Indonesien | Bali

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Juli 2016
8 Tage, davon 4 Radtage
220 Kilometer
Reisfelder, Götter & Vulkane
5’613 : Kilometerstand am Ende dieser Reise durch Indonesien & Australien

 

Letzter Halt Bali — Wir runden unsere Reise ab
Blumen, Farben, Räucherstäbchen — zurück in Indonesien
Hinduistisches Bali — ein Kontrast zum muslimischen Sumatra
‚Bikepacking‘ light — ‚Tour de Bali‘ mit Minimalgepäck

 

Route durch Bali | Kuta (ganz unten) — Ubud — Candi Kuning (Bedugul) — Ubud — KutaRoute ins Innere Balis

Nur gerade eine Flugstunde trennt Bali in Indonesien von Darwin in Australien, einer anderen Welt. Nach vielen, langen Tagen in Australiens Sand, hatten wir uns für Bali ein ruhiges Programm zurecht gelegt. Ein radfreies. Wir wollten die, für die acht Tage später anstehende Weiter- und Heimreise zerlegten und in Kartonschachteln verpackten Räder so lassen und unseren müden Knochen etwas Erholung gönnen. Soweit der Plan. Mitten im super-touristischen Kuta, wo sich Tattoo Studios, Souvenirläden und Modeboutiquen Kilometer weit dicht an dicht drängten, quartierten wir uns in einem kleinen Hotel mit Pool — nach zwei Monaten im Zelt Luxus pur. Wir fühlten uns, als ob wir Indonesien nie verlassen hätten, plapperten auf Indonesisch, schlürften heissen, süssen Kaffee aus kleinen Plastikbechern von fliegenden Händlerinnen am Strassenrand, genossen leckeres ‚Soto Ayam‘ (würzige Suppe mit Huhn mit Reis), naschten dazu fettige ‚Gorengan‘ (in Teig frittiertem Gemüse) und freuten uns über die ungeheure Auswahl an meist wunderbar scharfen Speisen in den muslimischen Buffet-style Restaurants. Und dann kam, was kommen musste. Wir wollten das richtige Bali sehen. Wir wollten raus und wir wollten Rad fahren. So motiviert, befreiten wir am dritten Tag unsere Räder aus ihren engen Schachteln, bauten sie zusammen, packten nur das Allernötigste daran (T-Shirt, Hose, Regenjacke, Zahnbürste und Reifenflicken) und verliessen Kutas Hotel-Dschungel am nächsten Morgen im Sattel und mit einem grossen Grinsen im Gesicht.

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Schon bald lassen wir Kutas Stadtverkehr hinter uns und entdecken das Bali der kleinen Dörfer.

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Die Dörfer und Felder sind mit grossen und kleinen Tempeln und Schreinen gespickt.

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Während andere an kleinen “Tankstellen“ ihre Scooter betanken….

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…kaufen und geniessen wir bei kleinen Läden köstliche balinesischen Leckereien…

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…und verbringen die kühlen Nächte im „Komfort“ einfacher Hotelzimmer in Ubud und dem kalten, bereits auf 1’500m gelegenen, Candi Kuning.

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Bali scheint aus prachtvollen Tempeln zu bestehen…

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…und Reis. Reis. Reis. Reis.

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Die Arbeit in den Reisfeldern ist hart, auch mit Maschine.

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Reisfelder ziehen sich die Hänge hoch….

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…während wir uns keuchend die teils unglaublich steilen Strassen hinauf kämpfen.

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Auch die Götter wollen wohl gestimmt sein. Der hier etwa, Hanuman der Affenkrieger.

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Überall stehen kleine, oft liebevoll geschmückte Schreine…

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…und morgens werden kleine, blumige Opfergaben vor die Häuser gelegt. Den Göttern gefällt’s, Wind und Hunde spielen damit und manch ein Tourist stolpert wohl darüber.

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Je höher wir steigen, umso schöner wird die Aussicht. Blicke über die Hügel…

Wald

…und alte, verwachsene Wäldern laden zum verweilen ein.

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Wir nehmen uns Zeit und halten an, plaudern oder staunen…

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…entdecken am Wegrand faszinierendes.

Strauch

Während manch eine vermeintliche Zierpflanze sich im Freien tummelt…

Blumentopf

…müssen auch hier manche drinnen spielen.

Blumen

Blumen lachen uns aus…

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…strecken uns die Zungen heraus…

Gecko

…und Geckos spielen mit uns Verstecken…

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Bali zieht uns in seinen Bann.

Nach vier Tagen, die uns wie zwei Wochen vorkamen, kehrten wir glücklich und zufrieden nach Kuta. Bali hatte uns für sich gewonnen. Im ländlichen Bali schien die Kultur noch echt und lebendig. Ein letztes Mal auf dieser Reise galt es, die Räder zu verpacken, bevor wir den Heimflug über Singapur antraten.

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Doch vorher gönnen wir uns noch einen letzten, sonnigen Tag am kleinen aber feinen Pool.

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Bereits am Flughafen in Zürich befreiten wir unsere Räder aus ihren Schachteln. Den Rest des Weges durften auch sie einmal Passagiere sein. Die SBB macht’s möglich.

 

 

 

Australien | Top End

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Juni / Juli 2016
24 Tage, davon 18 Radtage
1’353 Kilometer, 30% ungeteert
NT ‚Northern Territory‘
Rinder, Sand & Gegenwind

Zwischen Rindern und Rentnern
Erschöpfung im Outback
Off Road im ‚Judbarra / Gregory National Park‘
Hochsaison im ‚Litchfield National Park‘
1 Beinahe-Schlangenbiss

Kilometerstand: 5’393 Reisekilometer durch Indonesien & Australien

Route | Kununurra — Timber Creek (km 227) — ‚Judbarra/ Gregory National Park‘: Bulita Campsite — Humbert Track — Humbert Top Yard — Humbert Track — Ende NP — Yaralin Community — Top Springs (km 520) — Katherine (km 810) — Lelyin (Edith Falls) — Robin Falls — Batchelor (via ‚Old Coach Road‘) — Litchfield NP: Florence Falls — Wangi Falls — Ende Park, ‚Litchfield Park Road‘ — Cox Peninsula Road, Berry Springs Turn Off — Wagait Beach — Fähre Mandorah – Cullen Bay, Darwin (km 1’353)

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Route Kununurra – Darwin

Kununurra, schön am Fluss gelegen, von Obst und Gemüsefarmen umgeben und täglich von Touristenhorden geflutet, hatte für uns einen Hauch von Trostlosigkeit an sich. Nach dem täglichen ‚Beutezügen‘ durch den einzigen Supermarkt, nahmen wir unsere Plätze in der ‚Campers Kitchen‘ des Campingplatzes ein, wo wir die Tage mit Schlemmen und der Planung der Weiterreise verbrachten. Wir wollten erst 300 km auf der ‚Duncan Road North‘ nach Süden, dann etwa 400 km auf dem ‚Buntine Highway‘ nach Osten und schliesslich grob 300 km durch den ‚Gregory NP‘ nach Norden fahren — alles ungeteert und abgelegen. Die Distanzen würden gross, 700 km zum nächsten ‚Roadhouse‘ in Kalkarinji, und ein Grossteil der Flüsse ausgetrocknet sein. Auch endlose Telefonate mit ‚Ranger ‚, Strassenbauämtern, Touristeninformationen im Umkreis von 500 km brachten uns nicht weiter. Niemand konnte uns sagen, welche Flüsse noch Wasser führten oder ob sich in für uns machbaren Abständen (konservativ geschätzt 250 km) Wasser finden lassen würde. Alle aber waren sich einig, dass wir ‚mad‘ waren und flehten uns teils an, unsere Vorhaben nochmals zu überdenken. Schliesslich gaben wir unser Vorhaben auf — ein Risiko wollten wir nicht eingehen — und strampelten die 227 relativ ereignislosen Kilometer auf dem ‚Victoria Highway‘ nach Timber Creek in zwei Tagen ab.

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Are you prepared? …Treibstoff? Essen? Sicherheitsausrüstung?

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Yes, we ARE prepared! Mit Ration für 12 Tage — links etwa Frühstück mit bereits portioniertem Müesli. Damit wäre auch der Treibstoff abgedeckt. Als Sicherheitsausrüstung müssen Helme und ein paar Pflaster genügen.

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Bloss, was tun gegen diese hier — und vor allem gegen deren grosse, hungrige Brüder?

Entlang der weniger befahrenen Highways suchten und fanden wir in gewohnter Manier täglich einen verborgenen Nachtlagerplatz, gut geschützt durch Gestrüpp, Termitenhügel und die Farbe unseres Zeltes. Auf den Hauptverkehrsachsen aber boten sich in regelmässigen Abständen ‚Rest Areas‘ zum Campieren an und ersparten uns die Zeltplatzsuche. Diese, meist mit einigen Tischen und Bänken — für uns Bodensitzer mittlerweile Luxus! — einem Plumpsklo und teils sogar einem Wassertank ausgestatteten Rastplätze, füllten sich jeweils im Laufe des Nachmittags mit Wohnwagen der ‚Grey Nomads‘ und verwandelten sich über Nacht in wahre Campingplätze. Natürlich kamen wir regelmässig ins Gespräch. Der Einstieg erfolgte meist etwa so: ‚These bikes have bloody fat tyres! (Diese Räder haben verdammt dicke Reifen)‘, so: ‚Where have you ridden from? (Wo seid ihr losgefahren?)‘ oder gar so: ‚Are you the mad cyclists? (seid ihr die verrückten Radfahrer?)‘. Darauf folgte, relativ unabhängig von unseren Antworten etwa ‚Good on you! (Gut gemacht)‘ oder ‚We’ve come a long way too, but not on a pushbike (Wir sind auch weit gefahren, aber nicht mit dem Rad!)‘ Dann Gelächter und die einheitliche Abschlussfeststellung: ‚You’re mad! (Ihr seid verrückt!)‘. In den meisten Fällen war der Wissensdurst daraufhin gestillt und die Herren schlenderten nach einem ’see you‘ davon — dem Hündchen hinterher, zurück zu Gattin und Wohnwagen oder weiter zum nächsten Gefährt, Bier oder Grill. Um spätestens sieben Uhr kehrte dann Ruhe ein, die Klappstühle wurden eingeklappt und die Wohnwagenvorhänge gezogen. Nur der eine oder andere verwegene Fernseher flackerte noch eine Weile, bevor sich auch die letzten Nomaden dem Schlaf ergaben.

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Dieser Lagerplatz ist ganz nach unserem Geschmack. Die Idylle wird aber nach Einbruch der Dunkelheit von unerwünschten Besuchern gestört. Wir sitzen brav im Dunkeln und werden nicht entdeckt.

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Ganze Landstriche werden präventiv abgebrannt. Wir sitzen in der Kohle. Hier überrascht uns nachts kein Feuer.

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Und hin und wieder geraten wir in die Flammen der magischen Art: Sonnenuntergang am Victoria River bei Timber Creek.

Im ‚Community Store‘ in Timber Creek ergatterten wir 10 Orangen — deren einer Verzehr ein tägliches Highlight in der kommenden Woche wurde — und luden 30 Liter Wasser. Zehn Kilometer später bogen wir vom Highway in den ‚Judbarra / Gregory National Park‘ ab. Wie Kinder im Sandkasten freuten wir uns, als unter unseren Reifen der Asphalt in eine Sandpiste überging. Der Nationalpark — trocken, staubig und einsam — erstreckte sich über die Ländereien einer ehemaligen ‚Station‘ (Farm) und die ‚Tracks‘ folgten, wie die meisten Highways in Australien, traditionellen und teils tausende Kilometer langen Überland-Viehrouten. Sie waren von rauher Natur, mit Felsbrocken gespickt, teils überwachsen und schienen nach jeder Kurve einen Bach oder Fluss zu durchqueren. Dass die meisten davon bereits ausgetrocknet waren, kam uns ganz gelegen. Unsere Motivation, die Bekanntschaft von Salzwasser-Krokodilen zu machen — die bösen, grossen mit den scharfen Zähnen — hielt sich in Grenzen.

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Die Wege im ‚Judbarra / Gregory NP‘ sind oft holprig, mit grossen und kleinen Felsbrocken gespickt….

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…und führen über Stock, Stein und durch (meist trockene) Flüsse.

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Dank einem geschätzten Verkehrsaufkommen von 1-2 Geländewagen pro Tag sind die Spuren teils überwachsen und kaum erkennbar — mit allem, was sich darauf tummelt.

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Entsprechend freuen sich die Fliegen über eine Mitfahrgelegenheit.

Nach drei Tagen Fahrt nach Süden folgten wir, nun ausserhalb des Parks, einer weiteren ehemaligen Viehroute, dem ‚Buchanan Highway‘, nach Osten — wir mussten ja nach Norden. Dies war Rinder-Land mit ‚Stations‘ von immensen Ausmassen. Von den meisten bekamen wir bloss endlose Zäune oder, in der Ferne schwebende, viehtreibenden Helikopter zu Gesicht. Hatten uns auf der ‚Gibb River Road‘ vor allem schwarze Stiere am Wegrand zugeblinzelt, so ergriffen nun plötzlich Herden dürrer, klappriger, weisser Rinder vor uns die Flucht. Diese indischen ‚Brahmin‘ Rinder gelten als ‚drought resistent‘ — Dürre resistent, ha! — und sind der Exportschlager. Sie werden zu Millionen nach Indonesien exportiert. Vorausblickend haben wir versucht, einigen ein paar Brocken ‚Bahasa Indonesia‘ zu vermitteln, stiessen aber auf wenig Verständnis.

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Der anschliessende ‚Buchanan Highway‘ ist teils sandig und über lange Strecken auch holperig — aber immer ist er staubig.

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Er erfüllt die Erwartungen an einen Highway weniger. Für viele Rinder ist er wohl der ‚Highway to Indonesia‘.

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Kängurus müssen sich darüber keine Sorgen machen, haben aber von sicherem Verhalten im Strassenverkehr wenig Ahnung und geraten regelmässig unter die Räder. Der Abdruck verrät, dass Kängurus ‚Schwanzläufer‘ sind.

Unvermindert blies uns täglich der Wind ins Gesicht. Die Tage waren heiss, die holprige Piste machte plötzlich immer weniger Spass und die Kilometer wollten immer härter erkämpft werden. Die Monate im Sattel ohne längere Pausen schienen sich nun bemerkbar zu machen und wir waren erschöpft, von morgens bis abends. Mitten in der Pampa, mit abgezählten Tagen an Nahrung, ein denkbar unglücklicher Zeitpunkt. Dem Wind war das egal und die Rinder zeigten sich unbeeindruckt. Als wir nach 300 km Tracks und Schotterpisten erschöpft und ausgelaugt, an einer Kreuzung mitten im Nirgendwo, das Roadhouse von ‚Top Springs‘ erreichten, schien uns dies wie ein kleiner grüner Himmel auf Erden.

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Müder Strampler — mit Spass trotz Erschöpfung.

Nach einem Tag Erholung auf dem bizarr grünen Rasen des angeschlossenen Zeltplatz, waren wir wieder bei Kräften. Kräftig genug jedenfalls, um uns auf die Jagd nach Katherine zu machen. Doch von Katherine trennten uns noch 291 nun durchwegs asphaltierte Kilometer — oder zweieinhalb Tage im Sattel. Von eiskaltem Coca Cola und frischem Obst träumend rasten wir nun auf dem, über weite Strecken einspurigen, ‚Buntine Highway‘ nordwärts. Und sogar der Wind, der uns wochenlang hämisch aus Südosten ins Gesicht gepustet hatte, war nun, wenn auch nicht immer, auf unserer Seite, so doch meist nicht gegen uns. Trotzdem erreichten wir Katherine, bekamen das lange herbeigesehnte eiskalte Coca Cola und hatten in Eli und Nici aus der Schweiz, die mit ihrem Toyota ‚Landcruiser‘ durch Australien reisten und auf den Grey Nomads-lastigen Caravanparks eine eher seltene Ausnahme waren, gute Gesellschaft.

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‚Buntine Highway‘ — einspurige, endlose Geraden. Benannt nach dem Erfinder des zwei- und dreiteiligen Roadtrains und des doppelstöckigen Anhänger für selbige.

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Die endlosen Zäune entlang der Highways halten Rinder drinnen und uns draussen. Termiten lassen sich durch sie nicht beirren.

‚You will be eaten! (Ihr werdet gefressen)‘ Mit diesen Worten riet uns der Rangers des ‚Litchfield National Parks‘ davon ab, auf dem ‚Reynolds River Track‘ in den Park zu fahren. Der 4×4 Track, zu dieser Zeit selbst für Fahrzeuge noch geschlossen, querte stellenweise (noch) zu tiefes Wasser — gerade in Kombination mit fiesen Salzwasserkrokodilen ganz schlecht für Radfahrer. Wir folgten seinem Rat, wenn auch etwas widerwillig. So gingen wir unsere letzte Etappe in Australien gemütlicher an und liessen uns, für gerade mal 500 km von Katherine nach Darwin, 10 Tage Zeit. Wiederum kamen wir um Tage auf dem Highway, diesmal dem ‚Stuart Highway‘ mit Roadtrains voller Rinder und Wohnwagen voller Rentner, nicht völlig herum. Einmal auf ruhigeren Nebenstrassen genossen wir aber nochmals die vielfältige Natur, fanden abwechslungsreiche Campspots, lutschten an den dichter angesiedelten Roadhouses Glace und plantschten im schönen aber sehr touristischen ‚Litchfield National Park‘ im einen oder anderen Wasserloch. Dazwischen beantworteten wir weiterhin in regelmässigen Abständen Fragen.

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‚Dirt Roads’— gesucht und gefunden — eine, zwischen Katherine und Darwin leider rare aber sehr wilkommene Abwechslung zu den tosenden Schnellstrassen…

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…führen uns an kleinen ‚Creeks‘ mit allen möglichen komischen Namen vorbei. Obwohl dies ein Krokodil-Spielplatz, sehen wir keins.

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Wir nehmen uns Zeit für Exkursionen an seichte Gewässer…

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…verbringen einen Tag an einem ruhigen Plätzchen oberhalb der überlaufenen ‚Edith Falls‘ — wer hat hier übrigens die Namen gegeben? ‚Edith Falls’…

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…’Florence Falls‘ im Litchfield NP. Das Bild zeigt allerdings nur ein Bächlein daneben.

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Robin Falls! …muss ein Genie gewesen sein. Wir bleiben eine Nacht, sehen aber keine Fälle. Trotzdem schön.

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Aber Wasserfälle sind nicht alles, wir kurven zwischen burgenartigen Termitenbauten herum…

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…sind fasziniert von der Baukunst dieser kleinen Armeen…

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…und begeistern uns für Urzeitpflanzen. Dem Knipsen dieses Bildes folgte ein jäher, markanter Schrei, als unverhofft eine dicke, braune Schlange auf Robin zu…(Schreckssekunde, Schrei)…und nur knapp an seinem Fuss vorbei schoss. Ach, diese Touristen.

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Dann doch lieber Wasserfälle!

Schliesslich standen wir nach insgesamt 5’393 Reisekilometern überraschend plötzlich am verlassenen Strand von Wagait Beach, gegenüber von Darwin. Blieb uns nur noch, die Fähre von Mandorah hinüber nach Darwin zu nehmen (10 min) und dort Vorbereitungen für den anstehenden Flug nach Bali — wir folgen den Rindern — und von dort nach Hause zu treffen.
Have a good one, Australia!

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Wagait Beach: Siegerpose mit allen Beteiligten.

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…und manche spielen schon im Sand. Unser Material haben wir auf eine harte Probe gestellt. Mehr dazu in einem der nächsten ‚posts‘. Wir gehen erst mal nach Bali…

Australien | Munda Biddi

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Mai 2016
20 Tage, davon 18 Tage im Sattel
920 km, 95% off road
Australiens ‚Munda Biddi Trail‘

Weshalb es uns nach Australien verschlug
Sand, Schotter, Singeltrack
Nasse Wochen, kühle Tage, kalte Nächte
Küsten, Wälder, Hütten-Camping

 

Route | Jakarta — Flug via Bali — Perth (AUS) — Bus nach Albany— Start ‚Munda Biddi Trail‘: — Albany — Denmark — Walpole — Northcliffe — Pemberton — Manjimup — Nannup — Collie — Dwellingup — Dandalup Damm (für uns das Ende des ‚Munda Biddi Trail‘) — Mandurah — Zug nach Perth

 

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Die Route des vollständigen ‚Munda Biddi Trail‘ auf Google Maps‘. Wir fuhren von Süden nach Norden und verliessen ihn nordwestlich von Mandurah.

Das bevorstehende Java, mit einer sensationellen Bevölkerungs- und Verkehrsdichte, versprach verkehrsreiche Tage im Sattel und die Aussicht auf abgelegenen Pfade oder gar aufregend-holprige Routen schien klein. Der Beginn des Fastenmonats Ramadan im Juni stimmte uns auch nicht eben optimistisch. Dessen Konsequenzen im Alltag, geschlossene Restaurants und nur heimliches Essen und Trinken tagsüber, hatten wir bereits 2012 bei unserem ersten Aufenthalt in Sumatra erleben dürfen. Besonders für immer-hungrige Radfahrer keine verlockenden Aussichten.

Auch das Ablaufdatum unseres Indonesischen Visums rückte näher. Ein- und Ausreisetag mit eingerechnet hatte man uns 60 Tage zugestanden und diese neigten sich langsam aber sicher dem Ende zu. Es war an der Zeit unsere Möglichkeiten abzuwägen. Visum-Verlängerungen sind aufwändig, theoretisch machbar aber nicht ganz unproblematisch. Als Alternative dazu kam einzig ein ‚Visa Run‘, die Aus- und wieder Einreise nach Singapur oder Malaysia, per Flugzeug oder Fähre, in Frage.

Wenn schon fliegen, dann gleich richtig! …sagten wir uns und so kam es, dass wir am 1. Mai 2016 unsere Räder vor dem Flughafen von Perth, Australien, zusammenschraubten und anschliessend auf Radwegen in die Stadt rollten. Unser Gastgeber für die ersten Tage, Tom, Freund und Weggefährte durch Teile Patagoniens ein Jahr zuvor, empfing uns mit offenen Armen. Bei ihm und seinen drei aufgestellten Mitbewohnern betrieben wir erst ein paar Tage feinstes Terassen-Camping und überwanden so den Kulturschock einer Rückkehr zurück in den Überfluss einer westlichen Konsumgesellschaft leichter.

 

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Tom empfing uns mit offenen Armen in Perth. Zweimal.

Dann war es an der Zeit, dass unsere Räder Busfahren lernten. Ein weiteres Novum und für unsere eigenen Reisen bisher ein ‚No Go‘. Aber wie wir in Indonesien gelernt hatten, sind Regeln da, um sie zu brechen — auch selbst auferlegte. So gelangten wir nach Albany und ans südliche Ende des ‚Munda Biddi Trails‘. Dieser war genau das, was sein Name in der Sprache der lokalen Noongar Aborigines bedeutet — ‚ein Pfad durch den Wald‘. Genauer, ein über 1000 Kilometer langer Mountainbike-Pfad.

 

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Wir dürfen vorstellen, ‚Manolito‘ und ‚ Gordo‘ — die beiden breitfüssigen Gefährten unserer Wahl. Vollbepackt mit Proviant für mehrere Tage.

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Unser Fussabdruck mit gerdae mal 2 Bar. Wir sind gewappnet für Australiens Sand und Kies und fahren dicke Reifen statt dicke Autos.

Der Trail, zu geschätzten 95% ungeteert, wurde von der dazu ins Leben gerufenen ‚Munda Biddi Foundation‘ markiert und in Stand gehalten, durchquerte Nationalparks und folgte auf den ersten Etappen der wilden, rauen Südküste. Dann begann er sich langsam landeinwärts zu winden, oft durch hohe, sich immer wieder verändernde Eukalyptuswälder. Er bediente sich dazu einer Mischung aus Forst- und Feuerstrassen, Waldwegen und herrlichen, teils langen Abschnitten von eigens angelegten, oft auf langen Strecken schmalen, einspurigen Pfaden durch den Busch.

 

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Nach zwei Monaten Asphalt ist dies wie im Himmel.

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Der Sand ist mal weiss und weich, der Himmel mal blau aber oft grau.

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…. Farben fliessen in einander….

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Sandige Pisten….

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…und Schotterstrassen wechseln sich ab. Die teils langen Singletrackpassagen geniessen wir zu sehr, um Fotostops einzulegen.

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Untergrund und Wälder verändern sich um uns herum.

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Vereinzelte Sonnenstrahlen bringen Licht ins Dunkel…

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….alte Holzbrücken verbinden Teilstücke…

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…und an manchen Tagen bestimmt der Regen die Landschaft.

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Auch Kangurus dürfen in Australien nicht fehlen. Manche davon so gross wie wir, fliehen sie in Horden vor uns.

Obwohl es oft so schien und der Trail ein Natur-Pur-Wildnis-Erlebnis vermittelte, war die nächste Ortschaft nie weiter als 70Km entfernt. Ausserdem war der Pfad so angelegt, dass er in regelmässigen Abständen (alle 100 bis 150 km) durch kleine Ortschaften führte, wo sich sich Nahrungsmittel aufstocken oder auch einmal die Vorzüge der Zivilisation — man denke an eine heisse Dusche — geniessen liessen. In sehr kurzen Abständen von etwa 45 Km waren eigens für diesen Zweck ‚Huts‘ errichtet worden. Sorgfältig angelegt und immer idyllisch, abgelegen im Wald platziert, waren diese ‚Huts‘ vom Feinsten. Sie boten auf stockbettartigen Holzplattformen trockene Campingplätze für 10-20 Personen und waren jeweils mit Plumpsklo und zwei grossen Regenwassertanks ausgerüstet, die zu dieser Jahreszeit bestens gefüllt waren.

 

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Ganze Landstriche sind in der Vergangenheit grossflächigen Waldbränden zum Opfer gefallen. Manche vor Jahren. Hier hat das Leben wieder Einzug gehalten.

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Dieser Wald brannte erst im Januar 2016. Was bleibt ist zu gespenstisch, um nicht unsere Räder zu verstecken.

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Bäume verkohlten und spriessen wieder neu.

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Auch diese Hütte wurde in Mitleidenschaft gezogen…

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Plastikfenster schmelzen. Zurück bleiben surrile Formen.

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Die ‚huts‘ sind meist mitten im Wald versteckt…

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Sie bieten Schlafplätze auf zwei Etagen. Türen sucht man vergeblich.

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Essensrationen wollen geplant sein, in diesem Falle für 5 Tage. Unsere selbst gemachten Framebags tragen den Grossteil davon ohne klagen.

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Wir kochen morgens Kaffee und abends Pasta, Polenta oder Couscous.

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Im Munda-Biddi-all-inklusiv-Sorglospaket ist auch eine bestimmte Anzahl spektakulärer Sonnenuntergänge über dem australischen ‚bush‘ enthalten.

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Bei so viel Luxus ist wildes Campen nicht regelmässig angesagt, dann ist es aber umso schöner.

Der Pfad war also ein Rundum-Sorglos Paket, gemacht um die Natur geniessen zu können. Diese zeigte uns immer wieder ihre kalte, nasse Schulter und — aus der Hitze Sumatras kommend — schlotterten wir manche Nächte in unseren dünnen Sommerschlafsäcken vor uns hin. Dies war die Quittung dafür, Australien unvorbereitet einen Besuch abzustatten. Da bei Regen die Vorteile eines Daches über den Köpfen jene eines Zeltes ganz klar überwogen, passten wir uns oft dem vorgegebenen Rythmus der Hütten an und verbrachten relativ kurze Tage im Sattel. Wir genossen die Trails und den Komfort der Hütten, nahmen uns dafür unterwegs Zeit um die Natur zu betrachten und zu geniessen, dehnten Mittagspausen aus und sahen uns all die merkwürdigen australischen Pflanzen genauer an — viele davon hatten sich ganz klar nicht an ihren Bauplan.

 

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Wir entdecken Australiens Natur. Blumen winken uns auf alten Monoliten zu.

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Buchten laden zum verweilen ein.

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Am Wegrand bestaunen wir scheinbar sprechende Samenkapseln…

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…und beobachten Insekten auf flauschigen Früchten…

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Der Regen lässt Pilze aus dem Boden schiessen…

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…die uns in unterschiedlichsten Farben und Formen Spalier stehen.

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Uns manchmal ….legen wir Pausen auch einfach nur so ein.

Dort hatten wir auch hin und wieder beste Gesellschaft anderer Radfahrer, die teils alleine aber meist in kleinen Gruppen auf dem ‚Munda Biddi Trail‘ unterwegs waren. Während unseren 18 Tagen auf dem Trail begegneten wir elf Radfahrern in sechs Gruppen — kein allzu grosses Gedränge also!

 

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In den Munda Biddi Hütten schliesst man Bekanntschaften, teilt Geschichten, brütet über Karten, beäugt Ausrüstung und Setup und wird inspiriert. Diese vier hier sind beste Gesellschaft.

Nach achtzehn Tagen auf dem Trail, mit noch zwei Tagesetappen vor uns, kam die unverhoffte Wendung. In Dwellingup, einem kleinen Nest mit einem Laden, einem Hotel/Bar/ATM, einer Post/Campingladen/ATM, einem Campingplatz und einer Touristeninformation, ging uns das Bargeld aus. Beide ATMs (Bancomaten) wollten nichts von unseren unterschiedlichsten Karten wissen. Ohne Geld und ohne Vorräte sahen wir uns plötzlich gezwungen, den Trail in Richtung der nächsten Stadt, Mandurah, und deren ATMs zu verlassen. Dies taten wir aber nicht, ohne noch eine letzte und fahrerisch eine der anspruchsvollsten, ausgewaschensten und schönsten Etappen zur nächsten Hütten nahe, ‚Dandalup Dam‘ gelegen, zu fahren. Dort verbrachten wir noch eine Nacht mit Blick auf die Küste und das Meer und verputzen unsere wenigen verbliebenen Vorräte, bevor wir uns nach 920 gefahrenen Kilometern, vom Trail verabschiedeten. Über Mandurah, dann wieder mit Geld in den Taschen und neuen Plänen im Hinterkopf, gelangten wir zurück nach Perth.

Indonesien | Sumatras Süden

 

header sumatras süden

April 2016
17 Tage, wovon 13 Tage im Sattel
1’073 km, ~ 536 Liter Schweiss
2’037 km gefahren seit Reisebeginn

Ölpalmen, Kokospalmen & Sandstrände
Mandi, Monokultur & Monotonie
Verkehrsanarchie & erste Platten
Abschied von Sumatra, per Fähre nach Java
die Polizei, dein Freund und Wegelagerer

 

Route | Mukomuko — Sebelat — Bengkulu — Lais — Manna — Merpas — Krui — Tanjung Setia — Sedeka — Pringsewu — Bandar Lampung — Kalinda — Bakauheni — (Fähre nach Java) — Merak — Cilegon — Karangantu — Kronjo — Tangerang — Jakarta

Route von Mukomuko nach Jakarta

Route von Mukomuko nach Jakarta

 

Die Strecke, die vor uns lag verhiess zwar nicht allzu viel, trotzdem waren wir nach drei Tagen Pause im kleinen Mukomuko froh, wieder frischen Fahrtwind im Gesicht zu haben. So richtig fit waren wir jedoch beide nicht und die nächsten zwei Wochen wurden ein Gesundheits-Wechselbad. Die Hitze war oft drückend, die Luft schien zum schneiden dick und die Erfrischung einer kühlenden Dusche war oft schon nach wenigen Minuten verpufft.

 

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Mandi — Die Dusche, unser Freund und Retter, sieht in Indonesien oft so aus. Ob in Hotel, bei der ‚Polisi‘ oder an der Tankstelle. Es gibt sie in jeder erdenklichen Zerfalls- und Hygiene-Variation. Erfrischen tun sie alle!

 

Immer in Küstennähe, aber selten mit Meerblick, ging es auf und ab, während uns Ölpalmen stundenlang Spalier standen. Umso vehementer wurden wir aus der Monotonie der Monokultur gerissen, sobald wir durch Dörfer kamen und von den ersten Kindern entdeckt wurden. Diese stürmten bei unserem Anblick jeweils an die Strasse und riefen voller Freude „Tu-rist, Tu-rist, Tu-rist!“. Dies gelang sogar Kindern, die sonst wohl noch weder sprechen noch gehen konnten.

 

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Kurz nach Mukomuko verlassen wir die Küste und strampeln die nächsten Tage mehr oder weniger fröhlich und gelangweilt durch Monokulturen der palmigen Art.

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Doch Sumatra hat nicht nur Öl, sondern auch Kautschuk im Angebot.

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Noch nicht oft, aber immer wieder funkeln Wellen durch die Palmenreihen.

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Auch Katzen finden sich reichlich!

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Weiterhin sind wir gerne geknipste Gäste.

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Unsere sensationell lange Nasen sind der Hit, aber auch der Grössenvergleich sorgt für Gelächter!

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…da hat die Konkurenz keine Chance.

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In Bengkulu ist es dann an der Zeit, sich der lokalen Frisurenmode anzupassen.

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Wohl dank Robins neuer Frisur stoppt uns die Polizei von Manna eines Morgens mit quietschenden Reifen. Wir werden Teil ihrer Anti-Drogen-Kampagne!

 

Und dann, als unser Durchaltewille an einem immer dünner werdenden Faden hing und uns jede Steigung zur Weissglut trieb — in einem besonders fiesen Stück hatte Daina bereits den Abbruch der Reise beschlossen —, geschah das Unerwartete. Die Wogen der Ölpalmen lichteten sich, kühlende Lüftchen zerschnitten die Hitze und die Hügel zerflossen zu Reisfeldern. Es wurde Strand. Mit Fischerdörfern gespickte Sandstrände erstreckten sich entlang der Strasse oft Kilometerlang, das Radfahren machte plötzlich wieder mehr Spass und schliesslich erreichten wir Krui. Obwohl im kleinen Surf-Mekka an Sumatras Südküste zu dieser Jahreszeit mehr Mekka als Surf angesagt war, ‚gönnten‘ wir uns ein paar Ruhetage. Daina war krank. Dafür doppelten wir dies im Anschluss mit zwei Tagen am Strand von Tanjung Setia, keine 20 Km südlich gelegen, nach.

 

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Was sich fies und steil anfühlte, sieht von oben nicht so schlimm aus. Im Gegenteil.

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Wo die Strasse durch den Dschungel verläuft….

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….nehmen wir uns umso mehr Zeit, halten an, beobachteten und lauschen.

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Halten wir um etwas zu trinken, halten Familien an und staunen bis wir ausgetrunken haben.

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Dann Strände, endlich.

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Das süsse Leben…

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…im Häuschen am Strand…

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…mit Platz für Alle!

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Auf dunkle Wolken über Krui…

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…folgten entweder brennende Sonnenuntergänge…

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…oder stundenlanges, elektrisches Donnerwetter vom Feinsten.

 

Vor der nächsten Etappe durch einen Nationalpark wurden wir immer wieder gewarnt, da es in dessen Nähe nachts Überfälle gebe. Von verschiedenen Seiten riet man uns, die Nacht auf dieser Strecke in der Polizeistation in Sedaka zu verbringen, welche wir tatsächlich kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichten. Dass uns auf den letzten Kilometern ein, mit einer Sturmhaube vermummter, Motorradfahrer ‚verfolgte‘, war bei über 30 Grad etwas unheimlich, aber wohl weniger für einen Überfall, sondern wirklich als Schutz gegen den kalten Fahrtwind gedacht. Andere Länder, andere Sitten.

 

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Im Nationalpark nimmt uns heftiger Regen jegliche Sicht. Der Himmel öffnet sich mit solcher Wucht, dass wir auch am nächsten Morgen noch nass sind. Hier der Nebel danach.

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Die Sonnenuntergänge bleiben malerisch.

 

So auch bei der Polizei. Freundlich wiesen uns die vier in Zivil herumflachsenden Polizisten einen Campingplatz vor ihrer Moschee zu — richtig gehört, jede Polizeistation hat eine Moschee — bevor plötzlich Bewegung aufkam und die Herren sich uniformierten. Anschliessend wurde das Polizeiauto am Strassenrand vor dem Tor platziert. Mit Blaulicht. Kurz darauf, wir stellten gerade in aller Ruhe unser Zelt auf, ging plötzlich ein riesiges Gezeter los, gefolgt von einer Episode ‚Guter Bulle, Böser Bulle‘ und schliesslich wechselten Geldscheine ihren Besitzer, worauf der Fahrer des kontrollierten Kleinlasters kleinlaut davon fuhr. Nicht so die ‚Polisi‘. Sie warfen sich wieder in Zivilkleider und — wer hätte das gedacht — fuhren voller Freude Im Dienstwagen zum Abendessen. Sie hatten es sich verdient!

Der Weg an Sumatras Südspitze, entlang der ‚Sundastrasse‘ führte uns durch immer dichter besiedeltes Gebiet. Der damit einhergehende, immer dichtere Verkehr, bereitete uns darauf vor, was uns auf Java erwarten sollte. Die ‚Hello Mister‘-Rufe nahmen merklich ab, die Dörfer wurden bereits städtischer und die Menschen waren zwar immer noch sehr freundlich aber merklich distanzierter. Nach Bandar Lampung fuhren wir stundenlang im Schwerverkehr Richtung Fährhafen in Bakauheni. Die malerischen Hügel und der Blick in Richtung Krakatau konnten nicht über den grässlichen Gestank der Nebel hinwegtäuschen, welche die hier angesiedelte Stahlindustrie gegen Himmel pustete. So gelangten wir schliesslich an Sumatras südlichen Zipfel und bevor wir uns versehen konnten, standen wir auf der Fähre nach Java.

 

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Je näher wir Bandar Lampung kommen, umso dichter wird der Verkehr.

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Schliesslich fahren wir in Bakauheni, an Sumatras Südspitze die Fähre nach Java. Die 2 Stunden-Überfahrt kostet pro Kopf mit Rad gerade mal 1.50 Fr. .

 

In Java liefen wir bei Einbruch der Dunkelheit in den Hafen ein. Es blieb uns gerade noch genügend Zeit, ein Zimmer in einem Hotel zu ergattern. Später kamen nicht umhin zu bemerken, dass die hauseigene Disco ihre Tore erst um Mitternacht öffnet, dafür umso lauter aufdreht. Etwas zermürbt machten wir uns darum am nächsten Tag daran, Java zu erkunden. Bis Jakarta blieben uns noch 140 Km. Wir dachten aber nicht daran diese auf direktem Weg mit allen Lastwagen zu teilen und, anders als in Südamerika, war hier die Autobahn für Radfahrer tabu. So suchten wir uns eine Route nach unserem Geschmack. Kaum die Schnellste dafür mit viel Unterhaltungswert — über Feldwege, durch Sümpfe und Reisfelder, entlang kleiner Flüsse, mitten durch einen Markt oder auf den Fussgängerweg für Pilger. Als Buleh durften wir das.

 

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Einer davon führt uns zu einer mit Pilger gefluteten Moschee…

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…umgeben von kleinen, Buffetartigen Ständen. Die Auswahl ist gross.

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Hier Reis mit Tofu.

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Aber auch an kleinen Holzbuden am Strassenrand lässt sich rasten und speisen. Immer noch dürfen Fotos mit allen Anwesenden nicht fehlen.

 

Einzig die Unterkunftssuche gestaltete sich zum ersten Mal richtig schwierig. Gegen Abend waren wir den Ausläufern Jakartas schon näher als uns lieb war und wir fanden partout keinen Zeltplatz, weder bei Schulen, Fabriken noch bei der Polisi, wo man uns jeweils weiterschickte mit den Hinweis auf ein Hotel. Das erste Hotel gab es nicht und mittlerweile war es stockfinster. Auch hatten wir trotz eines späten Starts bereits 100 km in den Beinen und unsere Rücklichter begannen auch zu schwächeln. Nicht gut. So jagten wir bereits etwas nervös in einem Strom von hunderten Scootern, oder deren Lichtern, dahin. Das zweite Hotel hatte 5***** und wir waren dreckig, das dritte Hotel war voll und die folgenden ebenso. Schliesslich, erschöpft nach einer dreistündigen Odysse durch Jakartas Vororte, fanden wir nach 21 Uhr endlich eine Bleibe für die Nacht. Ein Hotel, für das wir nur auf den ersten Blick zu dreckig waren.

Die letzten 20 km ins Stadtzentrum der 14-Mio-Stadt (oder sind es 20 Mio?) waren dann am nächsten Morgen nur noch der Nachtisch. Obwohl Jakarts Verkehr ein schlechter Ruf voraus eilte, war das Navigieren mit dem Fahrrad kein Problem — während die Autos stundenlang im Stau standen flitzten wir mit dem Flow, überholten und drängten in Lücken. Im von Korruption zerfressenen Indonesien (der Führerschein ‚kostet‘ hier umgerechnet 7.- Fr.) werden Verkehrsregeln mehr als Vorschläge verstanden, an die man sich halten kann. So können Einbahnstrassen getrost, und nicht etwa mit verminderter Geschwindigkeit, in die falsche Richtung befahren werden und ein Rot bei Kreuzungen kann durchaus auch als Grün verstanden werden. Bedenkt man dies, kann Stadtverkehr durchaus Spass machen. Sicherheit geht aber leider nicht vor.

 

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Die Landschaft ist malerisch aber dicht besiedelt.

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Solche Wege haben wir vermisst! Das Knirschen unter den Reifen zaubert uns beiden ein breites Grinsen ins Gesicht.

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Doch der Verkehr wird dichter…

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…dichter, Jakarta wird spürbar.

 

Indonesien | Sumatras Berge

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März / April 2016
17 Tage, wovon 9 Tage im Sattel & 3 Tage krank
535 km, 10’261 Höhenmeter

Sumatra Superstars — Foto, Selfie, Hello Mister. Sumatra im Social-Media-Rausch!
Bukittinggi — Trails, Dschungel & Reisfelder
Berge — rollende Hügel & steile Strassen
Camping — Geheimdienst, Polizei & Karaoke

Route | Bukittinggi — Solok — Sungai (via Jl. Solok – Danau Kembar) — Solok Selatan — Kayu Aro — Sungai Penuh — Tapan — Mukomuko

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Route Bukittinggi — Mukomuko

Von Bukittinggi hatten wir uns kühlere Temperaturen, Touristen und entsprechend weniger freundliche Menschen erwartet. Also nicht allzuviel. Trotzdem gefiel uns die Stadt auf Anhieb, Die Touristenmassen blieben aus, sofern man bei 10 gesehenen Touristen pro Tag nicht von Massen sprechen kann. Die Menschen waren gewohnt freundlich und fröhlich, wenn auch etwas weniger neugierig als auf dem Land.

Wir fanden ein günstiges Zimmer im ‚Rajawali Homestay‘, dessen deutscher Besitzer Ulrich nicht nur ein Original, sondern auch ein Kenner der Strassen Sumatras, besonders der Region um Bukittinggi, ist. Sein Wissen teilte er gerne mit uns und so sassen wir nach zwei Touristen-Tagen (Marktbesuche, Erkundungsspaziergänge, Essens-Expeditionen, Fruchtsaft-Schlürfen, Kleider-waschen-lassen, Lesen) bereits wieder im Sattel.

bukittinggi

Im geschäftigen Bukittinggi, schön zwischen drei Vulkanen gelegen erkunden wir die Märkte.

mini

Ob Snacks im Miniformat…

früchte?

… Snacks in der Originalverpackung…

hand mit früchten

…oder Früchte zum angreifen, alles da!

durian

Diese stachligen Übeltäter hier, Durian genannt, riecht man lange bevor sie in greifbarer nähe sind. Sie stinken!

kücken

Auch sieht man, was mit Ostereiern geschieht, wenn man sie ausbrütet!

schlangen

Getrocknet verkaufen sich diese speziellen Snacks. Wir würden sie als Blindschleichen einstufen.

Ulrich empfahl uns eine Runde, die mit einem etwas holprigen Mittelstück gespickt sei. Dies liessen wir uns nicht zweimal sagen und nach knapp 20 Kilometern erreichten wir den Waldrand wo die Strasse zum Pfad wurde, der sich höher und höher wand. Nachdem der überwachsene Pfad durch den Dschungel im Anstieg zur kleinen Passhöhe rutschig und steil gewesen war (wir musste alles schieben), hofften wir oben angekommen, auf einen etwas einfacheren, vielleicht sogar teils fahrbaren Abstieg auf der anderen Seite. Weit gefehlt! Was früher einmal ein Weg gewesen sein mag, hatte sich der Urwald längst zurückgeholt! Der Pfad war jetzt oft nur noch als haarfeine Line durch das grüne Dickicht erkennbar — wenn überhaupt. Rambo hätte sich hier mit seiner Machete wohl gefühlt und dem Gebrüll in den Baumkronen über uns nach zu urteilen, taten es die Affen auch! Wir wünschten uns auch eine Machete herbei, versuchten den Gedanken an Schlangen auf dem meist unsichtbaren Boden vor uns zu verdrängen und stürzten uns, unsere Räder als rollende Heckenscheren vor uns schiebend, ins Gestrüpp. Meter um Meter um Meter um Meter kämpften wir uns durch das Dickicht, immer in der Hoffnung, das Grün um uns herum möge sich bald lichten, die Blätter uns nicht mehr in die Ohren kriechen und die Äste uns nicht mehr Füsse und Beine zerkratzen. Dies tat es nicht, und wenn dann nur kurz und oft nur, um uns mit Hindernissen wie umgestürtzten Urwaldriesen, übergrossen Spinnennetzen inklusive Besitzer auf Kopfhöhe oder tiefen Flussbetten ohne Brücken zu erschrecken. Rambo hätte es geliebt!

Irgendwann wurde der Pfad doch weniger holprig, das Gestrüpp lichter und schliesslich konnten wir — den dicken Reifen sei dank! — den letzten Dschungelkilometer durchs Gebüsch flitzen. Und dann, als ob nichts gewesen wäre, begann die Strasse wieder. Wir hatten für 9.5 Kilometer viereinhalb Stunden gebraucht! Als wir Ulrich am Abend davon erzählten fiel er aus allen Wolken. Er war die Strecke neun Jahre zuvor mit dem Motorrad gefahren. Da war sie noch durchgehend für Autos befahrbar und mit den nötigen Brücken bestückt! Tags darauf hängten wir gleich noch eine Runde, grob nach Ulrichs Vorschlägen, an. Sie führte uns in einem wilden Auf und Ab durch abgelegene Täler, vorbei an Bauern, Wasserbüffeln und Horden von johlenden Schulkindern und schlängelte sich mit uns durch Reisfelder und Wälder. Diesmal waren die Pfade meist breiter, durchgehend fahrbar — dafür jedoch oft unglaublich steil!

dschungel robin

Bereits der Anstieg ist nicht ohne, mit ‚Crocs‘ an den Füssen schon eine Herausforderung.

lenker dschungel

Und auch die ersten Meter im Abstieg verheissen auch nichts Gutes.

farne dschungel

Nicht bloss Farne und Gräser arbeiten gegen uns.

daina kriecht im dschungel

Manchmal müssen wir kriechen…

brücke

…und manchmal balancieren. Mit Fahrrad eine Nervensache.

blick zurück im dschungel

Der zweite Tag ist dann eher nach unserem Geschmack.

Zwei weitere Entspannungstage später begannen unsere Räder ungeduldig zu schnauben — es war Zeit weiter zu ziehen. Immer nach Süden durch die Berge ging es, wobei die erhofften kühlen Temperaturen ausblieben. In Kombination mit Strassen, deren Erbauers Ziel es gewesen sein muss, den direktest möglichen Weg nach oben zu nehmen und die oft entsprechend steil waren, machte uns die Hitze ganz schön zu schaffen.

berge

Südlich von Bukittinggi strampeln wir durch malerische Täler….

reisfelder

…und die Strasse windet sich in Kurven um Bergflanken und Reisplantagen.

regenschleier

Regenschleier eilen uns voraus oder folgen uns, doch sie erreichen uns selten.

jungel kerinci

Steile Anstiege führen uns weiter südlich durch nebelverhangene Wälder.

arbeiterinnen kerinci

…und Arbeiterinnen in Gummistiefeln nehmen weite Fussmärsche zu ihren Kaffeeplantagen in Kauf. Wir hören sie noch lange lachen.

kerinci raucht

Schliesslich kommt der rauchende Vulkan ‚Kerinci‘ in Sicht. War er früher von Urwald (Hutan) umgeben, so steht er heute inmitten von Teeplantagen.

teearbeiter

Wie überall wird auch hier gearbeitet — und wie überall ist man auch hier fröhlich!

Erschöpft nach langen Tagen und vielen Höhenmetern (Tagesrekord in Sumatra bisher: 2300 Hm) galt es jeweils eine Bleibe für die Nacht zu finden. An Wildcamping war bei der Bevölkerungsdichte — überall wohnte jemand, überall rief uns jemand zu — bisher nicht zu denken und so mussten wir uns anderweitig umsehen. Hotels waren dünn gesäht. Und wenn dann eines da war, bedeutete dies nicht, dass man dort auch nächtigen durfte! Eimal wurde uns kurz vor Einbruch der Dunkelheit die Unterkunft verwehrt, da wir keinen Trauschein (!) vorlegen konnten — Willkommen in Saudi Arabien! So landeten wir immer mal wieder bei der nächsten Polizeiwache, ob vom Regen oder eben von gläubigen Besitzern leerer Hotels getrieben. Dort gewährte man uns immer einen Zeltplatz für die Nacht. Immer war das Misstrauen zu Beginn gross — in Indonesien spricht niemand freiwillig mit der Polizei, warum sollten es also diese tropfenden Bleichlinge tun? Immer bot man uns an, wohl nicht ganz grundlos, die Dusche zu benützen und immer erhielten wir einen Raum für unser Zelt zugewiesen. Einmal allerdings erst Abends um neun, als die diensthabenden Herren Geheimdienst nach vier Stunden Wartezeit schliesslich ihren Kommandanten aufzuwecken wagten. Eine mächtige Regen-Gewitter-Kombination hatte uns hartnäckig die Weiterfahrt und -suche verunmöglicht. So campierten wir etwa in einem zerfallenden Nebengebäude, im Karaoke-Raum einer Polizeiwache (!) oder gar im Versammlungsraum der regionalen Filiale des Indonesischen Geheimdienstes (!!). Eine feine Sache, oft gefolgt von stundenlangen Gesprächen (oder Karaoke) mit freundlichen Polizisten. Wunderbar und unglaublich herzlich — aber in unseren Erschöpfungszuständen meist unglaublich streng!

karaokenight

Der Albtraum eines erschöpften Radfahrers: Karaoke-Camping im Versammlungs-/Karaokeraum der Polizei. Auch wir werden ans Mikro gebeten.

morgengrauen

Dafür sind wir nach solchen Nächten jeweils mit den ersten Sonnenstrahlen wieder auf der Strasse. Vor dem Antritt der Morgenschicht. Wann die Gefangenen hinter den Western-style Gittertüren nebenan wieder frische Luft schnuppern dürfen, werden wir nie erfahren.

garangan

Wir haben jetzt nämlich meist nur Augen für dies hier: Gorengan, fritiertes! Lecker, fettig, Frühstück.

Es muss für manch Einen ein wunderlicher Anblick gewesen sein, diese beiden Bleichgesichter mit grossen Nasen und roten Köpfen — auf Rädern! Denn Radfahren, wie jede Art von Fortbewegung durch Körperkraft, scheint in Sumatra ein ganz und gar fremdes Konzept zu sein. Scooter (Motorroller) sind Trumpf! Jeder hat einen, jeder fährt einen und jeder nimmt darauf so viele Kinder, Freunde oder Verwandte mit, wie er will. So wurden wir von Kindern mit dröhnenden Motoren überholt, von quietschenden Teenies mit wehenden Kopftüchern verfolgt und regelmässig von in den Rückspiegel staunenden Schülern ausgebremst. Wir wurden von Motorrädern aus angefeuert, angesprochen, ausgefragt, bejubelt, fotografiert, eingeladen und von ganzen Familien mit Selfiesticks auf Motorrädern für gemeinsame Fotos angehalten. „Hello Mister! Selfie, Selfie?“ Alles nur für Facebook, Instagram und Co. Langsam bekamen wir eine Vorstellung davon, wie sich anfühlen muss, berühmt zu sein. Dies in einem Masse, von dem manch ein Promi nur träumen kann! Endlich Superstar! … das wollten wir nie sein.

kids auf truck

Ganze Lastwagenladungen mit Schulkinder drehen bei unserem Anblick durch. Jede Bewegung in der Abfahrt, ein Ducken etwa, wird mit euphorischem Gejubel quitiert!.

family rini

Sobald wir anhalten werden Familien zusammen getrommelt…

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…und lange geübte, oft ungeahnte Posen werden zum Besten gegeben.

Unsere zweitletzte Etappe zur Küste führte über die Berge und durch den Kerinci Nationalpark, einem Urwald um den gleichnamigen Vulkan. Dass hier Sumatra Tiger und Unmengen seltener, oft endemischer Vögel leben, liess man uns bereits im Vorfeld wissen — gesehen haben wir leider weder noch. Dafür wurden wir mehrmals fotografiert und erhielten einmal das Angebot zum Islam zu konvertieren und, so schlossen wir aus den Gesten, durch heiligen Krieg in den Himmel zu gelangen. Wir lehnten ebenso dankend ab, wie wir 2009 in Uganda inmitten von Tränengas und Gebrüll das Angebot eines Motorradtaxi-Fahrers ausgeschlagen hatten, Waffen zu ergreifen und uns am Sturz des Präsideten zu beteiligen. Ist einfach nicht unser Ding.

Was Natur und Strasse betraff, gehören die 45 Kilometer durch den Dschungel des Kerinci Nationalparks bisher zu unseren absoluten Favoriten in Sumatra. Die Strasse, für Autos unglaublich schlecht, war für uns der reinste Spielplatz. Ein Spielplatz in unglaublicher Naturkulisse, zwischen Urwaldriesen, Farnen, Blumen und Motorroller.

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Im Kerinci Nationalpark entdeckten wir keine Tiger, dafür Blumen.

hutan kerinci

Lichtet sich das Blätterdach, erhaschen wir Ausblicke auf den Ur-alten-Wald.

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So schlecht die Strasse für Autos ist, uns macht sie umso mehr Spass.

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Trotz Konzentrazion auf. die Strasse entdecken wir am Strassenrand immer wieder seltsames… Solches!

Endlich an der Küste gewann die Erschöpfung Überhand und Robin lag drei Tage mit einer Bauchinfektion in einem Hotelzimmer in Mukomuko, einem kleinen Nest mit Tsunami-Warnschildern und eigenem Flughafen. Als am Nachmittag des ersten Tages das Fieber Malaria-verdächtige Höhen erreichte, erfuhr Daina auf Nachfrage, dass das nächste Spital 20 Kilometer entfernt sei. Taxis gebe es aber keine. Ganz schlecht. Doch wer hatte da wohl zufällig eine Feier im selbigen Hotel? Die Polizei, komplett mit eigener Ärztin! Schnell erhielten wir Besuch von einer Horde Polizistinnen, die alle eimal sehen wollten, wie bleich den ein kranker Buleh wohl noch werden kann. Eine davon war scheinbar die Ärztin. Sie nahm jedenfalls den Blutdruck, führte die nötigen Untersuchungen durch — auch drücken am Schienbein durch mehrere der Anwesenden gehörte dazu — und stellte schliesslich die Diagnose. Die entsprechenden Medikamente gab es dann gleich mit dazu. Hat funktioniert. Danke, Polisi!

Singapur & Indonesien | nach Sumatra

 

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März 2016
11 Tage, wovon 5 im Sattel
430 km gefahren
Temperatur: heiss! (knapp unter 40°C)

Singapur – Asien light
Fähren fahren – von Singapur nach Sumatra
Sumatra – erste Meter, erste Eindrücke
“Hello Mister, Hello Mister!
immer im Mittelpunkt – ungebremste Aufmerksamkeit

 

ROUTE | Singapur – (Fähre) – Harbor Bay, Batam – Sekupang, Batam – (Fähre)  – Dumai – Duri – Kandis – Simpang Petapahan – Bankinang – Pangkalan – Bukittingi

 

Es lag frischer Schnee, als wir am 9. März 2016 bei 10 Grad unter Null, früh morgens die Haustüre hinter uns abschlossen. Ein Flug und 16 Stunden später, schlugen uns in Singapur morgens um 7 Uhr bereits motivierte 28 Grad entgegen. Die eigenartige Visapolitik der chinesischen Botschaft in Zürich hatte uns kurz vor Antritt der geplanten Reise nach China gezwungen, total umzustellen. Klappe auf, Südostasien!

Drei Tage lang schlurften wir durch Singapurs saubere Strassenschluchten, Märkte und Gassen und wurden dabei von Klimaanlagen immer wieder auf angenehme Betriebstemperaturen heruntergekühlt. Yong und SK, die beiden jungen Inhaber der „Tree Inn Lodge“ (wo wir uns einquartiert hatten) waren nicht nur beste Gesellschaft, sie verfügen auch über ein enormes Know-How in Sachen Radreisen in ganz Asien. Dies ist Südost-Asiens „Radreise Ground Zero“, für uns ein Glückstreffer und ein hervorragender Reisebeginn.

Aus Singapur brachte uns eine kleine Fähre in knapp einer Stunde nach Batam, einer vor Singapur gelegenen Insel. Aus Sicherheitsgründen musste dazu unser gesammtes Gepäck geröngt werden – sowohl beim Check-In für die Fähre, als auch nochmals vom Indonesischen Zoll. „Selamat Datang di Indonesia“, Herzlich willkommen in Indonesien. So stand es wenigstens geschrieben, die Zöllner sahen dies nicht ganz so, mussten sie doch die Playstation beiseite legen um zu erörtern, aus welchem Land wir wohl kämen. Am Ende liess man uns einreisen, gewährte uns 60 Tage Aufenthalt (dazu waren wir laut unseres im Vorfeld bezogenen Visums auch bemächtigt) und wir durften unsere ersten Kilometer auf indonesischem Boden zurücklegen – im Regen. Auf die Frage, ob es denn um diese Jahreszeit oft regne, sagte man uns: „Nein, nie.“…..hmmm, dann war es an der Zeit, dass wir kamen!

Eine weitere Fähre, diesmal indonesischer Standard (und auch Preis), brachte uns tags darauf in acht Stunden nach Dumai in Sumatra. Unsere Räder waren schon ganz kribbelig und nach einer Nacht im Hotel (auch hier nun indonesischer Standard, erkennbar an Zigarettenstummeln unterm Bett) durften sie dann endlich loslegen. Lasset die Spiele beginnen!

 

Unsere Fähre spuckt uns am Pier in Dumai aus, während das Gedränge zum Einsteigen bereits tobte.

 

Hello Mister! Bereits auf unseren ersten Metern auf Sumatra kommen wir ins Gespräch!

 

Im grössten muslimischen Land der Erde ist eine Moschee nie weit. Ob hier im Zentrum von Bangkinang…

 

 

 

 

Was die Hitze schon ankündigt hatte, lauert mitten im Aufstieg. Einmal mehr überqueren wir den Äquator.

 

 

Die Hitze verwandelte uns bereits am ersten Tag in rotarmige Krebse und sobald bei einem Stop der Fahrtwind ausblieb versuchten unsere Körper, in möglichst kurzer Zeit, möglichst grosse Mengen an Flüssigkeit auszustossen. Das Ergebniss war wohl erbärmlich anzusehen, daran (oder an die Temperaturen) würden wir uns aber wohl gewöhnen. Vorläufig blieb uns nichts anderes übrig, als die grösste Mittagshitze im Schatten auszusitzen, regelmässige Pausen einzulegen und viel, viel, ja wirklich viel zu trinken und zu tropfen.

 

Fruchsäfte in allen Farben spenden Kraft . Dieser hier wurde aus der Drachen-Frucht (Buah Naga) gewonnen.

 

„Pop Mie“ – Fertignudeln warten überall darauf, mit heissem Wasser aufgegossen und geschlürft zu werden. Nein, nicht das Bild, sondern die Nudeln stehen auf dem Kopf

 

Täglich schlürfen wir unser treffend benanntes Lieblingsgetränk „Tehbotol“ (süsser Eistee) und „Kopi Susu“ (mit viel Kondensmilch gesüsster Kaffee).

 

 

 

Weniger gewöhnungsbedürftig war überraschenderweise der Verkehr. Trotz etwas unbedachtem Überholverhalten (in Indonesien wird positiv formuliert) etwa in unübersichtlichen Kurven oder über Kuppen, behandelte man uns respektvoll und hielt Abstand. In den ersten Tagen immerhin. Unsere Hoffnung, ungeteerte Nebenstrassen anzutreffen, wurde bereits früh im Ansatz zerschmettert, zusammen mit der Gewissheit, dass alle auf unserer Karte (oder auf Google Maps) eingezeichneten Strassen existieren. Trotzdem fanden wir unseren Weg nach Bukittingi – wenn auch nicht den, welchem wir uns zurechtgelegt hatten.

 

Diese futuristisch anmutenden Kehren suchen in Sumatra wohl immer noch ihres Gleichen.

 

Meistens schlängelt sich die Strasse durch Palmen-Plantagen zur Ölgewinnung (nein, nicht im Bild). Je mehr wir an Höhe gewinnen, umso mehr nehmen Reisfeldern (im Bild) die Überhand.

 

Mal sind sie trocken und in Terassen angelegt…

 

…mal nass in der Ebene gelegen.

 

All dies wurde jedoch von den Menschen in den Schatten gestellt. Sie begegneten uns mit einer Herzlichkeit, Offenheit und Neugier, dass wir aus dem Staunen tagelang nicht mehr herauskamen. Wobei die Neugier und die uns geschenkte Aufmerksamkeit oft peinliche Ausmasse annahm. Mittagspausen wurden von Fragen und Foto-Sessions dominiert, Neugierige fuhren auf Scootern neben uns her um mit uns zu plaudern und mehr als einmal wurde dabei ein sanfter Hinweis auf nahenden Gegenverkehr notwendig. Äusserster Beliebtheit erfreuten sich gemeinsame Fotos und wir wurden sogar während der Fahrt von Motorrädern aus dafür zum Anhalten gebeten, was wir auch taten. Natürlich fehlten oft auch staunende oder winkende Kinderhorden nicht und auf manchen Strecken rief sprichwörtlich vor und auch aus jedem Haus (!) mindestens jemand „Hello Mister“. Da wurde das Antworten, besonders in Kombination mit Hitze und anstrengenden Steigungen, oft zur Herausforderung.

 

 

Kaum sind die beiden „Buleh“ (Ausgebleichte) mit ihren Sepeda (Fahrrädern) im Dorf, werden sie auch schon von Kinderhorden umstellt..

 

 

 

 

Als wir eines Abends unser Nachtlager im Schulzimmer einer Sekundarschule aufschlugen, ging dies so weiter. Natürlich wollten die freundlichen Nachbarn mit Kind und Kegel diese beiden „Bulehs“ (Ausgebleichten) betrachten. So schön dies und die Gespräche mit unserem Brocken-Indonesich (Ja, wir arbeiten daran) waren, war dies nach einem Tag im Sattel unter Sumatras fieser Sonne auch ganz schön anstrengend und wir erwachten am nächsten Morgen erschöpfter, als wir am Abend ins Bett gegangen waren. Dies könnte auch damit zu tun gehabt haben ,dass wir vor dem Eintruddeln der Schüler weg sein wollten.

 

 

 

Am nächsten Abend dann neuer Ort, selbes Muster, als wir auf dem Gelände der Indonesischen Elektrizitätswerke in einem verlassenen Bürogebäude campieren durften. Wiederum wurden wir rührend aufgenommen und plauderten stundenlang mit dem Personal. Nachdem wir gekocht hatten, statteten uns dann noch gefühlte 50 Anwohner einen Besuch ab – ein ständiges Kommen und Gehen. Ein freundlicher junger Mann brachte uns sogar zwei Portionen „Nasi Goreng“ (gebratener Reis), da Spaghetti (die wir bereits gegessen hatten!) ja wohl nichts richtiges wäre und nur Reis uns die nötige Energie liefern könne! Wer könnte da ablehnen? Alles so unglaublich, dass wir danach mit prallvollen Bäuchen noch lange lachend und überwältigt im Zelt lagen.

 

 

Indoor-Camping im alten Bürogebäude der Elektrizitätsgesellschaft. perfekt.

 

Bezaubert von Sumatras Schönheit, erschöpft von dessen Klima und begeistert von dessen Menschen erreichten wir schliesslich nach fünf Rad-Tagen und 430 Km das, zwischen Vulkanen in den Bergen gelegenen Bukittingi. „Hello Mister! Hello Bukittingi!“

 

 

 

Argentinien & Chile | Tierra del Fuego

April 2015
698 Kilometer
9 Tage, wovon 0 radfrei

Gastfreundschaft in karger Wildnis
Küste, Pampa & rollende Hügel
eine weitere gestörte Nacht
angekommen am Ende der Strasse am ‚Ende der Welt‘

ZAHLEN ZUR REISE
22 Monate | 13 Länder | 20 Grenzübertritte
18’394 gefahrene Kilometer
221’409 gefahrene Höhenmeter

ROUTE | Punta Arenas – Fähre – Porvenir – Pingüinera – Camerón – Forestal Russfin – Pampa Guanacos – Paso Bellavista / Paso Radman – Rio Grande – Lago Yehuin – Tolhuin – Lago Escondido (Hosteria Petrel) – Ushuaia – Lapataia – Ushuaia

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Route Punta Arenas – Ushuaia

DURCH FEUERLAND: VON PUNTA ARENAS NACH USHUAIA

3’764 km nachdem wir am 2. Januar Santiago de Chile verlassen hatten, erreichten wir, nach einer ereignisreichen Tankstellenübernachtung in der Pampa, schliesslich Punta Arenas. Was uns als hektische Hafenstadt ohne viel Flair beschrieben worden war, traf genau unseren Geschmack. Die Stadt war lebendig, wies ein angenehmes Mass an Unordnung auf und wir hätten problemlos noch ein paar weitere Tage dort verbringen können, wäre nicht etwas Eile angesagt gewesen. Der patagonische Winter sass uns seit Wochen im Nacken und hatte uns in den letzten Wochen bereits wiederholt seine eisigen Krallen gezeigt.

Immerhin hatten wir aber etwas Zeit gefunden, um die Machbarkeit verschiedener Routen durch Feuerland zu überprüfen. Anstatt die, zwischen Chile und Argentinien geteilte Insel, wie ‚üblich‘ erst im Norden von Osten nach Westen zu durchqueren und dann an der Atlantikküste gemeinsam mit dem ganzen Schwerverkehr südwärts zu fahren, wollten wir lieber im Landesinneren bleiben. Ja, am liebsten wären wir im chilenischen Teil entlang der Grenze nach Puerto Yendegaia am Beagle-Kanal gefahren! …immerhin war auf mindestens einer Karte ein Wanderpfad eingezeichnet. Bloss wohin dann? Würden wir von dort wieder wegkommen, gar nach Puerto Williams, noch südlicher als Ushuaia gelegen, mit einem Schiff übersetzten können? Unter anderem sprachen wir in Punta Arenas bei der, für die Grenzen zuständige, ‚Policia Internacional‘ vor. Wo man uns sehr freundlich und ausführlich über -Strassenverhältnisse und mögliche Grenzübergänge informierte, uns aber wissen liess, dass man uns nicht so weit südwärts reisen lasse. Die Strasse wäre dort nämlich noch im Bau – für uns eigentlich kein Problem, für sie scheinbar schon. Aufgrund dieser Aussagen entschieden wir uns für eine nicht ganz so abenteuerliche, aber trotzdem verlockend klingende, sozusagen ‚diagonale‘ Route durch Feuerland, auf der nur die letzten 100 km geteert sein würden.

So sattelten wir an einem regnerischen Sonntagmorgen in Punta Arenas wieder einmal unsere Räder, und fuhren durch die nassen und noch stillen Strassen der Stadt zum Hafen. Denn noch trennte uns die Magellanstrasse und eine 2 1/2 stündige Überfahrt mit einer Fähre von der – wenigstens dem Namen nach – feurigen Insel.

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Dieses Robust wirkende Fähre begann, kaum hatten wir den Hafen verlassen, zünftig zu schwanken. Aber wir erreichten damit Porvenir

Tierra del Fuego, Feuerland. Ein magischer Name und die letzte Etappe auf unserem Weg an die Südspitze der Amerikas. Ausserdem ein weiterer Teil der Welt, den zu besuchen nie unser Plan gewesen war. Doch Pläne ändern sich glücklicherweise. Jetzt waren wir da und liessen uns von angenehmem Rückenwind die 7 km vom Hafen in die Stadt schieben, wo wir sogleich von einem Hund begrüsst wurden. Er war von uns dermassen begeistert, dass er uns für die nächsten 34 km begleitete! Nun südwärts fahrend, war es vorbei mit windgetriebenem, leichtem Rollen. Während der blonde Fellknäuel freudig vor uns her trabte, kämpften wir vier Stunden lang gegen starke Windböen an. Diese gaben sich alle Mühe, uns von unseren Rädern oder unsere Räder unter uns weg zu blasen, was ihnen teils auch gelang. Da waren sie nun also, die berüchtigten patagonischen Winde!

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Unser blonder Begleiter konnte Wind und Wellen mehr Freude abgewinnen als wir.

An ungeschütztes Zelten war so nicht zu denken. Als der Nachmittag voran schritt, hielten wir nach möglichen Windschutz für die Nacht Ausschau. Nun an der kargen Küste entlang fahrend, passierten wir immer wieder kleine Blech- und Bretterbuden, meist keine 10m vom Meer entfernt und inmitten eines Wirrwarrs von Körben und Netzen – Fischerhäuschen. Vor einem solchen trafen wir Carlos, einen Fischer, der gerade dabei war, seine frischen Kartoffeln zu ernten. Er lud uns ein, die Nacht in seinem kleinen Heim zu verbringen und konstruierte dazu eigens behelfsmässige Betten für uns. Während draussend der kalte Wind pfiff, sassen wir abends am wärmenden (heissen!), von Carlos selbst konstruierten Ofen beisammen, sprachen über Gott und die Welt, das Leben auf Feuerland, die Einflüsse vom Festland und die politischen Verhältnisse in diesem abgelegenen Teil Chiles.

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Carlos – Fischer, Gastgeber, Denker & Leseratte

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Nicht nur dieses Auto hinter Carlos‘ Hütte machte sich gut in der Morgensonne…

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…auch andere wollten posieren.

Beeindruckt von Carlos und seiner Gastfreundschaft verabschiedeten wir uns am nächsten Morgen. Er wollte die restlichen Kartoffeln retten, wir möglichst weit kommen. Zunehmend von Rückenwind getrieben holperten wir entlang der kargen Küste durch die hügelige Landschaft, mal direkt am Strand mit Blick auf spielende Delfine, dann weiter landeinwärts mit Blick auf Schafe und erreichten gegen Abend eine Kolonie von Königspinguinen, der einzigen ausserhalb der Antarktis. Was idyllisch klang, war dann eine etwas ernüchternde Erfahrung. Da sich die kleinen Kerle auf privatem Boden eingenistet hatten, war ein Erdwall um sie herum aufgeschüttet worden. Um den finanziellen Wohlstand der Landbesitzers zu sichern, wurden sie so vor neugierigen Blicken von der nahen Strasse bewahrt. Das Resultat war ein Zoo-Feeling und eine Flut von Verbotsschildern. Die Pinguine in der Ferne waren trotzdem schön.

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Die Königspinguine waren sicherlich ein Highlight, hinterliessen aber einen müden Eindruck…

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…einige schliefen ausgestreckt, andere reckten und streckten sich und manche stritten.

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Aber Tierra del Fuego bot mehr Guanacos als Pinguine. Wir wurden für viele von ihnen zum Inbegriff von Angst und Schrecken.

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Schafe verlockten so manchen auf Feuerland zum Schafsdiebstahl beim Nachbarn. Die Polizei zum Beispiel.

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Schafs-Rush-Hour: Patagonischer Stau.

Obwohl sich das Wetter immer mal wieder etwas regnerisch-verstimmt zeigte, erlebten wir Feuerland von seiner besten und gastfreundlichsten Seite. Da man uns nicht, wie von anderen Radfahrern berichtet und daher geplant, bei der ‚Pinguinera‘ hatte kampieren lassen, hatten wir an jenem Abend etwa um Campier-Erlaubnis nahe einer Finca (Farm) gebeten, was uns von einem Arbeiter erlaubt wurde. Als wir um neun Uhr abends gerade ins Zelt kriechen wollten, näherte sich uns ein Auto aus der Dunkelheit. Lachend und mit einer Zigarette im Mundwinkel sprang der Arbeiter heraus, drückte Robin ein in Alufolie gewickeltes Paket voller dampfender ‚Empanadas‘ (gefüllte Teigtaschen) und selbstgemachte Brote in die Hände. Wir waren verblüfft und gerührt von so viel Herzlichkeit – und machten uns, sobald er davon gebraust war, über die Köstlichkeiten her.

Auch die folgenden Nächte suchten und fanden wir Schutz vor Wind und Wetter. Im ehemaligen Goldschürferort Russfin durften wir eine regnerische Nacht trocken in einem leerstehenden Häuschen am Rande eines industriellen Forstbetriebs verbringen und nachdem wir am kleinen Grenzübergang ‚Bellavista‘ unsere Räder durch einen Fluss über nach Argentinien gewuchtet hatten, bot man uns ein trockenes Plätzchen im Grillpavillon des Zolls an. Beim Checkpoint der Polizei ausserhalb der Stadt Rio Grande wollte man uns allerdings nicht, dafür nahmen uns die Mannen der Nachtschicht im städtischen Wasseraufbereitungsbetrieb, keine drei Kilometer weiter, freundlich auf und liessen uns gleich auch noch in ihrer warmen Küche kochen.

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So stark hat uns der Wind nicht zugesetzt….

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…auch wenn er auch mal salzig vom vorne kam.

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Aber alle 100 km fanden sich mitten im Nichts solche Häuschen. Refugios und Bushaltestellen. Perfekt zum Mittagessen.

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In diesem verlassenen Haus bei Russfin durften wir eine geschützte Nacht verbringen.

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Immer wieder kamen wir an Estancias vorbei. Farmen, mal nahe und mal weit entfernt. Mal schienen sie belebt und dann wieder scheinbar ausgestorben. Manche davon zählen bis zu 1’000’000 Schafe.

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Tierra del Fuego war selten flach.

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Oft waren die letzten Ausläufer der Anden im Süden sichtbar, nach Regentagen verschneit.

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Die Wälder zeigten sich bereits herbstlich. Farbig.

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Dieser Fluss am Grenzübergang Bellavista war kühl und sorgte für Abwechslung. Die Nacht im Pavillon an der Grenze dann dafür warm.

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Bereits in Argentinien, Rio Grande nicht mehr weit.

Nachdem wir uns am nächsten Tag nach nur 8 km wieder einmal gegen Asphalt und für Schotter entschieden hatten, erreichten wir gegen Abend den kleinen, gut versteckten Lago Yehuin. An dessen Ufer fanden wir einen wettersicheren Platz für unser Zelt in den etwas gespenstischen Ruinen einer verlassenen Hotelanlage.

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Immer mit Blick auf die weissen Berge der Cordillera, erreichten wir…

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…den idyllisch erscheinenden Lago Yehuin

Dunkelheit lag über dem See und Daina war eben ins Zelt gekrochen, als Robin keine 30m entfernt im Gebüsch ein Licht aufblitzen sah. Im selben Moment hörten wir auch schon die Reifen eines Autos heran preschen, begleitet von lautem Hupen. Es blieb gerade noch der (nicht sehr vielversprechende) Griff zur Machete, als schon ein Geländewagen mit Volllicht und immer noch hupend auf den Kiesplatz vor uns zu stehen kam. Sekunden vergingen. Das Hupen ging weiter, doch nichts geschah. Die Türen blieben geschlossen und dann gab der hinter dunkeln Scheiben verborgene Fahrer wieder Gas. Zurück blieb Staub und Schrecken. Was war eben passiert? Woher war der hupende Wagen mitten im Nichts aufgetaucht – wir hatten auf den letzten 80 km bloss drei oder vier Estancias passiert!? Würden er zurück kommen oder wollte man uns bloss vertreiben? War es eine Warnung gewesen, eine Drohung oder bloss ein übler Scherz? War noch jemand im Gebüsch oder würde man uns auflauern?

Wir mussten weg, soviel war klar. Hier würden wir so oder so kein Auge mehr zu tun. Möglichst schnell packten wir im Schein unserer Stirnlampen Alles zusammen. Déja Vù! Bevor wir unser Zelt in den Ruinen aufgeschlagen hatten, waren wir keine 10 km entfernt bei einer Estancia mit der Bitte um einen geschützten Nachtplatz abgewiesen worden. Trotzdem entschieden wir uns jetzt, aus Mangel an Alternativen, nochmals dorthin zurück zu fahren. So verliessen wir keine 10min nachdem das Hupen verklungen war, die Ruine. Nervös rollten wir auf verräterisch laut knirschenden Reifen im Dunkeln der Estancia entgegen. Als wir diese eine gefühlte Ewigkeit später auch erreichten, nahm uns der chilenische Knecht, nachdem wir den Vorfall geschildert hatten, diesmal herzlich und ohne Zögern auf. Wir verbrachten den Rest des Abends gemeinsam plaudernd in der warmen Küche bei Kaffee und frischem Gebäck. Der Abend hätte gegensätzlicher nicht sein können!

Mit der ‚Panaderia La Union‘ in Tolhuin, gut 100 km von Ushuaia entfernt, liefen wir am folgenden Abend einen sichereren Hafen an. In der wohl berühmtesten Bäckerei des Kontinents fanden wir Unterschlupf – wie schon Hunderte, wenn nicht Tausende vor uns. Seit Jahren stellt der grosszügige Bäckermeister Reisenden, ob mit Rad, Motorrad oder zu Fuss, in einem kleinen Zimmerchen hinter der Backstube gratis ein Bett zur Verfügung. Die drei Betten waren zwar schon besetzt, wir fand aber am Boden dazwischen gerade noch etwas Platz für uns und unsere Matten. Zu unserem Erstaunen durften wir nicht nur die Dusche neben der Backstube benutzen, sondern auch in einer zweiten, kleineren Backstube kochen – während dort gearbeitet wurde. Als Dank haben wir dann kräftig Gebäck verputzt!

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Die Spuren des Kommen und Gehens vieler, vieler Reisender an den Wänden des kleinen Gästezimmers der Panaderia ‚La Union‘.

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Ushuaia kam näher, daran gab es nichts zu rütteln.

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Erste Blicke auf den Lago Fangnango.

Was blieb waren noch 104 km. Für diese sozusagen letzten Meter unserer Reise wollten wir uns Zeit nehmen um am liebsten nochmals ‚im Dreck zu wühlen‘. Wer sucht der findet, wenn auch nur einen kurzen Abschnitt der ehemaligen Hauptstrasse. Diese gerade mal knapp sieben Kilometer waren ein Genuss. Ohne Verkehr rollten wir, vor Freude euphorisch, über die mit Gras überwachsene Piste, bis wir irgendwann, etwas weniger euphorisch, vor einer unüberwindbaren Brücke (schwimmen wäre möglich gewesen) standen. Ein Bauer auf der anderen Seite teilte uns mit, dass wir die ‚Ausfahrt‘ zurück zur Strasse verpassten hätten. Dank seinen Erklärungen fanden wir dann aber trotz Dickicht und umgestürzten Bäumen zurück zur Strasse. Wir hatten im Laufe des Nachmittags nicht einmal 10 km zurückgelegt.

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Die Erlaubnis zum Betreten hatten wir, zum Campieren scheinbar nicht.

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Als es immer sumpfiger wurde halfen meist Brücken in unterschiedlichen Verfallsstadien…

...aber nicht immer.

…aber nicht immer.

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Jedenfalls überzeugte das Panorama…

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…immer!

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Der Rückweg zur Strasse war nicht immer so einfach. Auch Wurzeln umgestürtzter Bäume stelten sich quer.

Pünktlich mit den letzten Sonnenstrahlen erreichten wir den kleinen Lago Escondido und die zerfallenden Cabañas der ehemaligen ‚Hosteria Petrel‘, einer velassenen Hotelanlage. Im noch wohnlichen Häuschen Nr. 6 trafen wir auf Tom, dem Australier. Ihn hatten wir am Vorabend in der Panaderia wieder getroffen und uns provisorisch hier verabredet. Wie auch wir wollte er Ushuaia nicht in einem Tag erreichen und so die Ankunft in Ushuaia und damit das Ende des Abenteuers, noch etwas hinauszögern. In dieser Nacht wurden wir weder von Locos noch von hupenden Autos gestört.

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Unsere luxuriösen Cabañas am Lago Escondido…

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…welcher am nächsten Tag nach einem kurzen Anstieg zum ‚Paso Garibaldi’…

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…auch von oben einen guten Eindruck hinterliess.

Nach der kalten Nacht war die Strasse über einen kleinen Pass teils noch vereist. Vorsichtig und vor Kälte schlotternd rollten wir nun gemeinsam mit Tom, meist stillschweigend und gedankenversunken,  dahin. Das Ziel war nahe – und damit auch das Ende des Abenteuers. Was dann? Wie würden wir uns fühlen? Das Ende nach 52 km kam dann abrupt hinter einer Kurve. USHUAIA, geschafft! Wir wurden von einer Flut von Gefühlen überschwemmt: Freude über die Ankunft mischte sich mit Stolz über das Erreichte, Traurigkeit über das Ende und Angst vor dem Leben danach. Glück war wenig dabei und wir lenkten uns damit ab, Siegerfotos zu machen.

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Unter sommerlich-verlassenen Sesselliften hindurch…

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..und über ein paar Hügel…

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…erreichten wir Ushuaia.

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USHUAIA!

Nun blieb uns nur noch, uns mit der Realität des Angekommen-Seins anzufreunden, abzufinden und einen Tag später noch die letzten, obligatorischen 25 km bis ans ‚Ende der Strasse‘ an die Bucht von Lapataia am Beagle Kanal zu fahren. Das Tacho zeigte 18’394 km gemessene Kilometer und 221’409 Höhenmeter.

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Während die Sonne über Ushuaia aufging, machten wir uns auf den Weg nach Lapataia…

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…dem Ende der Welt – oder wenigstens der Strasse. Für uns Kilometer 18’394.

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Dann hiess es im Hinterhof des Hostels Räder verpacken…

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…verladefertig, geschützt für den Flug (hier mit Toms Rad bereit zum einchecken)…

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…3’000 km nach Norden, nach BUENOS AIRES.

UND HIER NOCH DIE GALERIE:

Argentinien & Chile | durch Patagonien

März 2015

733 Kilometer

16 Tage, wovon 8 radfrei

Berge, Pampa & ignorierte Ausflugsziele
Guanacos, Nañdus & Kondore
Indoor-Camping & eiskalte Nächte
streikende Knie & gefährdete Pläne
Locos & gestörte Nächte

ROUTE | El Chaltén – ‚Pink House‘ (Parador Luz Divina, km 122) – El Calafate – El Cerrito – Tapi Aike – Cerro Castillo – Puerto Natales – Morro Chico – Villa Tehuelche – Gobernador Philipi – Punta Arenas

Chaltén nach Punta Arenas

Chaltén nach Punta Arenas

DURCH PATAGONIEN: VON EL CHALTÉN NACH PUNTA ARENAS

Unser erster Anlaufpunkt im zwar touristischen aber nicht überlaufenen Nest El Chaltén war das ‚Casa de Flor‘. Ein weiteres ‚Casa de Ciclistas‘ und scheinbar obligatorischer Halt auf dem hier gut gespurten ‚Reiserad-Trail‘. Hunderte von Reisenden campieren jedes Jahr in Flors Garten, so auch wir. Es sollte bei einer Nacht bleiben. Denn wie bereits im Casa de Ciclistas in Coyhaique wurden auch hier nicht nur verdreckte Radfahrer aufgenommen, sondern gleich auch noch junge Katzen aufgezogen. Diese übten sich in, um und unter den vielen Zelten in Krallenkletterei an den zarten Stoffen. Wir wussten die zusätzlichen Belüftungsschlitze weniger zu schätzen und flüchteten am nächsten Morgen auf einen nahegelegenen Zeltplatz, von wo sich das herrliche Panorama und die uns umgebenden schönen Berge bestens ohne den zusätzlichen Aufwand einer Wanderung für ein paar Tage geniessen liess.

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So schön das Fitzroy-Massiv auch war, bald sassen wir wieder im Sattel. Wie immer ein unbeschreibliches Gefühl von Freiheit.

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Dank etwas Rückenwind auf den ersten 90 von 120km, erreichten wir trotz eines späten Starts den unter Radreisenden wohl bekanntesten Campspot Patagoniens noch vor Sonnenuntergang.

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Im sogenanten ‚Pink House‘, einem verlassenen ehemaligen Hotel an der Ruta 40 haben schon hunderte Radfahrer vor uns Schutz vor Wind und Kälte gefunden – und an den Wänden ihre Spuren hinterlassen. Darunter auch Freunde.

Irgendwie kamen wir aber nicht so richtig in die Gänge, weder radfahrerisch noch touristisch. Zwar erreichten wir den 220km entfernten Ort El Calafate in nur zwei Tagen, einmal dort ignorierten wir den eigentlichen Grund für einen Besuch dieses vom Tourismus lebenden Städtchens – den viel gepriesenen Gletscher ‚Perito Moreno‘ völlig. Unsere Gletschererfahrung eine Woche zuvor war derart perfekt gewesen, dass wir ihn weder sehen noch hören wollten und so taten, als ob Ausruhen hier die Hauptatraktion wäre. Geht auch ohne Tour. Nicht ohne Tour – oder einflussreiche Kontakte – ging aber unser eigentliches Vorhaben für die Weiterreise nicht. Wir wollten nämlich von Calafate direkt über die Kordillera nach Chile einreisen und uns damit sozusagen von hinten ans beliebte ‚Torres del Paine‘-Massiv anschleichen. Von dieser Art, die grüne Grenze zu überqueren wollte aber die Gendarmeria, deren Erlaubnis und vor allem Ausreisestempel wir benötigt hätten, nichts wissen. Sowieso gäbe es da keine Strasse, sagte man uns. Brauchen wir nicht, antworteten wir. Dazu benötige es politische Kontakte, sagte man uns. Haben wir nicht, sagten wir und mussten uns mit dem ’normalen‘ Weg zufrieden geben. Auch gut.

Von El Calafate ging es erst 30km zurück an die Ruta 40. Pampa.

Von El Calafate ging es erst 30km zurück an die Ruta 40. Dann darauf südwärts. Pampa.

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Die Strasse stieg auf eine Hochebene. Hier war das Wasser gefroren und an schattigen Stellen glitzerte Schnee.

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Der selbe Wind, der uns morgens noch unterstützt hatte, wurde nachmittags nach einem leichten Richtungswechsel zum Feind.

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Dies alles geschah unter den wachsamen Augen von kreisenden Kondoren. Wir zählten an nur einem Tag 40 davon!

Die für Patagonien bekannten, starken Winde hatten sich Ende März bereits etwas beruhigt, windstille Momente gab es aber trotzdem kaum. Teils wurden wir von Rückenwind unterstützt, teils von Gegenwind geplagt und oft von seitlichen Windböen geärgert.

Herbst hielt Einzug und ringsum glitzerte Schnee an den Hängen und auf den Bergen. Diese ersten Vorboten des nahenden Winters waren wunderschön anzusehen, brachten jedoch entsprechende Temperaturen mit sich. Regelmässig erwachten wir nachts zitternd und mit Krämpfen. Dies obwohl wir uns bemühten, wenn möglich windgeschützt zu campieren oder gar einen Unterschlupf zu finden. Nicht ganz so einfach auf einer Strecke praktisch ohne Dörfer, aber möglich. Die ersten beiden Nächte liessen uns die freundlichen Mannen in zwei verschiedenen Lagern der Vialidad (Strassenbaubehörde) in Wohnkontainern campieren, während wir die dritte Nacht auf dem Dorfspielplatz des kleinen Dörfchens Cerro Castillo verbrachten.

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Eine scheue Anfrage um einen windgeschützten Platz für unser Zelt wurde mit einem Platz in diesem Häuschen bei der ‚Vialidad‘ in El Cerrito, einer Kreuzung mitten im Nichts, belohnt.

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Doch Boden-Camping erwies sich trotz Wänden und Notfalldecke als frostige Angelegenheit.

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Umso mehr genossen wir am Morgen die Möglichkeit, unser Frühstück ohne Wind-Frische kochen und geniessen zu können. Gracias!

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Draussen begrüsst uns dann Schotter und eisige Kälte. ‚Live‘ aus den aus den frischverschneiten Bergen.

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Immer wieder stiegen wir mit eingefrorenem Grinsen aus den Sätteln um Fotos zu schiessen…

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… etwa von dem hier.

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Trotz Gegenwind arbeiten wir uns vorwärts. Kurve um Kurve…

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…und Hügel um Hügel…

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…um Hügel. Mal knirscht es weich unter den Pneu…

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…und manchmal mussten wir in losem Kies auf Allrad-Antrieb umschalten.

Auch hier liessen wir die eigentliche Sehenswürdigkeit, den weit über Chiles Grenzen hinaus bekannten Nationalpark ‚Torres del Paine‘, links liegen. Bereits auf der argentinischen Seite der Grenze waren wir  einen Tag lang auf die am Horizont aufragenden gezackten Spitzen der zerklüfteten Berge zugefahren. Dabei hatten wir sie am Horizont sowohl in den ersten Sonnenstrahlen leuchten und mit den letzten Sonnenstrahlen glimmen sehen. Wir genossen dies sehr und wollten sie gar nicht näher sehen. Das Verlangen danach, in Einerreihe zwischen Wandergruppen aus aller Welt über markierte Pfade wandern, war einfach nicht gross genug. Wir ernteten dafür in Puerto Natales, welches vom Wandertourismus lebt, ziemliches Unverständnis für unsere scheinbare Ignoranz dieser geballten Ladung Felsen gegenüber – dies ignorierten wir gekonnt.

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Die Sonne ging unter, bevor wir unser Tagesziel erreicht hatten und die schroffe Kulisse der ‚Torres del Paine‘ versanken am nächtlichen Horizont.

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Doch am nächsten Morgen schimmern sie bereits kurz nach Sonnenaufgang um 8 Uhr hinter dem, scheinbar spontan gewachsenen, Schrottplatz der Vialidad am Horizont in den ersten Strahlen der Morgensonne.

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Anschliessend rollte es dann für 40km besser. Und auch der Wind war weg. Chile, wir kommen!

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Nañdus, diese Jungs hier, rannten normalerweise weg . So schnell sie konnten.

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Während der Herr uns die kalte Schulter zeigte…

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…brachen diese komischen Vögel in lautes Geschnatter aus…

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…und die Herren in Schwarz schauten kurz von ihrer Mahlzeit auf und machten böse Miene zum guten Spiel.

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‚Dulce de Leche‘, unsere Mahlzeit!… eine carameliger Brotaufstrich,

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Auf diesem Spielplatz in Cerro Castillo froren wir nicht so sehr. Dafür dauerte das morgentliche Enteisen in der schwachen Herbstsonne gute zwei Stunden.

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Von Cerro Castillo nach Puerto Natales rollten wir dann auf Asphalt. Der versprochene Rückenwind blieb allerdings aus.

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Die entfernten Berge sorgten für kühle Temperaturen, das Meer dahinter für hohe Luftfeuchtigkeit.

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Auch hier kamen wir immer wieder an kleinen Schreinen am Strassenrand vorbei. Dieser hier für Difunta Correa…

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…und auch dieser, inmitten von Wasserflaschen, zurückgelassen für Durst leidende Reisende.

Tatsächlich kamen aber noch andere Gründe dazu. Auf halbem Weg zwischen Calafate (ARG) und Puerto Natales (CL) entschied Robins rechtes Knie plötzlich, dass ein kleiner Protest gegen die Arbeitsverhältnisse angebracht wäre (dies ist in Argentinien sehr beliebt). Es hatte sich dazu die Symptome ausgesucht, welche Daina zu Beginn unserer Reise wochenlang geplagt hatten. Diese liessen sich zwar auch hier durch gezieltes massieren in Schach halten, zwangen uns aber zu kurzen Tagen und niedrigerem Tempo und gelegentlichen Wander&Schiebe-Einheiten. So erreichten wir Puerto Natales fünf Tage, nachdem wir El Calafate verlassen hatten. Mit zugegebenermassen nicht ganz so viel Schwung, wie wir uns dies vorgestellt hatten. Wir waren aber zuversichtlich, dass 2-3 Tage Ruhe das Problem lösen würden und genossen ‚Natales‘, ein sympatisches kleines Hafenstädtchen.

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Erste Blicke auf Puerto Natales, hoffnungslos abgelegen am ‚Última-Esperanza‘-Fjord gelegen.

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Dieser Eisbrecher begrüsste uns am Eingang zu Puerto Natales und machte schon mal klar, woher hier der Wind wehte.

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Man zeigt sich in Badelaune…

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…ankerte vor der Stadt…

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…oder hing am unglaublichen Skatepark der kleinen Stadt ab.

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Manche posierten auch vor bemalten Wänden ab.

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Ansosnsten herrschte aber hektisches Treiben in den vielen kleinen Geschäften. Ausser von 13 Uhr – 17.30 Uhr ging gar nichts. Siesta.

Frisch ausgeruht und mit Taschen voller Lebensmittel für die bevorstehende Etappe von rund 270 km gerüstet (darunter 18 Brötchen, 2 kg Nudeln, 1,5 kg Haferflocken, 1 Kilo Polenta, 1/2 kg Käse, 6 Äpfel, 8 Karotten, 8 Packungen Keckse und 6 hartgesottene Eier), verliessen wir nach zwei Ruhetagen motiviert die Stadt – bloss um bereits nach 10 min am Stadtrand feststellen zu müssen, dass nun das linke Knie seine Mitarbeit verweigerte. Wir kehrten um und sassen in der Folge fünf weitere Tage fest. Unsere Motivation sank und an unserem Planungshorizont zogen dunkle Wolken auf. Denn die Zeit drängte, der patagonische Winter würde bald anbrechen und uns mit Kälte und Schnee die Möglichkeit verbauen, Ushuaia, und damit die Südspitze Südamerikas, noch zu erreichen.

Dies änderte sich auch nach fünf Tagen nicht und wir beschlossen, es darauf ankommen zu lassen und einen erneuten Anlauf zu nehmen. Mit gemässigtem Tempo verliessen wir Puerto Natales, liessen uns für die Strecke gemütliche vier Tage Zeit und verfolgten mit banger aber wachsender Hoffnung, wie sich das Knie langsam erholte.

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Vorsichtig uns langsam verliessen wir ‚Natales‘.

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Obwohl es reizvolle Alternativrouten gegeben hätte wählten wir ausnahmsweise Asphalt um das Knie zu schonen.

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Wer genau schaut muss feststellen, dass in Chile ein paar hundert Meter relativ kurz sein können!

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Relativ kurz war es aber oft nicht, dafür relativ gerade. Schonungslos gerade.

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Aber auch die schwierigen Geraden wurden irgendwann von rollenden Hügeln abgelöst.

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Aber Patagonien hielt uns bei Laune. Mit Sümpfen…

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…Regenwolkentürmen…

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…und spiegelden Lagunen. Die Freude darüber zauberte uns immer wieder ein breites Strahlen ins Gesicht

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Grosse Vögel musterten uns mit Adleraugen…

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…und scheue Guanacos rannten um ihr Leben.

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Aber die Nächte waren kalt. Ob im gut platzierten Zelt…

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…unter der Brücke…

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…oder im ‚Refugio‘ (Schutzhütte) am Strassenrand. Trotz eines eingebauten Holzofens – mit leider etwas wenig eingebautem Holz. Wenn wir das gewusst hätten!

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Da liess sich manch einer zur Sicherheit einen Pelz wachsen…

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…andere überliessen ihre Federn dem nächtlichen Frost.

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Dieser Señor überraschte uns übrigens gerade, als wir morgens unsere Räder unter der Brücke hervor zerrten. Man begegnete sich aber in Frieden. Er hatte nur Durst, trank am Fluss und verduftete dann wieder.

Am Nachmittag des dritten Tages erreichten wir ‚Gobernador Philipi‘, eine Kreuzung mit Tankstelle und Cafe mitten in der Pampa. Wir setzten uns ins Cafe, von dessen Fenster aus wir kurz darauf Tom, einen befreundeten australischen Radfahrer an der Kreuzung entdeckten. Eines führte zum andern. Orlando, der freundliche Tankwart bekochte uns, erzählte uns, dass an dieser Stelle viele Ufos gesehen würden (!) und liess uns in leerstehenden nahegelegenen Häuschen campieren.

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Unsere wunderbar wärmenden Häuschen hinter der Tankstelle. Hier noch ein friedlicher Ort.

Die wohlig warme Nachtruhe nahm gegen 1 Uhr morgens ein jähes Ende. Heftig klopfend stand Orlando vor der Tür, während im Hintergrund Polizeiautos und Blinklichter vor der Tankstelle zu sehen waren. UFOS? Nein. „Ein Verrückter, bewaffnet mit einem Sturmgewehr und einer Flinte, auf der Flucht vor der Polizei“ wurde in der Nähe vermutet. Er war eine Stunde zuvor keine 5 km entfernt gesehen worden. Zur Sicherheit sollten wir schnellstmöglich alles einpacken und ins Haus kommen. Dort schliefen wir den Rest der Nacht mit einem etwas mulmigen Gefühl auf dem Boden. Glücklicherweise stattete uns der „bewaffnete Loco“ in dieser Nacht keinen Besuch ab – von den Aliens wäre wohl keine Hilfe zu erwarten gewesen.

Zwei Tage später, bereits in Punta Arenas, der letzten grösseren Stadt im Süden Chiles erfuhren wir, dass es sich (laut Fernsehen) bei dem „Loco“ um zwei Drogenschmuggler handelte, die sich mit der Polizei eine Schiesserei geliefert hatten und schliesslich um 4 Uhr morgens nur wenige hundert Meter von uns entfernt überwältigt werden konnten. Einer konnte dann allerdings aus dem Wagen springen und entkommen. Alles tranquilo in der Pampa.

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Tags darauf erreichten wir etwas müde Punta Arenas. Erster Halt Tankstelle. Essen, trinken, Weg erfragen.

Patagonia by Night. Orlando hatte uns nicht nur in der Tankstelle übernachten lassen, sondern zeigte uns in Punta Arenas auch noch das Nachtleben.

Patagonia by Night. Orlando hatte uns nicht nur in der Tankstelle übernachten lassen, sondern zeigte uns in Punta Arenas auch noch das Nachtleben. Peace and out.

Zum Schluss die GALERIE:

Chiles Patagonien | Carretera Austral

Februar / März 2015

1’074 Kilometer

14’842 gefahrene Höhenmeter

29 Tage, wovon 10 radfrei, davon 6 auf Fähre wartend

Carretera Austral
Schotter, Kurven, lange Zäune
Regen, Wind und Sommerwetter

Patagonien
erschlossene Wildnis
Fähren, Gletscher, Wasserfälle
Kondore und Puhús

ROUTE | Puerto Montt – Chaíten (Fähre) – Villa Santa Lucia – La Junta – Puyuhuapi – Villa Amengual – Villa Mañihuales – Coihaique – Villa Cerro Castillo (Ende Asphalt, bis hier Teilstücke asphaltiert oder im Bau) – Puerto Tranquilo – Puerto Bertrand – Cochrane – Puerto Yungay – (Fähre) – Rio Bravo – Villa O’Higgins – Puerto Bahamondez (Ende ‚Carretera Austral‘)

[In allen genannten Ortschaften (ausser Puerto Yungay, kein Ort) sind Lebensmittel, wenn auch beschränkt erhältlich]

Puerto Bahamondez – (Fähre via Glaciar O’Higgins) – Candelario Mancillo (Carabineros erledigen Grenzformalitäten CL) – Ripio bis Grenze (15km) 15km – Singletrack bis ‚Lago del Desierto‘ (~6 km, Gendarmeria erledigt Grenzformalitäten ARG) – Überfahrt ‚Lago del Desierto‘ per Fähre – El Chaltén (Beginn Asphalt)

ROUTENOPTIONEN | Fähre: Villa O’Higgins – Candelario Mancillo (regelmässig 3x wöchentlich Dez. – Mitte März, dann nur samstags) |Paso Rio Mayer: (Begehbarkeit hängt vom Wasserstand der zu querenden Flüsse ab, für uns (Ende März) keine Option

Carretera Austral mit Verbindung nach Argentinien

Carretera Austral mit Verbindung nach Argentinien

AUF DER ‚CARRETERA AUSTRAL‘ DURCH CHILES PATAGONIEN

Seit Monaten, ja seit wir vor über einem Jahr in Kolumbien südamerikanischen Boden betreten haben, schwärmten uns nordwärts fahrende Radreisende von einer Strasse vor: Der ‚Carretera Austral‘.

Der Bau dieses strategischen Monsterprojektes wurde unter Diktator General Pinochet im Jahre 1976 lanciert und erst im Jahr 2000 offiziell eröffnet. Grossteils immer noch ungeteert, windet sich die ‚Carretera Austral‘ südwärts durch Chiles Patagonien. Dabei schneidet sie sich ihren Weg durch Regenwälder und Fjorde, durchquert Sümpfe und Flüsse bis sie, nach über tausend Kilometern, irgendwann nicht mehr kann, nicht mehr will und einfach aufhört.

Diese Strasse also schien das Non-plus-Ultra, ja geradezu der heilige Gral und die ‚Tour de France‘ aller südamerikanischen Radreiserouten zu sein. Eine Pflicht ohne Wenn und Aber und ein Muss für jeden Radtourero.

Ripio hin oder her – für uns hatte sie damit jeglichen Reiz verloren. Totzdem standen wir Mitte Februar in Puerto Montt und damit sozusagen vor den Toren zur Carretera Austral. Hatten wir nie wirklich die Absicht gehabt, uns auf diese chilenische ‚Bodenseerundfahrt‘ einzulassen, so waren wir aus Mangel an sinnvollen Alternativrouten südwärts nun trotzdem hier gelandet. Hier, ohne Lust auf Patagonien, ohne Lust auf die ‚Carretera Austral‘.

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Puerto Montt, Hafenstadt und Einstieg zur Carretera Austral…

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…hektisch, dreckig und ganz nach unserem Geschmack.

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Mit Super Brot…

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…und Schnäppchen.

Um die ‚Carretera‘ geniessen zu können würden wir umdenken müssen. Weg von der Suche nach Abenteuer, nach abgelegenen Routen oder fordernden Pässen. Gefragt war Ferienmodus. Schalter umlegen – oder scheitern, zu zwei weiteren verbitterten und freudlosen Reisenden werden. Dies wollten wir nicht, suchten und fanden den Schalter und beschlossen diesen neuen Abschnitt unserer Reise mit einer Schifffahrt von Puerto Montt nach Chaiten einzuläuten. Dadurch mochten wir uns vielleicht 150 Kilometer erspart haben. Viel wichtiger aber war, dass wir die Fähre am nächsten Morgen in Ferienstimmung verliessen. Ferienmodus erfolgreich aktiviert.

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Die Fähre bringt uns über Nacht von Puerto Montt nach Chaiten.

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Nicht mehr weit nach Chaiten. Das Dorf versank vor ein paar Jahren bei einem überraschenden Vulkanausbruch in Asche und Schlamm.

Nach einer Partynacht am Lagerfeuer eines Campingplatzes in Chaíten, erwachten wir mit den ersten Sonnenstrahlen. Diese bildeten den Auftakt zu einer Sonnenwoche wie aus dem Bilderbuch: Ferien! Vögel zwitscherten, Wälder rauschten um uns herum, Gletscher funkelten auf den Bergkuppen und wir freuten uns über jeden weiteren wie Kinder. Einzig die endlosen Zäune beidseits der Strasse gaben der natürlichen Schönheit Patagoniens einen Natur-hinter-Gitter-Zoo-Charakter und erschwerten die nächtliche Campspotsuche.

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Ein harmloses Exemplar der omnipräsenten, patagonischen Zäune. Seine drahtigen Brüder haben Stacheln.

Je weiter südlich wir vorstiessen, umso schöner wurde die Natur. Obwohl nun die kleinen Dörfern teils mehrere hundert Kilometer und damit mehrere Tage voneinander entfernt waren, stellte sich aber kein richtiges Wildnis-Gefühl ein. Wir durften Patagonien von seiner schönen, aber nicht mehr sehr wilden Seite erleben – und auch die allgemein als rauh, holprig und sehr schlecht beschriebene ‚Carretera‘ hinterliess bei uns einen eher zahmen, ja geradezu gepflegten Eindruck. Ferien statt Abenteuer. Wir genossen es trotzdem und liessen uns dies auch von den immer häufiger werdenden Regentagen nicht vermiesen.

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In bester Ferienstimmung gondeln wir durch die Weiten Patagoniens.

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Kaum scheint die Sonne, summt…

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…und schwirrt es überall.

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Auch wenn sie sich manchmal erst zum Ende eines Regentages blicken lässt…

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…und uns dafür ein paar Farben zaubert.

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Nachdem der Asphalt bei Cerro Castillo endgültig aufgibt…

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…holpern wir fortan auf ‚Ripio‘ (Schotter) durch alte Wälder…

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folgen der Strasse in einem endlosen Auf und Ab über Hügel…

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….durch karge Landschaften…

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…vorbei an Gletschern, die scheinbar zum Greifen nahe enden Bergen kleben…

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…und kurven um Seen in den kitschigsten Farben.

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Immer wieder kommen wir durch Dörfchen. Hier die Bucht bei Puyuhapi, Fischerdorf am Meer, wo die Fische leider immer häufiger ausbleiben. Sie werden von Horden hungriger Seelöwen gefressen. Natürliche Überfischung!

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Auf sonnige, warme und unbeschwerte Tage…

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folgen feucht-kalte. Morgens ist nicht nur unser Zelt nass, aussen von Regen und Tau, innen durch Kondenswasser, sondern auch unsere Daunenschlafsäcke werden von Nacht zu Nacht pappiger und verlieren zunehmend ihre isolierenden Eigenschaften.

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Mittagspausen im Regen finden unter improvisiertem Dach statt.

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Wir lassen uns nicht entmutigen. Schöne Lagunen säumen auch bei Regen den Weg…

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…und Kondore kreisen auch im Nebel. Mal ganz nahe über den Wipfeln, dann wieder weit entfernt über den Hängen.

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Patagonien schien aus hunderten von Seen zu bestehen. Allen voran die spiegelnde Fläche des riesigen ‚Lago General Carrera‘ ( in Argentinien ‚Lago Buenos Aires genannt).

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Je weiter südlich wir kommen…

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…umso mehr Wasser umgibt uns.

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Seen spiegeln die hier immer selber werdenden Sonnenstrahlen.

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Patagoniens mächtige Flüsse sind fast ausschliesslich im Besitz grosser (internationaler) Konzerne und sollen rentieren! Wasserkraft ist trump.

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Nicht nur ein Wasserfall…

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…nein, ganze Wasserfall-Familien …

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…plätschern auf die Strasse.

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…oder werden zu reissenden Bächen. Diese Brücke hier bietet uns zwei Nächte und einen Tag Schutz vor dem Regen, während die tosenden Fluten neben uns bedrohlich anschwellen. Wasserkraft macht taub!

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Erst als die Wolken aufreissen….

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…kriechen wir aus unserem Versteck….

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…und kommen dafür in den Genuss frisch gezuckerter Berge!

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Die Fähre vom Ein-Personen-Dorf ‚Puerto Bungay‘ zum Kein-Personen-Dorf ‚Rio Bravo‘ am anderen Ufer verpassen wir trotzdem. Fünf Stunden Wartezeit.

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‚Villa O’Higins, ein abgelegenes Siedlerdorf am ‚Lago O’Higgins‘ und das Ende der ‚Carretera Austral‘ ist erst seit gut fünfzehn Jahren mit einer Strasse erschlossen.

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Von oben…

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…hinterlässt es einen etwas seltsamen Eindruck. Wir sitzen hier eine Woche fest.

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Ein erster Spaziergang nach einer Woche Dauerregen (!)…

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…eröffnet Blicke auf die uns umgebenden Berge und Gletscher.

Entgegen den schlimmsten Befürchtungen hatten wir bisher anstatt der erwarteten Hundertschaften von Radfahrern täglich durchschnittlich höchstens deren vier angetroffen. In Coyhaique, der einzigen Stadt an der ‚Carretera‘, änderte sich dies schlagartig. Zwischen dutzenden anderen ‚Cicloviajeros’campierten wir im rammelvollen Garten des örtlichen ‚Casa de Ciclistas‘. Hier waren sie also! Radreisende aus aller Welt pausierten hier für ein paar Tage, berichteten über Erlebtes und tauschten Infos aus. Einigen davon liefen wir in den folgenden Wochen noch einige Male über den Weg. Man begegnete sich alle paar Tage, teilte Campspots, Lagerfeuer und Wein, flüchtete vor Regen in kleine hölzerne Schutzhütten oder fand ein trockenes Plätzchen unter Brücken. So hatte sich bis zum Ende der ‚Carretera Austral‘ eine bunte, internationale kleine Gruppe gebildet. Gemeinsan auf die nächste Fähre nach Argentinien wartetend, campierten wir mit unseren Isomatten eine ganze Woche lang im Aufenthaltsraum eines ansonsten eher ausgestorbenen Campingplatzes.

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Zeltfeststimmung. Dichtgedrängtes Hausen im Garten des ‚Casa de Ciclistas‘ in Coyhaique.

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Und auch in den wenigen Refugios (Schutzhütten) ist der Platz knapp.

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Unsere zukünftige ‚Villa O’Higgins‘-Crew. Von links nach rechts: Wir, Markus aus Österreich, Adam aus England, Tom aus Australien und Holly aus Schottland.

Schliesslich gelang es uns gar spontan, genügend Interessenten für einen Abstecher zum O’Higgins-Gletscher, am Campo Hielo Sur (ein Eisfeld von der Grösse der Schweiz) zusammen zu trommeln. Dies hielt die Fährgesellschaft für unwahrscheinlich und lenkte schliesslich, als die nötigen 20 Gäste gefunden waren, widerwillig ein. Daraus wurde ein uunvergessliches Erlebnis bei strahlenem Sonnenschein.

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Nach 5 Stunden Überfahrt nähern wir uns dem ‚Glacier O’Higgins‘. Dieser Gletscher gehört zum ‚Campo Hielo Sur‘, der zweitgrössten zusammenhängenden Eisfläche der Südhalbkugel.

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Erste Eisschollen driften vorbei…

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…und der massive Gletscher beeindruckt sowohl aus der Ferne…

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….als auch aus der Nähe!

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Wir nähern uns der 30m hohen Eiswand bis auf ca. 100m.

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Von allen Seiten können wir den Gletscher bestaunen, diesen unbeschreiblich faszinierenden, grossen Haufen Schlumpf-Eis!

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An alles ist gedacht und wir nutzen die Gelegenheit für ein ‚Ciclistas‘-Gruppenfoto. Gefährten auf der Carretera Austral.

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Schliesslich fahren zwei Mitglieder der Crew mit dem Schlauchboot ans Eis…

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…um uns anschliessend einen Whiskey ‚On the Gletscher-Rocks‘ zu servieren.

Die nächste Etappe war berüchtigt: Niemandsland! Schlamm! Räder schieben und Gepäck schleppen! So schlimm war es dann nicht, ganz im Gegenteil. Die zwanzig Kilometer zwischen Candelario Mancillo, wo uns die Fähre nach dem Gletscherausflug mitsammt Rädern abgesetzt hatte, und dem Ufer des ‚Lago del Desierto‘ in Argentinien waren ganz unterhaltsam. Der zu Beginn relativ steile Weg verwandelte sich auf den letzten sechs Kilometern wirklich in einen Pfad, der durch einen schönen Wald führte. Gespickt mit matschigen Passagen und kleinen Bächen bot er eine willkommene Abwechslung zum endlosen Ripio der ‚Carretera Austral‘. Wir hatten unseren Spass und erreichten tags darauf, 29 Tage nachdem wir Puerto Montt verlassen hatten, am Fusse das mächtigen Monte Fitzroy den kleinen argentinischen Touristenort ‚El Chaltén‘ – und damit wieder Asphalt.

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Nachdem wir Chile offiziell verlassen geht es erst einmal aufwärts. Dann, nach 15 km Steigung, kommt er in Sicht: Der majestätische ‚Monte Fitzroy‘.

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Ab hier geht’s abwärts, über Brücken…

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…und wackelige Stege.

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Wir waten durch Matsch (fallen hinein)…

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…und zirkeln durch tiefe Furchen. Dank des schönen Wetters ein riesen Spass.

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Schliesslich lichtet sich der Wald und gibt den Blick auf ‚Fitze‘ hinter der ‚Laguna del Desierto‘ frei.

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Imposant schimmert der ‚Monte Fitzroy‘ in den letzten Sonnenstrahlen, während wir unser Camp am Ufer des Sees aufschlagen.

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Und weile so schön war, gleich nochmals: ‚Fitzroy‘ und die ‚Laguna del Desierto‘.

ZUM SCHLUSS WIE ÜBLICH DIE GALERIE MIT DIESEN UND ZUSÄTZLICHEN BILDERN:

Argentinien & Chile | nach Patagonien

1’700 Kilometer

35 Tage, wovon 12 Tage radfrei, davon 7 Tage wartend

17’859 gefahrene Höhenmeter

2’062 m Maximalhöhe, 0 m Minimalhöhe

Ruta 40
staubige Strassen, heisse Winde und trockene Kehlen

Paso Pichachen
Schotter, Wind und Vulkane – mit einer weiteren Andenüberquerung zurück nach Chile

warten auf Reissverschlussschlitten
DHL, der chilenische Zoll und unsere Geduld

Chiles Seenregion
gezuckerte Vulkane, blaue Seen und eine Nation im Ferienfieber

ROUTE: Manzano Historico – Tunuyan – Pareditas – El Sosneado (über die alte RN40, sehr schlecht, viel Sand) – Malargüe – Barda Blanca – Barrancas – Chos Mal – El Cholar – Moncol (Gendarmeria & Aduanas Argentina) – Paso International Pichachen, Grenze ARGENTINIEN / CHILE (4’602 m) – Los Barros (SAG, Aduanas Chile) – Antuco – Santa Barbara (über Qilleco & Puente Duqueco | Ripio) – Ralco – Troyo – Lonquimay – Curacautin – Temuco – Villarrica – Lican Ray – Panguipulli – Rio Bueno (über Los Lagos | Autopista) – Puerto Octay (Autopista bis Osorno) – Puerto Montt (Autopista ab Frutillar)

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Zick-Zack-Route

DER LANGE WEG NACH PATAGONIEN

Nach knapp einem Monat in Argentinien und Chile hatten wir uns Mitte Dezember im Norden Argentiniens entschieden, weiterhin südwärts zu fahren und Patagonien zu unserem Ziel gemacht. Seither hatten wir über tausend Kilometer in der Hitze Nordargentiniens geschmort, waren in Santiago de Chile gewesen, hatten die Anden zweimal überquert und waren nun zurück in Argentinien. Dies nicht nur, weil wir uns die Überquerung des ‚Paso de los Piuquenes‘ in den Kopf gesetzt hatten, sondern auch, weil wir auf dem Weg nach Süden in Chile viele, viele Autobahnkilometer hätten abstrampeln müssen.

Obwohl sich dies trotzdem nicht ganz vermeiden liess, versuchten wir den spannenst möglichen Weg zu suchen. Dass dieser nicht immer der direkteste war, lässt sich beim Betrachten der Karte leicht erkennen. Diese Etappe wurde für uns zu einem Flickenteppich aus Landschaften, Strassenabschnitten in und zwischen Argentinien und Chile.

Nach vier Tagen ‚Rest and Recreation‘ im kleinen Städtchen Tunuyan, keine 100 km südlich von Mendoza, war es an der Zeit weiter zu ziehen. Unsere Körper schienen sich von den Strapazen des ‚Paso de los Piuquenes‘ einigermassen erholt zu haben, die Räder waren gewartet und die Blasen an den Füssen soweit verheilt.

Time to hit the Road, again. Zur Auswahl stand nur eine: Die ‚Ruta 40‘. Sie wand sich entlang des Andenkamms südwärts und bot wenig Ausweichmöglichkeiten. Tage flossen ineinander, auf heisse Morgenstunden folgten heisse Nachmittage mit sich türmenden Gewitterwolken und zuckenden Blitzen. Die Nächte im Zelt hingegen waren kühl, mal schlaflos auf öffentlichen Campingplätzen (wo man in Argentinien hingeht, wenn man nachts singen, schreien oder saufen möchte!) oder selig schlummernd auf Estancias (Farmen) oder in nächtlichen Verstecken am Wegrand.

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Zurück auf der Ruta 40…

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…mit ihren motivierenden Kilometerangaben. Die verbleibenden Kilometer wohlgemerkt.

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Manchmal Ripio, manchmal geteert, immer aber trocken und karg.

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Die alte Ruta 40 folgt der Kordillera immer in Sichtweite. Irgendwo dort oben, nahe des Cerro Sosneado, zerschellte Ende Oktober 1972 Flug 571 der Uruguayischen Luftwaffe. Es folgte ein monatelanges Drama. Die Überlebenden (Mitglieder einer uruguayischen Rugbymannschaft) ernährten sich an den Verstorbenen. Bekannt aus dem Film ‚Alive‘.

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Sieht ja gar nicht tief aus? War es auch nicht, nur gerade weich und tief genug, dass an Fahren nicht zu denken war.

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Morgens war dann jeweils kein Wölkchen weit und breit in Sicht. So spielten wir im heissen Sand.

Jeden Abend aufs Neue wurden wir auch mit unserem ‚Zeltproblem‘ konfrontiert. Sand und Staub hatten den Reissverschlüssen über Monate stark zugesetzt und einer nach dem anderen wurde von Tag zu Tag unbrauchbarer. Es musste eine Lösung her und wir beschlossen, uns Reissverschlussschlitten schicken zu lassen – nochmals! Der erste Anlauf hätte uns bereits vor Weihnachten in Santiago erreichen sollen, war aber in der Weihnachtspost kläglich untergegangen.

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Auf Estancias (Farmen) fanden wir hinter Hecken Zuflucht vor dem nächtlichen Wind…

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…und wurden bewundert und beäugt!

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Wenn Gewitterwolken aufzogen, verzogen wir uns. Hier am Rande eines Flussbettes nahe ‚El Sosneado‘.

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Danach kamen die Nacht. Stille und die Sterne.

Da wir jedoch ohnehin mit einer verlockend klingenden weiteren Andenüberquerung und zwei Routen durch Chiles Wälder geliebäugelt hatten, passte uns dies ganz gut in die Planung. Wir wollten lieber schöne Routen fahren anstatt südwärts zu drängen – hier fanden wir den perfekten Grund für einen weiteren Schlenker.

So tauschten wir kurz nach Chos Malal ein weiteres Mal die Gewissheit der Ruta 40 gegen die Ungewissheit einer abgelegenen, uns unbekannten aber umso vielversprechenderen Strecke quer über die Anden, über den ‚Paso Pichachén‘, und damit das schnelle Surren unter den Reifen gegen ein langsameres Knirschen. Einzig der Gegenwind blieb uns treu und versuchte uns das Leben auch auf dieser wunderschönen Strecke schwer zu machen. Es gelang ihm, und auch dem abschnittweise tiefen Sand, nicht!

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Wie immer wies uns die Karte den Weg.

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Nach Chos Malal wand sich die Strasse langsam in die Berge hoch. Wir wollten hinauf, der Wind wollte herunter – ein stundenlanger Zweikampf.

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Mit den ersten Sonnenstrahlen waren wir auf der Strasse…

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…und warfen langen Schatten.

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Aber sonst war Schatten rar – trotzdem machte es Spass.

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Seltsame Felsformationen liessen uns staunen, ob als Wand…

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…oder als Felskopf.

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Felsen wie von Kinderhand gestapelt, untermalt von Windgeheul.

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Der Kommandant der ‚Gendarmeria Nacional‘ besuchte gerade alle ihm unterstellten Aussenposten – im Lastwagen. Uns liessen sie deshalb im Dörfchen El Cholar nicht in ihrem Hof campieren. Die Polizei nebenan bot uns dafür ein Zimmer an.

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Señor Turista wird informiert, dass die Grenze naht und er dort kontrolliert werden würde.

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Aber erst noch ein paar Kurven.

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Nach einer Nacht im Pferdestall der Gendarmerie Moncol (hier war der hohe Besuch schon überstanden) waren wir früh auf den Beinen – nicht der Pferde wegen, die schliefen im Freien.

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Die Prognose fiel günstig aus: Wetter gut, Wind gemässigt und zur Grenze fehlen bloss 25 km. Aufwärts.

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Mit der (bescheidenen) Höhe verändert sich im Laufe des Morgens die Landschaft um uns herum. Bäume werden rarer und Schafherden suchen die Wärme der Morgensonne.

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Blick zurück, immer dankbar!

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Die Spitze des weissen Kegel des mächtigen ‚Antuco‘ in der Ferne raubt uns kurz vor der Passhöhe den verbleibenden Atem.

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Es herrschen beste Pistenverhältnisse!

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Auf gerade mal 2’000 m fehlt kurz vor der Passhöhe plötzlich jede Vegetation.

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‚Paso Pichachén‘, Passhöhe und Grenze zwischen Argentinien und Chile

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Gletscher und Vulkane. Neue Welten eröffnen sich. Obwohl es ab hier tendenziell abwärts ging, kamen wir immer schlechter vorwärts. Oft war Stossen angesagt.

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Oben Eis, unten Sand.

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Das Panorama hält uns trotz Mühen bei Laune…und lässt uns unsere Snowboards vermissen.

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Dazwischen gibts Kaffee a la bicicleta: Der verlorene Filter wird erfolgreich durch eine Socke ersetzt. Sieht lecker aus? War es auch!

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Dann wird im Schatten einer Brücke…

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…geschlummert.

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Auch im Wald hinter dem ‚Refugio‘ des chilenischen Militär durften wir schlummern. Der Vorgesetzte servierte uns ‚Sopaipillas‘ (frittiertes Gebäck) und die drei Soldaten spielten den ganzen Tag Tischfussball. Argentinien scheint hier keine Bedrohung darzustellen.

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Nicht alle erreichen das Refugio. Am 18. Mai 2005 gerieten drei Kompanien frisch rekrutierter Soldaten auf einem Übungsmarsch zu eben diesem Refugio in einen Schneesturm. 45 von ihnen fanden bei Temperaturen unter -35 Grad den Tod. Entlang des Weges erinnern heute Tafeln an die Verstorbenen. Für jeden Soldaten eine, jeweils dort wo er gefunden wurde.

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In vulkanischem Sand umrundeten wir den Vulkan Antuco…

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…entlang der halbtrockenen ‚Laguna de las Lajas‘. Im Kampf Nationalpark gegen Wasserkraftwerk gewinnt in Chile immer die Energie. Die Lagune verlor, Wasser.

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Der Weg führte durch unwirkliche vulkanische Schutthaufen gigantischen Ausmasses.

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Sommersaison in Chakay, dem Skigebiet auf der Flanke des Vulkans. Leider falsche Saison für uns.

Mit Antuco in Chile waren wir einmal mehr zurück in der Zivilisation, diesmal der chilenischen. Die Reissverschlussschlitten hatten mittlerweile Santiago de Chile erreicht. Um ihnen etwas Zeit für die Reise an ihren Bestimmungsort Temuco zu geben, schlugen wir sogleich einen Haken zurück in die Berge.

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Eine Kombination aus Waldwegen und Brücken brachte uns von Quillaco nach Santa Barbara.

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In den Pausen luden Wälder zum Spielen ein. Hier wird gerade eine Partie ‚Waldboccia‘ gewonnen.

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Der Maestro und seine Bocciakugel.

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Campingplatz-Nachbarn. In Chile ist campieren Familiensache.

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Noch ein Freund, getroffen in Antuco.

Bald holperte es wieder unter unseren Reifen, geschäftige Städtchen wichen kleinen Mapuche-Siedlungen (den Mapuche, Chiles indigener Bevölkerung, ergeht es ähnlich wie ihren nordamerikanischen ‚Schicksalsgenossen‘) und mit den Höhenmetern wurden aus den Hügeln um uns herum wieder Berge und Vulkane. Irgendwann kam was kommen musste: Das Ende der Schotterstrasse. Also taten wir, was wir am besten zu beherrschen schienen: Schieben. Sogar für unseren Geschmack hatten wir aber in letzter Zeit bereits genug geschoben und änderten am nächsten Morgen nach einigen warnenden, im Nachhinein vielleicht etwas übertriebenen Worten eines Bauers („…dort versenken sie Jeeps in Sand“) unsere Pläne und damit unsere Route.

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Wir folgen dem Rio Bio Bio durch rauschende Wälder und rollende Hügel.

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‚Embalse Ralco‘: Auch hier wird gestaut, aber Widerstand regt sich.

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Das Ende der befestigten Strasse haben wir längst hinter uns gelassen. Für diese Art von Pfaden über diese Art von Hügeln sind wir (unsere Räder!) zu schwer. Wir stossen mit Fassung.

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Was im Winter als Schlamm klebt, staubt uns jetzt Knöcheltief um die Füsse, füllt unsere Schuhe und verleiht uns einen neuen Teint.

Wenige Tage darauf waren wir in Temuco. Das Paket hingegen, so mussten wir feststellen, hing immer noch am Flughafen von Santiago im Zoll fest! Dort wartete es darauf, von uns in einem nervenaufreibeden Kampf gegen DHL befreit und durch Lösegeldzahlungen an den chilenischen Zoll freigekauft zu werden. Der Kampf tobte sieben Tage, bevor wir ihn gewinnen konnten. %@#* DHL!

Erleichtert und mit einem (gefühlt) neuen Zelt machten wir uns auf den Weg südwärts, durch die chilenische Seen-Region.

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Villarrica, Sommer-Hochsaison am Fusse des gleichnamigen Vulkans.

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Puerto Octay, zerfallender Charme.

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Deutscher Einfluss ist überall sichtbar…

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…hier bereits etwas chilenisch.

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Vulkan Osorno.

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Früchte, Chiles Exportschlager, halten uns bei Laune.

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Chiles Seenregion: Vulkane, Seen und viele, viele Touristen.

Möglichst schnell, möglichst gradlinig und möglichst verkehrsarm hatten wir uns diesen Weg vorgestellt, dabei aber die Rechnung ohne den starken Reiseverkehr auf sämtlichen Nebenstrassen gemacht. Zum Glück gab es da noch den schützenden Pannenstreifen der ‚Autopista‘ (Autobahn). In dessen Schutz legten wir schliesslich gut die Hälfte der rund 400 km von Temuco nach Puerrto Montt zurück. An dieser Stelle ein Dankeschön an die chilenische Polizei, die uns bereits nach wenigen Autobahnkilometern beiseite nahm – bloss um uns mit einem Kamerateam zu interviewen, uns mit gelben Leuchtwesten auszustatten und uns eine gute Weiterreise zu wünschen. Puerto Montt haben wir schliesslich gelb leuchtend und bei Sonnenschein erreicht. ¡Muchas Gracias!

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Autopista nach Temuco, noch ohne Leuchtweste.

Fehlt nur noch die GALERIE:

Chile & Argentinien | ‚Paso de los Piuquenes‘

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10 Tage, davon 6 Tage stossend & tragend

122 km, davon 36 km unfahrbar

570 m Starthöhe, 4’389 Maximalhöhe

Radreisen ‚hardcore‘
die brutalsten 36 km unserer Radreise-Karriere

500 m pro Stunde, 5 km pro Tag 
Kampf um jeden Meter

Im Land der Kondore, Felswüsten und Gauchos
die Puna

Route:
Santiago de Chile (570 m) – San Gabriel (1’260 m) – Embalse de Yeso (Stausee) – ‚Termas de Plomo‘ (3’000 m) – Passhöhe ‚Portillo de Piuquenes‘ (4’045 m)
– Refugio ‚Real de la Cruz‘ (2’870 m) – ‚Portillo Argentino‘ (4’380 m) – Manzano Historico

Detaillierte Routenotes findest Du hier.

ÜBER DEN ‚PASO DE LOS PIUQUENES‘ VON CHILE NACH ARGENTINIEN

Wenn man tagelang über den schnurgeraden, glühend heissen Asphalt der argentinischen ‚Ruta 40‘ strampelt, wünscht man sich oft nichts sehnlicher als Abwechslung. Wie liesse sich diesen Geraden entfliehen, wo eine spannendere Route finden? Nach dem Studium einer Liste aller Grenzübergänge zwischen Chile und Argentinien stiessen wir auf den kleinen ‚Paso Piuquenes‘. Über ihn kehrte das, von ‚Libertador‘ General José de San Martin angeführte ‚Ejercíto de los Andes‘ (Armee der Anden) nach unzähligen Schlachten gegen die spanischen Kolonialmacht aus Chile nach Argentinien zurück.

Dabei hatten sie es anscheinend versäumt, eine Strasse zu bauen. Auf allen Karten und auch im Internet war keine Spur auch nur eines Weges auffindbar. Ausser Höhenlinien herrschte gähnende Leere. Etwas Recherche ergab jedoch, dass argentinische Anbieter die Überquerung zu Pferd als mehrtägige Tour anboten. ‚Cruze de Los Andes San Martinense‘. Pferdetrecking also. Wo Pferde und Armeen durchkommen, da kommen wir ja wohl auch durch – dachten wir, informierten uns bei der ‚Policia de Investigaciones‘ über die Grenzformalitäten, fanden im Internet eine grobe Karte und Eckdaten der Route und packten Proviant für eine Woche ein.

Für die Statistiker hier eine Auflistung aller Köstlichkeiten:
1,6 kg Spaghetti
1, 5 kg Polenta
2 Portionen Kartoffelstock
15 Instantsaucen / -suppen
6 Instant-Nudelsuppen
10 Brötchen
10 ‚Tortas‘ (harte Brötchen)
8 Packungen Kekse
5 Äpfel
2 Pfirsiche
1 Glas Erdnussbutter
1 Packung ‚Dulce de Leche‘
12 Müsliriegel
6 Schokoriegel
2 Packungen Erdnüsse
1 Packung Mandeln
1 Packung Gummibären

Mit entsprechend vollen Taschen, zwei neuen Felgen und frisch gewarteten Rädern – darüber liesse sich eine eigene Geschichte erzählen – verliessen wir Santiago de Chile am Nachmittag des 2. Januar 2015 mit Blick auf die Kordillera.

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Als wir Santiago de Chile in Richtung der Berge verliessen…

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…waren wir damit nicht alleine. Die halbe Stadt schien im nahen ‚Cajon de Maipo‘ ihre Zelte aufzuschlagen.

Die Berge, in diesem Fall die Anden, riefen und nach einer Stunde im Verkehrsjungel der Grossstadt liessen wir diese hinter uns und begannen den Anstieg, der uns von 570 auf über 4’000 m bringen sollte. Dafür hatten wir drei Tage gerechnet, die Rechnung aber ohne die ‚Carabineros‘ (Polizei) gemacht, welche am nächsten Morgen in San Gabriel, dem letzten ‚Ort‘ vor der Grenze, unsere Ausreisepapiere erledigen und unsere Pässe stempeln mussten. Dies taten sie, mussten aber erst in Santiago abklären, ob wir denn auch wirklich ausreisen durften. Wir durften, aber erst fünf Stunden später.

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Ab San Gabriel war Ripio (Schotter) angesagt.

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Langsam stiegen wir höher und höher.

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Auch die Berge um uns herum wurden höher.

Die Warmwasser-Tümpel ‚Termas de Plomo‘ (3’000 m) im Nationalpark ‚Parque Valle del Yeso‘ erreichten wir mit etwas Trödeln am Nachmittag des 4. Januar. Hier hatten wir ganz offensichtlich das Ende der Strasse erreicht und die Talsohle ging ringsum beängstigend schnell in steile Hänge und mächtige Bergketten über. Mit den Augen die Hänge absuchend versuchten wir erfolglos einen Weg auszumachen. Auf Nachfrage bei einem Parkwächter wurde klar weshalb: Es gab keinen! Diesen müsse man sich selbst suchen, so der gute Mann. Weiter oben würden wir dann aber auf einen alten, breiten Weg treffen, der uns problemlos zum ‚Portillo de Piuquenes‘, dem ersten Pass dieser Andenüberquerung und gleichzeitig der Grenze zu Argentinien, bringen würde. Danach ging es flach weiter und nach einem zweiten kleinen Pass wären wir dann drüben. Mit dem Rad 2 1/2 Tage. Dies klang beinahe zu gut, da wir mit etwa vier Tagen gerechnet hatten.

Der Start ins grosse Abenteuer gelang am nächsten Morgen dann nicht sehr elegant. Es galt nämlich, den Rio Yeso, der die ganze Nacht keine 50 m neben unserem Zelt gerauscht hatte, zu überqueren. Bloss nicht hier, sagte man uns: Zu gefährlich! Weiter unten, so sagte man uns, wäre es besser. Bloss, sagte man uns, könnten wir dann mit den Rädern den Weg weiter oben nicht mehr erreichen. Nach etwas Bedenkzeit durchwateten wir den Oberschenkel-tiefen Fluss erst mit einem Rad, dann mit dem zweiten und dann mit Gepäck. Problemlos, abgesehen von der Temperatur des Wassers. Dieses war so kalt, dass einem bereits nach wenigen Schritten schlecht davon wurde (klingt lustig, war es aber nicht) und wir im Anschluss eine halbe Stunde brauchten, um unsere Füsse auf marschtaugliche Betriebstemperatur zu wärmen. Wir waren noch keine 20 m gekommen! Was folgte war nicht viel ermutigender. Die nächsten sechs Stunden zerrten, schoben und hoben wir unsere schwer bepackten Räder diagonal, erst ‚querfeldein‘ und später auf einem schwach erkennbaren Pfad über eine Bergflanke hoch.

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Wir schoben und zerrten.

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Widersprüche

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Endlich ein Pfad ersichtlich – aber welch einer!

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One more to go!

Gegen vier Uhr erreichten wir den als breit beschriebenen ‚Camino de los Arrieros‘, den Pfad der Maultiertreiber. Bei dessen Anblick wurde klar, dass dieser Aufstieg nicht in ein paar Stunden zu bewältigen war! Wir machten das Beste daraus, stellten unser Zelt auf, genossen bis zum Sonnenuntergang (ca. 21 Uhr) die gewaltigen Kulisse und beobachteten Kondore, wie sie über uns ihre Kreise zogen. Wir hatten knapp drei (!) Kilometer zurückgelegt.

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In den steilen Hängen suchten Kühe nach Grünzeug.

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Robin fand Erholung.

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Und unser herrlicher Campspot mit Blick auf den bevorstehenden Aufstieg – furchteinflössend.

Das steile Zick-Zack des Pfades liess uns am nächsten Morgen keine andere Wahl, als für den Aufstieg zum Pass auf vereinte Kräfte zu setzen. Wir schoben und zerrten erst ein bepacktes Fahrrad zwei bis drei Kehren hoch, nur um dann dieselbe Prozedur mit dem zweiten Rad zu wiederholen. Eine mühsame und zermürbende Angelegenheit. Wir nahmen es mit Humor, genossen die Bergwelt um uns herum und kämpften uns Stunde um Stunde um Stunde höher den steilen Hang hinauf. Diese verlängerte sich dabei jeweils beim Erreichen einer Kuppe um weitere, endlose Kehren. So wurde der Aufstieg länger und länger, wir müder und müder und der Wind immer stärker. Orkanstärke Windböen fegten uns teils fast um und machten uns, je höher wir kamen immer mehr Angst. Obwohl uns die Kräfte ausgingen, kämpften wir wie ferngesteuert weiter. Schliesslich, nach endlosen sechseinhalb Stunden und rekordverdächtigen drei Kilometern standen wir im schmalen Durchgang durch die Bergflanke, ‚Portillo de Piuquenes‘, genannt. Auf 4’045 m, sechshundert Meter höher, als wir am Morgen aus dem Zelt gekrochen waren.

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Blicke zurück motivierten.

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Hier war Teamarbeit gefragt – Juntos podemos: Achtung, fertig, los! Schieben!

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Ganz schön steil zum Radfahren oder -stossen!

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Während wir immer höher steigen ziehen Wolken auf.

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Doch unsere Aufmerksamkeit galt meist dem nächsten Schritt, dem nächsten Meter.

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Immer wartete die selbe Arbeit nochmals auf uns. Also wieder zurück auf Feld eins.

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Wir trotzten dem Sturm.

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Schneespitzen – Zeugen des ewigen Windes.

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Trotz Erschöpfung lachten wir …und hielten die Angst vor einem heftigen Wetterumschwung damit in Schach.

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Passhöhe ‚Portillo de Piuquenes‘, 4’045 m, die Arbeit ruht, der Sturm nicht.

Der Abstieg fiel etwas einfacher aus und nachdem wir die ersten steilen Meter gehend überwunden hatten, konnten wir sogar zwei oder drei Kilometer fahren, beziehungsweise holpern.

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Im Abstieg. Pfad ja, bloss wo?

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Dann aber doch immer wieder fahrbare Meter.

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Manchen machte dies Angst!

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Wir aber genossen die Blicke auf die gewaltigen Berge und Felsformationen.

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Gletscher schienen in der Ferne Berge zu verschlingen….und unsere Kamera begann Schwächen zu zeigen.

Gegen 17 Uhr, auf der Talsohle auf ungefähr 3’400 m angekommen, überquerten wir in einem letzten Kraftakt ein kleines aber steiles Flusstal. Dies unter den aufmerksamen Blicken einer, in der Nähe campierenden Horde Priestern in wallenden schwarzen Gewändern – eine, in dieser endlosen, menschenleeren Wildnis, ziemlich surreal Erfahrung!
Zeit, das Zelt aufzuschlagen – ausser Sichtweite natürlich!

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Nach erfolgreicher Abfahrt vom ‚Portillo de Piuquenes‘, angekommen im Paradies. Jenes liegt in diesem Fall bereits in Argentinien.

Der dritte Tag hielt den versprochenen flachen Teil („dort könnt ihr alles fahren“) für uns bereit und zu Beginn konnten wir tatsächlich fahren – einige hundert Meter. Schon bald aber zwangen uns weicher Sand und grosse Steine wiederum neben die Räder. Den Rest des Tages verbrachten wir zunehmend mutloser damit, unsere Drahtesel durch Meere Fussballgrosser Steine zu hieven, sie durch tiefen Sand zu zerren oder In regelmässigen Abständen durch schmerzhaft kalte Flussläufe zu waten. Spassfaktor: Mässig. Zurückgelegte Kilometer: 12

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Hinaus durch das Tal des ‚Rio Palomares‘. Die Landschaften bleiben spektakulär.

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Der Pfad, obwohl flacher, birgt immer wieder Überraschungen.

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Auch die Kulisse stimmt.

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Flussüberquerungen, auch die Schuhe wollten trocken bleiben.

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Singletrack! …leider versteckten sich im hohen Grass So viele Gesteinsbrocken, dass wir alle paar Meter mit den Pedalen anschlugen. Unfahrbar und tödlich für Material und Moral.

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Colateral Damage – Flaschenhalter an den Gabeln fielen versteckten Steinen zum Opfer.

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Wenn das Gras wich, blieben die Steine – grosse und kleine.

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Hinter jedem Hügel wartete eine neue Herausforderung: Steine, Flüsse, Schluchten,….

Bereits um 15 Uhr erblickten wir unser Tagesziel, das Refugio ‚Real de la Cruz'(2’870 m). Leider trennte uns davon ein Fluss, Rio Tunuyan, vor dessen durchquerung zu Fuss wir bereits mehrmals ausdrücklich gewarnt worden waren. Es blieb uns also nichts anderes übrig als unser Zelt aufzustelllen und zu warten. Hilfe, zu Pferd, war vor dem nächsten Morgen unwahrscheinlich. Dass keine drei Stunden später einige, relativ unfreundliche Arrieros mit einer Gruppe argentinischer Pferdetrekking-Touristen im Schlepptau erschienen und uns gegen ein saftiges Entgelt über den Fluss setzten, war pures Glück.

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Erste Blicke auf das, als kleiner Punkt erkennbare und vorderhand unerreichbare, Refugio ‚Real de la Cruz‘.

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Den Gauchos sei Dank!

Die Mannen des argentinischen Militärs, unter dessen Obhut die Berghütte stand, erlaubten uns, unser Zelt windgeschützt direkt vor dem Refugio aufzustellen. Nach anfänglichem Argwohn Seitens der rund 40 Gästen und Cowboys, gewann die Neugier Überhand. Allgemeine Verblüffung machte sich breit. Hatten es diese zwei ‚Locos‘ wirklich mit diesen schweren Fahrrädern und dem Gepäck über den ersten Pass geschafft? Und wohin wollten sie?! …weiter über den nächsten, noch viel, viel schlimmeren Pass?! Aus Verblüffung wurde Mitleid mit dem uns bevorstehenden Leid und uns wurde dabei entsprechend mulmig. Würde es wirklich so schlimm werden? Über den nötigen Zeitaufwand zur Passhöhe gingen die Meinungen auseinander. Von „vier Stunden zu Fuss“, „höchstens sechs Stunden zu Fuss“ über „drei Stunden zu Pferd oder Maultier“ bis hin zu „abwärts in drei Stunden mit Kühlschrank auf dem Rücken“ war alles dabei. Wir rechneten nach der Erfahrung der letzten Tage vorsichtshalber mit zwei Tagen. Solange würde auch unsere Verpflegung reichen.

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Noch ein letztes Foto, dann ziehen wir ins Verderben. Die Jungs hatten Mitleid. Sie sind jeweils für 20 Tage hier oben eingeteilt. Zu viert.

Nach dem Hissen der argentinischen Fahne und dem gemeinsamen ‚Singen‘ – sprich Murmel und Husten – der Nationalhymne galt es ernst. Wie ernst wurde uns klar, als wir eine Stunde schwerer Schufterei später noch keine 500 m zurückgelegt hatten. Der Pfad war steil, bestand aus einer Mischung aus Sand und Felsbrocken in allen Grössen und wurde zudem täglich durch unzählige Hufe aufgelockert. An Fahren war erst fünf Stunden und zweieinhalb Kilometer später zu denken. Das Vergnügen dauerte gerade mal 300 m. Dann änderte sich die Landschaft und wir tauchten in eine mit Matschpartien gespickte Welt aus noch grösseren Felsbrocken ein.

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Zermürbender Blick zurück. Nach zwei Stunden Arbeit sind wir noch keinen Kilometer Luftlinie vom Refugio (unten im Tal) entfernt.

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Wieder kommt Freude auf: 300 m – Downhill!

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Dafür müssen wir dann mit endlosem Taschen- und Räderschleppen bezahlen.

Dreieinhalb Kilometer weiter und sieben Stunden später (erkennt jemand ein Muster?) kam noch starker Wind dazu und es reichte uns. Hinter einer kleinen Steinmauer (zur Hälfte selbst gebaut) suchten wir Schutz vor den tosenden Luftmassen. Als ob wir nicht schon selbst gemerkt hätten, dass es schwierig war, wurden wir von vier fröhlichen chilenischen Wanderern obendrein mit einem ominösen „Ihr werdet noch mindestens fünf Tage brauchen! Habt ihr soviel Nahrung?!“ motiviert. Nur mit Wanderstöcken bewaffnet hatten sie gut lachen, ihr Gepäck hatte uns bereits Stunden zuvor auf sechs (!) Maultieren passiert.

Dem vielen Gelächter und der fröhlichen Schufterei der letzten Tage zum Trotz hatten sich in uns Zweifel und Ängste breitgemacht. Die Puna war eine harte und potentiell gefährliche Wildnis. Dies hatten wir gewusst, uns im Vorfeld damit beschäftigt und die Konsequenzen abgewogen. Wir mögen zwar abenteuerlustig und risikofreudig sein, aber Narren sind wir nicht. Trotzdem nagten nun Zweifel. Würden wir es schaffen? Was wenn nicht? Wie lange gaben wir uns noch Zeit? Hatten wir wirklich genügend Nahrung? Da uns täglich mindestens eine Gruppe mit Pferden passierte, würden wir wohl kaum hier oben verhungern müssen und könnten diese um Hilfe bitten. Was aber im Falle eines Unfalls? Knochenbrüche? Was, wenn Daina wieder ernsthafte Probleme mit der Höhe bekommen sollte? In diesem Gelände war an einen schnellen Abstieg nicht zu denken. All diese Gedanken kamen mit der Erschöpfung einher und waren oft schwierig in Schach zu halten.

Trotzdem begann jeder Morgen wieder motivierend, voller Gelächter und mit freude über die unglaubliche Natur in der wir uns befanden. Wir freuten uns etwa, wenn wir wieder 200 m zurückgelegt hatten oder sich Blicke auf eine bisher versteckte Bergkette oder einen gewaltigen Gletscher auftaten.

Der Weg aber wurde mit jedem Meter steiniger. Die sich scheinbar endlos erstreckenden Geröllhalden vor uns, machten das Schieben der Räder auch zu zweit unmöglich und zwang uns, unsere Strategie zu ändern. Anstatt zu zweit jeweils ein Fahrrad zu schieben, trugen wir jetzt meist erst das Gepäck voraus, suchten dabei nach dem besten Weg und kehrten dann zurück, um die Räder zu tragen, zu schieben und zu zerren.

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Taschenschleppen wird zur lästigen Gewohnheit.

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Der Pfad windet sich das schmale Tal hinein. Ist er auch vorübergehend steinfrei und relativ flach, so macht ihn der Sand für uns unfahrbar – hätten wir doch ‚fette‘ Reifen.

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fahrbar? Einen Versuch ist’s immer wieder wert! Leider drängen sich nach und nach immer mehr Steine auf den Weg.

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Geröllhalde! Wird es noch schlimmer werden?

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Aber wir zeigen uns unbeeindruckt: Kopf runter und durch.

Gegen Abend des zweiten Tages im Aufstieg zur ‚Portillo Argentino‘ genannten zweiten und letzten Passhöhe wurde klar, dass diese, auch an diesem Tag ausser Reichweite war. Glücklicherweise hatte uns beim Refugio ein Soldat voller Mitleid einige Packungen Keckse und einen Sack voller (Alt-) Brot zugesteckt. Genau diese liessen uns jetzt noch einen Tag länger durchhalten und wir schlugen, zwischen den überall verstreuten Knochen von den Verhältnissen zum Pfer gefallenen Pferden und Maultieten, bereits in Sichtweite des ‚Portillos“ ein weiteres Mal unser Zelt auf. Wir hatten fast sechs Kilometer zurüch gelegt.

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Berge, Steine, Knochen – wer möchte da nicht campieren? Die ganze Nacht donnerten auf der anderen Talseite Felsbrocken zu Tal.

Am nächsten Morgen um acht setzten wir dann nochmals frisch motiviert und mit letzter Hoffnung zum Sturm auf die, so lange herbeigesehnte, Passhöhe an. Nochmals wurden die Steine grösser, der ‚Pfad‘ nicht bloss schwieriger, sondern auch schwieriger zu finden, der Wind kälter uns nach und nach waren wir von immer mehr Schneefeldern umgeben.

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Die letzten Kilometer wateten wir durch ein Geröllmeer mit hohen Wellen und Sturm.

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Geröll in rauen, strengen Mengen!

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Autobahnen dieser Art sorgten beinahe für Freudentaumel, das Panorama sowieso!

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Ein Getaumel anderer Art wurde jedoch immer mehr zur Regel.

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Auch hier wieder, stumme Zeugen der rauhen Winde.

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Liegeräder: Seit Tagen schon blieben unsere Seitenständer unbenutzt.

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Fels-Allee der besseren Art: Aussen grob und innen ‚fein’….so fein, dass man sich an den kleinen ‚Steinchen‘ locker die Knöchel wundschlagen konnte.

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Nicht alle kamen hier heil raus. Dieser Pferdekopf (unten!) trägt immer noch Hautfetzen.

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Auch nach vier Stunden nimmt die Felswüste kein Ende.

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Weit oben ist das Portillo als kleine Kerbe in der Wand bereits erkennbar.

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Auf über 4’000 m, für die Anden nicht sehr hoch, ohne Strasse jedoch schon.

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Beeindruckend!

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Spass gibt Kraft für den Sturm zum Gipfel – Wir spielen Schneefresser!

Schliesslich, gegen zwei Uhr nachmittags, standen wir unterhalb des ‚Portillo Argentinos‘. Es galt nur noch ein paar letzte, steile Zick-Zack-Kehren und dann eine haarstäubend schmale, exponierte Traverse durch eine steile Bergflanke zu bewältigen. Jetzt bloss keine Fehltritte, sagten wir uns, trugen zuerst das Gepäck die verbleibenden knapp 500m hinauf und kehrten dann ein letztes Mal zu unseren Rädern zurück, um diese, von starken Windböen begleitet Schritt für Schritt für Schritt durch den Hang zu führen.

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Bevor wir in die letzte Traverse einbiegen…

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…warten noch fünfzig höhenmeter Zick-Zack!

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Die Ausblicke nach unten schön, der Aufstieg nach oben brutal.

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Daina in der letzten Traverse. Erst mit Gepäck…

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…dann mit Rad.

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Schritt für Schritt für Schritt führen wir unsere Lastesel durch diesen Friedhof der Lasttiere.

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Jetzt bloss nicht abrutschen!

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Falta poco – aber der Weg direkt unter dem Portillo zerfällt mit jedem Meter mehr!

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Letzte, kräfteraubende aber bereits emotionale Meter!

Und dann standen wir im schmalen Felskanal des Portillo Argentino. Siiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii!
Wir hatten es geschafft, hatten, allen Widrigkeiten zum Trotz, durchgehalten und dabei nicht nur zwei Pässe und Heerscharen von fiesen Steinen und hinterlistigen Felsbrocken überwunden, sonder auch unsere Ängste, Sorgen und inneren Feiglinge besiegt!

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‚Portillo Argentino‘, 4’380 m

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Gipfelfoto am Portillo Argentino. Glück, Stolz, Erleichterung und Erschöpfung.

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Endlich alle oben! Ab jetzt mussten Gramali & Pequeño wieder arbeiten und Lasten tragen.

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Das Sammelsurium im Schrein auf der Passhöhe erzählen Geschichten.

Wer aber hinaufsteigt muss auch wieder herunterkommen. Der Abstieg auf der Rückseite des Portillos war zwar für etwa einen Kilometer steil und teils exponiert, doch waren wir nicht mehr zu stoppen und erreichten schliesslich, sechs Tage nachdem wir bei den ‚Termas de Plomo‘ in Chile jede Art von Strasse hinter uns gelassen hatten, wieder eine Strasse. Wir hatten in dieser Zeit 2’500 Höhenmeter und mickrige aber brutale 36 km zurückgelegt – mindestens die Hälfte davon dreifach und 99% zu Fuss.

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Hinter dem Portillo: Die lange herbeigesehnte Strasse und die argentinische Pampa.

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Schotter überall. Freeride-Abstieg vom ‚Portillo Argentino‘.

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Nach sechs Tagen Wildnis endlich Strasse!

Das Abenteuer war vorbei – wenigstens fast. Wie in Trance rasselten wir erschöpft und total ausgelaugt über die Schotterstrasse zu Tal, genossen es einfach fahren zu können und wie immer löste sich die ganze Anspannung unmerklich in Luft auf. Übrig blieb eine riesige Erleichterrung, Stolz…und eine merkwürdige Leere. Nochmals stellten wir, kurz vor Erreichen des argentinischen Grenzpostens unser Zelt auf und verbrachten eine weitere Nacht in den Bergen. Als wir am nächsten Morgen im ersten Dorf Manzano Historico, auf nur noch 1’710 m einrollten, war von unseren Vorräten gerade noch ein einziger Getreideriegel übrig. Sonst nichts mehr, kein Zucker, kein Kaffee, kein Salz.

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Alles hat ein Ende.
Manzano Historico: Bienvenidos a la civilización argentina!

….und hier wieder die Galerie:

Argentiniens Ruta 40 | Hitze, Pisten, Asphalt

1’421 Kilometer

30 Tage, davon 10 Tage nicht im Sattel

4’966 MüM Maximalhöhe

Ups & Downs

Abra del Acay (4’966 MüM) – noch ein Pass
Grido – Eiscreme motiviert
Argentinos – freundliche Menschen
Ruta 40 -brütende Hitze & endlose Geraden
Material – 1 gespaltene, durchgebremste Felgen
die Siesta – ein Land steht still

Route: San Antonio de los Cobres – Abra del Acay (4’966 MüM) – Cachi – Molinos – Angastaco – Cafayate – Cafayate – Santa Maria – Belén – Andolucas – Chilecito – Villa Unión – Huaco – San José de Jáchal – Rodeo – Iglesia – Bella Vista – Tocota – Villa Nueva – Calingasta – Barreal – Uspallata – las Cuevas – Tunel Cristo Redentor – Los Libertadores (Grenze Chile)– Los Andes – Calle Larga – Santiago de Chile (via Autopista 57)

ARGENTINIENS ‚RUTA 40‘

Gerne wären wir auch weiterhin über die Puna geholpert, entschieden uns aber aufgrund der prekären Situation mit unseren (beinahe) durchgebremsten Felgen für die ‚Ruta 40‘ – oder einfach ‚la Cuarenta‘.

Obwohl wir eigentlich einen Bogen um Pässe machen wollten, konnten wir es doch nicht sein lassen. Nach zwei Ruhetagen in San Antonio de los Cobres (3’760 MüM) nahmen wir den ‚Abra del Acay‘, Argentiniens höchsten Pass (offiziell 4’601 MüM, inoffiziell 4’966 MüM), in Angriff und trafen schon wenige Kilometer ausserhalb San Antonios auf die ‚Cuarenta‘, die die nächsten knapp 300 km ungeteert und somit beinahe verkehrsfrei.

erste Meter auf der Ruta 40

Erste Meter auf der Ruta 40, der Aufstieg begann…

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…forderte seine Pausen…

kurvenreicher Weg zum Abra del Acay

…hatte seine Kurven….

letzte Meter, die Luft wird dünner

…und während die Luft dünner und die Wolken dunkler wurden, kamen wir der Passhöhe näher.

Abra de Acay, Argentiniens höchster Pass

…bis es nicht mehr höher ging: Abra del Acay, mit 4’966 MüM Argentiniens höchster Pass

Nach einem Aufstieg über 32 km und 1’200 Höhenmeter wurden wir auf der Passhöhe von einem eiskalten Wind empfangen. Mit einer anfangs sehr steilen, sehr langen und sehr holprigen Abfahrt durch das atemberaubend vielfältige Valle de Calchaquis verloren wir in 169 km über 3’000. Dank unanständig vielen Gegensteigungen kamen wir über diese Distanz aber trotzdem auf fast ebensoviele erfahrene Höhenmeter und durchquerten entsprechend viele Vegetationsstufen. Aus felsig-karg auf der Passhöhe wurde bald felsig-bunt, dann staubig-wildwest und schliesslich sandig-weinbergig. Die wärmeren – sprich heissen – Temperaturen waren nur ein Vorgeschmack auf die nächsten Wochen.

erste holprige Meter in der Abfahrt

Hinter der Passhöhe dann eine andere Welt…

noch hoch über der Baumgrenze

…und immer noch hoch über der Baumgrenze…

Kurve um Kurve um Kurve, dazwischen sind Flüsse zu überqueren

…ging es Kurve um Kurve um Kurve hinab und wir entschieden uns nach einer Stunde, in den Mauern eines verfallenen Hauses Zuflucht zu suchen.

bereits 2'000 m tiefer - langsam wird es grün und heiss

Am nächsten Morgen – bereits 2’000 m tiefer und nachdem wir durch eiskalte Flüsse gewatet waren – wurde es immer grüner und heisser.

spendet uns Schatten

Erste Dörfer mit Kolonial angehauchtem Flair erwarteten uns…

erste Sichtung der berühmten argentinischen Steaks

..und wir konnten die erste Sichtung berühmter argentinischer Steaks verzeichnen.

wildwest al argentino

Wildwest-Atmosphäre

Kampf gegen die Hitze

Und der Kampf gegen die Hitze begann!

Die oft rauen Verhältnisse der ‚Cuarenta‘ und stark schwankenden Temperaturunterschiede setzten unserem ohnehin angeschlagenen Material zu. Robins Hinterradfelge war das erste Opfer und begann sich am zweiten Tag (bei Cachi) in der Mitte zu spalten. So angeschlagen erreichten wir nochmals drei Tage später die Weinregion um Cafayate. Für Wein blieb leider wenig Zeit.

Aufstehen wird mit kühleren Temperaturen belohnt

Aufstehen wurde mit kühleren Temperaturen…

Felsen, Flüsse und die Kordillera

…und guten Aussichten belohnt.

Papageien. Sie fliegen in Schwärmen und machen Radau

Papageien fliegen und lärmen in Schwärmen.

Stunde um Stunde folgt Hügel auf Hügel

Stunde um Stunde folgte Hügel auf Hügel…

...noch eine Felskamm

…Felskamm auf Felskamm…

und noch einer...

…auf Felskamm…

...auf Felskamm.

…auf Felskamm.

Auf der Suche nach passenden Felgen waren wir bereits in Chile von San Pedro mit dem Bus in die 100 Km entfernte Stadt Calama gefahren, bloss um uns relativ unfreundlich sagen zu lassen, dass Felgen dieser Dimensionen (26″ / 32 Loch / V-Brake) hier nicht aufzutreiben wären. Diesmal fuhren wir mit dem Bus in die knapp 200 km entfernte Stadt Salta. fanden wenigstens eine passende Felge und bekamen diese auch ins mitgebrachte Vorderrad eingebaut. Nach unserer Rückkehr nach Cafayate stellten wir aber fest, dass die Felge so schlecht eingespeicht war, dass sie dauernd an der Bremse anstand. Also folgte der erste von vielen Gängen zum freundlichen lokalen Radflicker Elio.

Nach einer geschlagenen Woche verliessen wir Cafayate etwas frustriert mit einem neuen, guten Hinterrad und zwei schnittigen, schlecht passenden Vorderrädern vom Typ ‚Houston 502‘. Aber Houston, we have a Problem! Die Felgen waren instabil und unsere Speichen eigentlich zu lange dafür. So sahen wir von weiteren Umwegen ins raue Gelände (meist) ab und nahmen möglichst schnell die gut 1’300 km nach Santiago de Chile im Angriff.

schönes exemplar einer argentinischen Geraden

Nach Cafayate war die Ruta 40 (hier bei Belén) geteert und die Landschaft weniger spektakulär.

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Die Strasse war oft gerade…

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…stundenlang gerade…

Die 40 war oft gerade, aber selten flach...

…manchmal auch sandig…

...aber selten flach.

…aber selten flach.

Der Weg dorthin war lange und, solange wir der Cuarenta folgten, wenig abwechslungsreich. Eine endlose Gerade löste nach einer Stunde oder drei die nächste ab, auf die irgendwann wieder eine Andere folgte. Gegen 10 Uhr wurde es heiss und mit der Hitze setzte ein Gegenwind ein, der einem spätestens um 13 Uhr bei geöffnetem Mund den Kopf von innen zu rösten drohte. Dies war das Signal, um unter einer der wenigen, schattenspendenden Akazien eine Mittagspause einzulegen, im Anschluss in ein einstündiges Hitzekoma zu fallen und sich anschliessend nochmals ein paar Stunden im Fahrt- und Gegenwind braten zu lassen.

Ruta 40, oft nicht so idyllisch wie ihr Name vermuten lässt

Oft nicht ganz so idyllisch wie ihr, durch Che Guevaras ‚Motorcycle Diaries‘ zu Ruhm gekommener, Name vermuten lässt…

...dafür umso heisser!

…wurde die Ruta 40 Mittags zum Ofen.

...aber ob diese Messung wirklich stimmt?!

…die oft unerträglich drückend war. Aber ob das Thermometer hier nach der Mittagspause nicht etwas übertrieb?

auch andere suchen Schattenplätze

Aber auch abgesehen von Zahlen: Es war heiss!

So fielen wir in einen Rhythmus von durchschnittlich 110 Tageskilometern. Genau richtig, um Nachmittags in einem kleinen Nest anzukommen und bei ‚Grido‘, der weitverbreiteten Eiscremekette unseres Vertrauens, etwas abzukühlen.

Siesta aber Durst? ...manchmal hat man Glück und findet einen geöffneten 'Kiosko'

Siesta aber Durst? …manchmal hat man Glück und findet einen geöffneten ‚Kiosko‘

Grido rettet Leben

Oder sogar eine Filiale von ‚Grido Helados‘. Diese können vielleicht keine Leben retten, sicher aber den Tag.

macht keine Siesta, wie die Kleinstadt Chilecito zu seinen Füssen

Bloss einer machte keine Siesta, während die Kleinstadt Chilecito zu seinen Füssen ruhte.

Auch andere beschützen in kleinen Altaren am Strassenrand den Reisenden. Allen voran 'Gauchito Antonio Gil'

Aber auch andere beschützen in kleinen Altaren am Strassenrand den Reisenden…

...allen voran Argentiniens Robin Hood, 'Gauchito Gil'...

…allen voran Argentiniens Robin Hood, ‚Gauchito Gil’…

...dicht gefolgt vom Schutzheiligen der Reisenden, 'San Expedito', und 'Correa Difunta', einer Sagengestalt, zu deren Ehre Wasserflaschen deponiert werden.

…dicht gefolgt vom Schutzheiligen der Reisenden, ‚San Expedito‘, und ‚Difunta Correa‘, einer Sagengestalt, zu deren Ehre Wasserflaschen für durstige Reisende hinterlassen werden.

Diese Beschützer braucht es auch, denn es lauert Gefahr!

Diese Beschützer braucht es auch…

...denn es lauert Gefahr!

…denn es lauerten Gefahren!

Etwas anderes wäre uns auch nicht übrig geblieben, da in diesem Teil Argentiniens die Siesta sehr ernst genommen wird. Von 13 Uhr bis 18 Uhr (oft aber auch 19 oder 20 Uhr!) geht gar nichts. Alle Geschäfte schliessen (ausser Helado Grido) und es kommt zum Stillstand….aus dem sich manche im Laufe des Abends wieder hochrappeln, um etwa nach Mitternacht auf öffentlichen Campingplätzen zu Grillen, saufen, Fussball zu spielen, oder einfach nur im eigenen Auto zu sitzen und bis morgens um drei in Clublautstärke Musik zu hören. Unsere Dankbarkeit für diese Form der Freiheit hielt sich in Grenzen.

Camping Municipal, Angastaco, wo gerade die Weihnachtsfeier des Gemeindewerkhofs stattfand

Bei San José de Jachal verliessen wir die Ruta 40. Parallel verlaufende Strassen zwischen der Cordilliera und der Pre-Cordillera versprachen Ripio (Schotter) und weniger Verkehr, besonders aber auch kühlere Temperaturen und mehr Abwechslung.

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Endlich Abwechslung…

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…Wasser…

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Wir wurden wiederholt gewarnt, dass dort grausige Aufstiege und Endloses Leiden auf uns warten würden. Die Aufstiege waren meist knapp steiler als Flach, belohnten dafür aber mit kurvigen Strassen und einem abwechslungsreich-bergigen Panorama. So etwas abgelenkt erreichten wir Uspallata und damit die Haupttransitstrecke zwischen Argentinien und Chile.

Sobald wir die Ruta 40 verlassen haben warten Stauseen...

Abseits der Ruta 40 warteten Stauseen…

...weite Täler...

…weite Täler…

...Blick auf die Cordillera...

…dunkle Wolken…

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…Blicke auf die Cordillera…

...und viel 'Ripio' (Schotter) auf uns.

…und viel ‚Ripio‘ (Schotter) auf uns.

Aber weiterhin folgt Gerade...

Aber weiterhin folgte Gerade…

...auf Gerade...

…auf Gerade…

....auf Gerade.

….auf Gerade.

Blumen...

Blumen…

...seltsame Tiere...

…seltsame Tiere…

...blühende Kakteen...

…blühende Kakteen, gross…

...und klein...

…und klein…

...Glücksbringer...

…Glücksbringer…

...und sogar das Croc-Muster unserer Füsse hielten uns bei Laune.

…und sogar das Croc-Muster unserer Füsse hielten uns bei Laune.

Wir sind jedoch nicht immer die einzigen Radfahrer

Und manchmal hatten wir auch Gesellschaft.

Der Verkehr war allerdings weniger stark als erwartet und die Lastwagen meist einigermassen rücksichtsvoll. Besonders aber waren die 90 km etwas über 1’000 Höhenmeter bis zum Tunnel eine Augenweide. Die Strasse schlängelte sich durch ein felsiges Tal, durch sommerlich verlassene Skigebiete und schliesslich vorbei am mächtigen Aconcagua, damit wenig unter 7’000 m der höchste Berg ausserhalb des Himalayas. Aber nicht nur die Schönheit der Natur, sondern vor allem der nachmittags aufkommende Gegenwind trieb uns fast die Tränen in die Augen. Letzterer wurde so stark, dass an fahren nicht mehr zu denken war und wir nur sechs Kilometer vor Erreichen des Tunnelportals bei einer Mine um ‚Windschatten-Asyl‘ ansuchen mussten. Dieses gewährte man uns freundlicherweise und liess uns hinter einem Container unser Zelt aufstellen. Die sechs Kilometer waren am nächsten Morgen im Nu bewältigt – am Vortag hätte dies noch zwei Stunden gedauert. Durch den Tunnel chauffierte uns wegen, mangelndem Seitenstreifen, ein Lieferwagen der Strassenbehörde.

sanfter Aufstieg in die Cordillera

Der Anstieg begann früh und sanft…

vorbei an Skiliften

…doch bereits um 11 Uhr schwankten die Sessel dieses Skilifts im starken Wind.

und dem mächtigen Aconcagua

Vorbei am mächtigen Aconcagua (6’962m)…

oft parallel zur ehemaligen Eisenbahnlinie über den Paso Bermejo

…oft parallel zur ehemaligen Eisenbahnlinie über den Paso Bermejo…

...erreichten wir den 'Tunel del Cristo Redentor'...

…erreichten wir den ‚Tunel del Cristo Redentor’…

...damit Chile...

…damit Chile…

...und passierten elegant die Lange Warteschlange vor dem Zoll.

…und passierten elegant die Lange Warteschlange vor dem Zoll.

Bei der Einreise nach Chile wurde unser Gepäck auf der Suche nach Fleisch, Früchten, Gemüse oder Kokain weder durchsucht, noch geröngt. Dafür fand ein Spürhund gefallen an Robins Vorderreifen…auf welchem noch der Morgenurin einer seiner Artgenossen trocknete. Problemlos liess man uns aber einreisen. Die 40 km lange Abfahrt nach Los Andes, der nächsten grösseren Stadt, versuchte uns ein zügiger Gegenwind zu vermiesen, was ihm aber nicht gelang.

In endlosen Kurven schlängelten wir uns talwärts...

In endlosen Kurven schlängelten wir uns talwärts…

...während sich andere noch aufwärts kämpften.

…während sich andere noch aufwärts kämpften.

Nach einer Nacht in einem Stundenhotel in Calle Larga (wir entschieden uns für den 12-Stunden Tarif), trennten uns noch … Kilometer von Santiago. Diese hatten es aber in sich, da sie aus Mangel an Alternativen, auf der Autobahn gefahren werden mussten. Nicht unsere erste Fahrt auf Autobahnen, aber trotzdem nicht angenehm. Als nach zehn Kilometern in einem kurvenreichen Aufstieg der Seitenstreifen immer schmaler wurde und schliesslich verschwand, wurde aus unangenehm sehr unangenehm. Der Berufsverkehr donnerte zweispurig an uns vorbei und uns wurde Angst und Bange. Deshalb beschlossen wir wenige Kilometer später, lieber gegen unsere Prinzipien zu verstossen und einen Bus zu nehmen, als stur zu bleiben und dann mit der Ambulanz zu reisen. Dies erwies sich jedoch als alles andere als einfach. In den drei Stunden Wartezeit an einer Bushaltestelle hielt ein Bus nach dem anderen – mitnehmen wollte uns jedoch keiner. Schliesslich beschlossen wir, der Autobahn noch eine Chance zu geben. Zum Glück, denn ab sofort fuhren wir auf einem breitem Pannenstreifen, wurden nochmals durch einen Tunnel chauffiert und der Verkehr war nun merklich schwächer. Auf unseren persönlichen Radstreifen, vorbei an unzähligen Radverbotsschildern, erreichten wir so bequem Chiles Hauptstadt Santiago.

Gratistransport durch einen Autobahntunnel durch die 'Vialidad' - trotz Radverbotsschildern

Gratistransport durch einen Autobahntunnel durch die ‚Vialidad‘ – trotz Radverbotsschildern

Und zum Schluss die GALERIE:

Chile & Argentinien | ‚Paso Sico‘

349 Kilometer, davon 100 km asphaltiert

5 Tage

4’244 Höhenmeter

4’458 MüM Maximalhöhe

Highlights:
die Puna, farbig und weit
Vulkane und Salare
fantastische Campspots
wenige Autos

Route: San Pedro de Atacama – Toconao – Socaire – Salar de Aguas Calientes – Abra El Laco (4’478 MüM) – Abra Sico (4’458 MüM) – Paso Sico (Grenze Argentinien) – Catua – Abra de Arizaro (4’330 MüM) – Salar de Cauchari – Olacapato – Alto Chorillos (4’555 MüM) – San Antonio de los Cobres

PASO SICO – VON CHILE NACH ARGENTINIEN

Trotz leichtem Kulturschock und Unmengen von anderen Touristen genossen wir San Pedro de Atacama, die kleine Aussteiger-Oase inmitten der Atacama-Wüste. Wir hatten wie immer einiges zu tun, ignorierten die angebotenen Tours zu Lagunen und Wüsten und campierten ganze zehn Tage im Schatten hinter dem Hotel ‚El Anexo‘. Zugleich Hotel, Wohngemeinschaft und Treffpunkt war das Anexo mit einem schattigen Garten der perfekte Ort, um sich den Sand aus den Ohren und Zelt zu putzen, die Dauerübermüdung auszuschlafen und unser Material instand zu halten.

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El Anexo, San Pedro de Atacama

Für die Weiterfahrt hatten wir uns gegen hunderte schnurgerader, asphaltierter Wüstenkilometer durch Chile und für die Überquerung der Anden nach Argentinien entschieden. Auch hier standen zwei Optionen zur Auswahl: Der als Hauptverbindungsachse zwischen Nordargentinien und Chile mittlerweile asphaltierte ‚Paso Jama‘ oder der, etwas weiter südlich gelegene, weitgehend nicht asphaltierte und entsprechend wenig befahrene ‚Paso Sico‘ – wobei das Wort ‚Paso‘ nicht für einen Pass, sondern für einen Grenzübergang steht. Die Aussicht der Puna (eine von weiten Ebenen zwischen 4’000 und 4’600 MüM geprägte Hochebene) auf einsamem ‚Ripio‘ (Schotterstrassen) zu überqueren, gab den Ausschlag und ‚Paso Sico‘ bekam den Zuschlag.

So verliessen wir San Pedro de Atacama (2’440 MüM) nach zehntägiger Radabstinenz mehr oder weniger ausgeruht, ohne dringend benötigte neue Felgen, dafür aber mit Nahrungsmittelvorräten für sechs Tage.

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Aufbruch, San Pedro de Atacama

Nach 80 asphaltierten brütend heissen Kilometern am Rande der Atacama begann die Strasse zu steigen, war aber für weitere 20 Kilometer geteert. Dies und eine sich ständig verändernde Landschaft und Felsformationen machten uns den Aufstieg leicht. Im 20-Häuser-Dorf Socaire (Km 88) bot sich 122 Kilometer vor der Grenze die letzte Möglichkeit einzukaufen und wir füllten nochmals unsere Wasservorräte auf. Das Wissen, spätestens nach 100 Kilometern wieder Wasser finden zu können erlaubte es uns, unsere Wasserfüllkapazität von je 13 Litern mit je ~8 Litern nicht voll auszuschöpfen und dadurch Gewicht – wie wir in der Schule gelernt haben bei 5 Litern immerhin 5 Kilo pro Kopf – einzusparen.

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Auf Asphalt rollen wir hoch in die Puna…

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…noch rollt es leicht.

Zwölf Kilometer später machte die glatte Strasse einer Schotterstrasse platz, die aber weiterhin anstieg. Abenteuerwind wehte uns um die Ohren und wir genossen den Aufstieg zwischen die farbigen Vulkane. Nach erreichen der ersten Passhöhe knapp über 4’100 MüM wurde aus dem Abenteuerwind bissiger Gegenwind. Ein alter Bekannter, der sich über die kommenden vier Tage immer wieder mit dem wesentlich freundlicheren Amigo Rückenwind abwechselte.

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Nach 100 km knisterte es wieder unter den Reifen

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Wir genossen die frische Bergluft und das grandiose Panorama

Wir kamen zurück in den alten Rhythmus der Wildnis. Ab 16 Uhr hielten wir jeweils Ausschau nach einem geeigneten, windgeschützten Campspot, kochten und krochen möglichst mit den letzten Sonnenstrahlen des Tages ins Zelt. 19 Uhr. Dann kam die Kälte! Kaum war die Sonne weg wurde es mit jeder Minute kälter. „Eisfachkälte“ verwandelte Wasserflaschen ausserhalb des Zeltes in Eisflaschen und uns in eingepackte Schlafsackmumien. Erst die ersten wärmenden Strahlen der Sonne konnten uns dann morgens um sechs aus unserer warmen Höhle locken. Frühstück aus Müesli und Kaffee bereitete uns auf den Tag vor, Camp einpacken folgte und ein weiterer Tag in den endlosen Weiten der Puna nahm seinen Anfang.

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Die Suche nach einem Zeltplatz beginnt jeweils gegen 16 Uhr. Hier fanden wir Logenplätze in einem Felsband.

Die Puna enttäuschte uns nicht: Vulkane trohnten in der Ferne, Salare glitzerten für uns, die Hocheben blühte und Felsformationen schienen vom Himmel gefallen zu sein – was sie wohl auch waren.

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Die Wüste täuscht: was aussieht wie ein Teppich sind Grasbüschel im Abstand von 1 Meter

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Der ‚Salar de Aguas Calientes’…

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…lockte auch scheue Vicuñas an…

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…die Puna überraschte uns mit ihrer Farbenpracht…

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…und im salzigen Lago Tuyaito (4’050 MüM) spiegelten sich die Berge

All dies war jedoch nicht umsonst zu haben. Gutes Ripio wechselte sich mit tiefem Schotter ab, sandigen Pisten wurden zu noch sandigeren Flussbetten (glücklicherweise ohne Wasser), Wellblechpisten schüttelten uns durch und die Hochebene war eine Hürdenlauf kleiner Pässe. Mindestens jeden Tag einen.

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Noch lange glitzerte der Lago Tuyaito hinter uns…

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…immer neue Berge erhoben sich in der Ferne

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Nach einem stundenlangen Aufstieg…

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..erreichten wir den SAG Kontrollposten, den letzten Posten der Carabineros de Chile. Wir wurden registriert und mit Wasser versorgt.

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21 Km und einen Pass später (Abra Sico, 4’458 MüM) den Grenzübergang (Paso Sico). Ausser Tafeln gab es dort jedoch nichts. Die Zollformalitäten wurden nochmals 12 Km später am argentinischen Grenzposten erledigt. Dort liess man uns in einem Zimmer campieren und die Gästeküche (!!) benutzen.

Langeweile kam also keine auf. Wir kamen trotz allem überraschend gut voran, blieben selten stecken und erreichten das verschlafene, etwas heruntergekommene Bergbaustädtchen San Antonio de los Cobres im Nordosten Argentiniens bereits im Laufe des fünften Tages – bei strömendem Regen rollendem Donner.

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Catua, das erste Dorf in Argentinien. Wir wurden scheu bestaunt und konnten im Dorfladen gegen eine Handvoll Dollar einige Brote ergattern.

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Endlich Brot – Daina war überglücklich!

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Von San Antonio de los Cobres trennten uns jetzt immer noch 100 hüglige…

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…teils sandige Kilometer…

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…und zwei kleine Pässe.

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Diese ungewöhnlichen Herrschaften Weisen uns den Weg…

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Auf der Passhöhe des ‚Alto Chorillos‘ (4’555MüM), stand uns dann eine 26 km lange Abfahrt nach San Antonio de los Cobres bevor

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Wo diese (hier noch zahmen) Wolken eine Stunde später mit Blitz und Donner unsere Ankunft untermalten.

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San Antonio de los Cobres, erreichten wir nach 5 Tagen – schneller als erwartet.

….und zum Schluss wie immer die GALERIE mit diesen und weiteren Bildern.

Boliviens Lagunenroute | Wüsten, Lagunen & Flamingos

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620 Kilometer, davon 40 asphaltiert

14 Tage, davon 1 radfrei

5’760 MüM Maximalhöhe

Nahrung:
Frühstück Avena (Haferbrei)
Mittagessen: Chinesensuppen, Polenta, Kartoffelstock
Abendessen: Pasta mit Fertigsuppe als Sauce
Zwischendurch: Schokolade (Sublime!), Kekse, Cocatee

Highlights:
Sand, Sand, Sand: auf den Spuren der Dakar
surreale Wüsten
farbige Lagunen
mächtige Vulkane
fantastische Campspots
Vulkan Uturuncu: mit dem Rad auf 5’760 MüM

Route: Uyuni – Rio Grande (entlang Bahnlinie) – Julaca – San Juán de Rosario – Salar de Chiguana – Avaroa – Laguna Hedionda – Desierto Siloli & Arbol de Piedra – Laguna Colorada – Quetena Chico (Abkürzung entlang Nordufer Laguna Colorada, 12 km, sehr sandig, großteils nicht fahrbar) – Volcán Uturuncu (5’760 MüM) – Quetena Chico – Quetena Grande – Laguna Hedionda (süd) – Laguna Kollpa – Salar de Chalviri – Polques (Aguas Calientes) – Desierto Salvador Dalí – Laguna Verde – Laguna Blanca – Hito Cajon (Grenze Chile) – San Pedro de Atacama

BOLIVIENS WÜSTEN & LAGUNEN

Unsere Tage in Uyuni verbrachten wir damit, auszuspannen, unser Material wieder auf Vordermann zu bringen und die weitere Route zu planen. Nach der Überquerung der beiden Salare waren unsere Räder von Salz verkrustet und bedurften dringend einer gründlichen
Wäsche und einer allgemeinen Wartung. Diese hatten sie sich verdient! Ohne mit der Wimper zu zucken verflog eine Woche und wir waren bereit für die nächste Etappe.

Die ‚Lagunenroute‘ (offiziell ‚Ruta de las Joyas altoandinas‘ genannt) führt von Uyuni in Bolivien nach San Pedro de Atacama in Chile. Sie durchquert dabei den äussersten Südwesten Boliviens durch Wüstengebiete, gilt als hart, unberechenbar, sehr abgelegen und ist ein Klassiker unter Tourenfahrern. Genau nach unserem Geschmack.

Auf Grund der schlechten Versorgungslage unterwegs empfahl es sich, für mindestens sechs Tage Proviant mitzuführen. Wasser sollte mindestens alle zwei Tage auffindbar sein. Nach einer ausgiebigen Einkaufstour durch Uyunis Märkte und Lebensmittelgeschäfte waren unsere je zwei verbliebenen Satteltaschen zum Bersten gefüllt. Dazu gesellten sich noch je fünfeinhalb Liter Wasser in PET-Flaschen und Wassersäcken und wir waren bereit für ein neues Abenteuer.

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Proviant für sechs Tage

Mit – für unsere Verhältnisse – bleischwer bepackten Rädern verliessen wir an einem Samstagmorgen Uyuni entlang der Bahnlinie nach Chile. Erst über 600 Kilometer später, bereits in Chile, würden wir wieder Asphalt unter die Reifen bekommen.

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Bahnlinie, unser Weg aus Uyuni

Mal links und mal rechts davon auf Motorradspuren im Sand ‚fahrend‘, nahmen wir so auf den ersten 70 Kilometern den direktest möglichen Weg durch die Wüste. Doch wie so oft ist der kürzeste nicht zwingend der einfachste Weg: Die Spuren waren weich, oft alles andere als fahrbar und verliefen sich immer wieder im Sand. Zudem lernten wir bereits am ersten Tag einen unserer stärksten und unberechenbarsten Gegner der kommenden zwei Wochen kennen: Der Wind. Unbarmherzig machte er uns das Leben schwer und blies uns den ganzen Nachmittag frontal ins Gesicht. Oft so stark, dass wir stossend (5 km/h) schneller vorwärts kamen als fahrend und unser Tagesziel, das Dorf Rio Grande, erst im Dunkeln erreichten. Das einzige auffindbare Hotel war voll, man liess uns aber im Hof campieren.

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am Rande des Salar

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selbst spurt der Mann

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Einziger Weg über den Fluss

Weiter westwärts fahrend wehte uns am nächsten Morgen bereits nach kurzer Zeit wieder ein frisches Lüftchen ins Gesicht, das sich im Laufe des Tages zu einem ausgewachsenen Plagegeist- und Spielverderberwind entwickelte. In den kommenden zwei Wochen versuchte er immer wieder unser Vorwärtskommen und vor allem unsere Moral zu drücken. Dabei wurde er nachmittags oft so stark, dass an ein Zelten ohne irgend eine Art von Windschutz nicht zu denken war.

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Julaca, wie im wilden Westen

Am Morgen des dritten Tages, immer noch westwärts haltend, verpassten wir im Temporausch auf dem topfebenen ‚Salar de Chiguana‘ nach San Juan de Rosario (letzte Möglichkeit einzukaufen) prompt die Abzweigung und damit auch die einzige Wasserquelle für die nächsten zwei Tage. Dies zwang uns zu einem Umweg von 30km, weiter westwärts nach Avaroa, an die chilenische Grenze.

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Salar de Chiguana

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Güterzug unterwegs nach Chile (bei Avaroa)ö

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Grenzbahnhof und Wasserquelle

Dort, nun mit Wasser eingedeckt, schlugen wir endlich den Weg nach Süden ein und fanden vor Sonnenuntergang einen versteckten, aber fantastisch gelegenen Campspot. Einzig der Fund einer, einem frisch ausgehobenen Grab zum Verwechseln ähnelnden, Grube mit Reifenspuren, keine fünfzehn Meter hinter unserem Zelt, dämpfte etwas den Wohlfühlfaktor.

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Campspot mit Blick über den Salar de Chiguana

Die nächsten drei Tage schlängelten wir uns durch ein wahres Natur-Disneyland von wechselnden Wüstenlandschaften – mit all den dazugehörigen Herausforderungen. So keuchten wir gerade noch über holprige, felsige Pfade oder kämpften uns über rollende Hügel, steckten im nächsten Augenblick in einem endlosen Meer aus Kies fest, wühlten durch feinste Sandwüsten – und standen unvermittelt vor farbig spiegelnden Lagunen im Schatten mächtiger Vulkane.

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Laguna Chiar Khota

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auf geht’s, in die Wüste

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Flamenco

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Laguna Hedionda

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Campspot im Sand

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Felsformationen am Rande der Wüste Siloli

Leider liessen uns die schwierigen Pistenverhältnisse oft nur wenig Zeit, unsere Umgebung zu bewundern. Sandige Reifenspuren in allen nur erdenklichen Variationen versuchten uns gemeinsam, und scheinbar in Absprache, mit Hirnzermarternden Wellblechpisten aus dem Sattel zu zwingen – was ihnen glücklicherweise nur selten gelang.

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im kleinsten Gang

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die Wüste ändert sich stetig, bleibt aber sandig

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an der Grenze zu fahrbar

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Spurensuche, welche könnte fahrbar sein?

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die Wüste mit dabei

Das Wetter, obwohl uns meist freundlich gesonnen, tat das Seine dazu. Am vierten Morgen tobten sich Gewitterwolken zwischen den nahen Vulkanen so mächtig aus, dass es uns im Sattel etwas ungemütlich wurde und wir zwischen den Felsbrocken einer nahen Bergflanke Schutz suchten. Keine Minute zu früh! Kaum hatten wir unsere Pelerine als notdürftiges Dach zwischen die Felsen gespannt, prasselte eine Hagelfront auf uns herunter. Während über uns aus Hagelkörnern langsam Schneeflocken wurden, nutzten wir die halbe Stunde, um uns im Trockenen ein Sandwich-Mittagessen zu gönnen.

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Blitz, Donner, Hagel

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Pelerine & Felsen schützen vor Gewitter und Hagel…

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…und darunter wird gefuttert!

Diese Art von Wetterumschwung war nicht die Regel, doch blieben auch weitere Überraschungen nicht aus. Meist dann, wenn wir beim Mittagessen sassen. So wurden wir etwa, zwischen Sanddünen Spaghetti kochend, mit Schneeflocken eingedeckt. Ein andermal verspürte eine sandbeladene Windhose genau in dem Moment den Drang über uns hinwegzufegen (hinterhältig von hinten!), als wir uns die ersten Löffel Polenta in die Backen schieben wollten. Über die sandige Garnitur freuten wir uns mässig.

Mässig freuten wir uns auch über die regelmässig, mal nahe, mal am Horizont vorbeibrausenden Geländewagen voller Touristengruppen und können nun nachvollziehen, wie sich Löwen in der Serengeti fühlen müssen: Regelmässig wurden wir aus offenen Fenstern fotografiert und bestaunt. Richtig peinlich – aber nicht schlecht fürs Ego – wurde es aber, wenn sich neben uns die Fenster eines Jeeps senkten und wir, staubig und verschwitzt, von Gruppen von Touristen beklatscht wurden. Deren Fahrer versorgten uns ‚arme Radfahrer‘ mit Menüs von übriggebliebenem: Reis, Quinua, Kartoffeln, Kartoffelstock, Pouletbrüstchen, Lamaspiesschen und Gemüse. das Wahre Festessen, völlig unerwartet und deshalb umso besser!

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Laguna Colorada – macht ihrem Namen alle Ehre

Als wir am fünften Tag nach unserer Abfahrt aus Uyuni die Laguna Colorada, und damit die Mitte der klassischen Lagunenroute erreichten, verabschiedeten wir uns auch schon wieder von dieser. Wenigstens für ein paar hundert Kilometer. Wir wollten nämlich zum gut 70 Kilometer östlich gelegenen Vulkan Uturuncu. Zwischen die beiden Gipfel dieses 6’008m hohen Riesen führt eine alte Bergbaustrasse, was die seltene Möglichkeit bietet, mit dem Rad auf eine Höhe von sage und schreibe 5’760 MüM hinauf zu fahren. Konnten wir da nein sagen? Nein! So suchten und fanden wir eine Abkürzung(!) entlang des Nordufers der Lagune (laut Wirt des Refugios und Parkwächtern fahrbar und schneller) und verbrachten im Anschluss einen halben Tag und 12 Kilometer damit, unsere Räder durch tiefen Sand zu stossen und zerren – hier war schon seit Monaten keiner mehr gefahren.

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Laguna Colorada – Flamingoparadies

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Laguna Colorada – Lamaparadies

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Laguna Colorada

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Laguna Colorada – Vogelparadies

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manchmal ist stossen die einzige Lösung, Nordufer Laguna Colorada

Im kleinen, offensichtlich hauptsächlich von Lamas bewohnten Ort Quetena Chico (4’150 MüM), dreissig Radkilometer vom ‚Uturuncu‘ entfernt, verbrachten wir eine Nacht in einer einfache Herberge (‚Hostal Quetena‘, nächtliches Lama-Gejammer inklusive) und machten uns am nächsten Tag nach dem Mittagessen bestens vorbereitet in Richtung des Riesen auf. Mit dabei unser Zelt, unsere Schlafsäcke und -Matten, sechs Liter Wasser, einigen Frühstücksbrote, ‚Framebags‘ voller Schokolade und Kekse, sowie eine ‚Spaghettibombe‘ (vorgekochte Spaghetti in Sauce in einem Plastiksack: So konnten wir den Kocher weglassen).

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von der Laguna Colorada nach Quetena Chico: Uturuncu, wir kommen!

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Bevölkerungsmehrheit in Quetena Chico

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Herz mit Vizcachakot-Füllung

Wir hatten vor, am ersten Nachmittag gemütlich die Hälfte der Strecke bis an den Fusse des Vulkans zu fahren, dort zu campieren – hier kam die ‚Spaghettibombe‘ als Abendessen ins Spiel – und dann am nächsten Morgen früh, ohne Gepäck die restlichen 15 Kilometer und vor allem 1’300 Höhenmeter des Aufstiegs in Abgriff zu nehmen. Unser Plan ging auf. Wir fanden einen perfekten, windgeschützten Campspot bei Kilometer 15, auf einer Höhe von 4466 MüM, genau dort, wo wir ihn erhofft hatten. Am nächsten Morgen versteckten wir unsere Campingausrüstung unter Felsbrocken und waren bereits um sieben Uhr im Sattel, leicht und bereit für den Aufstieg.

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Campen vor dem grossen Aufstieg

Der Weg nach oben war nicht nur lang, sondern auch sehr schlecht. Teils sandig, meist aber mit grossen und kleinen Steinbrocken gepflastert war es ein mühsames Vorwärtskommen. Dessen nicht genug. Je höher wir stiegen, umso steiler wurde die ‚Strasse‘, umso häufiger kamen wir ins Rutschen und umso öfter wurden wir aus den Sätteln gezwungen. Die Höhe trug, nicht ganz überraschend, ihren Teil dazu bei und machte uns das Leben, beziehungsweise Vorankommen schwer. Auch sie konnte uns aber schliesslich nicht vom Erreichen unseres Ziels, dem Ende der Strasse und damit der Höhe von 5’760 MüM, abhalten. Dieses erreichten wir nach fünfeinhalb Stunden, ziemlich geschafft, inmitten von Schwefelwolken – nicht unsere eigenen wohlgemerkt.

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Uturuncu

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sandig, staubig, schwefelig

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5’600 MüM – die Luft wird dünner, die Pausen länger

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letzte steile, strenge Meter

Wie immer waren bald alle Anstrengung vergessen und wir waren vor allem erleichtert, dass Daina, anders als am gut 1000 Höhenmeter tieferen Salkantay Pass in Peru, keine schwerwiegenden Probleme mit der Höhe hatte: Sie konnte sprechen, lachen und antworten. Alles wunderbar und vier Stunden später, von 30 Kilometer holprigster Abfahrt gut durchgeschüttelt und nachdem wir unterwegs unsere versteckten Sachen wieder eingesammelt hatten, standen wir pünktlich zum Abendessen wieder in Quetena Chico und beschlossen: Am zehnten Tage sollst du ruhen – was wir auch taten.

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über dem Altiplano

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fünftausendsiebenhundertsechziger Erschöpfung

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zwischen den Gipfel des Uturuncu, 5’760 MüM

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Uturuncu, Goal!

Noch trennten uns aber etwa 170 Kilometer, endlose Wellblechpisten, zwei kleine Pässe und viel Sand von San Pedro de Atacama und auch der Wind, das fiese Kind, spielte uns einige Male übel mit. Dies machten die wechselnden Landschaften, scheinbar in flammen stehenden Sandberge, schillernden Lagunen und heissen Quellen unterwegs aber wieder wett. Und wiederum fanden wir sensationelle, mehr oder weniger windgeschützte Plätze für unser Zelt. Wenn manchmal auch erst nach stundenlangem, suchendem weiterkämpfen, kurz vor Sonnenuntergang.

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wer mit Crocs fährt, muss keine Schuhe ausziehen

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auch kurze Aufstiege erschöpfen!

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lange gesucht (vor Salar de Chalviri)

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Desierto Dalí

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Paso del Condor

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vor dem ‚paso del condor‘

So auch an unserem letzten Tag in Bolivien. Wieder einmal fanden wir einen perfekten Campspot, wieder einmal aber bereits um zwei Uhr Nachmittags. Viel zu früh, fanden wir und erhofften uns noch ein paar Kilometer hinter uns bringen zu können. Was folgte war abzusehen: Bis kurz vor Sonnenuntergang suchten und fanden wir keine windgeschützten Möglichkeiten mehr, wurden immer müder und frustrierter und mussten doch weitersuchen. Schliesslich campierten wir, keinen Kilometer von der Bolivianischen Grenze entfernt, hinter zwei riesigen Felsbrocken im Sand. Doch noch ein fantastisches, windgeschütztes Nachtlager.

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Campspot Suche

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vulkanischer Campspot mit Blick auf Vulkan Licancabur

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frühmorgens im Camp

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perfekt!

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‚Migracion Bolivia‘ – unkomplizierte Ausreise

Der Weg an die Grenze war am nächsten Morgen entsprechend kurz, die Zollformalitäten entspannt und dann war es soweit. Sieben Kilometer hinter der Grenze erreichten wir (auf 4’660 MüM) nach zwei Wochen bolivianischem Sand und Kies, chilenischen Asphalt – und waren traurig, dass der Spass schon vorüber war. Jetzt trennten uns nur noch 40 Kilometer vom, über zweitausend Meter tiefer in der Atacamawüste gelegenen, Touristenstädtchen San Pedro de Atacama. Dort waren die Zöllner erst nach einer halbstündigen Wartezeit auffindbar und es beherrschten plötzlich Strandmode und Sommerkleider das Strassenbild. Letztere ein Kulturschock pur. ‚Bienvenido a Chile‘!

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Chile? Argentinien? …Chile

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Abfahrt nach San Pedro de Atacama (Chile) – auf Asphalt!

….und zum Schluss wie immer die GALERIE mit diesen und weiteren Bildern.

Boliviens Altiplano | Höhe, Lamas & Salare

809 Kilometer, davon 130 asphaltiert

36 Tage, davon 23 „radfrei“ (wovon 21 in La Paz)

Durchschnittshöhe geschätzt 4’000 MüM

Maximalhöhe 4’740 MüM

Highlights:
ohne Wasser in der Wüste
ein Abstecher nach Chile
Hagel, Blitz & Schneegestöber im Niemandsland
nackt auf dem Salar

Kulissen:
farbige Cañons & bizzarre Steinwüsten
rauchende Vulkane & weisse Salare (Salzseen)
kleine Dörfchen & wenige Menschen
…und dazwischen die endlosen Weiten des Altiplano

Statisten:
tausende wollige Lamas und Alpacas
hunderte scheue Vicuñas (wild & dem Lama ähnlich)
dutzende Flamingos
einige Suri (wild & dem Vogelstrauss ähnlich)

Salat de Uyuni

Route:

Bolivien: La Paz – Viacha – Corocoro – Pando – Caquingora – Playa Verde – Salar Tarquiamaya – Laguna Blanca – Limacota – Malcuchusi – Okururo – Sajama – Tambo Quemado (Grenze Chile)
Chile: Chungará – Chirigualla (Aguas Calientes) – Guallatire – Chilcaya – Salar de Surire (östlich um den Salar zu Aguas Calientes de Polloquere) – Enquelga – Isluga – Colchane (Grenze Bolivien)
Bolivien: Pisiga – Salar de Coipasa – Hizo – Llica – Salar de Uyuni (verkehrsfreie Route, nördlich der ‚Isla Incahuasi‘) – Colchani – Uyuni

Der Ankunft in Boliviens Hauptstadt ‚La Paz‘ geht eine zwölf Kilometer lange Abfahrt auf der ‚Autopista‘ genannten Autobahn (Radfahren verboten) ins Stadtzentrum voraus, garniert mit atemberaubenden Ausblicken über den Talkessel. Unten wartet eine eigenartige, aber sehr angenehme Mischung aus südamerikanischer und westlicher Stadt: Hektik, Lärm und Komfort liegen hier nahe und auf spannende Weise ineinander verschlungen beieinander.

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La Paz vor eisiger Kulisse

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neue Seilbahn verbindet La Paz mit El Alto

Schon im Voraus hatten wir uns einen Platz im zentral gelegenen ‚Casa de Ciclistas‘ gesichert. Cristian, ein bolivianischer Mountainbike-Enthusiasten, Warmshower-Host und Idealist, stellt Radreisenden aus aller Welt gegen einen geringen Unkostenbeitrag eine gemeinsame Wohnung zur Verfügung. Dort lässt sich’s gut wohnen, kochen, Räder reparieren, Geschichten austauschen, jeweils Dienstags gemeinsam putzen (!) und in der Regel auf der eigenen Campingmatte im Obergeschoss übernachten. Manche, wir, haben Glück und können das einzige Einzelzimmer ergattern. Ha! Hier fanden wir ein Zuhause, fühlten uns inmitten immer wieder wechselnder Gesellschaft von Radreisenden jeden Schlages mal mehr und mal weniger wohl und machten viele spannende Bekanntschaften.

Die radfreie Zeit verging wie im Flug und wie immer kamen wir gar nicht dazu, nichts zu tun. Dainas Felge musste ersetzt werden, unsere Räder wollten unsere pflegende Aufmerksamkeit, die Super-, Gemüse- und Früchtemärkte forderten tägliche Besuche und auch sonst wollte die Stadt erkundet werden. Dank Nick und Sämi machten wir die Bekanntschaft von Pedro Brunhart. Der engagierte liechtensteiner Wahlbolivianer lebt mit seiner Frau schon seit über 25 Jahren in La Paz und betreibt ein vegetarisches Restaurant, wofür er über die Jahre etwas ausserhalb von La Paz eine Finca aufgebaut hat. Pedros Mitarbeiter Telmo führte uns dann auch einen ganzen Morgen durch die beeindruckende Anlage, auf der verschiedene biologische Methoden zur Anwendung kommen und hängte im Anschluss gleich noch einen Überraschungsbesuch in der Klasse seiner Frau an.

mit Telmo im Gewächshaus

mit Telmo im Gewächshaus

Immer so brav?

auf Schulbesuch

Nach zwei Wochen Frieden in La Paz waren wir bereit weiterzuziehen…. hätte sich nicht überraschend die Möglichkeit ergeben, individuell an unsere Räder angepasste ‚Framebags‘ (Rahmentaschen) schneidern zu lassen. Diese überraschende Chance konnten wir uns nicht entgehen lassen – und blieben eine Woche länger. Deutlich agiler, mit neuen ‚Framebags‘, weniger Gepäck (Adios, vordere Packtaschen!) und modifizierten Rädern (die Wasserflaschen fahren jetzt links und rechts an der Gabel mit), machten wir uns nach drei Wochen Stadtleben an den 500-Höhenmeter-Anstieg, hinauf in La Paz‘ Schwesterstadt ‚El Alto‘. Zurück aufs Altiplano, 4’100MüM.

raus aus La Paz

raus aus La Paz

Freunde unter sich

Freunde unter sich

Einsichten ins Strassengewirr - Aufstieg aus La Paz

Aufstieg aus La Paz

Als nächstes Ziel hatten wir uns Sajama, ein südwestlich von La Paz an der chilenischen Grenze gelegenes Dorf, am Fusse des gleichnamigen Vulkans, ausgesucht. Aus der Enge der Stadt in die Weiten des Altiplano. Wir hatten uns vorgenommen einen möglichst direkten Weg dorthin zu nehmen – und taten dies auch. Erschwert wurde dieses Unterfangen dadurch, dass diese Gegend auf den Landkarten relativ „leer“ erscheint. Telmo hatte uns schon einige Tips gegeben, doch fanden wir unseren Weg, hauptsächlich auf Aussagen von Dorfbewohnern gestützt, vorne zu selbst. Dass die wenigen angetroffenen Verkehrsteilnehmer in dieser Gegend vorwiegend per Fahrrad unterwegs waren (zum Feld und zurück), erwies sich bezüglich Verlässlichkeit der Angaben als Glücksfall. So fuhren wir fünf Tage lang immer wieder ins Ungewisse, folgten vagen (oft in den Sand gezeichneten) Beschreibungen und mussten bei (nicht erwähnten) Verzweigungen die rchtige Wahl erahnen. Einzig der, sich in der Ferne erhebende, schneebedeckte Kegel des 6’542 m hohen ‚Sajama‘ gab uns die generelle Richtung an und wies uns den Weg über das, uns mit einer unglaublichen Vielfalt von atemberaubenden Landschaften überraschende, bolivianische Altiplano.

wollige Familie

wollige Familie

railway to nowhere

Railway to Nowhere

die ganze Stadt tanzt (Viacha)

die ganze Stadt tanzt (Viacha)

in den Strassen von Corocoro

in den leeren Strassen von Corocoro

Regen- & Gewitterwolken - nur noch eine Frage der Zeit

Regen- & Gewitterwolken – eine Frage der Zeit

Daina camouflage

Daina camouflage

unerwarteter Cañon

unerwarteter aber umso schöner, Cañon bei Playa Verde

salzige Böden bei Tarquiamaya

salzige Böden bei Tarquiamaya

Salzgewinnung, Salar de Tarquiamaya

Salzgewinnung, Salar de Tarquiamaya

Lamas

Antennen aufgestellt – Lamas

plötzlich sandig (bei Limacota)

plötzlich sandig (bei Limacota)

weit & sandig

endlos weit!

weist uns die Richtung - Vulkan Sajama

weist uns die Richtung – Vulkan Sajama

...und wieder Sajama

Boliviens höchster Berg …Sajama

Sajama (links) und Vulkanische Freunde

…nochmals Sajama (links)

mighty Sajama & wohnen im 'Star Wars' Style

wohnen im ‚Star Wars‘ Style, Sajama

Kirche in Sajama

Kirche in Sajama

Hä?!

Hä?!

Als nächstes wollten wir dem nahegelegenen Chile einen Besuch abstatten. Mit prall gefüllten Satteltaschen – wir hatten uns im staubigen, verschlafenen Dorf Sajama mit Nahrungsmitteln für eine Woche eingedeckt – verliessen wir den Grenzort Tambo Quemado. Der kleine Pass im Niemandsland zwischen den beiden Ländern war weder hoch noch steil, hielt aber jede Menge Spannung für uns bereit. Diese entlud sich, kaum waren wir hoch und exponiert genug, in Form eines mächtigen Gewittersturms. Von krachendem Donner gejagte Blitze und dichter Hagel kämpften um unsere Aufmerksamkeit. Als dann Dainas Lenker elektrische Impulse an ihre Finger abgab, verkrochen wir uns schleunigst in ein Wasserrohr unter der Strasse, bis das Gewitter nach einiger Zeit an Zorn verlor und statt Hagel Schnee fiel. So schnell es ging ritten wir unsere bereits eingeschneiten Räder über die Passhöhe, wo wir wegen des anhaltend dichten Schneegestöbers wenige Minuten später in der Baustelle des zukünftigen Zollabfertigungskomplexes Schutz suchen mussten. Bienvenido a Chile.

saliendo de Sajama

saliendo de Sajama

Tambo Quemado - vor dem Sturm

Tambo Quemado – vor dem Sturm

'Schneeflucht' im Niemandsland

‚Schneeflucht‘ im Niemandsland

Niemandsland - nach dem Sturm

Niemandsland – nach dem Sturm

Aguas Calientes de Chirigulla

Aguas Calientes de Chirigualla

Ständig in Grenznähe südwärts fahrend, beehrten wir die Nationalparks ‚Parque Nacional Lauca‘, ‚Reserva Nacional las Vicuñas‘ und ‚Parque Nacional Volcán Isluga‘ mit unserer verstaubten Cicloviajero-Anwesenheit. Vor grandioser vulkanischer Kulisse wurden wir zweimal mit entspannenden (und ebenso reinigenden) Hotsprings verwöhnt, kamen in den Genuss sandiger Pisten und wahnsinniger Panoramen in allen erdenklichen Ausführungen und fanden jeden Abend idyllische Plätzchen für unser Zelt. Unsere gesellschaftlichen Kontakte beschränkte sich meist auf Lamas, Vicuñas und den gelegentlichen Lastwagen. Die wenigen Dörfer, die wir passierten, schienen gespenstisch ausgestorben und wir sahen in der ganzen Zeit keinen einzigen Laden! …glücklicherweise hatten wir uns in Bolivien genügend Nahrungsvorräte zugelegt.

gibt ständig Rauchzeichen ab: Vulkan ...

gibt ständig Rauchzeichen: Vulkan Guallatire

nach eisiger Nacht: auftauen und trocknen

nach eisiger Nacht: auftauen und trocknen

Trocken-Suri

Trocken-Suri

Salar de Surire

Salar de Surire, Chile

Salar de Surire -offensichtlich vulkanisch

wohl schon länger da (Salar de Surire)

Salz, Wasser & Flamingos (Salar de Surire)

Salz, Wasser & Flamingos (Salar de Surire)

Mit Wasser waren wir leider etwas weniger weitsichtig. Nach einer Nacht  bei den Aguas Calientes de Polloquere, am Rande des ‚Salar de Surire‘, galt es, einen kleinen Pass (4’740m) zu bezwingen. Uns blieben noch je ein Viertel Liter Wasser in unseren Bidons und Nachschub gab es vorerst keinen: Daa dampfende Wasser der wunderbaren Hotsprings um uns herum war schwefelhaltig und nicht trinkbar.

Camping bei Salz und Schwefel

Camping bei Salz und Schwefel

Vicuñas gehen baden (Aguas Caliente de Polloquere)

Vicuñas gehen baden (Aguas Caliente de Polloquere)

Laut Parkwächtern fänden sich auf der anderen Seite des Passes Flüsse mit bestem Trinkwasser. Der gut zwanzig Kilometer lange, sandige Aufstieg war zwar nicht sonderlich steil, aber ohne Wassers heiss und entsprechend streng. Mit jedem Schluck sank unser Wasservorrat und damit unsere Zuversicht. Die Landschaft um uns herum verwandelte sich langsam aber sicher in eine Wüste – weit und breit kein Rinnsal in Sicht! Langsam regten sich Zweifel. Dies änderte sich weder nach zwanzig Kilometern auf der Passhöhe, noch nach dreissig Kilometern am Fusse der Abfahrt. Weit und breit nicht das kleinste Rinnsal in Sicht und vor uns lag eine endlose, am Horizont von ebenso sandig erscheinenden Bergen umgebene Ebene. Nicht gut. Die Sonne stand hoch am Himmel, der letzte Tropfen Wasser war längst getrunken, unsere Zungen klebten im Mund und es machte sich Hunger breit. Ohne Wasser war jedoch auch unsere Nahrungsversorgung Schachmatt gesetzt: Spaghetti, Polenta, Fertignudeln – nichts lässt sich ohne Wasser kochen! Waren da erste Anzeichen von Panik im Anflug? …es sollte über eine Stunde und zehn weitere lange Kilometer dauern, bis wir endlich einen Fluss mit, von einer Herde Lamas veredeltem, herrlich-grünlich schimmerndem Wasser erreichten. Welch eine Erleichterung!

Suche nach Wasser (nahe Cero Capitan)

Suche nach Wasser (nahe Cero Capitán)

Wellblech, Sand & Sonne - aber kein Wasser weit und breit

Wellblech, Sand & Sonne – aber kein Wasser weit und breit

Wasser filtern

Wasser filtern

Zurück in Bolivien stand die Überquerung zweier Salare, um diese Jahreszeit ausgetrocknete Salzseen, bevor. Den kleineren davon, den auf 3’657 MüM gelegenen ‚Salar de Coipasa‘ mit einer Fläche von 806 km², erreichten wir dank Wegbeschreibung von Militär und einem alten Quinua-Bauern über ein wirres Netzwerk von Pfaden.

Campspot, zurück in Bolivien

Campspot, zurück in Bolivien

Salar Coipasa

Salar Coipasa

schön knusprig, Rand des Salar Coipasa

schön knusprig, Rand des Salar Coipasa

Die ersten Meter auf dem am Rande matschig-nassen, aber strahlend weissen Salz waren surreal und unsere wintererprobten Gehirne spielten uns Streiche: Ständig hatten wir Angst im Eis einzubrechen, darauf auszurutschen oder im Schnee zu versinken. Radfahren im ‚Salzschnee‘! Wir brausten mit zusammengekniffenen Augen über die gleissende, topfebene Fläche.

Salzschnee?

Salzschnee?

Salzstrasse

Salzstrasse (Salar de Coipasa)

Zur Orientierung dienten uns Jeepspuren und Vulkane am Horizont. So erreichten wir nach ein paar Stunden wieder ‚festen‘ Boden und damit Sand. Weiterhin folgten wir den Spuren, die sich regelmässig verzweigten und uns immer wieder vor die Wahl stellten. Was folgte war eine stundenlange Irrfahrt. Mal holperten wir über harte Wellblechpisten, dann wieder versanken unsere Reifen von einer Sekunde zur nächsten im tiefen Sand und wir hatten keine andere Wahl als die Räder zu stossen. Dank dieser kleinen ‚Ehrenrunde‘ – wer ohne GPS fährt und nicht beschriebenen Routen folgt muss büssen – erreichten wir das Ufer des ‚Salar de Uyuni‘ (mit einer Fläche von 10’582 km² der grösste Salar der Welt) mit einem Tag Verspätung.

...verloren im Sand

…verloren im Sand

Sand & Wellblech, unsere bolivianischen Gegenspieler

Sand- & Wellblechpisten – unsere bolivianischen Gegenspieler

Hier bot sich ein ganz anderes Bild. Das Salz war steinhart und im Gegensatz zum ‚Salar de Coipasa‘ nicht ganz so weiss, sondern eher dreckig braun. Obwohl man uns in Llica, dem sympatischen kleinen Ort am Westufer des Salars, versichert hatte, man könne den Weg nicht verfehlen, schafften wir genau dies: Wir verfehlten ihn und damit die mitten im See liegende Insel Incahuasi – was sich im Nachhinein als Glückstreffer herausstellte. Da wir einen Pfad eingeschlagen hatten, der zwar parallel zur, aber geschätzte 20 Km nördlich der ‚Hauptachse‘ verlief, hatten wir während den zwei Tagen und gut 170 Km unserer schnurgeraden – und teils zugegebenermassen etwas eintönigen – Überfahrt so gut wie kein Verkehr und den Salars für uns alleine.

erste Meter, Salar de Uyuni

erste Meter auf dem Salar (bei Llica)

Gummi auf Salz

Gummi auf Salz

'off road' (Salar de Uyuni)

‚cruisen‘ auf Salz

Mal anders: Kochen auf Salz, statt mit Salz

Kochen auf Salz

Mittagspause, Salar de Uyuni

Pause auf Salz

Bereits mitten im Nachmittag suchten wir uns einen Campspot. Hätten wir aus Blitzschutzgründen – am Horizont türmten sich schon die Gewitterwolken – ein Inselchen vorgezogen, begnügten wir uns dann aber mit einem Plätzchen etwas abseits der ‚Piste‘ und genossen bis zum Sonnenuntergang die Stille, die Weite und die fatamorganösen, skurrilen Verzerrungen über dem Salar. Aus Inseln wurden Ufos, aus liegen gelassenen Autoreifen Türme und in der Ferne fahrende Autos verwandelten sich in bunte, fahrende Eier. Welch ein Spass, so ein Salar – wenn man gerade Pause macht.

Risse im Salz, wohnen hier die Salzmonster?

Risse im Salz, wohnen hier die Salzmonster?

Fatamorganinseln

Fatamorganinseln

wir vier

wir vier

Und dann galt es da noch dem Pflichtteil einer ‚Salar de Uyuni‘-Fahrrad-Überquerung nachzukommen: Einer Nacktfahrt auf dem Salar. Dies ist unter Tourenradlern über die Jahre zu einer Tradition geworden – und wir haben uns natürlich auch nicht lumpen lassen.

Pflicht

Pflicht

Die Gewitterwolken tobten sich zu unserer Beruhigung in weiter Ferne aus und unter einem atemberaubenden Sternenhimmel erlebten wir eine ungefährliche Nacht, auf dem im Mondlicht gefluteten, plötzlich strahlend weissen Salar. Dass in der Nacht ein starker Wind versuchte unser freistehendes Zelt einzudrücken (im harten Salz lassen sich keine Heringe einschlagen) oder es in Stücke zu reissen, sei entschuldigt.

letzte Sonnenstrahlen, bald kommt der Wind! (Salar de Uyuni)

letzte Sonnenstrahlen, bald kommt der Wind!

erste Sonnenstrahlen, Salar de Uyuni

erste Sonnenstrahlen, Zelt steht noch (Salar de Uyuni)

Verstaubt, sandig, dreckig und mit salzverkrusteten Rädern erreichten wir schliesslich Uyuni, ein kleines, staubiges und von Touristen überlaufenes Städtchen am Rande des Salar. Nicht ganz überraschend hatten wir nur eines im Sinn: Essen!

wir

wir zwei

Zum Schluss wie gewohnt obige Fotos und mehr in der GALERIE:

Perus Süden | Bike-Hike zum Machu Picchu

1’490 Kilometer

47 Tage, davon 25 „radfrei“ (9 Ayacucho, 8 Cusco)

nur 4’600 MüM Maximalhöhe

19’055 gemessene Höhenmeter

800 gestossene /getragene Höhenmeter

Bezwungene Pässe:
Abra Saracchocha (4’210 m)
Abra Sorllaca (3’970m)
Abra Salkantay (4’600m)
zwei uns unbekannte Pässe à 4’545m und 4’580m

Highlights:
Radwandern über Salkantay Pass
Sprachverlust durch Höhenkrankheit
Peru im Dunkeln: Radfahren bei Nacht und Nebel
Mit dem Rad zum Machu Picchu
Freund oder Feind: Gib mir ein Heiligenbild oder verzieh dich!

Route: Ayacucho – Tambillo – Uripa – Chincheros – Talavera – Andahuaylas – Laguna Pacucha – Ruinas Sondor – Quillabamba – Ruinas Curama – Huancarama – Abancay – Abra Sorllaca (3’970m) – Curahuasi – Mollepata – Soraypampa (Gepäck ab hier auf Pferd bis Chaullay) – Abra Salkantay (4’650m) – Chaullay – Sahuayaco (bei Lucmabamba über Brücke, nicht nach Santa Teresa) – Hidroelectrica – Aguas Calientes (via Bahndamm, nur nachts möglich!) – Ollantaytambo (Zug) – Huarocondo – Cusco – Urcos – Combapata – Yanaoca – Langui – Layo – Macarí – Ayavirí – Pucará – Juliaca – Peninsula Capachica (Capachica – Llanchon – Capachica) – Taraco – Huancané – Moho – Tilali – Puerto Acosta (Grenze Bolivien) – Escoma – Achacachi – La Paz

PERUS SÜDEN

Ayacucho, eine gemütliche und schöne Stadt, kam uns nach Wochen in den Bergen gerade gelegen. Wir suchten uns ein Hotel mit einem sonnigen Zimmer und Strassenlärm und spannten eine Woche aus. Nachdem der ‚dia de la patria‘ (Staatsfeiertag) am 28. Juli mit einer grossen Parade und viel Tamtam zelebriert worden war, kam für uns die Zeit, dem Ruf der Strasse zu folgen. Zwischen uns und Cusco lagen knapp fünfhundert Kilometer, fünf Pässe über 4’000m und dazwischen einige fiese Täler gut 2’000 Höhenmeter tiefer. Hügelig also.

in Ayacucho

in Ayacucho

in der Stimmung für Fussball

in der Stimmung für Fussball

Klatsch im Schatten

Klatsch im Schatten

Patriot

Patriot (Ayacucho)

Leckereien

Leckereien

Wir hatten in den vergangenen Wochen und Monaten die Vorzüge kleiner Nebenstrasse kennen und schätzen gelernt und auch fand sich eine solche. Damit schlugen wir den ersten beiden Pässen ein Schnippchen, dachten wir. Zwar stieg die Strasse gut hundert Meter weniger hoch, doch sorgten viele Täler dafür, dass wir trotzdem auf genügend Höhenmeter kamen. Nach achtzig, meist ansteigenden Kilometern und einer Nacht im Schopf einer freundlichen Ladenbesitzerin, spuckte uns unser Strässchen auf 4’100m zurück auf die Hauptstrasse. Was nun folgte war eine zünftige Abfahrt von vierzig Kilometern hinunter auf 2’000m. Dort galt es nämlich eine Brücke zu überqueren, sich in nun tropischen Bedingungen von ein paar Mücken stechen zu lassen, mit einer Meute betrunkener Frauen Bier zu trinken (man müsse trinken solange man könne!) und dann den langen Aufstieg zum nächsten Pass (Abra Saracchocha, 4’210 m) in Angriff zu nehmen. Dessen wie immer unmarkierte Passhöhe erreichten wir dann im Laufe des nächsten Nachmittags. Wiederum wurden wir mit dreissig Kilometern Abfahrt belohnt, worauf wir die beiden nur fünf Kilometer voneinander entfernt gelegenen Nachbarstädte Talavera und Andahuaylas erreichten. Nach einem Tag Pause entschieden wir uns für die Weiterfahrt und wiederum gegen die Hauptstrasse. Wieder liessen wir damit einen Pass aus und wieder durften wir dafür mit vielen zusätzlichen Höhenmetern bezahlen. Dafür wurden wir jedoch mit einer blauen Lagune und traumhafen Aussichten über steile Andentälern belohnt und lernte freundlichen Menschen in kleinen Dörfern kennen. Eine Nacht verbrachten wir auf dem Fussballplatz einer kleinen Dorfschule, eine andere in einem Klassenzimmer eines Internats, wo wir gleich noch von den Nachbarn bekocht wurden. Abgerundet wurde das Ganze mit den Ruinen von Sondor und Curama, beide sozusagen am Wegrand und völlig ohne Rummel.

auch auf 4'000m sind wir nicht alleine

bei Matara, am zweiten Morgen nach Ayacucho

Spurt zur Passhöhe

Spurt zur Passhöhe

Ruinas de Curama

Ruinas de Curama – keiner da!

wer baut wo was an?

Panorama kurz nach den Sondor Ruinen

brachten uns Käse, Kartoffeln und Unterhaltung

Flor und ihre Freundin brachten uns Käse, Kartoffeln und Unterhaltung

müde, hungrig, durstig

müde, hungrig, durstig

...mal in der Schule

Schulzimmercamping

ziert Hausdächer, schützt bewohner (bei Curahuasi)

ziert Hausdächer und schützt deren Bewohner (bei Curahuasi)

Knapp eine Woche nachdem wir Ayacucho verlassen hatten, erreichten wir Abancay, eine untouristische kleine Stadt. Es wurde höchste Zeit, unsere Pläne für den Besuch der hochgelobten Ruinen von Machu Picchu zu konkretisieren. Wir waren mitten in der touristische Hochsaison und ein kurzer Besuch auf der offiziellen Website machte klar, dass im ganzen August nur noch wenige ‚Plätze‘ frei waren. So reservierten wir unsere Tickets unerwartet reibungslos online (reservieren, in der Bank bezahlen, ausdrucken). Das Timing schien uns perfekt und liess uns mit fünf Tagen genügend Zeit zur Anreise. Aguas Calientes der Ausgangspunkt für Machu Picchu ist nur per Bahn (für Ausländer massiv überteuert) oder zu Fuss zu erreichen. Beides sprach uns nicht so an. So suchten und fanden wir eine Alternative: Per Rad zum Machu Picchu. Der Countdown lief.

Dabei hatten wir die Rechnung aber ohne den weit verbreiteten, relativ entspannten Umgang mit Hygiene gemacht. Dessen Folgen verwandelten Robin über Nacht in einen übelriechenden, eierrülpsenden Haufen. An weiterkommen war nicht zu denken und wir mussten einen Tag länger bleiben. Noch vier Tage zum Machu Picchu.

Tags darauf waren die dichtesten Gaswolken im Hotelzimmer abgezogen und eine Weiterfahrt war möglich. Der Aufstieg zum Pass ‚Abra Sorllaca‘ begann direkt vor unserer Haustüre und endete erst 37 km später mit dessen Passhöhe auf 3’970m. Wie üblich folgte auf einen Aufstieg eine Abfahrt, diesmal hinunter auf 2’200m. Im sympathischen Städtchen Curahuasi sanken wir erschöpft in weiche Hotelbetten. Noch drei Tage zum Machu Picchu.

Schon um sieben sausten wir die 30km hinunter zur Brücke über den Rio Apurimac auf gerade noch 1’900m. Sogleich wurden wir von Mücken und stechenden kleinen Fliegen besaugt, was uns beschwingt in den Aufstieg starten liess. Nach wenigen Kilometern bogen wir von der Hauptstrasse auf ein steil ansteigendes Bergsträsschen ab. Darauf stiegen wir im Laufe des Tages höher und höher. Entsprechend ausgelaugt erreichten wir 45 km später und insgesamt 2’111 Höhenmeter höher bei Einbruch der Dunkelheit (und gleichzeitig Anbruch einer Regennacht) das Fünf-Häuser-und-fünfzig-Esel-Dorf Soraypampa. Hier fanden wir ein überdachtes Plätzchen für unser Zelt. Wir hatten uns für unseren Sturm auf Machu Picchu die Route des ‚Salkantay-Santa Teresa-Trek‘ ausgesuch, eine bei Touristen sehr beliebte, fünftägige Alternative zum berühmten Incatrail. Noch zwei Tage zum Machu Picchu.

Ruhetag am Fusse des Salkantay

Luft schnuppern nach einer Fiebernacht (Soraypampa, am Fusse des Salkantay)

Das Fieberteufelchen hatte andere Pläne und ergriff in der Nacht die Herrschaft über Robins Körper. Damit zwang es uns, ohnehin schon in Verzug, zu einem weiteren Ruhetag, diesmal im feuchtkalten Zelt auf 3’800m. Noch ein Tag zum Machu Picchu.

Die Ruhe tat seine Wirkung und nach einer weiteren Nacht war Robin wieder munter und bereit zum Gipfelsturm – die letzte Chance Aguas Calientes noch rechtzeitig zu erreichen. Es wäre uns sowieso das Benzin (zum Kochen, nicht Fahren) ausgegangen. Hier wurde es komplizierter. Mit Soraypampa hatten wir auch das Ende der Strasse erreicht. Ab hier wurde das Tal enger, links und rechts türmten sich riesige Gletschermassen und der Pfad wies ganz klare ‚für-Pferde-Esel-und-Wanderer‘-Eigenschaften auf. Sprich steil und felsig.

In weiser Voraussicht suchten und fanden wir morgens um sieben einen Ariero (Pferde- oder Eseltreiber), der unsere Satteltaschen auf einem Pferd bis auf die Passhöhe bringen sollte. Somit blieben uns ’nur‘ noch die Räder zu schleppen – was wir etwas unterschätzt hatten. Die drei Stunden und teils steilen sechs Kilometer und 800 Höhenmeter zur Passhöhe auf 4’600m verbrachten wir damit, pustend und schnaufend unsere Räder zu schieben, sie über Steine und Bäche zu heben, eins nach dem anderen über Felsen zu hieven oder damit Geröll zu pflügen. Hier und da liessen sich auch mal ein paar Meter fahren.

fahrbar, noch

erste Meter, noch fahrbar

weit und felsig

Wo ist Daina?

Geröll-Rad-Wandern

Robin beim Geröll-Rad-Wandern

Daina, der Lastesel

Daina muss kämpfen

mighty Salkantay

Mighty Salkantay

Wenige hundert Meter unter der Passhöhe machten sich bei Daina plötzlich erste Anzeichen eines Migräneschubs bemerkbar – oder war es die Höhe? Es war die Höhe. Sie sah helle Flecken, klagte über Kopfschmerzen und konnte einen Arm nicht mehr fühlen, wollte aber weitergehen. Je höher wir kamen, umso stärker wurden diese Symptome. Auf der Passhöhe konnte sie fast nichts mehr sehen. Beunruhigender war nur noch, dass sie auch nicht mehr sprechen konnte! Nach einigen Minuten auf der Passhöhe begannen wir deshalb möglichst schnell den Abstieg. Hier kam uns zu gute, dass unser Ariero unter Zeitdruck stand und mit unserem Gepäck zusammen mit seiner übrigen Fracht bereits weiter abgestiegen war. Die nächsten sechs Kilometer führten und hievten wir unsere Räder über den holprigen, felsigen und oft ausgewaschenen Pfad abwärts. Daina funktionierte einfach, stolperte vor sich hin und wollte auch nicht auf ein Pferd aufgeladen werden. Sie konnte zwar sprechen, leider aber nur in einer unverständlichen Geheimsprache. Klingt lustig, war es aber nicht, und je länger dieser Zustand anhielt, umso verzweifelter wurde sie! So wurde ihr automatisches Stolpern bald zu einem panisch-weinenden und schluchzenden Stolpern. Nach knapp zwei Stunden und bereits sechs Kilometern im Abstieg, begann sich ihr Zustand zu bessern. Plötzlich konnte sie auf einfache Fragen mit ‚hola‘ oder ‚jo‘ antworten und auch wieder kurze Sätze sprechen. Auch ihr eigener Name fiel ihr wieder ein. Dies machte uns beiden Mut und nach einer kurzen Pause und einigen Kraftriegel, konnten wir, mit einer mittlerweile sprechenden und wieder lächelnden Daina, unseren Abstieg fortsetzen. Wir hatten ohnehin keine Wahl. Mit unserem Gepäck waren auch unsere Nahrungsmittel, unser Wasser, sowie das Zelt und damit die Möglichkeit frühzeitig zu campieren, vorübergehend ausser Reichweite.

nicht mehr gut

nicht mehr gut, aber funktionierend

nach über drei Stunden im Abstieg, wieder sprachfähig

3 Stunden im Abstieg, wieder sprechend

alta selva, kurz vor Chaullay

alta selva, kurz vor Chaullay

fahrbar?

fahrbar?

Die nächsten zwei Stunden ging es weiter bergab, doch waren mit etwas Mut an die siebzig Prozent der Strecke fahrbar. Um uns herum war der Schnee und die eisige Kälte des Passes längst einem nebeligen, feuchtkalten Dschungelklima gewichen. Gegen fünf Uhr nachmittags erreichten wir das Dorf Chaullay, bereits wieder unter 3’000m gelegen. Hier fanden wir Lorenzo, unseren ‚Ariero‘, mit unserem Gepäck. Er hatte sich Sorgen um uns gemacht und organisierte uns erst einmal eine wärmende Tasse Kaffee. Zwölf Stunden bis Machu Picchu.

Lorenzo

Ariero Lorenzo

Da es Daina wieder besser ging, entschlossen wir uns, noch ein paar Kilometer hinter uns zu bringen. Zwei Stunden holperten wir auf einer Kiesstrasse durch das, in der Dunkelheit scheinbar menschenleere Tal des Rio Teresa. Gegen acht erreichten wir erschöpft das kleine Dorf Sahuayaco. Wir konnten nicht mehr und fanden schnell ein Restaurant, in dem wir erst essen und anschliessend unser Zelt aufstellen konnten. Um neun sanken wir erschöpft in unsere Schlafsäcke. Noch neun Stunden bis Machu Picchu.

Ein letzter Funken Hoffnung, Aguas Calientes, und damit Machu Picchu, doch noch am kommenden Tag und mit gültigen Eintrittskarten zu erreichen, glimmte noch in uns. Zusätzlich zur Distanz (geschätzte fünfzig Kilometer) galt es noch eine weitere Hürde zu bewältigen: Die letzten neun Kilometer mussten in Ermangelung einer Strasse auf oder entlang den Bahnschienen gefahren werden. Dies ist nicht erwünscht und Wachposten in Hidroelectrica (dem Beginn der Bahnstrecke) sollten uns an diesem Vorhaben hindern. Erwischten sie uns, würden wir auf den Zug nach Aguas Calientes (am nächsten Nachmittag um 15.20 Uhr) warten müssen – und bis dann wären unsere Tickets verfallen. Die Chancen, in den folgenden Tagen neue kaufen zu können standen ungewiss.

Daher klingelten uns um 1.00 Uhr morgens, nach nur vier Stunden Schlaf, unsere Wecker (sicherheitshalber zwei) aus unseren Träumen. Noch fünf Stunden bis Machu Picchu. Wollten wir es schaffen, mussten wir Hidroelectrica, die Checkpoints und den Bahnhof frühstmöglich passieren…in der Hoffnung auf dösende, unachtsame oder nachlässige Wachen. Nun bei Vollmond holperten wir durch die dunkle Nacht. Im Gegensatz zum Vorabend war die Strasse nun von Häusern und Bananenplantagen gesäumt. Wo Menschen wohnen, wachen Hunde. Diese belästigten uns aus dem Schutze der Dunkelheit heraus und liessen zugleich alle anderen Hunde wissen, dass es hier zwei bleiche Nachtradler zu vertreiben galt.

Nach zwei Stunden folgten wir bei Lucmabamba einem Wegweiser und überquerten eine Brücke. Plötzlich begann die Strasse (immer noch Kies und Lehm) anzusteigen und je länger wir stiegen umso klarer wurde uns, dass wir uns im nächtlichen Peru verfahren hatten. Noch zweieinhalb Stunden bis Machu Picchu.

Nach einiger Zeit kamen wir an die hell erleuchteten Anlagen eines Wasserkraftwerks. Auf Nachfrage am Tor erfuhren wir, dass wir zwar nicht dort waren wo wir gedacht hatten, doch der Weg nach Hidroelectrica nicht mehr weit sei: „Mit dem Motorrad vierzig Minuten.“ Unsere Hoffnung sank, doch trampelten wir weiter, kontinuierlich bergauf, durch die mittlerweile mondlose Nacht. Nach einer weiteren Stunde durch ein dunkles, menschenleeres Tal – das letzte Dorf hatten wir schon vor langer Zeit hinter uns gelassen – kam plötzlich leben auf. Immer wieder überholten uns Pickups mit Blinklicht. Wenig später passierten wir mitten im scheinbaren Nichts einen (ausgeschilderten) Heliport und kurz darauf sahen wir weiter vorne Licht. Eine Mine? Ein paar Häuser? Ein Dorf? …Hidroelectrica? Irgendwo krähte ein Hahn in der Dunkelheit. Wir wurden nervös.

Kaum hatten wir unsere Lichter ausgemacht und vorsichtshalber noch eine Socke darüber gestülpt, kam auch schon ein hell erleuchteter Kontrollposten in Sicht. Ohne Licht fuhren wir auf möglichst leisen Sohlen darauf zu und, ohne die vielen Stoppschilder zu beachten, daran vorbei. Viel Licht, aber kein Mensch in Sicht. Keine fünfzig Meter weiter begannen die Bahnschienen und uns wurde klar, dass wir wirklich Hidro-Electrica und damit den Endspurt erreicht hatten. Ab jetzt mussten wir den Schienen folgen und es bestand immer noch Gefahr entdeckt zu werden. Kaum hatten wir begonnen, die Räder auf dem groben Schotter der Geleise zu schieben, tauchte vor uns auf den Gleisen eine Gestalt auf. Neben uns begann ein Hund zu jaulen. Perfekt. Ohne Hoffnung duckten wir uns an die Böschung und sahen zu, wir der Mann auf den Schienen näher kam und schliesslich, ohne uns zu beachten, an uns vorbei ging! Sofort stellten wir unsere Räder wieder auf und ’schlichen‘ weiter. Auf Eisenbahnschotter ist schlecht schleichen, schiebt man aber dazu ein schwer beladenes Fahrrad neben sich her, ist es vorbei mit der schützenden Ruhe. Mit einem von Hundegebell untermalten Höllenlärm schoben wir unsere Räder durch einen hell erleuchteten aber menschenleeren Bahnhof und danach noch hundert Meter weiter. Dann mussten wir unsere Räder über eine Böschung und einige steile Stufen hinaufschleppen. Dies ging nur gemeinsam, ein Rad nach dem anderen. Wir waren gerade dabei, das zweite Rad in den Schutz der Dunkelheit zu zerren, als sich am Bahnhof ein Schatten löste und auf den Schienen direkt auf uns zu kam. Wieder verharrten wir, wieder ging der selbe Mann an uns vorbei, wieder schenkte er uns keine Beachtung. Sogleich zerrten wir auch das zweite Rad in den Schutz der Dunkelheit. Weiter ging es den Schienen entlang, wieder ’schlichen‘ wir an hell beleuchteten Häuschen vorbei und noch einmal durften wir unsere Räder über dunkle, rutschige Stufen schleppen, stossen und ziehen. Schliesslich erreichten wir die Schienen, die uns nach Aguas Calientes bringen würden. Mit jedem Schritt liessen wir die Lichter und damit Hidro-Electrica weiter hinter uns und nachdem wir einige Zeit später eine Eisenbahnbrücke überquert hatten war klar, dass man uns nicht mehr entdecken würde. Waren wir wirklich gerade unbemerkt an den Wachposten vorbei und durch den Bahnhof hindurch geschlichen, bei dem Lärm!? Und warum hatten wir den Hund immer noch dabei? Wir konnten es selbst kaum glauben. Vor uns lagen noch neun Kilometer. Oft konnten wir auf einem schmalen Trampelpfad links oder rechts der Geleise fahren, mussten unsere Räder aber in regelmässigen Abständen über die Schienen, über kleine Kanäle und über Brücken tragen. Verbotsschilder konnten wir keine lesen. Unsere verräterischer neuer Hundefreund begleitete uns ungefragt aber ruhig.

Als an diesem Morgen um sechs Uhr die Tore zu Machu Picchu öffneten, waren wir nicht mehr weit davon entfernt. Bei einem Frühstück auf den Geleisen sahen wir die Sterne auf der Rückseite der Ruinen von Machu Picchu funkeln.

Bahndammdämmerung

Bahndammdämmerung (zwischen Hidroelectrica und Aguas Calientes)

Kurz vor sieben rollten wir, in der Touristenhölle namens Aguas Calientes ein und hatten das Rennen gegen die Zeit gewonnen – der Countdown war zu Ende. Trotz unglaublich vielen Hindernissen und einer widerspenstigen Routenwahl hatten wir es geschafft. Wir waren per Rad zum Machu Picchu gefahren – wenigstens fast, nämlich nach Aguas Calientes.

Nach zwei Stunden Hotelsuche (Hochsaison) konnten wir schliesslich am frühen Nachmittag die Ruinen mit unserer verschwitzten Anwesenheit beehren. Zusammen mit Horden von Touristen schlichen wir durch die Ruinen, staunten über die unglaubliche Anlage, machten ein paar Fotos und – für uns beinahe noch schöner – erkannten einzelne Etappen unseres nächtlichen Weges tief in den Tälern unter uns wieder. Der Weg hatte das Ziel in den Schatten gestellt. Wir waren glücklich und völlig übermüdet.

ein Hindernis der vergangenen Nacht

ein Hindernis der vergangenen Nacht

unten der Weg, oben das Ziel

unten der Weg, oben das Ziel

Legoland

Legoland

Freude herrscht!

Freude herrscht!

Um Aguas Calientes zu verlassen gab es zwei Möglichkeiten: Entweder heimlich mit dem Rad (30+ km auf Bahnschotter) oder mit dem teuren Zug. In Sorge um unsere Reifen, entschieden wir uns für den Zug am nächsten Morgen. Um die Räder richtig verstauen zu können wies man uns an, eine Stunde früher anzutraben. Dies taten wir brav und durften eine Stunde der Verwirrung und Ratlosigkeit miterleben. Unsere Räder wären länger als gewohnt und hätten in Einzelteilen gebracht werden sollen, sagte man uns. Ausserdem wäre eine Kiste nötig. Ein Gepäckwagon wäre optimal, doch gebe es keinen. Und sowieso warte man auf Autorisierung. Schliesslich konnten wir unsere Velos dank einigen äusserst hilfsbereiten Bahnarbeitern mit demontiertem Vorderrad einfach im Gepäckabteil des beinahe leeren Abteils unterbringen.

Handgepäck- geht ja

Handgepäck- geht ja!

Konkurenten

Konkurenten

Es folgten drei Stunden himmlischer Zugfahrt: Wir mussten nicht treten, konnten entspannen und kamen doch vorwärts. Ein Genuss erster Güte! Im kleinen, malerisch zwischen Inca Ruinen gelegenen Ort Ollantaytambo begann die Strasse und wir brauchten den Zug nicht mehr. Ab dort nahmen wir den kürzest möglichen Weg nach Cusco. Die erste Hälfte davon auf einer neuen, wegen Steinschlag und Bauarbeiten noch gesperrten und nicht asphaltierten Strasse. Obwohl die Strecke über gut zwanzig Kilometer noch im Bau und nicht immer befahrbar war, fand sich immer ein Weg, Hindernisse zu überwinden.

Hindernisse werden für uns beseitigt...

Hindernisse werden beseitigt…

...oder überwunden

…oder überwunden

Gut zwei Wochen, nachdem wir Ayacucho verlassen hatten, erreichten wir Cusco. In der schönen ehemaligen Hauptstadt des Inkareiches gönnten wir uns eine Woche Ruhe und unseren Rädern neue Kabel, etwas Wasser, Seife, Fett und Luft. Und natürlich musste kaputt gegangenes repariert oder (im Falle von Dainas ‚Exped‘-Matte) ersetzt werden. Davon abgesehen verbrachten wir ein Grossteil unserer Zeit mit Essen kaufen, Essen kochen und Essen essen. Wie wir in unserer Unterkunft (Hospedaje Estrellita, einer Art Treffpunkt für Radreisende) beruhigt feststellten, scheint dies die Hauptbeschäftigung der meisten Tourenradler zu sein. Dazwischen genossen wir zwischen tausenden anderen Touristen die schöne Stadt, erforschten die Märkte und froren Abends vor uns hin.

Cusco, wir kommen!

Cusco, wir kommen!

An der Kirche vorbei...

An der Kirche vorbei…

...und über die Plaza de Armas.

…und über die Plaza de Armas.

Für die verbleibende Strecke an die Grenze zu Bolivien suchten wir uns eine Mischung aus speditiver aber langweiligerer Hauptstrasse und strengen, abwechslungsreichen Nebenstrassen. Keine hundert Kilometer ausserhalb Cuscos hatte Dainas hintere Felge plötzlich beidseitig eine gewaltige Delle. Wir machten dafür ein ausgeprägtes Schlagloch vom Vortag verantwortlich, konