die Hauptverkehrsachse zur russischen Grenze in Altanbulag zu meiden und möglichst nur ungeteerte Strassen zu befahren — es soll auch Spass machen! —, arbeiteten wir unter Zuhilfenahme dreier (!) verschiedener Landkarten sowie der Onlinekarten von ‚Openstreetmaps‘, ‚Google Maps‘ und ‚Google Earth‘ eine Route heraus, welche unwegsame, durch Flüsse abgetrennte Regionen verband. Sie stellte sich dann als abwechslungsreicher heraus, als wir zu hoffen gewagt hatten.

Ulaanbaatar verliessen wir auf geradem Weg nach Norden. Schon bald hatten wir Sand unter den Reifen und suchten unseren Weg quer durch die Berge. Den Anweisungen von Bauern folgend fuhren wir eine Route, die noch direkter war als jene, die wir im Vorfeld mittels Karten festgelegt hatten. Doch nicht alle Wege führten ans Ziel und wir standen eines Morgens vor verschlossenen Toren einer mongolischen Goldmine. Die Männer am Tor waren freundlich und hilfsbereit, doch Einlass wollte man uns nicht gewähren — und Goldbarren konnten wir aus der Ferne keine schimmern sehen. Schade eigentlich! Ein andermal fand unser Zelt aus Mangel an windgeschützten Alternativen seinen Platz zwischen Mähdreschern und Traktoren eines Camps von Feldarbeitern. Die offerierte Suppe war bei den kalten Temperaturen sehr willkommen.

Nördlich von Ulaanbaatar folgen wir immer wieder der Eisenbahnlinie.

Was wir in Südamerika und Australien gelernt haben gilt auch hier: Wo Telefonmasten sind, da ist meist auch ein Weg.

Wir kommen durch Dörfer, treffen Menschen und sorgen für Druck in den Reifen der Kleinsten.

Die Natur hält uns bei Laune, überrascht uns und lässt in dieser Gegend so manchen nach Gold suchen. Wir suchen das Glück und finden es, immer und immer wieder.

Wir fallen aus allen Wolken, als wir westlich von Bayangol plötzlich auf mächtige Dünen stossen. Umso grösser ist die Freude!

Die Pfade sind sandig. Wir feuen und verfahren uns, kommen aber trotzdem ans Ziel.

…und jagen dabei an manch einem bunten Ovoo vorbei…

…der Abendsonne entgegen.

Weiterhin zieren Jurten die Täler. Wir fragen aus Respekt um Erlaubnis zum Campen. Die Familien leben oft unter einfachsten Bedingungen und nehmen uns trotzdem mit offenen Armen auf. Schöne Momente, die uns nachdenklich stimmen.

Der Weg zum Kloster von Amarbayasgalant ist schön, abgelegen und unglaublich abwechslungsreich.

Nach zwei langen, kalten Regentagen geniessen wir die Sonne!

Eine willkommene Abwechslung auf halber Strecke nach Norden bot das buddhistische Kloster von Amarbayasgalant. Es war, dank seiner Abgeschiedenheit in den Bergen, relativ gut erhalten geblieben und lud zum Verweilen und Aufwärmen im kleinen Dorf mit dem selben Namen ein. Dass so ein Ort allerdings nur über zwei holprige Jeep-Tracks von Süden her erreichbar sein soll, konnten und wollten wir nicht glauben. Wir bohrten nach, suchten auf Google Earth nach Spuren und bekamen schliesslich Hinweise auf einen Track, welcher uns nach Norden — oder vielleicht nach Osten? — führen mochte. Wir konnten der Versuchung nicht widerstehen und brachen schliesslich auf. Zwei Tage lang fragten wir uns durch und kamen dabei durch leuchtend gelbe Wälder, wir stiegen über Pässe in Täler, die über weitere Pässe in andere Täler führten. Wir unterbrachen Nomaden beim Ausnehmen einer Ziege, bekamen aus blutigen Händen Käse geschenkt, wurden vor Wölfen gewarnt und hofften dabei immer, unser Ziel auch wirklich auf dem eingeschlagenen Weg erreichen zu können. Was wir nicht ganz ohne Erleichterung auch taten. Unter tosendem Beifall eines strahlenden Regenbogens überquerten wir, sieben erlebnisreiche Tage und 490 holprige, aber vielfältige Kilometer nach unserer Abfahrt aus Ulaanbaatar, den Fluss Orkhon nahe der kleinen Stadt Sükhbaatar — und hatten damit wieder Asphalt unter den Pneus. Es trennten uns nur noch 30 km bis zum kleinen Grenzort Altanbulag. Dahinter lag Sibirien.

Das Kloster von Amarbayasgalant, von Bergen beschützt, scheint es uns voller Teenager-Mönche zu sein.

Wir verlieren uns in den Details und Malereien des Klosters.

Sonnenstrahlen lassen das Gold für uns leuchten und wir fühlen uns nach Tibet zurückversetzt.

Amarbayasgalant, weniger ein Dorf als ein Tal voller Jurten.

Während die Menschen im Dorf ihrem Alltag nachgehen….

…wacht Buddha über dem Dorf, in Stein gemeisselt…

…und mit Gold überzogen.

Beim Kloster von Amarbayasgalant sind wir laut Karten in einer Sackgasse. Dies können und wollen wir nicht glauben. Vagen Hinweisen von Einheimischen folgend erfragen wir uns die folgenden zwei Tage unseren Weg nordwärs. Dieser führt uns über Pässe, durch leuchtend gelbe Wälder…

…und über tausend rollende Hügel. Felder soweit das Auge reicht, in der Mongolei ein seltsames Bild.

Hier werden Jurten von Mähdreschern verdrängt. John Deere is here!

Schliesslich werden wir von den Windungen des Selenge in unsere Schranken gewiesen. Dieser mächtige Fluss, er mündet später in den Baikalsee, zertrennt den Norden der Mongolei und ist auch für uns ein unüberwindbares Hindernis.

Gewitterwolken treiben uns 30 km vor sich her — und ziehen dann in Sekunden über uns hinweg.

Was bleibt ist ein fantastischer Regenbogen über dem Orkhon.

Chile & Argentinien | ‚Paso de los Piuquenes‘

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10 Tage, davon 6 Tage stossend & tragend

122 km, davon 36 km unfahrbar

570 m Starthöhe, 4’389 Maximalhöhe

Radreisen ‚hardcore‘
die brutalsten 36 km unserer Radreise-Karriere

500 m pro Stunde, 5 km pro Tag 
Kampf um jeden Meter

Im Land der Kondore, Felswüsten und Gauchos
die Puna

Route:
Santiago de Chile (570 m) – San Gabriel (1’260 m) – Embalse de Yeso (Stausee) – ‚Termas de Plomo‘ (3’000 m) – Passhöhe ‚Portillo de Piuquenes‘ (4’045 m)
– Refugio ‚Real de la Cruz‘ (2’870 m) – ‚Portillo Argentino‘ (4’380 m) – Manzano Historico

Detaillierte Routenotes findest Du hier.

ÜBER DEN ‚PASO DE LOS PIUQUENES‘ VON CHILE NACH ARGENTINIEN

Wenn man tagelang über den schnurgeraden, glühend heissen Asphalt der argentinischen ‚Ruta 40‘ strampelt, wünscht man sich oft nichts sehnlicher als Abwechslung. Wie liesse sich diesen Geraden entfliehen, wo eine spannendere Route finden? Nach dem Studium einer Liste aller Grenzübergänge zwischen Chile und Argentinien stiessen wir auf den kleinen ‚Paso Piuquenes‘. Über ihn kehrte das, von ‚Libertador‘ General José de San Martin angeführte ‚Ejercíto de los Andes‘ (Armee der Anden) nach unzähligen Schlachten gegen die spanischen Kolonialmacht aus Chile nach Argentinien zurück.

Dabei hatten sie es anscheinend versäumt, eine Strasse zu bauen. Auf allen Karten und auch im Internet war keine Spur auch nur eines Weges auffindbar. Ausser Höhenlinien herrschte gähnende Leere. Etwas Recherche ergab jedoch, dass argentinische Anbieter die Überquerung zu Pferd als mehrtägige Tour anboten. ‚Cruze de Los Andes San Martinense‘. Pferdetrecking also. Wo Pferde und Armeen durchkommen, da kommen wir ja wohl auch durch – dachten wir, informierten uns bei der ‚Policia de Investigaciones‘ über die Grenzformalitäten, fanden im Internet eine grobe Karte und Eckdaten der Route und packten Proviant für eine Woche ein.

Für die Statistiker hier eine Auflistung aller Köstlichkeiten:
1,6 kg Spaghetti
1, 5 kg Polenta
2 Portionen Kartoffelstock
15 Instantsaucen / -suppen
6 Instant-Nudelsuppen
10 Brötchen
10 ‚Tortas‘ (harte Brötchen)
8 Packungen Kekse
5 Äpfel
2 Pfirsiche
1 Glas Erdnussbutter
1 Packung ‚Dulce de Leche‘
12 Müsliriegel
6 Schokoriegel
2 Packungen Erdnüsse
1 Packung Mandeln
1 Packung Gummibären

Mit entsprechend vollen Taschen, zwei neuen Felgen und frisch gewarteten Rädern – darüber liesse sich eine eigene Geschichte erzählen – verliessen wir Santiago de Chile am Nachmittag des 2. Januar 2015 mit Blick auf die Kordillera.

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Als wir Santiago de Chile in Richtung der Berge verliessen…

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…waren wir damit nicht alleine. Die halbe Stadt schien im nahen ‚Cajon de Maipo‘ ihre Zelte aufzuschlagen.

Die Berge, in diesem Fall die Anden, riefen und nach einer Stunde im Verkehrsjungel der Grossstadt liessen wir diese hinter uns und begannen den Anstieg, der uns von 570 auf über 4’000 m bringen sollte. Dafür hatten wir drei Tage gerechnet, die Rechnung aber ohne die ‚Carabineros‘ (Polizei) gemacht, welche am nächsten Morgen in San Gabriel, dem letzten ‚Ort‘ vor der Grenze, unsere Ausreisepapiere erledigen und unsere Pässe stempeln mussten. Dies taten sie, mussten aber erst in Santiago abklären, ob wir denn auch wirklich ausreisen durften. Wir durften, aber erst fünf Stunden später.

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Ab San Gabriel war Ripio (Schotter) angesagt.

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Langsam stiegen wir höher und höher.

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Auch die Berge um uns herum wurden höher.

Die Warmwasser-Tümpel ‚Termas de Plomo‘ (3’000 m) im Nationalpark ‚Parque Valle del Yeso‘ erreichten wir mit etwas Trödeln am Nachmittag des 4. Januar. Hier hatten wir ganz offensichtlich das Ende der Strasse erreicht und die Talsohle ging ringsum beängstigend schnell in steile Hänge und mächtige Bergketten über. Mit den Augen die Hänge absuchend versuchten wir erfolglos einen Weg auszumachen. Auf Nachfrage bei einem Parkwächter wurde klar weshalb: Es gab keinen! Diesen müsse man sich selbst suchen, so der gute Mann. Weiter oben würden wir dann aber auf einen alten, breiten Weg treffen, der uns problemlos zum ‚Portillo de Piuquenes‘, dem ersten Pass dieser Andenüberquerung und gleichzeitig der Grenze zu Argentinien, bringen würde. Danach ging es flach weiter und nach einem zweiten kleinen Pass wären wir dann drüben. Mit dem Rad 2 1/2 Tage. Dies klang beinahe zu gut, da wir mit etwa vier Tagen gerechnet hatten.

Der Start ins grosse Abenteuer gelang am nächsten Morgen dann nicht sehr elegant. Es galt nämlich, den Rio Yeso, der die ganze Nacht keine 50 m neben unserem Zelt gerauscht hatte, zu überqueren. Bloss nicht hier, sagte man uns: Zu gefährlich! Weiter unten, so sagte man uns, wäre es besser. Bloss, sagte man uns, könnten wir dann mit den Rädern den Weg weiter oben nicht mehr erreichen. Nach etwas Bedenkzeit durchwateten wir den Oberschenkel-tiefen Fluss erst mit einem Rad, dann mit dem zweiten und dann mit Gepäck. Problemlos, abgesehen von der Temperatur des Wassers. Dieses war so kalt, dass einem bereits nach wenigen Schritten schlecht davon wurde (klingt lustig, war es aber nicht) und wir im Anschluss eine halbe Stunde brauchten, um unsere Füsse auf marschtaugliche Betriebstemperatur zu wärmen. Wir waren noch keine 20 m gekommen! Was folgte war nicht viel ermutigender. Die nächsten sechs Stunden zerrten, schoben und hoben wir unsere schwer bepackten Räder diagonal, erst ‚querfeldein‘ und später auf einem schwach erkennbaren Pfad über eine Bergflanke hoch.

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Wir schoben und zerrten.

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Widersprüche

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Endlich ein Pfad ersichtlich – aber welch einer!

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One more to go!

Gegen vier Uhr erreichten wir den als breit beschriebenen ‚Camino de los Arrieros‘, den Pfad der Maultiertreiber. Bei dessen Anblick wurde klar, dass dieser Aufstieg nicht in ein paar Stunden zu bewältigen war! Wir machten das Beste daraus, stellten unser Zelt auf, genossen bis zum Sonnenuntergang (ca. 21 Uhr) die gewaltigen Kulisse und beobachteten Kondore, wie sie über uns ihre Kreise zogen. Wir hatten knapp drei (!) Kilometer zurückgelegt.

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In den steilen Hängen suchten Kühe nach Grünzeug.

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Robin fand Erholung.

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Und unser herrlicher Campspot mit Blick auf den bevorstehenden Aufstieg – furchteinflössend.

Das steile Zick-Zack des Pfades liess uns am nächsten Morgen keine andere Wahl, als für den Aufstieg zum Pass auf vereinte Kräfte zu setzen. Wir schoben und zerrten erst ein bepacktes Fahrrad zwei bis drei Kehren hoch, nur um dann dieselbe Prozedur mit dem zweiten Rad zu wiederholen. Eine mühsame und zermürbende Angelegenheit. Wir nahmen es mit Humor, genossen die Bergwelt um uns herum und kämpften uns Stunde um Stunde um Stunde höher den steilen Hang hinauf. Diese verlängerte sich dabei jeweils beim Erreichen einer Kuppe um weitere, endlose Kehren. So wurde der Aufstieg länger und länger, wir müder und müder und der Wind immer stärker. Orkanstärke Windböen fegten uns teils fast um und machten uns, je höher wir kamen immer mehr Angst. Obwohl uns die Kräfte ausgingen, kämpften wir wie ferngesteuert weiter. Schliesslich, nach endlosen sechseinhalb Stunden und rekordverdächtigen drei Kilometern standen wir im schmalen Durchgang durch die Bergflanke, ‚Portillo de Piuquenes‘, genannt. Auf 4’045 m, sechshundert Meter höher, als wir am Morgen aus dem Zelt gekrochen waren.

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Blicke zurück motivierten.

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Hier war Teamarbeit gefragt – Juntos podemos: Achtung, fertig, los! Schieben!

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Ganz schön steil zum Radfahren oder -stossen!

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Während wir immer höher steigen ziehen Wolken auf.

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Doch unsere Aufmerksamkeit galt meist dem nächsten Schritt, dem nächsten Meter.

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Immer wartete die selbe Arbeit nochmals auf uns. Also wieder zurück auf Feld eins.

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Wir trotzten dem Sturm.

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Schneespitzen – Zeugen des ewigen Windes.

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Trotz Erschöpfung lachten wir …und hielten die Angst vor einem heftigen Wetterumschwung damit in Schach.

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Passhöhe ‚Portillo de Piuquenes‘, 4’045 m, die Arbeit ruht, der Sturm nicht.

Der Abstieg fiel etwas einfacher aus und nachdem wir die ersten steilen Meter gehend überwunden hatten, konnten wir sogar zwei oder drei Kilometer fahren, beziehungsweise holpern.

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Im Abstieg. Pfad ja, bloss wo?

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Dann aber doch immer wieder fahrbare Meter.

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Manchen machte dies Angst!

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Wir aber genossen die Blicke auf die gewaltigen Berge und Felsformationen.

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Gletscher schienen in der Ferne Berge zu verschlingen….und unsere Kamera begann Schwächen zu zeigen.

Gegen 17 Uhr, auf der Talsohle auf ungefähr 3’400 m angekommen, überquerten wir in einem letzten Kraftakt ein kleines aber steiles Flusstal. Dies unter den aufmerksamen Blicken einer, in der Nähe campierenden Horde Priestern in wallenden schwarzen Gewändern – eine, in dieser endlosen, menschenleeren Wildnis, ziemlich surreal Erfahrung!
Zeit, das Zelt aufzuschlagen – ausser Sichtweite natürlich!

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Nach erfolgreicher Abfahrt vom ‚Portillo de Piuquenes‘, angekommen im Paradies. Jenes liegt in diesem Fall bereits in Argentinien.

Der dritte Tag hielt den versprochenen flachen Teil („dort könnt ihr alles fahren“) für uns bereit und zu Beginn konnten wir tatsächlich fahren – einige hundert Meter. Schon bald aber zwangen uns weicher Sand und grosse Steine wiederum neben die Räder. Den Rest des Tages verbrachten wir zunehmend mutloser damit, unsere Drahtesel durch Meere Fussballgrosser Steine zu hieven, sie durch tiefen Sand zu zerren oder In regelmässigen Abständen durch schmerzhaft kalte Flussläufe zu waten. Spassfaktor: Mässig. Zurückgelegte Kilometer: 12

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Hinaus durch das Tal des ‚Rio Palomares‘. Die Landschaften bleiben spektakulär.

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Der Pfad, obwohl flacher, birgt immer wieder Überraschungen.

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Auch die Kulisse stimmt.

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Flussüberquerungen, auch die Schuhe wollten trocken bleiben.

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Singletrack! …leider versteckten sich im hohen Grass So viele Gesteinsbrocken, dass wir alle paar Meter mit den Pedalen anschlugen. Unfahrbar und tödlich für Material und Moral.

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Colateral Damage – Flaschenhalter an den Gabeln fielen versteckten Steinen zum Opfer.

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Wenn das Gras wich, blieben die Steine – grosse und kleine.

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Hinter jedem Hügel wartete eine neue Herausforderung: Steine, Flüsse, Schluchten,….

Bereits um 15 Uhr erblickten wir unser Tagesziel, das Refugio ‚Real de la Cruz'(2’870 m). Leider trennte uns davon ein Fluss, Rio Tunuyan, vor dessen durchquerung zu Fuss wir bereits mehrmals ausdrücklich gewarnt worden waren. Es blieb uns also nichts anderes übrig als unser Zelt aufzustelllen und zu warten. Hilfe, zu Pferd, war vor dem nächsten Morgen unwahrscheinlich. Dass keine drei Stunden später einige, relativ unfreundliche Arrieros mit einer Gruppe argentinischer Pferdetrekking-Touristen im Schlepptau erschienen und uns gegen ein saftiges Entgelt über den Fluss setzten, war pures Glück.

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Erste Blicke auf das, als kleiner Punkt erkennbare und vorderhand unerreichbare, Refugio ‚Real de la Cruz‘.

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Den Gauchos sei Dank!

Die Mannen des argentinischen Militärs, unter dessen Obhut die Berghütte stand, erlaubten uns, unser Zelt windgeschützt direkt vor dem Refugio aufzustellen. Nach anfänglichem Argwohn Seitens der rund 40 Gästen und Cowboys, gewann die Neugier Überhand. Allgemeine Verblüffung machte sich breit. Hatten es diese zwei ‚Locos‘ wirklich mit diesen schweren Fahrrädern und dem Gepäck über den ersten Pass geschafft? Und wohin wollten sie?! …weiter über den nächsten, noch viel, viel schlimmeren Pass?! Aus Verblüffung wurde Mitleid mit dem uns bevorstehenden Leid und uns wurde dabei entsprechend mulmig. Würde es wirklich so schlimm werden? Über den nötigen Zeitaufwand zur Passhöhe gingen die Meinungen auseinander. Von „vier Stunden zu Fuss“, „höchstens sechs Stunden zu Fuss“ über „drei Stunden zu Pferd oder Maultier“ bis hin zu „abwärts in drei Stunden mit Kühlschrank auf dem Rücken“ war alles dabei. Wir rechneten nach der Erfahrung der letzten Tage vorsichtshalber mit zwei Tagen. Solange würde auch unsere Verpflegung reichen.

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Noch ein letztes Foto, dann ziehen wir ins Verderben. Die Jungs hatten Mitleid. Sie sind jeweils für 20 Tage hier oben eingeteilt. Zu viert.

Nach dem Hissen der argentinischen Fahne und dem gemeinsamen ‚Singen‘ – sprich Murmel und Husten – der Nationalhymne galt es ernst. Wie ernst wurde uns klar, als wir eine Stunde schwerer Schufterei später noch keine 500 m zurückgelegt hatten. Der Pfad war steil, bestand aus einer Mischung aus Sand und Felsbrocken in allen Grössen und wurde zudem täglich durch unzählige Hufe aufgelockert. An Fahren war erst fünf Stunden und zweieinhalb Kilometer später zu denken. Das Vergnügen dauerte gerade mal 300 m. Dann änderte sich die Landschaft und wir tauchten in eine mit Matschpartien gespickte Welt aus noch grösseren Felsbrocken ein.

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Zermürbender Blick zurück. Nach zwei Stunden Arbeit sind wir noch keinen Kilometer Luftlinie vom Refugio (unten im Tal) entfernt.

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Wieder kommt Freude auf: 300 m – Downhill!

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Dafür müssen wir dann mit endlosem Taschen- und Räderschleppen bezahlen.

Dreieinhalb Kilometer weiter und sieben Stunden später (erkennt jemand ein Muster?) kam noch starker Wind dazu und es reichte uns. Hinter einer kleinen Steinmauer (zur Hälfte selbst gebaut) suchten wir Schutz vor den tosenden Luftmassen. Als ob wir nicht schon selbst gemerkt hätten, dass es schwierig war, wurden wir von vier fröhlichen chilenischen Wanderern obendrein mit einem ominösen „Ihr werdet noch mindestens fünf Tage brauchen! Habt ihr soviel Nahrung?!“ motiviert. Nur mit Wanderstöcken bewaffnet hatten sie gut lachen, ihr Gepäck hatte uns bereits Stunden zuvor auf sechs (!) Maultieren passiert.

Dem vielen Gelächter und der fröhlichen Schufterei der letzten Tage zum Trotz hatten sich in uns Zweifel und Ängste breitgemacht. Die Puna war eine harte und potentiell gefährliche Wildnis. Dies hatten wir gewusst, uns im Vorfeld damit beschäftigt und die Konsequenzen abgewogen. Wir mögen zwar abenteuerlustig und risikofreudig sein, aber Narren sind wir nicht. Trotzdem nagten nun Zweifel. Würden wir es schaffen? Was wenn nicht? Wie lange gaben wir uns noch Zeit? Hatten wir wirklich genügend Nahrung? Da uns täglich mindestens eine Gruppe mit Pferden passierte, würden wir wohl kaum hier oben verhungern müssen und könnten diese um Hilfe bitten. Was aber im Falle eines Unfalls? Knochenbrüche? Was, wenn Daina wieder ernsthafte Probleme mit der Höhe bekommen sollte? In diesem Gelände war an einen schnellen Abstieg nicht zu denken. All diese Gedanken kamen mit der Erschöpfung einher und waren oft schwierig in Schach zu halten.

Trotzdem begann jeder Morgen wieder motivierend, voller Gelächter und mit freude über die unglaubliche Natur in der wir uns befanden. Wir freuten uns etwa, wenn wir wieder 200 m zurückgelegt hatten oder sich Blicke auf eine bisher versteckte Bergkette oder einen gewaltigen Gletscher auftaten.

Der Weg aber wurde mit jedem Meter steiniger. Die sich scheinbar endlos erstreckenden Geröllhalden vor uns, machten das Schieben der Räder auch zu zweit unmöglich und zwang uns, unsere Strategie zu ändern. Anstatt zu zweit jeweils ein Fahrrad zu schieben, trugen wir jetzt meist erst das Gepäck voraus, suchten dabei nach dem besten Weg und kehrten dann zurück, um die Räder zu tragen, zu schieben und zu zerren.

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Taschenschleppen wird zur lästigen Gewohnheit.

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Der Pfad windet sich das schmale Tal hinein. Ist er auch vorübergehend steinfrei und relativ flach, so macht ihn der Sand für uns unfahrbar – hätten wir doch ‚fette‘ Reifen.

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fahrbar? Einen Versuch ist’s immer wieder wert! Leider drängen sich nach und nach immer mehr Steine auf den Weg.

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Geröllhalde! Wird es noch schlimmer werden?

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Aber wir zeigen uns unbeeindruckt: Kopf runter und durch.

Gegen Abend des zweiten Tages im Aufstieg zur ‚Portillo Argentino‘ genannten zweiten und letzten Passhöhe wurde klar, dass diese, auch an diesem Tag ausser Reichweite war. Glücklicherweise hatte uns beim Refugio ein Soldat voller Mitleid einige Packungen Keckse und einen Sack voller (Alt-) Brot zugesteckt. Genau diese liessen uns jetzt noch einen Tag länger durchhalten und wir schlugen, zwischen den überall verstreuten Knochen von den Verhältnissen zum Pfer gefallenen Pferden und Maultieten, bereits in Sichtweite des ‚Portillos“ ein weiteres Mal unser Zelt auf. Wir hatten fast sechs Kilometer zurüch gelegt.

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Berge, Steine, Knochen – wer möchte da nicht campieren? Die ganze Nacht donnerten auf der anderen Talseite Felsbrocken zu Tal.

Am nächsten Morgen um acht setzten wir dann nochmals frisch motiviert und mit letzter Hoffnung zum Sturm auf die, so lange herbeigesehnte, Passhöhe an. Nochmals wurden die Steine grösser, der ‚Pfad‘ nicht bloss schwieriger, sondern auch schwieriger zu finden, der Wind kälter uns nach und nach waren wir von immer mehr Schneefeldern umgeben.

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Die letzten Kilometer wateten wir durch ein Geröllmeer mit hohen Wellen und Sturm.

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Geröll in rauen, strengen Mengen!

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Autobahnen dieser Art sorgten beinahe für Freudentaumel, das Panorama sowieso!

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Ein Getaumel anderer Art wurde jedoch immer mehr zur Regel.

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Auch hier wieder, stumme Zeugen der rauhen Winde.

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Liegeräder: Seit Tagen schon blieben unsere Seitenständer unbenutzt.

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Fels-Allee der besseren Art: Aussen grob und innen ‚fein’….so fein, dass man sich an den kleinen ‚Steinchen‘ locker die Knöchel wundschlagen konnte.

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Nicht alle kamen hier heil raus. Dieser Pferdekopf (unten!) trägt immer noch Hautfetzen.

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Auch nach vier Stunden nimmt die Felswüste kein Ende.

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Weit oben ist das Portillo als kleine Kerbe in der Wand bereits erkennbar.

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Auf über 4’000 m, für die Anden nicht sehr hoch, ohne Strasse jedoch schon.

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Beeindruckend!

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Spass gibt Kraft für den Sturm zum Gipfel – Wir spielen Schneefresser!

Schliesslich, gegen zwei Uhr nachmittags, standen wir unterhalb des ‚Portillo Argentinos‘. Es galt nur noch ein paar letzte, steile Zick-Zack-Kehren und dann eine haarstäubend schmale, exponierte Traverse durch eine steile Bergflanke zu bewältigen. Jetzt bloss keine Fehltritte, sagten wir uns, trugen zuerst das Gepäck die verbleibenden knapp 500m hinauf und kehrten dann ein letztes Mal zu unseren Rädern zurück, um diese, von starken Windböen begleitet Schritt für Schritt für Schritt durch den Hang zu führen.

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Bevor wir in die letzte Traverse einbiegen…

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…warten noch fünfzig höhenmeter Zick-Zack!

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Die Ausblicke nach unten schön, der Aufstieg nach oben brutal.

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Daina in der letzten Traverse. Erst mit Gepäck…

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…dann mit Rad.

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Schritt für Schritt für Schritt führen wir unsere Lastesel durch diesen Friedhof der Lasttiere.

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Jetzt bloss nicht abrutschen!

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Falta poco – aber der Weg direkt unter dem Portillo zerfällt mit jedem Meter mehr!

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Letzte, kräfteraubende aber bereits emotionale Meter!

Und dann standen wir im schmalen Felskanal des Portillo Argentino. Siiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii!
Wir hatten es geschafft, hatten, allen Widrigkeiten zum Trotz, durchgehalten und dabei nicht nur zwei Pässe und Heerscharen von fiesen Steinen und hinterlistigen Felsbrocken überwunden, sonder auch unsere Ängste, Sorgen und inneren Feiglinge besiegt!

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‚Portillo Argentino‘, 4’380 m

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Gipfelfoto am Portillo Argentino. Glück, Stolz, Erleichterung und Erschöpfung.

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Endlich alle oben! Ab jetzt mussten Gramali & Pequeño wieder arbeiten und Lasten tragen.

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Das Sammelsurium im Schrein auf der Passhöhe erzählen Geschichten.

Wer aber hinaufsteigt muss auch wieder herunterkommen. Der Abstieg auf der Rückseite des Portillos war zwar für etwa einen Kilometer steil und teils exponiert, doch waren wir nicht mehr zu stoppen und erreichten schliesslich, sechs Tage nachdem wir bei den ‚Termas de Plomo‘ in Chile jede Art von Strasse hinter uns gelassen hatten, wieder eine Strasse. Wir hatten in dieser Zeit 2’500 Höhenmeter und mickrige aber brutale 36 km zurückgelegt – mindestens die Hälfte davon dreifach und 99% zu Fuss.

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Hinter dem Portillo: Die lange herbeigesehnte Strasse und die argentinische Pampa.

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Schotter überall. Freeride-Abstieg vom ‚Portillo Argentino‘.

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Nach sechs Tagen Wildnis endlich Strasse!

Das Abenteuer war vorbei – wenigstens fast. Wie in Trance rasselten wir erschöpft und total ausgelaugt über die Schotterstrasse zu Tal, genossen es einfach fahren zu können und wie immer löste sich die ganze Anspannung unmerklich in Luft auf. Übrig blieb eine riesige Erleichterrung, Stolz…und eine merkwürdige Leere. Nochmals stellten wir, kurz vor Erreichen des argentinischen Grenzpostens unser Zelt auf und verbrachten eine weitere Nacht in den Bergen. Als wir am nächsten Morgen im ersten Dorf Manzano Historico, auf nur noch 1’710 m einrollten, war von unseren Vorräten gerade noch ein einziger Getreideriegel übrig. Sonst nichts mehr, kein Zucker, kein Kaffee, kein Salz.

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Alles hat ein Ende.
Manzano Historico: Bienvenidos a la civilización argentina!

….und hier wieder die Galerie:

Argentiniens Ruta 40 | Hitze, Pisten, Asphalt

1’421 Kilometer

30 Tage, davon 10 Tage nicht im Sattel

4’966 MüM Maximalhöhe

Ups & Downs

Abra del Acay (4’966 MüM) – noch ein Pass
Grido – Eiscreme motiviert
Argentinos – freundliche Menschen
Ruta 40 -brütende Hitze & endlose Geraden
Material – 1 gespaltene, durchgebremste Felgen
die Siesta – ein Land steht still

Route: San Antonio de los Cobres – Abra del Acay (4’966 MüM) – Cachi – Molinos – Angastaco – Cafayate – Cafayate – Santa Maria – Belén – Andolucas – Chilecito – Villa Unión – Huaco – San José de Jáchal – Rodeo – Iglesia – Bella Vista – Tocota – Villa Nueva – Calingasta – Barreal – Uspallata – las Cuevas – Tunel Cristo Redentor – Los Libertadores (Grenze Chile)– Los Andes – Calle Larga – Santiago de Chile (via Autopista 57)

ARGENTINIENS ‚RUTA 40‘

Gerne wären wir auch weiterhin über die Puna geholpert, entschieden uns aber aufgrund der prekären Situation mit unseren (beinahe) durchgebremsten Felgen für die ‚Ruta 40‘ – oder einfach ‚la Cuarenta‘.

Obwohl wir eigentlich einen Bogen um Pässe machen wollten, konnten wir es doch nicht sein lassen. Nach zwei Ruhetagen in San Antonio de los Cobres (3’760 MüM) nahmen wir den ‚Abra del Acay‘, Argentiniens höchsten Pass (offiziell 4’601 MüM, inoffiziell 4’966 MüM), in Angriff und trafen schon wenige Kilometer ausserhalb San Antonios auf die ‚Cuarenta‘, die die nächsten knapp 300 km ungeteert und somit beinahe verkehrsfrei.

erste Meter auf der Ruta 40

Erste Meter auf der Ruta 40, der Aufstieg begann…

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…forderte seine Pausen…

kurvenreicher Weg zum Abra del Acay

…hatte seine Kurven….

letzte Meter, die Luft wird dünner

…und während die Luft dünner und die Wolken dunkler wurden, kamen wir der Passhöhe näher.

Abra de Acay, Argentiniens höchster Pass

…bis es nicht mehr höher ging: Abra del Acay, mit 4’966 MüM Argentiniens höchster Pass

Nach einem Aufstieg über 32 km und 1’200 Höhenmeter wurden wir auf der Passhöhe von einem eiskalten Wind empfangen. Mit einer anfangs sehr steilen, sehr langen und sehr holprigen Abfahrt durch das atemberaubend vielfältige Valle de Calchaquis verloren wir in 169 km über 3’000. Dank unanständig vielen Gegensteigungen kamen wir über diese Distanz aber trotzdem auf fast ebensoviele erfahrene Höhenmeter und durchquerten entsprechend viele Vegetationsstufen. Aus felsig-karg auf der Passhöhe wurde bald felsig-bunt, dann staubig-wildwest und schliesslich sandig-weinbergig. Die wärmeren – sprich heissen – Temperaturen waren nur ein Vorgeschmack auf die nächsten Wochen.

erste holprige Meter in der Abfahrt

Hinter der Passhöhe dann eine andere Welt…

noch hoch über der Baumgrenze

…und immer noch hoch über der Baumgrenze…

Kurve um Kurve um Kurve, dazwischen sind Flüsse zu überqueren

…ging es Kurve um Kurve um Kurve hinab und wir entschieden uns nach einer Stunde, in den Mauern eines verfallenen Hauses Zuflucht zu suchen.

bereits 2'000 m tiefer - langsam wird es grün und heiss

Am nächsten Morgen – bereits 2’000 m tiefer und nachdem wir durch eiskalte Flüsse gewatet waren – wurde es immer grüner und heisser.

spendet uns Schatten

Erste Dörfer mit Kolonial angehauchtem Flair erwarteten uns…

erste Sichtung der berühmten argentinischen Steaks

..und wir konnten die erste Sichtung berühmter argentinischer Steaks verzeichnen.

wildwest al argentino

Wildwest-Atmosphäre

Kampf gegen die Hitze

Und der Kampf gegen die Hitze begann!

Die oft rauen Verhältnisse der ‚Cuarenta‘ und stark schwankenden Temperaturunterschiede setzten unserem ohnehin angeschlagenen Material zu. Robins Hinterradfelge war das erste Opfer und begann sich am zweiten Tag (bei Cachi) in der Mitte zu spalten. So angeschlagen erreichten wir nochmals drei Tage später die Weinregion um Cafayate. Für Wein blieb leider wenig Zeit.

Aufstehen wird mit kühleren Temperaturen belohnt

Aufstehen wurde mit kühleren Temperaturen…

Felsen, Flüsse und die Kordillera

…und guten Aussichten belohnt.

Papageien. Sie fliegen in Schwärmen und machen Radau

Papageien fliegen und lärmen in Schwärmen.

Stunde um Stunde folgt Hügel auf Hügel

Stunde um Stunde folgte Hügel auf Hügel…

...noch eine Felskamm

…Felskamm auf Felskamm…

und noch einer...

…auf Felskamm…

...auf Felskamm.

…auf Felskamm.

Auf der Suche nach passenden Felgen waren wir bereits in Chile von San Pedro mit dem Bus in die 100 Km entfernte Stadt Calama gefahren, bloss um uns relativ unfreundlich sagen zu lassen, dass Felgen dieser Dimensionen (26″ / 32 Loch / V-Brake) hier nicht aufzutreiben wären. Diesmal fuhren wir mit dem Bus in die knapp 200 km entfernte Stadt Salta. fanden wenigstens eine passende Felge und bekamen diese auch ins mitgebrachte Vorderrad eingebaut. Nach unserer Rückkehr nach Cafayate stellten wir aber fest, dass die Felge so schlecht eingespeicht war, dass sie dauernd an der Bremse anstand. Also folgte der erste von vielen Gängen zum freundlichen lokalen Radflicker Elio.

Nach einer geschlagenen Woche verliessen wir Cafayate etwas frustriert mit einem neuen, guten Hinterrad und zwei schnittigen, schlecht passenden Vorderrädern vom Typ ‚Houston 502‘. Aber Houston, we have a Problem! Die Felgen waren instabil und unsere Speichen eigentlich zu lange dafür. So sahen wir von weiteren Umwegen ins raue Gelände (meist) ab und nahmen möglichst schnell die gut 1’300 km nach Santiago de Chile im Angriff.

schönes exemplar einer argentinischen Geraden

Nach Cafayate war die Ruta 40 (hier bei Belén) geteert und die Landschaft weniger spektakulär.

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Die Strasse war oft gerade…

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…stundenlang gerade…

Die 40 war oft gerade, aber selten flach...

…manchmal auch sandig…

...aber selten flach.

…aber selten flach.

Der Weg dorthin war lange und, solange wir der Cuarenta folgten, wenig abwechslungsreich. Eine endlose Gerade löste nach einer Stunde oder drei die nächste ab, auf die irgendwann wieder eine Andere folgte. Gegen 10 Uhr wurde es heiss und mit der Hitze setzte ein Gegenwind ein, der einem spätestens um 13 Uhr bei geöffnetem Mund den Kopf von innen zu rösten drohte. Dies war das Signal, um unter einer der wenigen, schattenspendenden Akazien eine Mittagspause einzulegen, im Anschluss in ein einstündiges Hitzekoma zu fallen und sich anschliessend nochmals ein paar Stunden im Fahrt- und Gegenwind braten zu lassen.

Ruta 40, oft nicht so idyllisch wie ihr Name vermuten lässt

Oft nicht ganz so idyllisch wie ihr, durch Che Guevaras ‚Motorcycle Diaries‘ zu Ruhm gekommener, Name vermuten lässt…

...dafür umso heisser!

…wurde die Ruta 40 Mittags zum Ofen.

...aber ob diese Messung wirklich stimmt?!

…die oft unerträglich drückend war. Aber ob das Thermometer hier nach der Mittagspause nicht etwas übertrieb?

auch andere suchen Schattenplätze

Aber auch abgesehen von Zahlen: Es war heiss!

So fielen wir in einen Rhythmus von durchschnittlich 110 Tageskilometern. Genau richtig, um Nachmittags in einem kleinen Nest anzukommen und bei ‚Grido‘, der weitverbreiteten Eiscremekette unseres Vertrauens, etwas abzukühlen.

Siesta aber Durst? ...manchmal hat man Glück und findet einen geöffneten 'Kiosko'

Siesta aber Durst? …manchmal hat man Glück und findet einen geöffneten ‚Kiosko‘

Grido rettet Leben

Oder sogar eine Filiale von ‚Grido Helados‘. Diese können vielleicht keine Leben retten, sicher aber den Tag.

macht keine Siesta, wie die Kleinstadt Chilecito zu seinen Füssen

Bloss einer machte keine Siesta, während die Kleinstadt Chilecito zu seinen Füssen ruhte.

Auch andere beschützen in kleinen Altaren am Strassenrand den Reisenden. Allen voran 'Gauchito Antonio Gil'

Aber auch andere beschützen in kleinen Altaren am Strassenrand den Reisenden…

...allen voran Argentiniens Robin Hood, 'Gauchito Gil'...

…allen voran Argentiniens Robin Hood, ‚Gauchito Gil’…

...dicht gefolgt vom Schutzheiligen der Reisenden, 'San Expedito', und 'Correa Difunta', einer Sagengestalt, zu deren Ehre Wasserflaschen deponiert werden.

…dicht gefolgt vom Schutzheiligen der Reisenden, ‚San Expedito‘, und ‚Difunta Correa‘, einer Sagengestalt, zu deren Ehre Wasserflaschen für durstige Reisende hinterlassen werden.

Diese Beschützer braucht es auch, denn es lauert Gefahr!

Diese Beschützer braucht es auch…

...denn es lauert Gefahr!

…denn es lauerten Gefahren!

Etwas anderes wäre uns auch nicht übrig geblieben, da in diesem Teil Argentiniens die Siesta sehr ernst genommen wird. Von 13 Uhr bis 18 Uhr (oft aber auch 19 oder 20 Uhr!) geht gar nichts. Alle Geschäfte schliessen (ausser Helado Grido) und es kommt zum Stillstand….aus dem sich manche im Laufe des Abends wieder hochrappeln, um etwa nach Mitternacht auf öffentlichen Campingplätzen zu Grillen, saufen, Fussball zu spielen, oder einfach nur im eigenen Auto zu sitzen und bis morgens um drei in Clublautstärke Musik zu hören. Unsere Dankbarkeit für diese Form der Freiheit hielt sich in Grenzen.

Camping Municipal, Angastaco, wo gerade die Weihnachtsfeier des Gemeindewerkhofs stattfand

Bei San José de Jachal verliessen wir die Ruta 40. Parallel verlaufende Strassen zwischen der Cordilliera und der Pre-Cordillera versprachen Ripio (Schotter) und weniger Verkehr, besonders aber auch kühlere Temperaturen und mehr Abwechslung.

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Endlich Abwechslung…

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…Wasser…

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Wir wurden wiederholt gewarnt, dass dort grausige Aufstiege und Endloses Leiden auf uns warten würden. Die Aufstiege waren meist knapp steiler als Flach, belohnten dafür aber mit kurvigen Strassen und einem abwechslungsreich-bergigen Panorama. So etwas abgelenkt erreichten wir Uspallata und damit die Haupttransitstrecke zwischen Argentinien und Chile.

Sobald wir die Ruta 40 verlassen haben warten Stauseen...

Abseits der Ruta 40 warteten Stauseen…

...weite Täler...

…weite Täler…

...Blick auf die Cordillera...

…dunkle Wolken…

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…Blicke auf die Cordillera…

...und viel 'Ripio' (Schotter) auf uns.

…und viel ‚Ripio‘ (Schotter) auf uns.

Aber weiterhin folgt Gerade...

Aber weiterhin folgte Gerade…

...auf Gerade...

…auf Gerade…

....auf Gerade.

….auf Gerade.

Blumen...

Blumen…

...seltsame Tiere...

…seltsame Tiere…

...blühende Kakteen...

…blühende Kakteen, gross…

...und klein...

…und klein…

...Glücksbringer...

…Glücksbringer…

...und sogar das Croc-Muster unserer Füsse hielten uns bei Laune.

…und sogar das Croc-Muster unserer Füsse hielten uns bei Laune.

Wir sind jedoch nicht immer die einzigen Radfahrer

Und manchmal hatten wir auch Gesellschaft.

Der Verkehr war allerdings weniger stark als erwartet und die Lastwagen meist einigermassen rücksichtsvoll. Besonders aber waren die 90 km etwas über 1’000 Höhenmeter bis zum Tunnel eine Augenweide. Die Strasse schlängelte sich durch ein felsiges Tal, durch sommerlich verlassene Skigebiete und schliesslich vorbei am mächtigen Aconcagua, damit wenig unter 7’000 m der höchste Berg ausserhalb des Himalayas. Aber nicht nur die Schönheit der Natur, sondern vor allem der nachmittags aufkommende Gegenwind trieb uns fast die Tränen in die Augen. Letzterer wurde so stark, dass an fahren nicht mehr zu denken war und wir nur sechs Kilometer vor Erreichen des Tunnelportals bei einer Mine um ‚Windschatten-Asyl‘ ansuchen mussten. Dieses gewährte man uns freundlicherweise und liess uns hinter einem Container unser Zelt aufstellen. Die sechs Kilometer waren am nächsten Morgen im Nu bewältigt – am Vortag hätte dies noch zwei Stunden gedauert. Durch den Tunnel chauffierte uns wegen, mangelndem Seitenstreifen, ein Lieferwagen der Strassenbehörde.

sanfter Aufstieg in die Cordillera

Der Anstieg begann früh und sanft…

vorbei an Skiliften

…doch bereits um 11 Uhr schwankten die Sessel dieses Skilifts im starken Wind.

und dem mächtigen Aconcagua

Vorbei am mächtigen Aconcagua (6’962m)…

oft parallel zur ehemaligen Eisenbahnlinie über den Paso Bermejo

…oft parallel zur ehemaligen Eisenbahnlinie über den Paso Bermejo…

...erreichten wir den 'Tunel del Cristo Redentor'...

…erreichten wir den ‚Tunel del Cristo Redentor’…

...damit Chile...

…damit Chile…

...und passierten elegant die Lange Warteschlange vor dem Zoll.

…und passierten elegant die Lange Warteschlange vor dem Zoll.

Bei der Einreise nach Chile wurde unser Gepäck auf der Suche nach Fleisch, Früchten, Gemüse oder Kokain weder durchsucht, noch geröngt. Dafür fand ein Spürhund gefallen an Robins Vorderreifen…auf welchem noch der Morgenurin einer seiner Artgenossen trocknete. Problemlos liess man uns aber einreisen. Die 40 km lange Abfahrt nach Los Andes, der nächsten grösseren Stadt, versuchte uns ein zügiger Gegenwind zu vermiesen, was ihm aber nicht gelang.

In endlosen Kurven schlängelten wir uns talwärts...

In endlosen Kurven schlängelten wir uns talwärts…

...während sich andere noch aufwärts kämpften.

…während sich andere noch aufwärts kämpften.

Nach einer Nacht in einem Stundenhotel in Calle Larga (wir entschieden uns für den 12-Stunden Tarif), trennten uns noch … Kilometer von Santiago. Diese hatten es aber in sich, da sie aus Mangel an Alternativen, auf der Autobahn gefahren werden mussten. Nicht unsere erste Fahrt auf Autobahnen, aber trotzdem nicht angenehm. Als nach zehn Kilometern in einem kurvenreichen Aufstieg der Seitenstreifen immer schmaler wurde und schliesslich verschwand, wurde aus unangenehm sehr unangenehm. Der Berufsverkehr donnerte zweispurig an uns vorbei und uns wurde Angst und Bange. Deshalb beschlossen wir wenige Kilometer später, lieber gegen unsere Prinzipien zu verstossen und einen Bus zu nehmen, als stur zu bleiben und dann mit der Ambulanz zu reisen. Dies erwies sich jedoch als alles andere als einfach. In den drei Stunden Wartezeit an einer Bushaltestelle hielt ein Bus nach dem anderen – mitnehmen wollte uns jedoch keiner. Schliesslich beschlossen wir, der Autobahn noch eine Chance zu geben. Zum Glück, denn ab sofort fuhren wir auf einem breitem Pannenstreifen, wurden nochmals durch einen Tunnel chauffiert und der Verkehr war nun merklich schwächer. Auf unseren persönlichen Radstreifen, vorbei an unzähligen Radverbotsschildern, erreichten wir so bequem Chiles Hauptstadt Santiago.

Gratistransport durch einen Autobahntunnel durch die 'Vialidad' - trotz Radverbotsschildern

Gratistransport durch einen Autobahntunnel durch die ‚Vialidad‘ – trotz Radverbotsschildern

Und zum Schluss die GALERIE:

Chile & Argentinien | ‚Paso Sico‘

349 Kilometer, davon 100 km asphaltiert

5 Tage

4’244 Höhenmeter

4’458 MüM Maximalhöhe

Highlights:
die Puna, farbig und weit
Vulkane und Salare
fantastische Campspots
wenige Autos

Route: San Pedro de Atacama – Toconao – Socaire – Salar de Aguas Calientes – Abra El Laco (4’478 MüM) – Abra Sico (4’458 MüM) – Paso Sico (Grenze Argentinien) – Catua – Abra de Arizaro (4’330 MüM) – Salar de Cauchari – Olacapato – Alto Chorillos (4’555 MüM) – San Antonio de los Cobres

PASO SICO – VON CHILE NACH ARGENTINIEN

Trotz leichtem Kulturschock und Unmengen von anderen Touristen genossen wir San Pedro de Atacama, die kleine Aussteiger-Oase inmitten der Atacama-Wüste. Wir hatten wie immer einiges zu tun, ignorierten die angebotenen Tours zu Lagunen und Wüsten und campierten ganze zehn Tage im Schatten hinter dem Hotel ‚El Anexo‘. Zugleich Hotel, Wohngemeinschaft und Treffpunkt war das Anexo mit einem schattigen Garten der perfekte Ort, um sich den Sand aus den Ohren und Zelt zu putzen, die Dauerübermüdung auszuschlafen und unser Material instand zu halten.

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El Anexo, San Pedro de Atacama

Für die Weiterfahrt hatten wir uns gegen hunderte schnurgerader, asphaltierter Wüstenkilometer durch Chile und für die Überquerung der Anden nach Argentinien entschieden. Auch hier standen zwei Optionen zur Auswahl: Der als Hauptverbindungsachse zwischen Nordargentinien und Chile mittlerweile asphaltierte ‚Paso Jama‘ oder der, etwas weiter südlich gelegene, weitgehend nicht asphaltierte und entsprechend wenig befahrene ‚Paso Sico‘ – wobei das Wort ‚Paso‘ nicht für einen Pass, sondern für einen Grenzübergang steht. Die Aussicht der Puna (eine von weiten Ebenen zwischen 4’000 und 4’600 MüM geprägte Hochebene) auf einsamem ‚Ripio‘ (Schotterstrassen) zu überqueren, gab den Ausschlag und ‚Paso Sico‘ bekam den Zuschlag.

So verliessen wir San Pedro de Atacama (2’440 MüM) nach zehntägiger Radabstinenz mehr oder weniger ausgeruht, ohne dringend benötigte neue Felgen, dafür aber mit Nahrungsmittelvorräten für sechs Tage.

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Aufbruch, San Pedro de Atacama

Nach 80 asphaltierten brütend heissen Kilometern am Rande der Atacama begann die Strasse zu steigen, war aber für weitere 20 Kilometer geteert. Dies und eine sich ständig verändernde Landschaft und Felsformationen machten uns den Aufstieg leicht. Im 20-Häuser-Dorf Socaire (Km 88) bot sich 122 Kilometer vor der Grenze die letzte Möglichkeit einzukaufen und wir füllten nochmals unsere Wasservorräte auf. Das Wissen, spätestens nach 100 Kilometern wieder Wasser finden zu können erlaubte es uns, unsere Wasserfüllkapazität von je 13 Litern mit je ~8 Litern nicht voll auszuschöpfen und dadurch Gewicht – wie wir in der Schule gelernt haben bei 5 Litern immerhin 5 Kilo pro Kopf – einzusparen.

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Auf Asphalt rollen wir hoch in die Puna…

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…noch rollt es leicht.

Zwölf Kilometer später machte die glatte Strasse einer Schotterstrasse platz, die aber weiterhin anstieg. Abenteuerwind wehte uns um die Ohren und wir genossen den Aufstieg zwischen die farbigen Vulkane. Nach erreichen der ersten Passhöhe knapp über 4’100 MüM wurde aus dem Abenteuerwind bissiger Gegenwind. Ein alter Bekannter, der sich über die kommenden vier Tage immer wieder mit dem wesentlich freundlicheren Amigo Rückenwind abwechselte.

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Nach 100 km knisterte es wieder unter den Reifen

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Wir genossen die frische Bergluft und das grandiose Panorama

Wir kamen zurück in den alten Rhythmus der Wildnis. Ab 16 Uhr hielten wir jeweils Ausschau nach einem geeigneten, windgeschützten Campspot, kochten und krochen möglichst mit den letzten Sonnenstrahlen des Tages ins Zelt. 19 Uhr. Dann kam die Kälte! Kaum war die Sonne weg wurde es mit jeder Minute kälter. „Eisfachkälte“ verwandelte Wasserflaschen ausserhalb des Zeltes in Eisflaschen und uns in eingepackte Schlafsackmumien. Erst die ersten wärmenden Strahlen der Sonne konnten uns dann morgens um sechs aus unserer warmen Höhle locken. Frühstück aus Müesli und Kaffee bereitete uns auf den Tag vor, Camp einpacken folgte und ein weiterer Tag in den endlosen Weiten der Puna nahm seinen Anfang.

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Die Suche nach einem Zeltplatz beginnt jeweils gegen 16 Uhr. Hier fanden wir Logenplätze in einem Felsband.

Die Puna enttäuschte uns nicht: Vulkane trohnten in der Ferne, Salare glitzerten für uns, die Hocheben blühte und Felsformationen schienen vom Himmel gefallen zu sein – was sie wohl auch waren.

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Die Wüste täuscht: was aussieht wie ein Teppich sind Grasbüschel im Abstand von 1 Meter

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Der ‚Salar de Aguas Calientes’…

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…lockte auch scheue Vicuñas an…

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…die Puna überraschte uns mit ihrer Farbenpracht…

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…und im salzigen Lago Tuyaito (4’050 MüM) spiegelten sich die Berge

All dies war jedoch nicht umsonst zu haben. Gutes Ripio wechselte sich mit tiefem Schotter ab, sandigen Pisten wurden zu noch sandigeren Flussbetten (glücklicherweise ohne Wasser), Wellblechpisten schüttelten uns durch und die Hochebene war eine Hürdenlauf kleiner Pässe. Mindestens jeden Tag einen.

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Noch lange glitzerte der Lago Tuyaito hinter uns…

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…immer neue Berge erhoben sich in der Ferne

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Nach einem stundenlangen Aufstieg…

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..erreichten wir den SAG Kontrollposten, den letzten Posten der Carabineros de Chile. Wir wurden registriert und mit Wasser versorgt.

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21 Km und einen Pass später (Abra Sico, 4’458 MüM) den Grenzübergang (Paso Sico). Ausser Tafeln gab es dort jedoch nichts. Die Zollformalitäten wurden nochmals 12 Km später am argentinischen Grenzposten erledigt. Dort liess man uns in einem Zimmer campieren und die Gästeküche (!!) benutzen.

Langeweile kam also keine auf. Wir kamen trotz allem überraschend gut voran, blieben selten stecken und erreichten das verschlafene, etwas heruntergekommene Bergbaustädtchen San Antonio de los Cobres im Nordosten Argentiniens bereits im Laufe des fünften Tages – bei strömendem Regen rollendem Donner.

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Catua, das erste Dorf in Argentinien. Wir wurden scheu bestaunt und konnten im Dorfladen gegen eine Handvoll Dollar einige Brote ergattern.

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Endlich Brot – Daina war überglücklich!

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Von San Antonio de los Cobres trennten uns jetzt immer noch 100 hüglige…

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…teils sandige Kilometer…

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…und zwei kleine Pässe.

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Diese ungewöhnlichen Herrschaften Weisen uns den Weg…

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Auf der Passhöhe des ‚Alto Chorillos‘ (4’555MüM), stand uns dann eine 26 km lange Abfahrt nach San Antonio de los Cobres bevor

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Wo diese (hier noch zahmen) Wolken eine Stunde später mit Blitz und Donner unsere Ankunft untermalten.

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San Antonio de los Cobres, erreichten wir nach 5 Tagen – schneller als erwartet.

….und zum Schluss wie immer die GALERIE mit diesen und weiteren Bildern.

Boliviens Lagunenroute | Wüsten, Lagunen & Flamingos

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620 Kilometer, davon 40 asphaltiert

14 Tage, davon 1 radfrei

5’760 MüM Maximalhöhe

Nahrung:
Frühstück Avena (Haferbrei)
Mittagessen: Chinesensuppen, Polenta, Kartoffelstock
Abendessen: Pasta mit Fertigsuppe als Sauce
Zwischendurch: Schokolade (Sublime!), Kekse, Cocatee

Highlights:
Sand, Sand, Sand: auf den Spuren der Dakar
surreale Wüsten
farbige Lagunen
mächtige Vulkane
fantastische Campspots
Vulkan Uturuncu: mit dem Rad auf 5’760 MüM

Route: Uyuni – Rio Grande (entlang Bahnlinie) – Julaca – San Juán de Rosario – Salar de Chiguana – Avaroa – Laguna Hedionda – Desierto Siloli & Arbol de Piedra – Laguna Colorada – Quetena Chico (Abkürzung entlang Nordufer Laguna Colorada, 12 km, sehr sandig, großteils nicht fahrbar) – Volcán Uturuncu (5’760 MüM) – Quetena Chico – Quetena Grande – Laguna Hedionda (süd) – Laguna Kollpa – Salar de Chalviri – Polques (Aguas Calientes) – Desierto Salvador Dalí – Laguna Verde – Laguna Blanca – Hito Cajon (Grenze Chile) – San Pedro de Atacama

BOLIVIENS WÜSTEN & LAGUNEN

Unsere Tage in Uyuni verbrachten wir damit, auszuspannen, unser Material wieder auf Vordermann zu bringen und die weitere Route zu planen. Nach der Überquerung der beiden Salare waren unsere Räder von Salz verkrustet und bedurften dringend einer gründlichen
Wäsche und einer allgemeinen Wartung. Diese hatten sie sich verdient! Ohne mit der Wimper zu zucken verflog eine Woche und wir waren bereit für die nächste Etappe.

Die ‚Lagunenroute‘ (offiziell ‚Ruta de las Joyas altoandinas‘ genannt) führt von Uyuni in Bolivien nach San Pedro de Atacama in Chile. Sie durchquert dabei den äussersten Südwesten Boliviens durch Wüstengebiete, gilt als hart, unberechenbar, sehr abgelegen und ist ein Klassiker unter Tourenfahrern. Genau nach unserem Geschmack.

Auf Grund der schlechten Versorgungslage unterwegs empfahl es sich, für mindestens sechs Tage Proviant mitzuführen. Wasser sollte mindestens alle zwei Tage auffindbar sein. Nach einer ausgiebigen Einkaufstour durch Uyunis Märkte und Lebensmittelgeschäfte waren unsere je zwei verbliebenen Satteltaschen zum Bersten gefüllt. Dazu gesellten sich noch je fünfeinhalb Liter Wasser in PET-Flaschen und Wassersäcken und wir waren bereit für ein neues Abenteuer.

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Proviant für sechs Tage

Mit – für unsere Verhältnisse – bleischwer bepackten Rädern verliessen wir an einem Samstagmorgen Uyuni entlang der Bahnlinie nach Chile. Erst über 600 Kilometer später, bereits in Chile, würden wir wieder Asphalt unter die Reifen bekommen.

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Bahnlinie, unser Weg aus Uyuni

Mal links und mal rechts davon auf Motorradspuren im Sand ‚fahrend‘, nahmen wir so auf den ersten 70 Kilometern den direktest möglichen Weg durch die Wüste. Doch wie so oft ist der kürzeste nicht zwingend der einfachste Weg: Die Spuren waren weich, oft alles andere als fahrbar und verliefen sich immer wieder im Sand. Zudem lernten wir bereits am ersten Tag einen unserer stärksten und unberechenbarsten Gegner der kommenden zwei Wochen kennen: Der Wind. Unbarmherzig machte er uns das Leben schwer und blies uns den ganzen Nachmittag frontal ins Gesicht. Oft so stark, dass wir stossend (5 km/h) schneller vorwärts kamen als fahrend und unser Tagesziel, das Dorf Rio Grande, erst im Dunkeln erreichten. Das einzige auffindbare Hotel war voll, man liess uns aber im Hof campieren.

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am Rande des Salar

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selbst spurt der Mann

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Einziger Weg über den Fluss

Weiter westwärts fahrend wehte uns am nächsten Morgen bereits nach kurzer Zeit wieder ein frisches Lüftchen ins Gesicht, das sich im Laufe des Tages zu einem ausgewachsenen Plagegeist- und Spielverderberwind entwickelte. In den kommenden zwei Wochen versuchte er immer wieder unser Vorwärtskommen und vor allem unsere Moral zu drücken. Dabei wurde er nachmittags oft so stark, dass an ein Zelten ohne irgend eine Art von Windschutz nicht zu denken war.

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Julaca, wie im wilden Westen

Am Morgen des dritten Tages, immer noch westwärts haltend, verpassten wir im Temporausch auf dem topfebenen ‚Salar de Chiguana‘ nach San Juan de Rosario (letzte Möglichkeit einzukaufen) prompt die Abzweigung und damit auch die einzige Wasserquelle für die nächsten zwei Tage. Dies zwang uns zu einem Umweg von 30km, weiter westwärts nach Avaroa, an die chilenische Grenze.

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Salar de Chiguana

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Güterzug unterwegs nach Chile (bei Avaroa)ö

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Grenzbahnhof und Wasserquelle

Dort, nun mit Wasser eingedeckt, schlugen wir endlich den Weg nach Süden ein und fanden vor Sonnenuntergang einen versteckten, aber fantastisch gelegenen Campspot. Einzig der Fund einer, einem frisch ausgehobenen Grab zum Verwechseln ähnelnden, Grube mit Reifenspuren, keine fünfzehn Meter hinter unserem Zelt, dämpfte etwas den Wohlfühlfaktor.

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Campspot mit Blick über den Salar de Chiguana

Die nächsten drei Tage schlängelten wir uns durch ein wahres Natur-Disneyland von wechselnden Wüstenlandschaften – mit all den dazugehörigen Herausforderungen. So keuchten wir gerade noch über holprige, felsige Pfade oder kämpften uns über rollende Hügel, steckten im nächsten Augenblick in einem endlosen Meer aus Kies fest, wühlten durch feinste Sandwüsten – und standen unvermittelt vor farbig spiegelnden Lagunen im Schatten mächtiger Vulkane.

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Laguna Chiar Khota

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auf geht’s, in die Wüste

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Flamenco

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Laguna Hedionda

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Campspot im Sand

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Felsformationen am Rande der Wüste Siloli

Leider liessen uns die schwierigen Pistenverhältnisse oft nur wenig Zeit, unsere Umgebung zu bewundern. Sandige Reifenspuren in allen nur erdenklichen Variationen versuchten uns gemeinsam, und scheinbar in Absprache, mit Hirnzermarternden Wellblechpisten aus dem Sattel zu zwingen – was ihnen glücklicherweise nur selten gelang.

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im kleinsten Gang

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die Wüste ändert sich stetig, bleibt aber sandig

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an der Grenze zu fahrbar

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Spurensuche, welche könnte fahrbar sein?

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die Wüste mit dabei

Das Wetter, obwohl uns meist freundlich gesonnen, tat das Seine dazu. Am vierten Morgen tobten sich Gewitterwolken zwischen den nahen Vulkanen so mächtig aus, dass es uns im Sattel etwas ungemütlich wurde und wir zwischen den Felsbrocken einer nahen Bergflanke Schutz suchten. Keine Minute zu früh! Kaum hatten wir unsere Pelerine als notdürftiges Dach zwischen die Felsen gespannt, prasselte eine Hagelfront auf uns herunter. Während über uns aus Hagelkörnern langsam Schneeflocken wurden, nutzten wir die halbe Stunde, um uns im Trockenen ein Sandwich-Mittagessen zu gönnen.

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Blitz, Donner, Hagel

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Pelerine & Felsen schützen vor Gewitter und Hagel…

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…und darunter wird gefuttert!

Diese Art von Wetterumschwung war nicht die Regel, doch blieben auch weitere Überraschungen nicht aus. Meist dann, wenn wir beim Mittagessen sassen. So wurden wir etwa, zwischen Sanddünen Spaghetti kochend, mit Schneeflocken eingedeckt. Ein andermal verspürte eine sandbeladene Windhose genau in dem Moment den Drang über uns hinwegzufegen (hinterhältig von hinten!), als wir uns die ersten Löffel Polenta in die Backen schieben wollten. Über die sandige Garnitur freuten wir uns mässig.

Mässig freuten wir uns auch über die regelmässig, mal nahe, mal am Horizont vorbeibrausenden Geländewagen voller Touristengruppen und können nun nachvollziehen, wie sich Löwen in der Serengeti fühlen müssen: Regelmässig wurden wir aus offenen Fenstern fotografiert und bestaunt. Richtig peinlich – aber nicht schlecht fürs Ego – wurde es aber, wenn sich neben uns die Fenster eines Jeeps senkten und wir, staubig und verschwitzt, von Gruppen von Touristen beklatscht wurden. Deren Fahrer versorgten uns ‚arme Radfahrer‘ mit Menüs von übriggebliebenem: Reis, Quinua, Kartoffeln, Kartoffelstock, Pouletbrüstchen, Lamaspiesschen und Gemüse. das Wahre Festessen, völlig unerwartet und deshalb umso besser!

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Laguna Colorada – macht ihrem Namen alle Ehre

Als wir am fünften Tag nach unserer Abfahrt aus Uyuni die Laguna Colorada, und damit die Mitte der klassischen Lagunenroute erreichten, verabschiedeten wir uns auch schon wieder von dieser. Wenigstens für ein paar hundert Kilometer. Wir wollten nämlich zum gut 70 Kilometer östlich gelegenen Vulkan Uturuncu. Zwischen die beiden Gipfel dieses 6’008m hohen Riesen führt eine alte Bergbaustrasse, was die seltene Möglichkeit bietet, mit dem Rad auf eine Höhe von sage und schreibe 5’760 MüM hinauf zu fahren. Konnten wir da nein sagen? Nein! So suchten und fanden wir eine Abkürzung(!) entlang des Nordufers der Lagune (laut Wirt des Refugios und Parkwächtern fahrbar und schneller) und verbrachten im Anschluss einen halben Tag und 12 Kilometer damit, unsere Räder durch tiefen Sand zu stossen und zerren – hier war schon seit Monaten keiner mehr gefahren.

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Laguna Colorada – Flamingoparadies

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Laguna Colorada – Lamaparadies

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Laguna Colorada

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Laguna Colorada – Vogelparadies

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manchmal ist stossen die einzige Lösung, Nordufer Laguna Colorada

Im kleinen, offensichtlich hauptsächlich von Lamas bewohnten Ort Quetena Chico (4’150 MüM), dreissig Radkilometer vom ‚Uturuncu‘ entfernt, verbrachten wir eine Nacht in einer einfache Herberge (‚Hostal Quetena‘, nächtliches Lama-Gejammer inklusive) und machten uns am nächsten Tag nach dem Mittagessen bestens vorbereitet in Richtung des Riesen auf. Mit dabei unser Zelt, unsere Schlafsäcke und -Matten, sechs Liter Wasser, einigen Frühstücksbrote, ‚Framebags‘ voller Schokolade und Kekse, sowie eine ‚Spaghettibombe‘ (vorgekochte Spaghetti in Sauce in einem Plastiksack: So konnten wir den Kocher weglassen).

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von der Laguna Colorada nach Quetena Chico: Uturuncu, wir kommen!

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Bevölkerungsmehrheit in Quetena Chico

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Herz mit Vizcachakot-Füllung

Wir hatten vor, am ersten Nachmittag gemütlich die Hälfte der Strecke bis an den Fusse des Vulkans zu fahren, dort zu campieren – hier kam die ‚Spaghettibombe‘ als Abendessen ins Spiel – und dann am nächsten Morgen früh, ohne Gepäck die restlichen 15 Kilometer und vor allem 1’300 Höhenmeter des Aufstiegs in Abgriff zu nehmen. Unser Plan ging auf. Wir fanden einen perfekten, windgeschützten Campspot bei Kilometer 15, auf einer Höhe von 4466 MüM, genau dort, wo wir ihn erhofft hatten. Am nächsten Morgen versteckten wir unsere Campingausrüstung unter Felsbrocken und waren bereits um sieben Uhr im Sattel, leicht und bereit für den Aufstieg.

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Campen vor dem grossen Aufstieg

Der Weg nach oben war nicht nur lang, sondern auch sehr schlecht. Teils sandig, meist aber mit grossen und kleinen Steinbrocken gepflastert war es ein mühsames Vorwärtskommen. Dessen nicht genug. Je höher wir stiegen, umso steiler wurde die ‚Strasse‘, umso häufiger kamen wir ins Rutschen und umso öfter wurden wir aus den Sätteln gezwungen. Die Höhe trug, nicht ganz überraschend, ihren Teil dazu bei und machte uns das Leben, beziehungsweise Vorankommen schwer. Auch sie konnte uns aber schliesslich nicht vom Erreichen unseres Ziels, dem Ende der Strasse und damit der Höhe von 5’760 MüM, abhalten. Dieses erreichten wir nach fünfeinhalb Stunden, ziemlich geschafft, inmitten von Schwefelwolken – nicht unsere eigenen wohlgemerkt.

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Uturuncu

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sandig, staubig, schwefelig

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5’600 MüM – die Luft wird dünner, die Pausen länger

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letzte steile, strenge Meter

Wie immer waren bald alle Anstrengung vergessen und wir waren vor allem erleichtert, dass Daina, anders als am gut 1000 Höhenmeter tieferen Salkantay Pass in Peru, keine schwerwiegenden Probleme mit der Höhe hatte: Sie konnte sprechen, lachen und antworten. Alles wunderbar und vier Stunden später, von 30 Kilometer holprigster Abfahrt gut durchgeschüttelt und nachdem wir unterwegs unsere versteckten Sachen wieder eingesammelt hatten, standen wir pünktlich zum Abendessen wieder in Quetena Chico und beschlossen: Am zehnten Tage sollst du ruhen – was wir auch taten.

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über dem Altiplano

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fünftausendsiebenhundertsechziger Erschöpfung

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zwischen den Gipfel des Uturuncu, 5’760 MüM

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Uturuncu, Goal!

Noch trennten uns aber etwa 170 Kilometer, endlose Wellblechpisten, zwei kleine Pässe und viel Sand von San Pedro de Atacama und auch der Wind, das fiese Kind, spielte uns einige Male übel mit. Dies machten die wechselnden Landschaften, scheinbar in flammen stehenden Sandberge, schillernden Lagunen und heissen Quellen unterwegs aber wieder wett. Und wiederum fanden wir sensationelle, mehr oder weniger windgeschützte Plätze für unser Zelt. Wenn manchmal auch erst nach stundenlangem, suchendem weiterkämpfen, kurz vor Sonnenuntergang.

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wer mit Crocs fährt, muss keine Schuhe ausziehen

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auch kurze Aufstiege erschöpfen!

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lange gesucht (vor Salar de Chalviri)

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Desierto Dalí

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Paso del Condor

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vor dem ‚paso del condor‘

So auch an unserem letzten Tag in Bolivien. Wieder einmal fanden wir einen perfekten Campspot, wieder einmal aber bereits um zwei Uhr Nachmittags. Viel zu früh, fanden wir und erhofften uns noch ein paar Kilometer hinter uns bringen zu können. Was folgte war abzusehen: Bis kurz vor Sonnenuntergang suchten und fanden wir keine windgeschützten Möglichkeiten mehr, wurden immer müder und frustrierter und mussten doch weitersuchen. Schliesslich campierten wir, keinen Kilometer von der Bolivianischen Grenze entfernt, hinter zwei riesigen Felsbrocken im Sand. Doch noch ein fantastisches, windgeschütztes Nachtlager.

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Campspot Suche

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vulkanischer Campspot mit Blick auf Vulkan Licancabur

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frühmorgens im Camp

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perfekt!

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‚Migracion Bolivia‘ – unkomplizierte Ausreise

Der Weg an die Grenze war am nächsten Morgen entsprechend kurz, die Zollformalitäten entspannt und dann war es soweit. Sieben Kilometer hinter der Grenze erreichten wir (auf 4’660 MüM) nach zwei Wochen bolivianischem Sand und Kies, chilenischen Asphalt – und waren traurig, dass der Spass schon vorüber war. Jetzt trennten uns nur noch 40 Kilometer vom, über zweitausend Meter tiefer in der Atacamawüste gelegenen, Touristenstädtchen San Pedro de Atacama. Dort waren die Zöllner erst nach einer halbstündigen Wartezeit auffindbar und es beherrschten plötzlich Strandmode und Sommerkleider das Strassenbild. Letztere ein Kulturschock pur. ‚Bienvenido a Chile‘!

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Chile? Argentinien? …Chile

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Abfahrt nach San Pedro de Atacama (Chile) – auf Asphalt!

….und zum Schluss wie immer die GALERIE mit diesen und weiteren Bildern.

Boliviens Altiplano | Höhe, Lamas & Salare

809 Kilometer, davon 130 asphaltiert

36 Tage, davon 23 „radfrei“ (wovon 21 in La Paz)

Durchschnittshöhe geschätzt 4’000 MüM

Maximalhöhe 4’740 MüM

Highlights:
ohne Wasser in der Wüste
ein Abstecher nach Chile
Hagel, Blitz & Schneegestöber im Niemandsland
nackt auf dem Salar

Kulissen:
farbige Cañons & bizzarre Steinwüsten
rauchende Vulkane & weisse Salare (Salzseen)
kleine Dörfchen & wenige Menschen
…und dazwischen die endlosen Weiten des Altiplano

Statisten:
tausende wollige Lamas und Alpacas
hunderte scheue Vicuñas (wild & dem Lama ähnlich)
dutzende Flamingos
einige Suri (wild & dem Vogelstrauss ähnlich)

Salat de Uyuni

Route:

Bolivien: La Paz – Viacha – Corocoro – Pando – Caquingora – Playa Verde – Salar Tarquiamaya – Laguna Blanca – Limacota – Malcuchusi – Okururo – Sajama – Tambo Quemado (Grenze Chile)
Chile: Chungará – Chirigualla (Aguas Calientes) – Guallatire – Chilcaya – Salar de Surire (östlich um den Salar zu Aguas Calientes de Polloquere) – Enquelga – Isluga – Colchane (Grenze Bolivien)
Bolivien: Pisiga – Salar de Coipasa – Hizo – Llica – Salar de Uyuni (verkehrsfreie Route, nördlich der ‚Isla Incahuasi‘) – Colchani – Uyuni

Der Ankunft in Boliviens Hauptstadt ‚La Paz‘ geht eine zwölf Kilometer lange Abfahrt auf der ‚Autopista‘ genannten Autobahn (Radfahren verboten) ins Stadtzentrum voraus, garniert mit atemberaubenden Ausblicken über den Talkessel. Unten wartet eine eigenartige, aber sehr angenehme Mischung aus südamerikanischer und westlicher Stadt: Hektik, Lärm und Komfort liegen hier nahe und auf spannende Weise ineinander verschlungen beieinander.

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La Paz vor eisiger Kulisse

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neue Seilbahn verbindet La Paz mit El Alto

Schon im Voraus hatten wir uns einen Platz im zentral gelegenen ‚Casa de Ciclistas‘ gesichert. Cristian, ein bolivianischer Mountainbike-Enthusiasten, Warmshower-Host und Idealist, stellt Radreisenden aus aller Welt gegen einen geringen Unkostenbeitrag eine gemeinsame Wohnung zur Verfügung. Dort lässt sich’s gut wohnen, kochen, Räder reparieren, Geschichten austauschen, jeweils Dienstags gemeinsam putzen (!) und in der Regel auf der eigenen Campingmatte im Obergeschoss übernachten. Manche, wir, haben Glück und können das einzige Einzelzimmer ergattern. Ha! Hier fanden wir ein Zuhause, fühlten uns inmitten immer wieder wechselnder Gesellschaft von Radreisenden jeden Schlages mal mehr und mal weniger wohl und machten viele spannende Bekanntschaften.

Die radfreie Zeit verging wie im Flug und wie immer kamen wir gar nicht dazu, nichts zu tun. Dainas Felge musste ersetzt werden, unsere Räder wollten unsere pflegende Aufmerksamkeit, die Super-, Gemüse- und Früchtemärkte forderten tägliche Besuche und auch sonst wollte die Stadt erkundet werden. Dank Nick und Sämi machten wir die Bekanntschaft von Pedro Brunhart. Der engagierte liechtensteiner Wahlbolivianer lebt mit seiner Frau schon seit über 25 Jahren in La Paz und betreibt ein vegetarisches Restaurant, wofür er über die Jahre etwas ausserhalb von La Paz eine Finca aufgebaut hat. Pedros Mitarbeiter Telmo führte uns dann auch einen ganzen Morgen durch die beeindruckende Anlage, auf der verschiedene biologische Methoden zur Anwendung kommen und hängte im Anschluss gleich noch einen Überraschungsbesuch in der Klasse seiner Frau an.

mit Telmo im Gewächshaus

mit Telmo im Gewächshaus

Immer so brav?

auf Schulbesuch

Nach zwei Wochen Frieden in La Paz waren wir bereit weiterzuziehen…. hätte sich nicht überraschend die Möglichkeit ergeben, individuell an unsere Räder angepasste ‚Framebags‘ (Rahmentaschen) schneidern zu lassen. Diese überraschende Chance konnten wir uns nicht entgehen lassen – und blieben eine Woche länger. Deutlich agiler, mit neuen ‚Framebags‘, weniger Gepäck (Adios, vordere Packtaschen!) und modifizierten Rädern (die Wasserflaschen fahren jetzt links und rechts an der Gabel mit), machten wir uns nach drei Wochen Stadtleben an den 500-Höhenmeter-Anstieg, hinauf in La Paz‘ Schwesterstadt ‚El Alto‘. Zurück aufs Altiplano, 4’100MüM.

raus aus La Paz

raus aus La Paz

Freunde unter sich

Freunde unter sich

Einsichten ins Strassengewirr - Aufstieg aus La Paz

Aufstieg aus La Paz

Als nächstes Ziel hatten wir uns Sajama, ein südwestlich von La Paz an der chilenischen Grenze gelegenes Dorf, am Fusse des gleichnamigen Vulkans, ausgesucht. Aus der Enge der Stadt in die Weiten des Altiplano. Wir hatten uns vorgenommen einen möglichst direkten Weg dorthin zu nehmen – und taten dies auch. Erschwert wurde dieses Unterfangen dadurch, dass diese Gegend auf den Landkarten relativ „leer“ erscheint. Telmo hatte uns schon einige Tips gegeben, doch fanden wir unseren Weg, hauptsächlich auf Aussagen von Dorfbewohnern gestützt, vorne zu selbst. Dass die wenigen angetroffenen Verkehrsteilnehmer in dieser Gegend vorwiegend per Fahrrad unterwegs waren (zum Feld und zurück), erwies sich bezüglich Verlässlichkeit der Angaben als Glücksfall. So fuhren wir fünf Tage lang immer wieder ins Ungewisse, folgten vagen (oft in den Sand gezeichneten) Beschreibungen und mussten bei (nicht erwähnten) Verzweigungen die rchtige Wahl erahnen. Einzig der, sich in der Ferne erhebende, schneebedeckte Kegel des 6’542 m hohen ‚Sajama‘ gab uns die generelle Richtung an und wies uns den Weg über das, uns mit einer unglaublichen Vielfalt von atemberaubenden Landschaften überraschende, bolivianische Altiplano.

wollige Familie

wollige Familie

railway to nowhere

Railway to Nowhere

die ganze Stadt tanzt (Viacha)

die ganze Stadt tanzt (Viacha)

in den Strassen von Corocoro

in den leeren Strassen von Corocoro

Regen- & Gewitterwolken - nur noch eine Frage der Zeit

Regen- & Gewitterwolken – eine Frage der Zeit

Daina camouflage

Daina camouflage

unerwarteter Cañon

unerwarteter aber umso schöner, Cañon bei Playa Verde

salzige Böden bei Tarquiamaya

salzige Böden bei Tarquiamaya

Salzgewinnung, Salar de Tarquiamaya

Salzgewinnung, Salar de Tarquiamaya

Lamas

Antennen aufgestellt – Lamas

plötzlich sandig (bei Limacota)

plötzlich sandig (bei Limacota)

weit & sandig

endlos weit!

weist uns die Richtung - Vulkan Sajama

weist uns die Richtung – Vulkan Sajama

...und wieder Sajama

Boliviens höchster Berg …Sajama

Sajama (links) und Vulkanische Freunde

…nochmals Sajama (links)

mighty Sajama & wohnen im 'Star Wars' Style

wohnen im ‚Star Wars‘ Style, Sajama

Kirche in Sajama

Kirche in Sajama

Hä?!

Hä?!

Als nächstes wollten wir dem nahegelegenen Chile einen Besuch abstatten. Mit prall gefüllten Satteltaschen – wir hatten uns im staubigen, verschlafenen Dorf Sajama mit Nahrungsmitteln für eine Woche eingedeckt – verliessen wir den Grenzort Tambo Quemado. Der kleine Pass im Niemandsland zwischen den beiden Ländern war weder hoch noch steil, hielt aber jede Menge Spannung für uns bereit. Diese entlud sich, kaum waren wir hoch und exponiert genug, in Form eines mächtigen Gewittersturms. Von krachendem Donner gejagte Blitze und dichter Hagel kämpften um unsere Aufmerksamkeit. Als dann Dainas Lenker elektrische Impulse an ihre Finger abgab, verkrochen wir uns schleunigst in ein Wasserrohr unter der Strasse, bis das Gewitter nach einiger Zeit an Zorn verlor und statt Hagel Schnee fiel. So schnell es ging ritten wir unsere bereits eingeschneiten Räder über die Passhöhe, wo wir wegen des anhaltend dichten Schneegestöbers wenige Minuten später in der Baustelle des zukünftigen Zollabfertigungskomplexes Schutz suchen mussten. Bienvenido a Chile.

saliendo de Sajama

saliendo de Sajama

Tambo Quemado - vor dem Sturm

Tambo Quemado – vor dem Sturm

'Schneeflucht' im Niemandsland

‚Schneeflucht‘ im Niemandsland

Niemandsland - nach dem Sturm

Niemandsland – nach dem Sturm

Aguas Calientes de Chirigulla

Aguas Calientes de Chirigualla

Ständig in Grenznähe südwärts fahrend, beehrten wir die Nationalparks ‚Parque Nacional Lauca‘, ‚Reserva Nacional las Vicuñas‘ und ‚Parque Nacional Volcán Isluga‘ mit unserer verstaubten Cicloviajero-Anwesenheit. Vor grandioser vulkanischer Kulisse wurden wir zweimal mit entspannenden (und ebenso reinigenden) Hotsprings verwöhnt, kamen in den Genuss sandiger Pisten und wahnsinniger Panoramen in allen erdenklichen Ausführungen und fanden jeden Abend idyllische Plätzchen für unser Zelt. Unsere gesellschaftlichen Kontakte beschränkte sich meist auf Lamas, Vicuñas und den gelegentlichen Lastwagen. Die wenigen Dörfer, die wir passierten, schienen gespenstisch ausgestorben und wir sahen in der ganzen Zeit keinen einzigen Laden! …glücklicherweise hatten wir uns in Bolivien genügend Nahrungsvorräte zugelegt.

gibt ständig Rauchzeichen ab: Vulkan ...

gibt ständig Rauchzeichen: Vulkan Guallatire

nach eisiger Nacht: auftauen und trocknen

nach eisiger Nacht: auftauen und trocknen

Trocken-Suri

Trocken-Suri

Salar de Surire

Salar de Surire, Chile

Salar de Surire -offensichtlich vulkanisch

wohl schon länger da (Salar de Surire)

Salz, Wasser & Flamingos (Salar de Surire)

Salz, Wasser & Flamingos (Salar de Surire)

Mit Wasser waren wir leider etwas weniger weitsichtig. Nach einer Nacht  bei den Aguas Calientes de Polloquere, am Rande des ‚Salar de Surire‘, galt es, einen kleinen Pass (4’740m) zu bezwingen. Uns blieben noch je ein Viertel Liter Wasser in unseren Bidons und Nachschub gab es vorerst keinen: Daa dampfende Wasser der wunderbaren Hotsprings um uns herum war schwefelhaltig und nicht trinkbar.

Camping bei Salz und Schwefel

Camping bei Salz und Schwefel

Vicuñas gehen baden (Aguas Caliente de Polloquere)

Vicuñas gehen baden (Aguas Caliente de Polloquere)

Laut Parkwächtern fänden sich auf der anderen Seite des Passes Flüsse mit bestem Trinkwasser. Der gut zwanzig Kilometer lange, sandige Aufstieg war zwar nicht sonderlich steil, aber ohne Wassers heiss und entsprechend streng. Mit jedem Schluck sank unser Wasservorrat und damit unsere Zuversicht. Die Landschaft um uns herum verwandelte sich langsam aber sicher in eine Wüste – weit und breit kein Rinnsal in Sicht! Langsam regten sich Zweifel. Dies änderte sich weder nach zwanzig Kilometern auf der Passhöhe, noch nach dreissig Kilometern am Fusse der Abfahrt. Weit und breit nicht das kleinste Rinnsal in Sicht und vor uns lag eine endlose, am Horizont von ebenso sandig erscheinenden Bergen umgebene Ebene. Nicht gut. Die Sonne stand hoch am Himmel, der letzte Tropfen Wasser war längst getrunken, unsere Zungen klebten im Mund und es machte sich Hunger breit. Ohne Wasser war jedoch auch unsere Nahrungsversorgung Schachmatt gesetzt: Spaghetti, Polenta, Fertignudeln – nichts lässt sich ohne Wasser kochen! Waren da erste Anzeichen von Panik im Anflug? …es sollte über eine Stunde und zehn weitere lange Kilometer dauern, bis wir endlich einen Fluss mit, von einer Herde Lamas veredeltem, herrlich-grünlich schimmerndem Wasser erreichten. Welch eine Erleichterung!

Suche nach Wasser (nahe Cero Capitan)

Suche nach Wasser (nahe Cero Capitán)

Wellblech, Sand & Sonne - aber kein Wasser weit und breit

Wellblech, Sand & Sonne – aber kein Wasser weit und breit

Wasser filtern

Wasser filtern

Zurück in Bolivien stand die Überquerung zweier Salare, um diese Jahreszeit ausgetrocknete Salzseen, bevor. Den kleineren davon, den auf 3’657 MüM gelegenen ‚Salar de Coipasa‘ mit einer Fläche von 806 km², erreichten wir dank Wegbeschreibung von Militär und einem alten Quinua-Bauern über ein wirres Netzwerk von Pfaden.

Campspot, zurück in Bolivien

Campspot, zurück in Bolivien

Salar Coipasa

Salar Coipasa

schön knusprig, Rand des Salar Coipasa

schön knusprig, Rand des Salar Coipasa

Die ersten Meter auf dem am Rande matschig-nassen, aber strahlend weissen Salz waren surreal und unsere wintererprobten Gehirne spielten uns Streiche: Ständig hatten wir Angst im Eis einzubrechen, darauf auszurutschen oder im Schnee zu versinken. Radfahren im ‚Salzschnee‘! Wir brausten mit zusammengekniffenen Augen über die gleissende, topfebene Fläche.

Salzschnee?

Salzschnee?

Salzstrasse

Salzstrasse (Salar de Coipasa)

Zur Orientierung dienten uns Jeepspuren und Vulkane am Horizont. So erreichten wir nach ein paar Stunden wieder ‚festen‘ Boden und damit Sand. Weiterhin folgten wir den Spuren, die sich regelmässig verzweigten und uns immer wieder vor die Wahl stellten. Was folgte war eine stundenlange Irrfahrt. Mal holperten wir über harte Wellblechpisten, dann wieder versanken unsere Reifen von einer Sekunde zur nächsten im tiefen Sand und wir hatten keine andere Wahl als die Räder zu stossen. Dank dieser kleinen ‚Ehrenrunde‘ – wer ohne GPS fährt und nicht beschriebenen Routen folgt muss büssen – erreichten wir das Ufer des ‚Salar de Uyuni‘ (mit einer Fläche von 10’582 km² der grösste Salar der Welt) mit einem Tag Verspätung.

...verloren im Sand

…verloren im Sand

Sand & Wellblech, unsere bolivianischen Gegenspieler

Sand- & Wellblechpisten – unsere bolivianischen Gegenspieler

Hier bot sich ein ganz anderes Bild. Das Salz war steinhart und im Gegensatz zum ‚Salar de Coipasa‘ nicht ganz so weiss, sondern eher dreckig braun. Obwohl man uns in Llica, dem sympatischen kleinen Ort am Westufer des Salars, versichert hatte, man könne den Weg nicht verfehlen, schafften wir genau dies: Wir verfehlten ihn und damit die mitten im See liegende Insel Incahuasi – was sich im Nachhinein als Glückstreffer herausstellte. Da wir einen Pfad eingeschlagen hatten, der zwar parallel zur, aber geschätzte 20 Km nördlich der ‚Hauptachse‘ verlief, hatten wir während den zwei Tagen und gut 170 Km unserer schnurgeraden – und teils zugegebenermassen etwas eintönigen – Überfahrt so gut wie kein Verkehr und den Salars für uns alleine.

erste Meter, Salar de Uyuni

erste Meter auf dem Salar (bei Llica)

Gummi auf Salz

Gummi auf Salz

'off road' (Salar de Uyuni)

‚cruisen‘ auf Salz

Mal anders: Kochen auf Salz, statt mit Salz

Kochen auf Salz

Mittagspause, Salar de Uyuni

Pause auf Salz

Bereits mitten im Nachmittag suchten wir uns einen Campspot. Hätten wir aus Blitzschutzgründen – am Horizont türmten sich schon die Gewitterwolken – ein Inselchen vorgezogen, begnügten wir uns dann aber mit einem Plätzchen etwas abseits der ‚Piste‘ und genossen bis zum Sonnenuntergang die Stille, die Weite und die fatamorganösen, skurrilen Verzerrungen über dem Salar. Aus Inseln wurden Ufos, aus liegen gelassenen Autoreifen Türme und in der Ferne fahrende Autos verwandelten sich in bunte, fahrende Eier. Welch ein Spass, so ein Salar – wenn man gerade Pause macht.

Risse im Salz, wohnen hier die Salzmonster?

Risse im Salz, wohnen hier die Salzmonster?

Fatamorganinseln

Fatamorganinseln

wir vier

wir vier

Und dann galt es da noch dem Pflichtteil einer ‚Salar de Uyuni‘-Fahrrad-Überquerung nachzukommen: Einer Nacktfahrt auf dem Salar. Dies ist unter Tourenradlern über die Jahre zu einer Tradition geworden – und wir haben uns natürlich auch nicht lumpen lassen.

Pflicht

Pflicht

Die Gewitterwolken tobten sich zu unserer Beruhigung in weiter Ferne aus und unter einem atemberaubenden Sternenhimmel erlebten wir eine ungefährliche Nacht, auf dem im Mondlicht gefluteten, plötzlich strahlend weissen Salar. Dass in der Nacht ein starker Wind versuchte unser freistehendes Zelt einzudrücken (im harten Salz lassen sich keine Heringe einschlagen) oder es in Stücke zu reissen, sei entschuldigt.

letzte Sonnenstrahlen, bald kommt der Wind! (Salar de Uyuni)

letzte Sonnenstrahlen, bald kommt der Wind!

erste Sonnenstrahlen, Salar de Uyuni

erste Sonnenstrahlen, Zelt steht noch (Salar de Uyuni)

Verstaubt, sandig, dreckig und mit salzverkrusteten Rädern erreichten wir schliesslich Uyuni, ein kleines, staubiges und von Touristen überlaufenes Städtchen am Rande des Salar. Nicht ganz überraschend hatten wir nur eines im Sinn: Essen!

wir

wir zwei

Zum Schluss wie gewohnt obige Fotos und mehr in der GALERIE:

Perus Süden | Bike-Hike zum Machu Picchu

1’490 Kilometer

47 Tage, davon 25 „radfrei“ (9 Ayacucho, 8 Cusco)

nur 4’600 MüM Maximalhöhe

19’055 gemessene Höhenmeter

800 gestossene /getragene Höhenmeter

Bezwungene Pässe:
Abra Saracchocha (4’210 m)
Abra Sorllaca (3’970m)
Abra Salkantay (4’600m)
zwei uns unbekannte Pässe à 4’545m und 4’580m

Highlights:
Radwandern über Salkantay Pass
Sprachverlust durch Höhenkrankheit
Peru im Dunkeln: Radfahren bei Nacht und Nebel
Mit dem Rad zum Machu Picchu
Freund oder Feind: Gib mir ein Heiligenbild oder verzieh dich!

Route: Ayacucho – Tambillo – Uripa – Chincheros – Talavera – Andahuaylas – Laguna Pacucha – Ruinas Sondor – Quillabamba – Ruinas Curama – Huancarama – Abancay – Abra Sorllaca (3’970m) – Curahuasi – Mollepata – Soraypampa (Gepäck ab hier auf Pferd bis Chaullay) – Abra Salkantay (4’650m) – Chaullay – Sahuayaco (bei Lucmabamba über Brücke, nicht nach Santa Teresa) – Hidroelectrica – Aguas Calientes (via Bahndamm, nur nachts möglich!) – Ollantaytambo (Zug) – Huarocondo – Cusco – Urcos – Combapata – Yanaoca – Langui – Layo – Macarí – Ayavirí – Pucará – Juliaca – Peninsula Capachica (Capachica – Llanchon – Capachica) – Taraco – Huancané – Moho – Tilali – Puerto Acosta (Grenze Bolivien) – Escoma – Achacachi – La Paz

PERUS SÜDEN

Ayacucho, eine gemütliche und schöne Stadt, kam uns nach Wochen in den Bergen gerade gelegen. Wir suchten uns ein Hotel mit einem sonnigen Zimmer und Strassenlärm und spannten eine Woche aus. Nachdem der ‚dia de la patria‘ (Staatsfeiertag) am 28. Juli mit einer grossen Parade und viel Tamtam zelebriert worden war, kam für uns die Zeit, dem Ruf der Strasse zu folgen. Zwischen uns und Cusco lagen knapp fünfhundert Kilometer, fünf Pässe über 4’000m und dazwischen einige fiese Täler gut 2’000 Höhenmeter tiefer. Hügelig also.

in Ayacucho

in Ayacucho

in der Stimmung für Fussball

in der Stimmung für Fussball

Klatsch im Schatten

Klatsch im Schatten

Patriot

Patriot (Ayacucho)

Leckereien

Leckereien

Wir hatten in den vergangenen Wochen und Monaten die Vorzüge kleiner Nebenstrasse kennen und schätzen gelernt und auch fand sich eine solche. Damit schlugen wir den ersten beiden Pässen ein Schnippchen, dachten wir. Zwar stieg die Strasse gut hundert Meter weniger hoch, doch sorgten viele Täler dafür, dass wir trotzdem auf genügend Höhenmeter kamen. Nach achtzig, meist ansteigenden Kilometern und einer Nacht im Schopf einer freundlichen Ladenbesitzerin, spuckte uns unser Strässchen auf 4’100m zurück auf die Hauptstrasse. Was nun folgte war eine zünftige Abfahrt von vierzig Kilometern hinunter auf 2’000m. Dort galt es nämlich eine Brücke zu überqueren, sich in nun tropischen Bedingungen von ein paar Mücken stechen zu lassen, mit einer Meute betrunkener Frauen Bier zu trinken (man müsse trinken solange man könne!) und dann den langen Aufstieg zum nächsten Pass (Abra Saracchocha, 4’210 m) in Angriff zu nehmen. Dessen wie immer unmarkierte Passhöhe erreichten wir dann im Laufe des nächsten Nachmittags. Wiederum wurden wir mit dreissig Kilometern Abfahrt belohnt, worauf wir die beiden nur fünf Kilometer voneinander entfernt gelegenen Nachbarstädte Talavera und Andahuaylas erreichten. Nach einem Tag Pause entschieden wir uns für die Weiterfahrt und wiederum gegen die Hauptstrasse. Wieder liessen wir damit einen Pass aus und wieder durften wir dafür mit vielen zusätzlichen Höhenmetern bezahlen. Dafür wurden wir jedoch mit einer blauen Lagune und traumhafen Aussichten über steile Andentälern belohnt und lernte freundlichen Menschen in kleinen Dörfern kennen. Eine Nacht verbrachten wir auf dem Fussballplatz einer kleinen Dorfschule, eine andere in einem Klassenzimmer eines Internats, wo wir gleich noch von den Nachbarn bekocht wurden. Abgerundet wurde das Ganze mit den Ruinen von Sondor und Curama, beide sozusagen am Wegrand und völlig ohne Rummel.

auch auf 4'000m sind wir nicht alleine

bei Matara, am zweiten Morgen nach Ayacucho

Spurt zur Passhöhe

Spurt zur Passhöhe

Ruinas de Curama

Ruinas de Curama – keiner da!

wer baut wo was an?

Panorama kurz nach den Sondor Ruinen

brachten uns Käse, Kartoffeln und Unterhaltung

Flor und ihre Freundin brachten uns Käse, Kartoffeln und Unterhaltung

müde, hungrig, durstig

müde, hungrig, durstig

...mal in der Schule

Schulzimmercamping

ziert Hausdächer, schützt bewohner (bei Curahuasi)

ziert Hausdächer und schützt deren Bewohner (bei Curahuasi)

Knapp eine Woche nachdem wir Ayacucho verlassen hatten, erreichten wir Abancay, eine untouristische kleine Stadt. Es wurde höchste Zeit, unsere Pläne für den Besuch der hochgelobten Ruinen von Machu Picchu zu konkretisieren. Wir waren mitten in der touristische Hochsaison und ein kurzer Besuch auf der offiziellen Website machte klar, dass im ganzen August nur noch wenige ‚Plätze‘ frei waren. So reservierten wir unsere Tickets unerwartet reibungslos online (reservieren, in der Bank bezahlen, ausdrucken). Das Timing schien uns perfekt und liess uns mit fünf Tagen genügend Zeit zur Anreise. Aguas Calientes der Ausgangspunkt für Machu Picchu ist nur per Bahn (für Ausländer massiv überteuert) oder zu Fuss zu erreichen. Beides sprach uns nicht so an. So suchten und fanden wir eine Alternative: Per Rad zum Machu Picchu. Der Countdown lief.

Dabei hatten wir die Rechnung aber ohne den weit verbreiteten, relativ entspannten Umgang mit Hygiene gemacht. Dessen Folgen verwandelten Robin über Nacht in einen übelriechenden, eierrülpsenden Haufen. An weiterkommen war nicht zu denken und wir mussten einen Tag länger bleiben. Noch vier Tage zum Machu Picchu.

Tags darauf waren die dichtesten Gaswolken im Hotelzimmer abgezogen und eine Weiterfahrt war möglich. Der Aufstieg zum Pass ‚Abra Sorllaca‘ begann direkt vor unserer Haustüre und endete erst 37 km später mit dessen Passhöhe auf 3’970m. Wie üblich folgte auf einen Aufstieg eine Abfahrt, diesmal hinunter auf 2’200m. Im sympathischen Städtchen Curahuasi sanken wir erschöpft in weiche Hotelbetten. Noch drei Tage zum Machu Picchu.

Schon um sieben sausten wir die 30km hinunter zur Brücke über den Rio Apurimac auf gerade noch 1’900m. Sogleich wurden wir von Mücken und stechenden kleinen Fliegen besaugt, was uns beschwingt in den Aufstieg starten liess. Nach wenigen Kilometern bogen wir von der Hauptstrasse auf ein steil ansteigendes Bergsträsschen ab. Darauf stiegen wir im Laufe des Tages höher und höher. Entsprechend ausgelaugt erreichten wir 45 km später und insgesamt 2’111 Höhenmeter höher bei Einbruch der Dunkelheit (und gleichzeitig Anbruch einer Regennacht) das Fünf-Häuser-und-fünfzig-Esel-Dorf Soraypampa. Hier fanden wir ein überdachtes Plätzchen für unser Zelt. Wir hatten uns für unseren Sturm auf Machu Picchu die Route des ‚Salkantay-Santa Teresa-Trek‘ ausgesuch, eine bei Touristen sehr beliebte, fünftägige Alternative zum berühmten Incatrail. Noch zwei Tage zum Machu Picchu.

Ruhetag am Fusse des Salkantay

Luft schnuppern nach einer Fiebernacht (Soraypampa, am Fusse des Salkantay)

Das Fieberteufelchen hatte andere Pläne und ergriff in der Nacht die Herrschaft über Robins Körper. Damit zwang es uns, ohnehin schon in Verzug, zu einem weiteren Ruhetag, diesmal im feuchtkalten Zelt auf 3’800m. Noch ein Tag zum Machu Picchu.

Die Ruhe tat seine Wirkung und nach einer weiteren Nacht war Robin wieder munter und bereit zum Gipfelsturm – die letzte Chance Aguas Calientes noch rechtzeitig zu erreichen. Es wäre uns sowieso das Benzin (zum Kochen, nicht Fahren) ausgegangen. Hier wurde es komplizierter. Mit Soraypampa hatten wir auch das Ende der Strasse erreicht. Ab hier wurde das Tal enger, links und rechts türmten sich riesige Gletschermassen und der Pfad wies ganz klare ‚für-Pferde-Esel-und-Wanderer‘-Eigenschaften auf. Sprich steil und felsig.

In weiser Voraussicht suchten und fanden wir morgens um sieben einen Ariero (Pferde- oder Eseltreiber), der unsere Satteltaschen auf einem Pferd bis auf die Passhöhe bringen sollte. Somit blieben uns ’nur‘ noch die Räder zu schleppen – was wir etwas unterschätzt hatten. Die drei Stunden und teils steilen sechs Kilometer und 800 Höhenmeter zur Passhöhe auf 4’600m verbrachten wir damit, pustend und schnaufend unsere Räder zu schieben, sie über Steine und Bäche zu heben, eins nach dem anderen über Felsen zu hieven oder damit Geröll zu pflügen. Hier und da liessen sich auch mal ein paar Meter fahren.

fahrbar, noch

erste Meter, noch fahrbar

weit und felsig

Wo ist Daina?

Geröll-Rad-Wandern

Robin beim Geröll-Rad-Wandern

Daina, der Lastesel

Daina muss kämpfen

mighty Salkantay

Mighty Salkantay

Wenige hundert Meter unter der Passhöhe machten sich bei Daina plötzlich erste Anzeichen eines Migräneschubs bemerkbar – oder war es die Höhe? Es war die Höhe. Sie sah helle Flecken, klagte über Kopfschmerzen und konnte einen Arm nicht mehr fühlen, wollte aber weitergehen. Je höher wir kamen, umso stärker wurden diese Symptome. Auf der Passhöhe konnte sie fast nichts mehr sehen. Beunruhigender war nur noch, dass sie auch nicht mehr sprechen konnte! Nach einigen Minuten auf der Passhöhe begannen wir deshalb möglichst schnell den Abstieg. Hier kam uns zu gute, dass unser Ariero unter Zeitdruck stand und mit unserem Gepäck zusammen mit seiner übrigen Fracht bereits weiter abgestiegen war. Die nächsten sechs Kilometer führten und hievten wir unsere Räder über den holprigen, felsigen und oft ausgewaschenen Pfad abwärts. Daina funktionierte einfach, stolperte vor sich hin und wollte auch nicht auf ein Pferd aufgeladen werden. Sie konnte zwar sprechen, leider aber nur in einer unverständlichen Geheimsprache. Klingt lustig, war es aber nicht, und je länger dieser Zustand anhielt, umso verzweifelter wurde sie! So wurde ihr automatisches Stolpern bald zu einem panisch-weinenden und schluchzenden Stolpern. Nach knapp zwei Stunden und bereits sechs Kilometern im Abstieg, begann sich ihr Zustand zu bessern. Plötzlich konnte sie auf einfache Fragen mit ‚hola‘ oder ‚jo‘ antworten und auch wieder kurze Sätze sprechen. Auch ihr eigener Name fiel ihr wieder ein. Dies machte uns beiden Mut und nach einer kurzen Pause und einigen Kraftriegel, konnten wir, mit einer mittlerweile sprechenden und wieder lächelnden Daina, unseren Abstieg fortsetzen. Wir hatten ohnehin keine Wahl. Mit unserem Gepäck waren auch unsere Nahrungsmittel, unser Wasser, sowie das Zelt und damit die Möglichkeit frühzeitig zu campieren, vorübergehend ausser Reichweite.

nicht mehr gut

nicht mehr gut, aber funktionierend

nach über drei Stunden im Abstieg, wieder sprachfähig

3 Stunden im Abstieg, wieder sprechend

alta selva, kurz vor Chaullay

alta selva, kurz vor Chaullay

fahrbar?

fahrbar?

Die nächsten zwei Stunden ging es weiter bergab, doch waren mit etwas Mut an die siebzig Prozent der Strecke fahrbar. Um uns herum war der Schnee und die eisige Kälte des Passes längst einem nebeligen, feuchtkalten Dschungelklima gewichen. Gegen fünf Uhr nachmittags erreichten wir das Dorf Chaullay, bereits wieder unter 3’000m gelegen. Hier fanden wir Lorenzo, unseren ‚Ariero‘, mit unserem Gepäck. Er hatte sich Sorgen um uns gemacht und organisierte uns erst einmal eine wärmende Tasse Kaffee. Zwölf Stunden bis Machu Picchu.

Lorenzo

Ariero Lorenzo

Da es Daina wieder besser ging, entschlossen wir uns, noch ein paar Kilometer hinter uns zu bringen. Zwei Stunden holperten wir auf einer Kiesstrasse durch das, in der Dunkelheit scheinbar menschenleere Tal des Rio Teresa. Gegen acht erreichten wir erschöpft das kleine Dorf Sahuayaco. Wir konnten nicht mehr und fanden schnell ein Restaurant, in dem wir erst essen und anschliessend unser Zelt aufstellen konnten. Um neun sanken wir erschöpft in unsere Schlafsäcke. Noch neun Stunden bis Machu Picchu.

Ein letzter Funken Hoffnung, Aguas Calientes, und damit Machu Picchu, doch noch am kommenden Tag und mit gültigen Eintrittskarten zu erreichen, glimmte noch in uns. Zusätzlich zur Distanz (geschätzte fünfzig Kilometer) galt es noch eine weitere Hürde zu bewältigen: Die letzten neun Kilometer mussten in Ermangelung einer Strasse auf oder entlang den Bahnschienen gefahren werden. Dies ist nicht erwünscht und Wachposten in Hidroelectrica (dem Beginn der Bahnstrecke) sollten uns an diesem Vorhaben hindern. Erwischten sie uns, würden wir auf den Zug nach Aguas Calientes (am nächsten Nachmittag um 15.20 Uhr) warten müssen – und bis dann wären unsere Tickets verfallen. Die Chancen, in den folgenden Tagen neue kaufen zu können standen ungewiss.

Daher klingelten uns um 1.00 Uhr morgens, nach nur vier Stunden Schlaf, unsere Wecker (sicherheitshalber zwei) aus unseren Träumen. Noch fünf Stunden bis Machu Picchu. Wollten wir es schaffen, mussten wir Hidroelectrica, die Checkpoints und den Bahnhof frühstmöglich passieren…in der Hoffnung auf dösende, unachtsame oder nachlässige Wachen. Nun bei Vollmond holperten wir durch die dunkle Nacht. Im Gegensatz zum Vorabend war die Strasse nun von Häusern und Bananenplantagen gesäumt. Wo Menschen wohnen, wachen Hunde. Diese belästigten uns aus dem Schutze der Dunkelheit heraus und liessen zugleich alle anderen Hunde wissen, dass es hier zwei bleiche Nachtradler zu vertreiben galt.

Nach zwei Stunden folgten wir bei Lucmabamba einem Wegweiser und überquerten eine Brücke. Plötzlich begann die Strasse (immer noch Kies und Lehm) anzusteigen und je länger wir stiegen umso klarer wurde uns, dass wir uns im nächtlichen Peru verfahren hatten. Noch zweieinhalb Stunden bis Machu Picchu.

Nach einiger Zeit kamen wir an die hell erleuchteten Anlagen eines Wasserkraftwerks. Auf Nachfrage am Tor erfuhren wir, dass wir zwar nicht dort waren wo wir gedacht hatten, doch der Weg nach Hidroelectrica nicht mehr weit sei: „Mit dem Motorrad vierzig Minuten.“ Unsere Hoffnung sank, doch trampelten wir weiter, kontinuierlich bergauf, durch die mittlerweile mondlose Nacht. Nach einer weiteren Stunde durch ein dunkles, menschenleeres Tal – das letzte Dorf hatten wir schon vor langer Zeit hinter uns gelassen – kam plötzlich leben auf. Immer wieder überholten uns Pickups mit Blinklicht. Wenig später passierten wir mitten im scheinbaren Nichts einen (ausgeschilderten) Heliport und kurz darauf sahen wir weiter vorne Licht. Eine Mine? Ein paar Häuser? Ein Dorf? …Hidroelectrica? Irgendwo krähte ein Hahn in der Dunkelheit. Wir wurden nervös.

Kaum hatten wir unsere Lichter ausgemacht und vorsichtshalber noch eine Socke darüber gestülpt, kam auch schon ein hell erleuchteter Kontrollposten in Sicht. Ohne Licht fuhren wir auf möglichst leisen Sohlen darauf zu und, ohne die vielen Stoppschilder zu beachten, daran vorbei. Viel Licht, aber kein Mensch in Sicht. Keine fünfzig Meter weiter begannen die Bahnschienen und uns wurde klar, dass wir wirklich Hidro-Electrica und damit den Endspurt erreicht hatten. Ab jetzt mussten wir den Schienen folgen und es bestand immer noch Gefahr entdeckt zu werden. Kaum hatten wir begonnen, die Räder auf dem groben Schotter der Geleise zu schieben, tauchte vor uns auf den Gleisen eine Gestalt auf. Neben uns begann ein Hund zu jaulen. Perfekt. Ohne Hoffnung duckten wir uns an die Böschung und sahen zu, wir der Mann auf den Schienen näher kam und schliesslich, ohne uns zu beachten, an uns vorbei ging! Sofort stellten wir unsere Räder wieder auf und ’schlichen‘ weiter. Auf Eisenbahnschotter ist schlecht schleichen, schiebt man aber dazu ein schwer beladenes Fahrrad neben sich her, ist es vorbei mit der schützenden Ruhe. Mit einem von Hundegebell untermalten Höllenlärm schoben wir unsere Räder durch einen hell erleuchteten aber menschenleeren Bahnhof und danach noch hundert Meter weiter. Dann mussten wir unsere Räder über eine Böschung und einige steile Stufen hinaufschleppen. Dies ging nur gemeinsam, ein Rad nach dem anderen. Wir waren gerade dabei, das zweite Rad in den Schutz der Dunkelheit zu zerren, als sich am Bahnhof ein Schatten löste und auf den Schienen direkt auf uns zu kam. Wieder verharrten wir, wieder ging der selbe Mann an uns vorbei, wieder schenkte er uns keine Beachtung. Sogleich zerrten wir auch das zweite Rad in den Schutz der Dunkelheit. Weiter ging es den Schienen entlang, wieder ’schlichen‘ wir an hell beleuchteten Häuschen vorbei und noch einmal durften wir unsere Räder über dunkle, rutschige Stufen schleppen, stossen und ziehen. Schliesslich erreichten wir die Schienen, die uns nach Aguas Calientes bringen würden. Mit jedem Schritt liessen wir die Lichter und damit Hidro-Electrica weiter hinter uns und nachdem wir einige Zeit später eine Eisenbahnbrücke überquert hatten war klar, dass man uns nicht mehr entdecken würde. Waren wir wirklich gerade unbemerkt an den Wachposten vorbei und durch den Bahnhof hindurch geschlichen, bei dem Lärm!? Und warum hatten wir den Hund immer noch dabei? Wir konnten es selbst kaum glauben. Vor uns lagen noch neun Kilometer. Oft konnten wir auf einem schmalen Trampelpfad links oder rechts der Geleise fahren, mussten unsere Räder aber in regelmässigen Abständen über die Schienen, über kleine Kanäle und über Brücken tragen. Verbotsschilder konnten wir keine lesen. Unsere verräterischer neuer Hundefreund begleitete uns ungefragt aber ruhig.

Als an diesem Morgen um sechs Uhr die Tore zu Machu Picchu öffneten, waren wir nicht mehr weit davon entfernt. Bei einem Frühstück auf den Geleisen sahen wir die Sterne auf der Rückseite der Ruinen von Machu Picchu funkeln.

Bahndammdämmerung

Bahndammdämmerung (zwischen Hidroelectrica und Aguas Calientes)

Kurz vor sieben rollten wir, in der Touristenhölle namens Aguas Calientes ein und hatten das Rennen gegen die Zeit gewonnen – der Countdown war zu Ende. Trotz unglaublich vielen Hindernissen und einer widerspenstigen Routenwahl hatten wir es geschafft. Wir waren per Rad zum Machu Picchu gefahren – wenigstens fast, nämlich nach Aguas Calientes.

Nach zwei Stunden Hotelsuche (Hochsaison) konnten wir schliesslich am frühen Nachmittag die Ruinen mit unserer verschwitzten Anwesenheit beehren. Zusammen mit Horden von Touristen schlichen wir durch die Ruinen, staunten über die unglaubliche Anlage, machten ein paar Fotos und – für uns beinahe noch schöner – erkannten einzelne Etappen unseres nächtlichen Weges tief in den Tälern unter uns wieder. Der Weg hatte das Ziel in den Schatten gestellt. Wir waren glücklich und völlig übermüdet.

ein Hindernis der vergangenen Nacht

ein Hindernis der vergangenen Nacht

unten der Weg, oben das Ziel

unten der Weg, oben das Ziel

Legoland

Legoland

Freude herrscht!

Freude herrscht!

Um Aguas Calientes zu verlassen gab es zwei Möglichkeiten: Entweder heimlich mit dem Rad (30+ km auf Bahnschotter) oder mit dem teuren Zug. In Sorge um unsere Reifen, entschieden wir uns für den Zug am nächsten Morgen. Um die Räder richtig verstauen zu können wies man uns an, eine Stunde früher anzutraben. Dies taten wir brav und durften eine Stunde der Verwirrung und Ratlosigkeit miterleben. Unsere Räder wären länger als gewohnt und hätten in Einzelteilen gebracht werden sollen, sagte man uns. Ausserdem wäre eine Kiste nötig. Ein Gepäckwagon wäre optimal, doch gebe es keinen. Und sowieso warte man auf Autorisierung. Schliesslich konnten wir unsere Velos dank einigen äusserst hilfsbereiten Bahnarbeitern mit demontiertem Vorderrad einfach im Gepäckabteil des beinahe leeren Abteils unterbringen.

Handgepäck- geht ja

Handgepäck- geht ja!

Konkurenten

Konkurenten

Es folgten drei Stunden himmlischer Zugfahrt: Wir mussten nicht treten, konnten entspannen und kamen doch vorwärts. Ein Genuss erster Güte! Im kleinen, malerisch zwischen Inca Ruinen gelegenen Ort Ollantaytambo begann die Strasse und wir brauchten den Zug nicht mehr. Ab dort nahmen wir den kürzest möglichen Weg nach Cusco. Die erste Hälfte davon auf einer neuen, wegen Steinschlag und Bauarbeiten noch gesperrten und nicht asphaltierten Strasse. Obwohl die Strecke über gut zwanzig Kilometer noch im Bau und nicht immer befahrbar war, fand sich immer ein Weg, Hindernisse zu überwinden.

Hindernisse werden für uns beseitigt...

Hindernisse werden beseitigt…

...oder überwunden

…oder überwunden

Gut zwei Wochen, nachdem wir Ayacucho verlassen hatten, erreichten wir Cusco. In der schönen ehemaligen Hauptstadt des Inkareiches gönnten wir uns eine Woche Ruhe und unseren Rädern neue Kabel, etwas Wasser, Seife, Fett und Luft. Und natürlich musste kaputt gegangenes repariert oder (im Falle von Dainas ‚Exped‘-Matte) ersetzt werden. Davon abgesehen verbrachten wir ein Grossteil unserer Zeit mit Essen kaufen, Essen kochen und Essen essen. Wie wir in unserer Unterkunft (Hospedaje Estrellita, einer Art Treffpunkt für Radreisende) beruhigt feststellten, scheint dies die Hauptbeschäftigung der meisten Tourenradler zu sein. Dazwischen genossen wir zwischen tausenden anderen Touristen die schöne Stadt, erforschten die Märkte und froren Abends vor uns hin.

Cusco, wir kommen!

Cusco, wir kommen!

An der Kirche vorbei...

An der Kirche vorbei…

...und über die Plaza de Armas.

…und über die Plaza de Armas.

Für die verbleibende Strecke an die Grenze zu Bolivien suchten wir uns eine Mischung aus speditiver aber langweiligerer Hauptstrasse und strengen, abwechslungsreichen Nebenstrassen. Keine hundert Kilometer ausserhalb Cuscos hatte Dainas hintere Felge plötzlich beidseitig eine gewaltige Delle. Wir machten dafür ein ausgeprägtes Schlagloch vom Vortag verantwortlich, konnten aber den Schaden mit etwas „finetunig“ an den Speichen und Bremsklötzen in Zaum halten. Motiviert tauschten wir darauf den Asphalt für die nächsten Tage gegen holprige Pisten und sandige Pfade ein, versuchten mit Hilfe von vagen Aussagen den richtigen Weg zu finden und verfuhren uns stundenlang auf über 4’500m in den Weiten Perus. Leider wurde unsere Reisefreude hier immer wieder getrübt – nicht nur durch die lädierte Felge. Anders als bisher waren die Menschen zunehmend abweisend, unfreundlich und teils sogar feindlich. Dies reichte von Ignorieren in Läden und Restaurants, über feindliche Gesten, bis hin zur Erklärung, dass Fremde nur erwünscht sind, wenn sie Rosenkränze, Heiligenbilder oder andere Dinge verschenkten. Ansonsten wolle man solche wie uns, die sicherlich bewaffnet seien und Überfälle verüben würden, nicht! Etwas desillusioniert, aber immer noch unbewaffnet, suchten wir uns einen Weg zurück auf die asphaltierte Hauptstrasse, wo wir möglichst schnell – und ohne Überfälle zu verüben – nach Süden rasten.

Sind wir hier richtig?

Sind wir hier richtig?

Wolle, Wolle...

Wolle, Wolle…

...noch mehr Wolle!

…noch mehr Wolle!

Kurz vor Langui, wo uns die Polizei ein Zimmer zum Campen überliess

Fahrerflucht, kurz vor Langui

...wo uns die Polizei ein Zimmer zum zelten überliess.

…wo uns die Polizei ein Zimmer zum zelten überliess.

der Engel von Langui

der Engel von Langui

Strasse ins Nichts

Strasse nach Macari

falsch abgebogen

…leider falsch abgebogen!

zum Durchdrehen!

Zum Durchdrehen!

nach Juliaca hinein...

nach Juliaca hinein…

Da wir das Problem mit der Felge soweit im Griff zu haben glaubten, entschieden wir uns, den Titicacasee auf der abgelegenen, weniger befahrenen und in Teilen noch unasphaltierten Ostseite zu umfahren. Um am Ostufer aus Peru ausreisen zu können, mussten wir zuerst dem peruanischen Zoll in Puno einen Besuch abstatten. Dort durften wir erst eine Busse wegen unseren Überzogenen Visa bezahlen und wurden anschliessen anstandslos ausgestempelt. Nun hatten wir sechs Tage Zeit um auszureisen. Dies bescherte uns viele schöne Kilometer auf ruhigen Pisten und Strassen entlang des riesigen Titicacasees mit oft fast keinem Verkehr, dafür täglichen Regen- und Gewitterstürmen und regelmässigem, saumässigem Gegenwind. Bereits nach drei Tagen erreichten wir die Grenze zu Bolivien bei Tilali.

...und aus Juliaca heraus

…und aus Juliaca heraus

Titicacapause

Titicacapause

interessante Hüte in Llachon

Hüte und Trachten in Llachon

wer sucht der findet: abgelegene Pfade und Buchten

Wer sucht der findet: abgelegene Pfade und Buchten

Titicacameer?

Titicacameer? (Ostufer Lago Titicaca)

Radpanorama, Ostufer Lago Titicaca

Radpanorama, Ostufer Lago Titicaca

Tilali, an der Grenze zu Bolivien

Tilali, an der Grenze zu Bolivien

Diese schien Dainas Rad nicht überqueren zu wollen, denn das Hinterrad liess sich am Morgen der Ausreise plötzlich nicht mehr drehen! Erst nach stundenlangem Gefummel und nachdem wir die Bremsen fast völlig gelöst hatten, liessen sich auch noch die letzten zwei Kilometer zur Grenze zurücklegen.

Zollgebäude à la Boliviana

Zollgebäude in Puerto Acosta

Felgenreparatur am Strassenrand

Felgenreparatur am Strassenrand

Epoxy - letzte Hoffnung

Epoxy – letzte Hoffnung

Am nächsten Tag, nach unserer ersten Nacht in Bolivien, fanden wir dank eines Plattens heraus, wo das Problem wirklich lag: Die Felge hatte sich im Felgenbett (von aussen unsichtbar) über etwa 20 cm gespalten. Kein Wunder liess sich das Rad nicht zentrieren! Also Epoxy-Kleber drauf (sinnlos) und eine Stunde warten. Dann konnten wir nur noch hoffen, dass die gerissene Felge, mit der Daina schon an die 600 teils sehr holprige Kilometer zurückgelegt hatte, sie auch noch weitere 120km bis nach La Paz tragen würde. Dies tat sie tapfer und von Gewitterwolken gejagt erreichten wir den Rand des enormen Talkessels, der sich La Paz nennt.

Blick auf die 'Cordillera Real' (bei Achacachi)

Blick auf die ‚Cordillera Real‘ (bei Achacachi)

Zum Schluss wie üblich die GALERIE zum schmökern – mit diesen und weiteren Bildern:

Perus Anden | ‚Peru Divide‘

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1’117 Kilometer

22 Tage, davon 4 „radfrei“

4’940 MüM Maximalhöhe

16’613 gefahrene Höhenmeter

Höchster Aufstieg: 3’460 Höhenmeter

Bezwungene Pässe:
Abra Yantahuain (4’230m)
Paso Pacomayo (4’540m)
Punta Chanca (4’850m)
Unbekannter „Vor-Pass“ (4’870m)
Abra Rapaz (4’940m)
Abra Chucopampa (4’860m)
Abra Mio (4’760m)
Punta Fierro Cruz (4’820m)
Abra Alpamarca (4’710m)
Abra Marcavalle (3’917m)
2 unbekannte Pässchen über 4’200m

Sonst noch vor- bzw. herunter gefallen:
eingefrorenes Zelt, Räder und Wasser
Regen, Graupel, Hagel, Schnee

Erkenntnis:
Schafe husten nachts wie Menschen
Hunde heulen nachts wie Wölfe

Route: Huaraz – Conococha – Ticllos – Cajamarquilla – Llipa – Cañon – Yocchi – Cajatambo – Paso Pacomayo (4540m) – Punta Chanca (4850m) – Oyon – Abra Rapaz (4940m) – Picoy – Parquin – Abra Chucopampa (4860m) – Abra Mio (4760m) – Chungar – Punta Fierro Cruz (4820m) – Abra Alpamarca (4710m) – Yantac – Marcapomacocha – Corpacancha – Malpaso – Paccha – La Oroya – Jauja – Huancayo – Pampas – Quichuas – Mayocc – Huanta – Ayacucho

PERUS BERGE

Huaraz, auf rund 3’050 m gelegen, ist eine beschauliche, spektakulär von einer Unmenge von Sechstausender-Eisriesen umgebene Stadt zu Füssen der „Cordillera Blanca“ . Hier quartierten wir uns, mit dem Vorsatz auszuspannen, in einem gemütlichen, kleinen „Hostal“ ein.

Zu unserer Überraschung war das Hostal voller überraschend motivierter junger Kletterer und Bergsteiger (oder solchen die es gerne werden wollten) aus aller Welt. Da stiess unser Plan „einfach mal ausspannen“ auf taube Ohren. Auf die allabendlichen Fragen, welche Tours oder Treks wir denn heute gemacht, welche Berge wir bestiegen hätten, konnten wir nur mit unspektakulären Antworten à la „keine“, „nichts“ und „Räder reparieren“ dienen. Dieses Ausmass an Ignoranz, gegenüber der uns umgebenden Natur und all den sich aufdrängenden Bergsport-Möglichkeiten, stiess dann oft auf leichtes Unverständnis – was uns kalt liess. Unsere Körper schrien nach Ruhe und Erholung und wir füllten unsere sechs Tage in Huaraz mit folgenden Aktivitäten, in genau dieser Reihenfolge: Krank sein, Räder reparieren / warten, kaputtes Material ersetzen, unsere weitere Route planen, Berge von selbstgekochten Köstlichkeiten verschlingen und – Freizeit. Dies hielt uns auf Trab, gab unseren Hintern Zeit zur Entspannung und so war eine Woche im Nu verflogen!

Danach waren wir wieder bereit, hart in die Pedale zu treten. Nach einigem Hin und Her, hatten wir uns für eine (die anspruchsvollste) Route durch die Berge entschieden. Diese sollte uns quer durch die Berge und über jede Menge hohe Pässe führen, in abgelegene Regionen und Gegenden Perus und weit ab von geteerten Strassen und brummenden Lastwagen – von den ersten achtzig, kontinuierlich ansteigenden Kilometern auf der Hauptstrasse einmal abgesehen.

Dank eines verspäteten Starts, einer verlängerten Mittagspause (zugunsten des Spiels Schweiz : Argentinien) und etwas Regen kamen wir an diesem ersten Tag nicht vom Asphalt weg. Kurz vor dem Eindunkeln suchten und fanden wir einen „abgelegenen“, sprich von der Strasse möglichst unsichtbaren Zeltplatz – keine fünf Meter von der Strasse entfernt. Es folgte eine eiskalte Nacht im innen und aussen gefrorenen Zelt.

Fünf Meter neben der Strasse

keine fünf Meter neben der Strasse und doch so abgelegen

kaltes Erwachen

kaltes Erwachen

Cordillera Blanca

Cordillera Blanca

Logenplätze

Logenplätze

Zwanzig Kilometer weiter, bereits auf 4’110m, verliessen wir die asphaltierte Strasse. Wir sollten länger keinen Asphalt mehr zu Gesicht bekommen. Damit hatten wir den Verkehr und über weite Strecken auch die Zivilisation hinter uns gelassen. Das Verkehrsaufkommen der kommenden zwei Wochen hielt sich mit durchschnittlich vielleicht zwei Autos pro Tag (auf den Strassen) stark in Grenzen. Immer wieder kamen wir durch kleine, einfache Dörfer. Einige wenige davon waren lebendige lokale Handelszentren, mit etwas Verkehr und einer Bank, ja manchmal sogar Restaurants und Unterkünften. In anderen prägten eher Pferde, Kühe und Schafe das leere Strassenbild und wiederum andere waren völlig ausgestorben und nach der Schliessung nahegelegener Mienen verlassen worden. An vielen Orten waren die Menschen, allen voran die Jugend, in Hoffnung auf ein besseres Leben an die Küste gezogen.

Von nun an ging es auf mehr und weniger holprigen Naturstrassen dahin. Die nächsten Tage waren ein ständiges Auf und Ab – wobei das „Auf“ zeitlich mindestens achtzig Prozent für sich beanspruchte. Nach einem sanften Aufstieg durch spektakuläre, rollende Hügel fiel die Strecke über die nächsten zwei Tage und einhundert Kilometer, entlang einer steilen Bergflanke von über 4’000 auf gut 1’300 MüM ab, wobei sich die Natur, die Berge und nicht zuletzt die Temperatur ständig veränderten. Damit wir aber nicht aus der Form gerieten, war auch die Abfahrt immer wieder mit saftigen, teils stundenlangen Gegensteigungen versehen und forderte auch sonst volle Konzentration. Das Gelände war fast durchwegs sehr abschüssig (Leitplanken wären durchaus angebracht) und der Weg oft ausgewaschen, teils abgerutscht oder mit losen Steinbrocken oder Schotter gespickt. Dann waren da noch – wie bei einem Computerspiel die zu überwindenden Bonushindernisse – jede Menge Kühe auf der Strasse. Diesen Viehern begegnen wir seit dem kleinen Vorfall in der Cordillera Blanca mit etwas mehr (gesundem) Misstrauen.

Viehzäune

Viehzäune

erste Meter abwärts

erste Meter abwärts

„nasagäch“

Blick auf die Cordillera Huayhuash, gegenüber

Blick auf die Cordillera Huayhuash gegenüber

All dies zusammen mit ständig wechselndem, aber immer atemberaubenden Ausblicken hielt uns die ersten beiden Tage auf trab und munter. Einzig die ständig lauernden dunkeln Wolkentürme („zu dieser Jahreszeit regnet es nie“) irritierten uns etwas und brachten uns bereits nach wenigen Stunden in der ersten Abfahrt dazu, im ersten Dorf (Ticllos) beim Pfarrer um Campingerlaubnis zu fragen. Wie sich herausstellte war Padre Andres Italiener. Er war vor gut zwanzig Jahren nach Ticllos gekommen, in einer Zeit, als die Menschen hier nachts aus Angst vor den Morden und dem Terror des „Sendero Luminoso“ ihre Häuser verliessen um sich in den Feldern zu verstecken. Die Sicherheit hier hat sich seither stark verbessert und so konnte er dort eine „Don Bosco“ Werkstätte für Jugendliche aus armen und schwierigen Verhältnissen (und nebenbei noch eine Kirche) aufbauen, die er zusammen mit wechselnden Italienischen Freiwilligen leitet. Anstatt im Zelt verbrachten wir die Nacht in einem edlen Zimmer, kamen in den unerwarteten Genuss einer warmen Dusche (!) und wurden zudem zum Znacht mit köstliche Pizza verwöhnt. Dies sollte wohl die komfortabelste Unterkunft für eine lange Zeit bleiben. Die nächste Nacht campierten wir im Rohbau des Fussballstadions (!) des Vierhundertseelendorfs Llipa. Tags darauf erreichten wir schliesslich den, wohl für dieses Tal verantwortlichen, Fluss. Damit hatten wir den tiefsten Punkt – aber nicht den Tiefpunkt – der ganzen Etappe erreicht und uns stand ein Aufstieg bevor, der einem beim blossen Gedanken die Tränen in die Augen trieb. Sogar unsere Räder schlotterten vor Angst. (Wer mit all den nun folgenden Zahlen nichts anzufangen weiss, ersetze sie getrost durch „viel“, „hoch“ oder „streng“.)

Morgens geht's abwärts...

Morgens geht’s abwärts…

...mittags geht's aufwärts...

…mittags geht’s aufwärts…

...und auch nachmittags wird's nicht flacher.

…und auch nachmittags wird’s nicht flacher.

Wegelagerer, für einmal harmlos

Wegelagerer, für einmal harmlos

Über die kommenden 78 km stieg die Strasse um 3’460 Höhenmeter (!) bis zum Pass „Paso Pacomayo“ auf eine Höhe von sauerstoffarmen 4’540m an. Danach gönnte sie sich eine kurze Erholungsabfahrt von sechs Kilometern und zweihundert Höhenmetern, bloss um dann nochmals um geschlagene 470 Höhenmeter zur Punta Chanca auf 4’850m anzusteigen – Mont Blanc Niveau. Wir setzten also um die Mittagszeit ganz unten zum Aufstieg an. Kurz vor fünf Uhr erreichten wir ein bereits auf 2’690m gelegenes Dörfchen und hatten immer noch keinen geeigneten Platz für unser Zelt gefunden – flache Flecken waren hier rar, flache und von der Strasse etwas geschützte noch rarer. Freundlicherweise bot uns dann der junge Adolfo, nachdem er uns in seinem Restaurant/Laden bekocht hatte, ein Zimmer an. Wir nahmen dankend an und legten am nächsten Morgen ausgeschlafen die 25 Kilometer zur auf 3’400m gelegenen Provinzhauptstadt Cajatambo (die Betonung liegt hier nicht auf „Stadt“) zurück. Dort gönnten wir uns taktisch einen freien Nachmittag, um am nächsten Morgen möglichst zeitig den letzten, aber grössten Teil des Aufstiegs in Angriff nehmen zu können. Obwohl wir bereits um acht im Sattel sassen, erreichten wir den ersten Pass (Paso Pacomayo) auf 4’540m nach 25 km erst um ein Uhr, den zweiten (Punta Chanca, 4’850m), keine 19 km weiter, dann erst nach vier Uhr.

in Adolfos tienda

in Adolfos tienda

unterwegs nach Cajatambo

unterwegs nach Cajatambo

Pausenfreunde

Pausenfreunde

falta poco

falta poco

Blick zurück - Cajatambo schon lange ausser Sichtweite

Blick zurück – Cajatambo schon lange ausser Sichtweite

4'800m - eine Lagune hatten wir hier nicht erwartet

4’800m – eine Lagune hatten wir hier nicht erwartet

müde aber oben: 4'850m

müde aber oben: 4’850m

Der Aufstieg war durch, wenn auch spärlich, doch immer noch grüne Täler erfolgt. Hier aber, auf der anderen Seite das Passes, befanden wir uns plötzlich in atemberaubendem aber nichtsdestotrotz hochalpinem Gelände: schroffe Felsen, hohe Berge, Geröllhalden und steile, felsige Tälern. Hier wehte ein anderer, eiskalter Wind….und bereits zogen dunkle Wolken und Nebel auf. Um nicht von der Strasse abzukommen, mussten wir möglichst schnell talwärts fahren, wenigstens bis sich eine Möglichkeit zum Campen bot – denn vor dem Übernachten ganz oben war uns zu allem Überfluss bereits in Cajatambo wegen nächtlicher Überfallgefahr abgeraten worden. So holperten wir, voll eingepackt und trotzdem schlotternd, so schnell es ging (nicht sehr schnell) talwärts. Kurz vor uns die Dunkelheit völlig eingeholt hatte, kamen wir an einer Hirtenhütte vorbei, wo uns die Bewohnerin (!) auf Anfrage nicht nur gerne zwischen ihren Pferden hinterm Haus unser Zelt aufschlagen liess, sondern uns gleich auch noch mit Kuchen und gegrilltem Schafsfleisch (sie hatte Geburtstag) beschenkte. Wir waren von soviel Gastfreundschaft überwältigt und beeindruckt.

die andere Seite des Paso Pacomayo

die andere Seite des Paso Pacomayo

Blick aus dem Zelt - wir kamen von ganz oben

Blick aus dem Zelt – wir kamen von ganz oben

das Heim unserer Gastgeberin

das Heim unserer Gastgeberin

Hirtin Lydia und ihre Neffen

Hirtin Lydia und ihre Neffen

Frisch gesegnet und mit guten Ratschlägen versehen, erreichten wir am nächsten Morgen bereits nach zwei Stunden Abfahrt das kleine auf 3’630m gelegene Bergbaustädchen Oyon. Wiederum gönnten wir uns einen freien Nachmittag, vor allem im Wissen, dass am nächsten Tag der bisher höchste Pass, Abra Rapaz, mit sage und schreibe 4’940m anstand. Dessen im wahrsten Sinne atemberaubende Passhöhe knapp unter der Fünftausendermarke erreichten wir am nächsten Tag wie geplant, nach einem allerdings eher zähen 28 km langen Aufstieg über 1’410 Höhenmeter. Dafür wurden wir mit grandiosen Aussichten, endlosen, menschenleeren Tälern und Herden ängstlicher Lamas belohnt….wenigstens bis wir bei Kilometer 22 über eine erste, sozusagen vorbereitende Passhöhe überwunden hatten.

vor dem Mittagessen

vor dem Mittagessen

andere Täler, andere Farben

andere Täler, andere Farben

nur Berge und wir

nur Berge und wir

Pass vor dem Pass, auch schon auf 4'870m

Pass vor dem Pass, auch schon auf 4’870m

Dahinter herrsche plötzlich Bergbau-Schwerverkehr…grosse Lastwagen, Bagger, Schutthalden und jede Menge Menschen mit Schutzhelmen! Ganz so idyllisches Treiben hatten wir auf dieser Höhe von über 4’800m nicht erwartet. Der Spuk war aber wenige Kilometer später, eine Kurve vor der eigentlichen Passhöhe, wieder vorbei. So konnten wir die 4’940m-Aussicht und das endlose Meer von Bergketten zu unseren Füssen zwar etwas verwirrt und leicht ausser Atem in Stille geniessen.

Bergbau auf höchstem Niveau...

Bergbau auf höchstem Niveau…

...und Aussicht auf höchstem Niveau

…und Aussicht auf höchstem Niveau

viertausendneunhundertvierzig

viertausendneunhundertvierzig

Fahrt ins Tal

Fahrt ins Tal

Bevor es dem nächsten Pass an den Kragen ging, durften wir eine Abfahrt von 1’900 Höhenmeter hinunter holpern und waren danach wieder auf „nur“ 3’000m – zurück zu Feld eins, sozusagen. Nun ging es richtig zur Sache, mit Steigungen von zehn Prozent in Kombination mit losem Schotter wollte uns dieser Pass über 26 km und 1’860 Höhenmeter nichts schenken. Eigentlich kein Gebiet für schwere Räder mit schwerem Gepäck (Rad + Gepäck = 40kg plus). Wer nicht glauben will muss leiden, was wir tapfer taten.

Picoy

Picoy

Blick zurück auf Picoy, letzte Chance einzukaufen

Blick zurück auf Picoy, letzte Chance einzukaufen

Lauschangriff à la peruana

Lauschangriff à la peruana

Als es an der Zeit war, ein Nachtlager zu finden, gab es weit und breit nur steile Hänge! Kurz vor Einbruch der Dunkelheit dann plötzlich eine Hirtenhütte am Wegrand, umgeben von flacher Wiese! Der junge Hirte mit russgeschwärztem Gesicht bot uns in seiner Hütte eine Tasse Kaffee an. Das Räuberhöhlen-ähnliche Innere seiner Hütte erklärte sein schwarzes Gesicht. Er müsse über nacht ins Tal, könne uns aber zur Sicherheit seine Flinte überlassen. Anstelle der Flinte liess er seinen Hund names Rambo zurück, der sich kurz vor sieben in einen Wolf verwandelte. Darauf deutete jedenfalls das pausenloses Geheul hin. Damit hielt er uns die ganze Nacht wach…der Ehrlichkeit halber muss erwähnt sein, dass er sich ab und zu kurze Pausen (im Minutenbereich) gönnte.

camp gesucht

camp gesucht

Hirten und Schafen gehen heim

Hirten und Schafen gehen heim

Camping mit Rambo dem Wolf

Camping mit Rambo dem Wolf

Etwas ausgeruht machten wir uns am folgenden Morgen auf den teils noch vereisten, langen und steilen Weg zur Passhöhe des Abra Chucopampa auf 4’860m. Diese erreichten wir im Laufe des Morgens. Es folgte eine stundenlange Abfahrt hinunter auf 3’700 m, auf einer Piste, die jeder von uns darauf angesprochene Peruaner bloss als „feo“ (hässlich!) zu bezeichnen wusste. Die Täler durch die sie uns führte, entsprachen zum Glück genau dem Gegenteil.

den ersten Sonnenstrahlen entgegen

den ersten Sonnenstrahlen entgegen

Nach einer Stunde Fahrt: Frühstück kochen, sowie Zelt und Schlafsäcke trocknen

Nach einer Stunde Fahrt: Frühstück kochen, sowie Zelt und Schlafsäcke trocknen

früh, kalt & steil

früh, kalt & steil

später, wärmer, aber nicht weniger steil

später, wärmer, aber nicht weniger steil

beissen zur Morgenstund

beissen zur Morgenstund

Siegerlächeln! ...Anstrengung vergessen!

Siegerlächeln! …Anstrengung vergessen!

hinter der Passhöhe

hinter der Passhöhe

Das letzte Dorf hatten wir am frühen Nachmittag des Vortags, zu Beginn des Aufstiegs passiert. Dieses sollte für die nächsten drei Tage das letzte gewesen sein. Allerdings war, seit wir die Hauptstrasse verlassen hatten, bereits kein Verlass mehr auf Versorgung in den Dörfchen und wir hatten uns vorne zu immer wieder mit Nahrung (Avena, Spaghetti, Polenta sowie Fertigsuppen als Saucen), Snacks (Getreideriegel, Schokolade, Mandeln, Salzcracker) und Benzin (zum Kochen) eingedeckt und regelmässig selbst gekocht. Wasser filterten wir mit unserem Katadyn Keramikfilter (Freiheit gegen Gewicht!) jeweils direkt aus kleinen Flüssen und Bächen. Die nächsten gut hundert Kilometer ging es über drei weitere Pässe, immer auf einer „Reisehöhe“ über 4’000 Metern. Die Aufstiege waren daher im Vergleich zu den Tagen zuvor harmonisch, ja geradezu kurz. Die Landschaften hingegen immer noch malerisch weitläufig, mit Lagunen gespickt, verlassen und nur von Schaf- und Lamahirten und deren Herden bewohnt.

Kraftpaket

Kraftpaket

Hirten oder Hobbits? mit Gastgeber Inocente und Freund

Hirten oder Hobbits? mit Gastgeber Inocente und Freund

nächtliche, hustende Nachbarn

nächtliche, hustende Nachbarn

Punta Fierro Cruz (4'820m)

Punta Fierro Cruz (4’820m)

Gipfelglück

Gipfelglück

Lagune bei Punta Fierro Cruz

Lagune bei Punta Fierro Cruz

Wundernasen

Wundernasen

draussen hätte es auch noch Platz

draussen hätte es auch noch Platz

Unsere höchste Nacht im Zelt verbrachten wir über 4’700m, was durchaus seine Tücken hatte: Kaum waren die letzten Sonnenstrahlen verschwunden, war es so bitterkalt, dass wir gerade noch mit Müh und Not heisses Wasser für unser Avena kochen konnten. Eine Stunde später war unser Zelt bereits von innen und aussen mit einer funkelden Eisschicht überzogen.

campspot gesucht

campspot gesucht

morgens früh auf über 4'700m

morgens früh auf über 4’700m

Gramali & Pequeño eingefroren

Gramali & Pequeño eingefroren

vielleicht hilft Sonne, Kaffee und Avena

vielleicht hilft Sonne, Kaffee und Avena

nächtliche Kunst

nächtliche Kunst

Pünktlich zum WM Final erreichten wir das idyllisch an einer blauen Lagune gelegene Dorf Marcapomacocha und bekamen ein Zimmer im einzigen Hotel (mit integriertem einzigem Restaurant). Bonus: Das Zimmer hatte einen, im Gegensatz zur Dusche, funktionierenden Fernseher, was uns ein Finalspiel mit Lagunenblick bescherte.

noch wenige Kilometer bis Marcapomacocha

noch wenige Kilometer bis Marcapomacocha

Bienvenidos a Marcapomacocha

Bienvenidos a Marcapomacocha

Nach einem weiteren Tag auf abgelegenen Rüttelpisten, erreichten wir schliesslich den Verkehrsknotenpunkt La Oroya, eine der, Bergbau sei dank, am stärksten verschmutzten Städte der Welt. Hier mussten wir uns einfach einen Ruhetag gönnen und uns die Bäuche vollschlagen. Und damit waren wir wieder zurück auf Asphalt. Hatten wir die letzten Wochen an manchen Tagen mit Müh und Not knapp 40km zurückgelegt, so waren es nun plötzlich und fast wie von selbst 130. Doch nach nur einem Tag lautlosen Rollens zog es uns wieder zurück auf die holprigen, staubigen Nebenstrassen. Über mindestens zwei kleine Pässe – bei dem Nebel konnten wir nicht sehen ob es noch mehr waren – erreichten wir das kleine, abgelegene Städtchen Pampas. Da das Wetter in regnerischer Stimmung war und sich Regen mit staubigen Strassen gerne zu Schlamm vermischt, entschieden wir uns, unsere Route zu ändern. Wir fanden ein Strässchen, welches uns über einen weiteren Pass auf die, in einem Paralleltal tiefer gelegene Hauptstrasse brachte. Unterwegs begegneten wir jeder Menge unglaublich freundlicher Menschen. Alles Bauern, lebten sie in einfachsten Verhältnissen und waren trotzdem so herzlich und freundlich, dass wir fast nicht mehr vorwärts kamen! Wer umarmt schon wildfremde Radfahrer auf seinem Feld? Herrlich!

Gringos beschnuppern

Gringos beschnuppern

Wollhunde

Wollhunde

Unterwegs nach Pampas: Bei Nebel und eisiger Kälte

Unterwegs nach Pampas: Bei Nebel und eisiger Kälte

Pampas, alle wollen zum Sonntagsmarkt

Pampas, alle wollen zum Sonntagsmarkt

Victor hätte uns Käse geschenkt

Victor hätte uns Käse geschenkt

auf abgelegenen Pfaden nach Quichuas an die Hauptstrasse

auf abgelegenen Pfaden nach Quichuas an die Hauptstrasse

Die angebliche verkehrsreiche Hauptstrasse entpuppte sich als asphaltierte, aber einspurige Strasse. Diese wand sich für den markanten peruanischen Fahrstil (unbedacht, schnell, rücksichtslos) viel zu eng und kurvenreich durch das Tal des Rio Mantaro. So herrschte zu unserer grossen Überraschung nur wenig Verkehr und wir konnten die landschaftlich abwechslungsreichen 80 km in Ruhe schwitzend geniessen, bevor es für nochmals so viele in die koloniale Stadt Ayacucho hinaufging. Bienvenidos a Ayacucho!

Im Tal des Rio Mantaro

Im Tal des Rio Mantaro

Hauptstrasse

Hauptstrasse

Richtung Ayacucho

Richtung Ayacucho

Wahlkampf überall

Wahlkampf überall

Endlich da!

Endlich da!

Hotelsuche - und dann Füsse hoch!

Hotelsuche – und dann Füsse hoch!

…und zum Schluss folgt wie üblich die Gallerie mit den Bildern aus dem Text und weiteren:

Perus Norden | in die Anden

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1’374 Kilometer 37 Tage / davon 14 „radfrei“

4’767 MüM Maximalhöhe

24’000 gefahrene Höhenmeter

gefahrene Pässe:
Abra Barro Negro (3’600m)
Abra el Indio (3’050)
Abra Gran Chimú (3’700m)
Portachuelo de Llanganuco (4’767m)
Punta Olimpica (4’738m)

Sonst noch vorgefallen:
5 Stürze (1 x im Fluss, 1 x auf Schotter, 2 x auf Laterit)
im Schlamm festgesteckt
1 Flussüberquerung mit Boot
1 Frontalangriff durch Kuh
gefühlte 1001 Hundeattacken (sämtliche Rassen)
3 Vogelspinnen gesehen

Route: la Balsa (Grenze Ecuador) – Namballe – San Ignacio – Jaén – Bague Grande – Pedro Ruiz – Tingo Nuevo/Tingo Viejo – Leymebamba – Balsas – Celendin – Cajamarca – San Marcos – Cajabamba – Huamachuco – Mina San Simon – Mollepata – Pallasca – Sayacucha – Chuquicara – Yuramarca – Caraz – Yungay – Yanamá – Chacas – Carhuaz – Huaraz

PERUS NORDEN

Nachdem wir vor dem letzten kleinen Laden auf der ecuadorianischen Seite der Grenzbrücke von zwei jungen Peruanern anständig ausgefragt worden waren – „Warum trinken Europäer so viel Kaffee? Bitte sagt allen, sie sollen noch mehr trinken! Warum wohnen in Peru viele Amerikaner? Warum kommt ihr nicht mit dem Motorrad? Was kostet Bier in Europa? Warum bleibt ihr nicht zuhause? Fahrt ihr durch Brasilien heim? – holperten wir über die kleine Grenzbrücke nach Peru. Dort war der zuständige Zollbeamte gerade nicht auffindbar. Er schien etwas müde gewesen zu sein und hatte eine verlängertes Mittagsschläfchen eingelegt. Mit zwei Stunden Verspätung öffnete er dann um drei Uhr sein Büro, verständlicherweise etwas verärgert über die Störung und die anstehende Arbeit. Trotzdem liess er uns einreisen, wozu dann leider auch der Kollege von der Polizei aufstehen und sich die Hose zuknöpfen musste, was auch ihn nicht zu grosser Fröhlichkeit veranlasste. So waren wir schliesslich in Peru. Seit Monaten schien es ein Land in weiter Ferne – und jetzt waren wir da. Hier fing der Asphalt wieder an und wir rollten die sechs Kilometer zum ersten Dorf wie von selbst. Dort fanden wir auch gleich ein Doppelzimmer in einer „Hospedaje“. Die gute Frau wollte dafür 15 Soles (5.-Fr.). Daina, in Gedanken immer noch bei den Dollars, fand dies doch etwas viel… nach etwas rechnen konnten wir das Angebot aber doch nicht auszuschlagen! Bereits jetzt entstand bei uns aber der Eindruck, dass Peru in Sachen Entwicklung mindestens zehn Jahre hinter Ecuador und Kolumbien liegt. Dieser sollte sich bestätigen.

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Verschnaufpause

Der Regen aus Ecuador war auch schon da und wir wurden die nächsten Tage regelmässig nass. Schlimmer aber setzte der, schon seit Monaten anhaltende Regen, der bereits aufgeweichten Hügellandschaft zu. Das Resultat waren Erdrutsche ohne Ende. Mal waren Teile der Strasse weggebrochen, dann wieder war die Strasse von Teilen des Hanges verschüttet oder von Schlammmassen bedeckt. Wir kamen immer durch, aber es war weiterhin Dreckspass angesagt.

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Derrumbes – Erdrutsche über die Strasse

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und plötzlich wie in Asien

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Kaffee „strassentrocken“

Dieser erreichte wenige Tage darauf seinen Höhepunkt, als wir kurz vor Jaén, der ersten grösseren Stadt, eine „Abkürzung“ nahmen. Die „Fähre“ über den Rio Marañon (der später übrigens zum Amazonas wird) ersparte uns einen Umweg von etwa 30 Kilometern und somit eineinhalb bis zwei Stunden. Da es am Morgen geregnet hatte, wurde der schmale Weg zum Fluss zusehends weicher und matschiger und als uns nur noch wenige Kilometer vom Fluss trennten war es dann soweit: Wir klebten fest wie Fliegen am Fliegenfänger! Alles war vom Schlamm verklebt: Reifen, Schutzbleche, Bremsen, Füsse und Schuhe. Letztere liessen sich nur noch mit grösster Mühe vom Boden lösen – mit Schneeschuhgrossen Schlammtellern an den Sohlen. An Vorwärtskommen war nicht mehr zu denken! Also hiess es Räder an den Strassenrand tragen, absatteln, vom Schlamm befreien und zwar solange, bis sich sowohl Vorder- als auch Hinterrad wieder drehen liessen. Also wieder alles beladen….nur um bereits nach einem Meter und einer Reifenumdrehung wieder von vorne zu beginnen – hoffnungslos! Während wir uns abmühten und zu nichts kamen, kam uns die Sonne zu Hilfe: Der Schlamm tocknete langsam immer mehr ein. So ermuntert, versuchten wir es mit einer neuen Taktik. Diesmal barfuss hoben wir beide Fahrräder vom Rand in die Mitte der Strasse und stellten sie genau in eine frische Motorradspur. Einmal in der Spur, schoben wir vorsichtig….und siehe da, es klappte, wir kamen voran! So tappten wir nun Meter um Meter durch den Schlamm, immer auf der Hut, ja nicht aus der schmalen Spur zu kommen und erreichten nach zwei langen Kilometern wieder „festen“ Boden und wenig später das Ufer des Flusses. Die ganze Aktion hatte über zwei Stunden gedauert. Das Verladen der Räder auf das kleine Boot war dann reine Erholung.

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Fahren unmöglich

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verklebt!

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Arbeit

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„Radwandern“ – einzige Lösung

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Radverlad

Nun begann die Strasse langsam anzusteigen und brachte uns in den nächsten drei Tagen sanft von 400 auf eine Höhe von gut 2000 MüM (Meter über Meer). Im kleinen Dorf „Tingo Nuevo“, eigentlich mehr ein paar Häuser am Strassenrand, bezogen wir ein äusserst verdrecktes Zimmer in der einzig offenen Hospedaje (billige Unterkunft) des Ortes und dann hiess es für einmal wandern statt fahren. Begleitet von Rex, dem Schäferhund der Hospedaje, stiegen wir in zweieinhalb Stunden auf Zick-Zack-Pfaden zur auf 3000 MüM gelegenen Ruinenstadt Kuelap auf. Der Besuch dieser immensen, spektakulär auf einer Bergspitze gelegenen Ruinenstadt der Chachapoya-Inkas war mit ein Grund für unsere Routenwahl durch Perus Norden gewesen. Sie gilt als ruhigere (~50 Besucher pro Tag), weil relativ abgelegene Alternative zum überlaufenen Machu Picchu (2500 Besucher täglich!). Der Pfad führte uns an die Rückseite der Ruinen heran. Dies hatte den Vorteil, dass wir wohl Eintritt bezahlen mussten, aber nicht dazu gezwungen wurden einen obligatorischen Guide zum Besuch der Ruinen zu nehmen. So konnten wir die grossflächige, zu grossen Teilen noch überwachsene Anlage auf eigene Faust und nur begleitet von unserem vierbeinigen Guide Rex erkunden und in aller Ruhe die fantastischen Ausblicke auf die Umliegenden Berge und Täler geniessen.

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Regenwolken über Kuélap

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vom Regen gejagt: Ankunft in Tingo nuevo

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Ruinen von Kuélap

Nur einen verregneten Radtag weiter erreichten wir den kleinen, malerischen Ort Leymebamba. In dessen Nähe wurden 1996 über zweihundert Inka- und Chachapoya-Mumien unterschiedlichten Alters gefunden. Diese können in einem kleinen Museeum ausserhalb des Dorfes bewundert werden. Eine eindrückliche Sache! Nach Leymebamba stieg die Strasse merklich steiler an. Von gut 2200 MüM kämpften wir uns einen Morgen und dreissig Kilometer lang bis zur Passhöhe der „Abra Barro Negro“ auf 3600 MüM …. und wurden mit einer für uns ebenso überraschenden wie atemberaubenden Aussicht belohnt! Spätestens jetzt war klar: Wir waren nun wirklich in den Anden angekommen!

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in den Anden angekommen

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Zick Zack

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Kulisse: der Aufstieg des nächsten Tages

Auf die Mühe und den Schweiss des Morgens folgte dann eine spektakulären, sechzig Kilometer lange Abfahrt. Auf einer asphaltierten, einspurigen und meist extrem exponierten Strasse sausten wir durch steile Bergflanken hinunter ins Tal des Rio Marañon (ja, der mit dem Schlamm). Drei Stunden später und 2800 Höhenmeter tiefer erreichten wir das kleine Dorf Balsas, den Fluss und damit die Talsohle auf nurmehr 800 MüM. Dort campierten wir auf Anraten der Polizei im kleinen Park, mitten in der einzigen Kreuzung des Dorfes und zugleich direkt vor der Polizeistation. Es wäre hier absolut ruhig und friedlich und kein Problem, tranquilo…einzig sollen wir bitte nicht zu nahe vor ihrer Station campieren, damit sie die Angreifer im Falle eines Angriffs auf ihre Station sehen könnten. Sehr beruhigend! Wir hatten aber eine einigermassen ruhige Nacht im Park. Umso erstaunter waren wir am nächsten Morgen, als wir beim Benutzen der Polizei-Toilette sahen, dass die ganze Station blutverschmiert war – doch nicht ganz so tranquilo?!

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…nach fünf Stunden Aufstieg

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…nach sechs Stunden: Mittagsapause am Strassenrand

nach knapp neun Stunden

Panorama nach knapp neun Stunden

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unterwegs angetroffen

Am folgenden Tag stand ein Aufstieg von knapp 45 Kilometern und 2300 Höhenmetern an. Der Berg türmte sich als Koloss von einer Wand vor uns auf, der uns den ganzen Tag auf Trab halten sollte. Bei bereits brütender Hitze verliessen wir Balsas um acht Uhr morgens, erreichten die Passhöhe auf 3100 MüM erst um fünf Uhr nachmittags – neun Stunden, 7 Liter Wasser, unzählige vernichtete Schokoriegel und drei angetroffene Vogelspinnen nach unserer Abfahrt. Erschöpfungsgrad: Verlust der spanischen Sprache. Nochmals fünfzehn Kilometer später und bereits wieder 500 Höhenmeter tiefer, suchten und fanden wir im ruhigen Städtchen Celendin ein Zimmer. Dort gönnten wir uns erstmal einen Tag Auszeit, um dann die 109 Kilometer und die beiden Pässe Abra del Inca, 3050m, und Abra Gran Chimú, 3’700m, (wobei der eine im Aufstieg zum andern liegt), die uns noch von der Provinzhauptstadt Cajamarca trennten, in einem Tag zu meistern. In Cajamarca, der Stadt der irrsinnig grossen Hüte, spannten wir beinahe eine Woche aus und trafen (bereits zum vierten Mal auf dieser Reise!) auf Roman. Der war zufällig zur selben Zeit am selben Ort und gleich noch im selben Hotel untergekommen.

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Jetzt hat er wieder Luft im Pneu – und er hat sich unsere Pumpe genau angesehen, um sie nachzubauen

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Mercado de Huamachuco

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Gemüsekauf

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scharf und würzig

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Umzug in Cajamarca

Unser nächstes Etappenziel war die Cordillera Blanca. In dieser 180 Kilometern langen, mit gewaltigen Gletschern gekrönten und imensen Schneeriesen gespickten Bergkette in den nördlichen Anden Perus, tummeln sich die höchsten Berge des Landes – viele davon höher als 6000 Meter. Da bot es sich ja irgendwie an durchzufahren! Bis dorthin lagen aber noch einige Tage „Arbeit“ vor uns. Nach drei Tagen Asphalt legten wir in dem kleine Städtchen Huamachuco einen Tag Pause ein und verliessen danach die Hauptstrasse. Ab jetzt war unsere Karte zu ungenau und wir mussten uns in regelmässigen Abständen durchfragen. Immer schön aufwärts wurden die Wege zusehends holpriger und wir kamen in immer abgelegenere Gebiete wo nur noch hie und da schmutzige Gestalten aus privaten Kohleminen (Löchern im Berg) herausjohlten. Je höher wir kamen, umso steiler wurde die Schotterpiste und eine darüberliegende Schicht aus knöcheltiefem, feinstem Staub machte das Vorwärtskommen immer schwieriger und zwang uns immer öfter zum absteigen. Um fünf Uhr nachmittags hatten wir so gerade einmal vierzig Kilometer zurückgelgt. Erschöpft fanden wir auf knapp viertausend Meter Höhe einen fantastischen, einsamen Platz für unser Zelt, mit einem Meer an Bergen zu unseren Füssen.

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Kohlelaster

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Kohleschürfer – Leben mitten im Nichts

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immer höher, immer holpriger

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über den Wolken

Höhenlager

Höhenlager

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Blick bis fast ans Meer

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Reisende

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Minenlandschaft

Nach einem weiteren Tag holprigster Pisten erreichten wir am Nachmittag ein Dorf und wurden beim Verlassen von einem Mann gefragt, was wir hier eigentlich täten. Solche wie wir würden hier umgebracht und ihnen die Organe entnommen. Was für ein Spassmacher, dachten wir uns. Abends im nächsten Dorf wurden wir von verschiedenen Leuten besorgt gefragt, ob uns niemand etwas getan hätte. Wie sich herausstellte, kursierten Gerüchte über „Gringos“, die Kinder töteten um ihnen die Organe zu entnehmen. Besorgte Bürger hätten bereits Bürgerwehren gebildet und würden vielleicht etwas überstürzt handeln…aus unserer Sicht doppelt beunruhigend. Dies erklärte aber den vermeintlichen Witzbold und die bei unserem Anblick panisch in die Wälder flüchtenden Kinder. Eine rührend freundliche Hotelbesitzerin stellte uns dann für eine sichere Weiterreise ein Referenzschreiben aus – wir wurden nie danach gefragt.

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Erst hinab…

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…..

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…und auf der anderen Seite wieder hinauf!

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eine Coral zu Füssen

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Felder

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Pallasca

Drei wreitere, lange Tage standen uns noch bevor, ehe wir die weissen Gipfel der Cordillera Blanca zu Gesicht bekamen. Bergauf, bergab, von morgens früh bis zum Einbruch der Dunkelheit flitzten und holperten wir durch Schluchten und Täler, die in jedem „StarWars“-Film eine gute Figur gemacht hätten. Die Nächte verbrachten wir im Zelt: Eine davon im Hof einer netten Familie, da weiter vorne die Strasse (genauer gesagt die ganze Bergflanke) über rund hundert Meter weggerutscht war. Nachteil: schwierig zu passieren. Vorteil: Kein Verkehr weil nur für Fahrräder passierbar!

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Znacht bei Isabel, Franklin und Segundo

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sausen auf Teer

80 Kilometer Abfahrt...

80 Kilometer Abfahrt

...mit Hindernissen.

Felswand statt Strasse

Am dritten Tag, nach holprigen, staubigen siebzig Kilometern, 36 klaustrophibisch schmalen Felstunnels und über 1500 Höhenmeter durch den oft nur ein paar Meter breiten „Cañon del Pato“ (die Entenschlucht) war es dann soweit: Wir waren am Fusse der Cordillera Blanca angekommen.

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Wüste

Kaktusgesicht

Kaktusgesicht

In der Schlucht

„Cañon del Pato“

Tunnel um Tunnel um Tunnel

Tunnel um Tunnel um Tunnel

Zur Feier des Tages wurden verschiedene Panaderias (Bäckereien) im kleinen Ort Caraz heimgesucht und deren Torten getestet. Nach einem Ruhetag zu Ehren unserer Gesässknochen entschieden wir uns, uns eine längere Pause in der nur noch siebzig Kilometer entfernten Stadt Huaraz erst noch zu verdienen. Dazu schien uns eine kleine Runde durch die Berge, genauer gesagt um den mit 6’768m höchsten Berg Perus, den „Nevado Huascaran“, gerade richtig. So rollten wir für einmal gemütlich ins nur 14 Kilometer entfernte Dörfchen Yungay, um von dort am nächsten Morgen zu unserer kleinen Expedition aufbrechen zu können. Nach einem Frühstück aus Spiegelei-Sandwiches und Kaffee (in Peru das Frühstück unserer Wahl) und Proviantshopping im Markt waren wit unterwegs. Wie gewöhlich war kaum aus dem Dorf der Aspalt zuende – wir sollten ihn erst drei Tage und 120 Kilometer später wiedersehen. Den ganzen Morgen fuhren wir kontinuierlich steigend auf den riesigen, weissen Riesen „Huascaran“ zu.

Gletschersicht

Gletschersicht

Angsthasen

Angsthasen

Morgenpanorama

Morgenpanorama

Laguna Llanganuco...weiter unten

Laguna Llanganuco…weiter unten

erste Schritte

morgens, frisch aus den Büschen

Am Nachmittag wand sich die Strasse schliesslich durch eine schattige, steil ansteigende Schlucht an ihm vorbei und wir erreichten die beiden türkisglitzernden Llangauco Lagunen. Zeit, ein ruhiges Plätzchen für die Nacht zu suchen, welches wir schliesslich auf gut 3800 MüM nahe eines plätschernden Gletscherbaches fanden. Unsere nächste Tagesetappe überraschte etwas, weil auf der Karte nicht ersichtlich, mit einem Pass. Ganze fünfeinhalb Stunden benötigten wir für die 17 Kilometer und 900 Höhenmeter zum, auf stolzen 4767MüM gelegenen, Pass „Portachuelo de Llanganuco“. Dabei wurde das Panorama bei jeder der gefühlten 30 Kehren noch grandioser, der lose Schotter noch tiefer und das Anfahren noch schwieriger wurde. Dann, wenige Kehren von der Passhöhe entfernt, ein Schreckensmoment! Dem plötzlichen Frontalangriff einer Kuh mit gesenkten Hörnern, konnte Robin durch lautes Brüllen gerade noch im letzten Moment entkommen (und vor allem auf den letzten Metern). Waren die Lenkerhörnchen etwas gar provokativ montiert?

Alpamayo über der Laguna Llanganuco

Nevado Alpamayo (5947m) über der Laguna Llanganuco

Laguna Llanganuco

Laguna Llanganuco

erkämpfte Höhenmeter

erkämpfte Höhenmeter, Werk eines Morgens

Passhöhe!

Passhöhe!

vertausendsiebenhundertsiebenundsechzig!

viertausendsiebenhundertsiebenundsechzig!

Abfahrt vom Portachuelo

Abfahrt vom Portachuelo

Nach euphorischen Momenten auf der Passhöhe, freuten wir uns auf die erhoffte Abfahrt ins 30 Kilometer entfernte Dorf Yanamá….die Freude wich dann jedoch ziemlich schnell ziemlicher Frustration! Die „Strasse“ war ebenso holprig wie der Aufstieg – genau, darum hatten wir 5 1/2 Stunden für bloss 17 Km gebraucht! Bei dermassen vielen Steinbrocken in allen Grössen und Formen kamen wir abwärts kaum schneller voran als aufwärts, dies auch aus Rücksicht (oder Weitsicht?) auf unsere schwer bepackten Räder und Angst vor Speichenbrüchen. Dieser Strassenzustand sollte uns über die nächsten zwei Tage be(un)glücken und an den Rand der Verzweiflung treiben.

Schafe statt Lamas

Schafe statt Lamas

scheue Aufmerksamkeit

scheue Aufmerksamkeit

in eisigen Höhen

in eisigen Höhen

Chacas

Chacas

Der vierte und letzte Tag unserer „Tour de Cordiellera Blanca“ forderte uns nochmals mit einem Pass. Diesmal wieder auf Asphalt, flitzten wir die 30 Kilometer und 1378m Höhendifferenz zur „Punta Olimpica“ auf 4738 MüM in vier Stunden hinauf. Die fünfzig Kilometer lange Abfahrt auf der anderen Seite war wie Balsam für unsere durchgeschüttelten Seelen und wir erreichten das, auf rund 2500 MüM gelegene Städtchen Carhuaz (und damit die Talsohle des Tales, aus dem wir gestartet waren) bereits um vier Uhr Nachmittags.

Blick nach vorne

noch mehr Gletscher

Eismassen in Sicht

Eismassen in Sicht

Bereit für 50 Km Abfahrt!

Bereit für 50 Km Abfahrt!

Abfahrt von der Punta Olimpica, 4736 Meter

Abfahrt von der Punta Olimpica, 4736 Meter

Blick zurück nach oben - Huaraz wir kommen

Blick zurück nach oben – Huaraz wir kommen

Jetzt trennten uns noch 34 Kilometer Hauptstrasse, die wir am folgenden Tag noch hinter uns brachten, von Huaraz und damit von ein paar Tagen Pause. Unsere Hintern werden es uns danken!

….jetzt fehlt noch die Galerie mit obigen Fotos und noch mehr:

Ecuador | Anden und Amazonas

1’269 Kilometer, davon flach: ca. 80 Kilometer

51 Tage / davon 25 radfrei Tage

Maximalhöhe: 4078 MüM

2 Platten, 1 Sturz durch Hundeattacke,  1 Spitalbesuch, 1 Stuhl- und Blutanalyse

Route: Tulcan (Grenze Kolumbien) – El Angel – Ibarra – Otavalo – El Quinche – Tumbaco (Quito) – Papallacta – Baeza – Tena – Puyo – Palora – Macas – Bella Union – Límon – Comunidad „Shuar“ Sharup – Gualaquiza – Yantzaza – Zamora – Loja – Cuenca (Bus hin und zurück) – Loja – Vilcabamba – Yangana – Palanda – Zumba – La Balsa (Grenze Peru)

Nach über drei Monaten in Kolumbien reisten wir am Morgen des 24. März 2014, von Ipiales nach Tulcan in Ecuador ein. Der Grenzübergang war noch im Halbschlaf und die Einreiseformalitäten dermassen fordernd, dass sich die ecuadorianische Zolllbeamtin zwischen lesen und stempeln von Robins Pass glatt im Nebenraum ein Glas Pepsi gönnen musste (dank Fenster in Sichtweite aller Wartenden). So frisch gestärkt wurde dann noch ermahnt, dass die drei Monate Aufenthalt im Land auf keinen Fall überzogen werden dürfen! Dann sauste auch schon der Stempel nieder und wir durften einreisen. An diesem Punkt schafften wir es unabsichtlich, die Gepäckkontrolle ausserhalb des Gebäudes zu umgehen, beziehungsweise -fahren….und schon waren wir zurück auf der Strasse. Wie immer waren wir gespannt, was sich mit dem Grenzübertritt so alles ändern würde. Entgegen unseren Erwartungen, fanden wir Ecuador jedoch nicht ärmer als Kolumbien, die Strassen waren nicht schlechter, die Läden nicht leerer (im Gegenteil) und die Zimmer nicht billiger. Auch war das Essen nicht (wie man uns in Kolumbien wiederholt versichert hatte!) scheusslich, sondern bestens! Alles funktionierte, wie immer in einem neuen Land, einfach ein Bisschen anders und es galt erst herauszufinden wie. 

Willkommen in Ecuador

Blick zurück auf Kolumbien

Bereits nach wenigen Kilometern und nachdem wir erst einmal eine Handvoll Dollar am Bancomaten abgehoben hatten (in Ecuador regiert der Dollar), bogen wir von der Panamericana (sprich Schwerverkehr) auf eine ungeteerte Nebenstrasse (sprich Feldweg) ab. Dies verhiess weniger Verkehr (1 Motorrad, drei Autos), kein Asphalt und eine schöne Route über den „Páramo“ von El Angel, einem Naturschutzgebiet. Wir stiegen die nächsten Stunden höher und höher und höher und überquerten so etwa die vierzig Kilometer des Páramo, der sich ständig veränderte und hinter jeder Kurve nochmals schöner wurde. Und auch weiter anstieg…

Gräser bis zum Horizont

Paramo

Wasser und Schlamm

…so weit das Auge reicht

Aber nicht nur schöner, sondern auch immer nasser wurde es – erst die Wiesen, dann die „Strasse“, dann auch wir. In dichtem Nebel und strömendem Regen erreichten am frühen Nachmittag den auf 3700 Metern über Meer gelegenen höchsten Punkt und hatten eine lange, nasskalte und rutschige Abfahrt bis ins wieder 700 Höhenmeter tiefer gelegene Dorf El Angel vor uns. Dort nahmen uns die Bomberos (Feuerwehr) herzlichst auf und richteten uns in ihrer (mit anderen Ämtern gemeinsam genutzten) Wartehalle ein Nachtlager eine ….eine erste Gelegenheit, sich ein Bild über die sprachlichen Auswirkungen des Grenzübertritts zu machen.

Bombero-Wartesaal-Camping

Weiter ging es munter, nun wieder auf Asphalt, erst lange hinab (von 3000m auf 1400) und anschliessend länger wieder hinauf – hohe Berge, tiefe Täler, viele Kurven, rasende Autos. Als wir am Abend bei Ibarra einen Platz zum campieren suchten, sprang plötzlich Roman neben uns aus einem Taxi – mit ihm hatten wir drei Wochen zuvor in San Agustin, Kolumbien, ein paar gemütliche Tage verbracht. Wir checkten daher ins selbe Hostal ein und testeten die Wirkung ecuadorianischen Rums. Fazit: Funktioniert! …und man kann am nächsten Tag gut weiterfahren – wir mit den Rädern, Roman mit dem Bus. In Otavalo verabschiedeten wir uns am Abend darauf von Roman, um am nächsten Tag in Richtung Quito zu fahren. Ein Zwei-Tages-Unternehmen, bei dem wir die Dörfer unterwegs erkundeten und herausfanden, dass es auch in Ecuador mittags „Almuerzos“ gibt (abends „Merienda“ genannt). Menüs, die in der Regel aus Suppe, Hauptgericht mit wahlweise Hühnchen, Schwein oder Rind (gebraten oder „im Saft“, immer mit Reis, Bohnen/Linsen und Salat) und einem Glas Fruchtsaft. Eine meist feine Sache und vor allem – um der Eintönigkeit vorzubeugen – anders als in Kolumbien. Und dies zum Preis von etwa 2$ US…damit ihr auch Mal wisst, was wir so zu beissen kriegen.

mit Roman in Ibarra

Ibarra

in den Strassen von Ibarra

Souvenirmarkt Otavalo

„Indigena“ Otavalo

Laguna San Pablo

Unterwegs passierten wir „la mitad del mundo“, den Äquator. Einen alten Bekannten, dem wir schon in Gabon und zuletzt in Uganda begegnet waren. Zu seinen Ehren gab es hier gleich zwei Monumente: Ein kostenpflichtiges neues und, keine 50 Meter davon, ein frei zugängliches altes. Für jeden Geldbeutel etwas.

la mitad del mundo – am Äquator

Iglesia der „Virgen de El Quinche“

…weit und bergig

Je näher wir Ecuadors Hauptstadt Quito kamen, umso stärker wurde der Verkehr und wir waren froh, als wir endlich Tumbaco, einen Vorort Quitos, erreichten. Bereits im Vorfeld hatten wir mit Santiago, dem freundlichen Besitzer der „Casa de Ciclistas“, Kontakt aufgenommen. Seit 23 Jahren bietet er, Fahrradmechaniker und Mountainbikenthusiast sondergleichen, Radreisenden aus aller Welt ein Dach über dem Kopf an – kostenlos, wohlgemerkt! Dazu offerierte er jede Menge Tips zur Routenwahl. Dieses unglaubliche Konzept der „Casa de Ciclistas“ findet sich in ganz Lateinamerika immer wieder. Sie werden von Privatleuten betrieben und bieten neben einer Unterkunft oder Platz fürs Zelt und oft auch die Möglichkeit, andere Radreisende zu treffen. Wir campierten eine Woche lang im „Bunker“, einer offenen Garage in Santiagos riesigem Garten, den wir eine ganze Woche lang für uns alleine hatten.

Santiago, Gastgeber Casa de Ciclistas Tumbaco

der „Bunker“, Casa de Ciclistas Tumbaco

Bidon füllen, Casa de Ciclistas<

Von Tumbaco aus fuhren wir jeden Tag mit dem Bus ins auf über 3000m gelegene und sich über satte 40 Kilometer erstreckende Quito hinauf. Wir genossen das Touristenleben ohne Rad, schlenderten, mampften und knipsten wie die grossen und verbrachten Stunden in prall gefüllten Stadtbussen. Aber auch etwas Shopping musste sein. Denn an unseren Kleidern zieht das Radtourenleben – im Gegensatz zu uns! – nicht unbemerkt vorbei und sie lösen sich nach und nach auf. Hierzu hatte Quito „Malls“ ohne Ende und zwar in Ausmassen, wie wir sie hier nicht erwartet hätten!

Quito

Suppe im „Mercado“, Quito

unglaubliche Vielfalt

Und dann wie weiter durch Ecuador – Küste, Berge oder Amazonasbecken? Wir entschieden uns für letzteres, da wir Küste schon hatten und Berge auch in Peru im Überfluss zu finden sein werden. So verabschiedeten wir uns nach einer Woche Stadtcamping von Santiago und seiner Familie und machten uns auf den Weg in den „Oriente“, wie Ecuadors Teil des Amazonasbeckens genannt wird. Davon trennten uns aber noch eine Bergkette der Anden. Diese wollte erst bezwungen werden. Nach einem späten Start gingen wir den Aufstieg an, erst auf einer neuen Schnellstrasse (mit Radstreifen!), dann auf einem ruhigen Kiessträsslein stiegen wir höher und höher.

Schulreise trifft auf Radreise

höher, höher

Als es allmählich einzudunkeln begann, hatten wir sämtliche Zivilisation hinter uns gelassen. Dafür hatten wir jetzt eine sich rasend schnell auftürmende Wand aus Gewitterwolken im Nacken. Abgesehen davon waren wir uns nicht sicher, ob wir die Passhöhe noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen würden. Wir waren davor gewarnt worden, zu weit „oben“ zu campieren: Dort würden gefährliche Menschen nachts ihr Unwesen treiben. Bloss wie weit waren wir noch von der Passhöhe entfernt? Es war nicht abzusehen. So kehrten wir schliesslich um und fuhren mehrere hundert, zuvor hart erkämpfte Höhenmeter zurück, bis wir schliesslich, kurz vor Sonnenuntergang‘ in einer gut versteckten Ecke des „Coca Cayambe“-Nationalparks unser Zelt aufschlugen. Dazu zwickte uns der Wächter des einzigen Hauses weit und breit ein Loch in den Stacheldrahtzaun des Nationalparks, welches er am nächsten Morgen wieder hinter uns schloss.

Nach einem frühen Start, möglichst ohne entdeckt zu werden, und zwei Stunden Aufstieg erreichten wir am nächsten Morgen kurz nach acht Uhr die Passhöhe auf 4078 MüM. Die verdiente Abfahrt fiel dann bitterkalt aus: in strömendem Regen sausten wir ins Tal und sollten bald feststellen: Im Oriente regnet es täglich. Allerdings nicht wie erwartet in Form von heftigen topischen Regengüssen, sondern oft als feiner Nieselregen – genug um uns nass und die Sonne fernzuhalten.

Frühsport

4000m

Rückblick

Morgenhygiene

die letzten Meter sind steil

Beweisfoto

 So sausten wir von über 4000 auf knapp 1000 Meter über Meer in Ecuadors erstaunlich hügligem Teil des Amazonasbeckens und hielten uns von nun an – und auch aus Mangel an Alternativen – an die durchwegs asphaltierte „Troncal Amazonica“, die einzige Strasse, die den tropischen Osten Ecuadors von Norden nach Süden durchquert. Nach den ersten zweihundert, überraschend bergigen Kilometern, suchten und fanden wir dann eine Möglichkeit, dem Verkehr zu entkommen. Diese Route folgte über etwa 60 Kilometer der alten Strass, versprach Abwechslung und wir hofften, vielleicht etwas mehr Natur zu sehen als auf der relativ vielbefahrenen „Troncal“. Wir erkundigten uns in Puyo, der nächstgelegenen Stadt über die Sicherheitslage und die Strecke wurde uns von verschiedenen Seiten wärmstens empfohlen. So rollten wir fast ohne Verkehr, aber auf einer brandneuen Strasse, dahin und genossen die Ruhe und die Natur um uns herum. Dabei kamen wir durch immer kleinere Dörfchen mit auffallend unfreundlich blickenden Menschen. Wohl gerade schlechte Stimmung, dachten wir uns. Bis wir am Ende der neuen Strasse auf einen Arbeiter trafen. Dieser fragte uns mehr oder weniger entsetzt, was wir hier täten. Diese Dörfer wären Fremden gegenüber gar nicht froh gesinnt (aha!) und würden auch regelmässig Autos angreifen. Weniger regelmässig, aber auch schon vorgekommen, würden sie Fremden die Köpfe abschneiden. Er riet uns daher, die nächsten zwanzig Kilometer oder so auf keinen Fall anzuhalten. Dies klang für uns vernünftig und wir hielten uns mit einem etwas mulmigen Gefühl daran! Es wollte uns jedoch niemand unsere Köpf streitig machen. Was genau jedoch das Problem in dieser Gegend war, fanden wir nicht heraus. Wir hielten uns aber danach wieder an die Hauptstrasse

Gymnastikraum-Camping

It’s a rainy week

Blick übers Amazonasbecken

Wo ist Daina

Amazonischer Supermarkt

Disneyland

wackelig

der einzige Weg über den Fluss

Je weiter südlich wir kamen, umso bergiger wurde die Strecke. Obwohl wir täglich zwischen acht und neun Uhr morgens aufbrachen und um die acht Stunden in die Pedale traten erreichten wir die gesetzten Tagesziele nicht immer. Dies führte beispielsweise dazu, dass wir eines abends in einem kleinen 20-Häusernest namens Bella Union im überdachten Hof der Schule campierten. Gut versteckt dachten wir uns. Hier hätten wir unsere Ruhe, hatte man uns versichert, denn um acht Uhr würden bereits alle schlafen….ausser einem Haufen Betrunkener, die das gute Versteck und das Dach gegen den Regen auch schätzten. Sie wussten wohl nichts von der Nachtruhe und hielten uns bis morgens um drei mit Gitarre, Gesang, philosophischem Gelaber und sporadischen Besuchen wach.

gut gehängt

Gesellschaft beim Kochen

San Juan Bosco

vom Regen gejagt

Wo gehts hier zum Mittagessen

Zwei Tage später fragten wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit bei einem kleinen Ansammlung von Häusern nach, ob sich wohl irgendwo ein Platz für uns und unser Zelt finden liesse. Sogleich erschien der „Kulturverantwortliche“ mit dem untypischen Namen Holger. Er empfing uns mit offenen Armen und quartierte uns gleich in einem leeren Raum im ehemaligen Kinderhort (!) ein – in den Zimmern nebenan wohnte der Lehrer des Dorfes mit seiner Familie. Wir waren in der „Comunidad Shuar Sharup“ gelandet, einem kleinen Dörfchen, das schon seit Jahrhunderten hier existiert. Traditionel lebten die Shuar, wohl besser durch den (so versicherte man uns) mittlerweile aufgegebenen Brauch, die abgetrennten Köpfe von Feinden in Schrumpfköpfe zu verwandeln. Wir wissen jetzt auch wie.

Comunidad Shuar Sharup

für die Erstklässler

Schrumpfkopf – Lesen lernen mit Kulturbezug

Nachbarskinder

mit Holger und Professor

Die ehemals kriegerischen Shuar lebten von und im Einklang mit der Natur. Doch die Zeiten haben sich geändert – nicht unbedingt zum Guten für die Shuar und den Erhalt ihrer Kultur. Lag das Dörfchen einst mitten im Dschungel, so liegt es seit einigen Jahren plötzlich an einer geteerten Überlandstrasse. Interessierte sich früher niemand für ihren Lebensraum, so sind die an allen möglichen Metallen reichen Wälder und Hügel plötzlich für den Bergbau interessant. Holger hat sich daher dem Erhalt seiner Kultur verschrieben und freut sich über jeden Besucher im kleinen Dörfchen. Stolz führte er uns am nächsten Tag mit gemieteten Motorrädern an einen Wasserfall, bemalte uns mit traditionellen Mustern und gewährte uns Einblicke in alle möglichen Aspekte der Kultur der Shuar. Dazu gehört auch ihre eigene Sprache, Überlieferungen und Wissen über die Natur, wie auch Musik und Tanz.

Holger

Traditionen

Corona, traditioneller Federschmuck der Shuar

Daina mit Vogel

Eine wichtige, wenn nicht zentrale Rolle, spielt dabei, wie bei einem Grossteil der indigenen Völker im Amazonasbecken, Ayuhauasca. Zur Herstellung dieses stark haluzinogenen Gebräus werden Stücke einer Liane und Blätter eines Strauchs über Stunden eingekocht und immer wieder gesiebt – die nötigen Sprüche und Gesänge dürfen dabei natürlich nicht fehlen. Ayuhauasca ist für die Shuar die Verbindung zwischen Himmel und Erde, ein Medium um mit der Natur und all ihren mächtigen Geistern in Kontakt zu treten. Oder, wie der Dorflehrer es ausdrückte, Ayuhauasca ist für die Shuar was für das Baby die Nabelschnur ist. Ausserdem es eine reinigende Wirkung auf Körper und Geist. Wir nahmen das Angebot Holgers und des Lehrers gerne an, diesen zentralen Aspekt ihrer Kultur kennenzulernen und an einer Ayuhauasca-Zeremonie teilzunehmen. Diese fand am zweiten Abend im Vorraum des ehemaligen Kinderhortes statt und Holgers Mutter hatte das Ayuhauasca am Nachmittag gebraut. Der Lehrer leitete die Zeremonie und um ihn herum nahmen im verdunkelten Raum im Halbkreis ausser uns noch fünf andere Personen aus dem Dorf teil – zu unserem Erstaunen auch ein Junge von etwa zehn Jahren. Nach einigen einleitenden Worten des Lehrers goss er jedem der Anwesenden einen Schluck Tabak (aus Blättern und Wasser gewonnen) in die Handfläche. Dies musste durch die Nase hochgesogen werden. Als nächstes goss er jedem Anwesenden ein halbes Glas des braunen und relativ bitteren Ayuhauasca ein. Dies wurde getrunken …und dann kamen die gerufenen Geister und Dämonen, zeigten uns schönes und furchteinflössendes und hielten uns – einhergehend mit wiederkehrendem Brechreiz, Übelkeit und reinigendem Durchfall – bis zum Morgengrauen wach, während der Professor uns mit traditionellen Gesängen begleitete. Eine intensive Erfahrung!

 

Shuar

Schrumpfkopf, früher Menschen heute Affen

in voller Montur

Tanzgruppe

Am nächsten Morgen war es wieder einmal an der Zeit, von neu gewonnenen Freunden Abschied zu nehmen und uns für die unglaubliche Gastfreundschaft zu bedanken. Weiter ging es, mit frisch gestärktem Geist und etwas angeschlagenen Körpern, mehr bergauf als bergab, durch grüne Wälder und Schleier von Regen immer weiter Richtung Süden. Wir konnten nur durch eine vermutlich tapfere Schar von Ämöben gestoppt werden, die sich in Robins Darm recht heimisch zu fühlen schienen und sich entsprechend breit, und vorallem durch starke Bauchkrämpfe bemerkbar, machten. Diese unverwegenen Parasiten wurden dann im Spital von Yantzaz, am Rio Zamora, diagnostiziert und wir kamen in den Genuss des unentgeltlichen Gesundheitssystems Ecuadors. Für uns eine feine Sache, doch ob dies auch für den Staatshaushalt optimal ist, wenn jeder Tourist gratis behandelt wird? Anschliessend wurden die Amöben-Nichtsnutze im Hotelbett über drei Tage mit Antibiotika bekämpft. Es dauerte fast eine Woche, bevor wir unseren Weg fortsetzen konnten.

der Wächter vor Yantzaza

Amöbenkur

Rio Zamora

Freunde

Wunderland – Markt in Zamora

Unser nächster Stop war in Loja, einer beschaulichen kleinen Stadt (200’000 Einwohner) in den Bergen. Der Weg vom Oriente hinauf in die Berge war, nach der krankheitsbedingten Pause, eine Herausforderung. Für die 60 Kilometer, die ersten 45 davon eine einziger Aufstieg von 1000 auf knapp 3000 MüM, benötigten wir 10 Stunden(!), unzählige Schokoriegel, ein Mittagessen aus Suppe, Reis und Fleisch sowie zwei Flicken für Dainas Reifen. Vom scheinbar schönen Nebelwald im Nationalpark, den wir dabei durchquerten, sahen wir leider nur den Nebel und viel Regen. Wir kamen gegen halb sieben Uhr abends durchnässt und frierend in Loja an.

Schneisen im Dschungel

Reifen flicken

Nach längerem Hin und Her hatte sich bereits Mitte März „Exped“, der Schweizer Hersteller unseres Zeltes, bereit erklärt, uns den aus mysteriösen Gründen undichten Zeltboden, beziehungsweise das ganze Innenzelt, zu einem vernünftigen Preis zu ersetzen. Unser Vertrauen in die ecuadorianische Posts war aber begrenzt. Daher hatten wir uns nach einer Alternative umgesehen und schliesslich gefunden. Maria Paula, die zur Hochzeit ihrer Schwester nach Ecuador flog hatte sich liebenswürdigerweise bereiterklärt, uns das neue Innenzelt mitzubringen und sandte uns das Paket schliesslich aus Guayaquil nach Loja – per DHL, damit auch nichts verloren geht. An dieser Stelle nochmals vielen Dank! Bereits die erste Nacht im neuen Zelt wurde zur flutartigen Zeltboden-Dichte-Probe, die wir trocken überstanden. Endlich sind auch wir ganz dicht!

In weiser Voraussicht hatten wir uns, zusätzlich zum Innenzelt, einen neuen Satz (breitere) Reifen senden lassen. Dass dies in Kombination mit den Schutzblechen zum Problem werden könnte (zu wenig Platz) hatten wir befürchtet aber optimistisch das Gegenteil gehofft. Es sollte aber nicht sein und bedurfte zweier Tage Tüfteln und Basteln im Hotel, bis unsere Räder einsatzbereit und dafür geländegängiger denn je waren! Durch Wochen heftiger Regenschauer hatten sich die Hänge aufgeweicht und Erdrutsche verschütteten immer wieder und immer häufiger die Strasse und bereiteten uns darauf vor, was am Ende des Asphalts auf uns wartete.

da fehlt ein Stück Strasse, 2 Stunden warten

Hundertzwanzig Kilometer südlich von Loja war es dann soweit. Aus einer breiten Strasse wurde ein schmaler Weg und auf Asphalt folgte Schlamm, teils knöcheltief. Bis zur Grenze lagen gut neunzig holprige und teils beinahe unfahrbar-steile Kilometer vor uns. Diese verwandelten sich bei jedem Regenguss augenblicklich zu Matsch, trockneten dann zu klebrigem Schlamm, bevor schliesslich wieder harte, staubige Piste daraus wurde. Für Fahrspass war gesorgt, denn es regnete regelmässig. Wir erreichten die Grenze zum grossen Nachbarn Peru in zwei schweisstriefenden Tagen – ohne neue, breitere Reifen wären wir immer noch dort. So aber hatten wir die Möglichkeit, vom zuständigen Grenzbeamten, kurz bevor er Volleyballspielen ging, freundlich ausgestempelt zu werden.

nass und rutschig

ob das wohl hält

Pause wohlverdient

von rutschig zu klebrig

grenzwertig steil

nach Peru

im Dreck gespielt

Zollgebäude

Adios Ecuador, wir werden Dich und Deine freundlichen Menschen in guter Erinnerung behalten! Und nun: „El Perú“, wir kommen!

Und zum Schluss die GALLERIE mit den Bildern aus dem Text und vielen mehr: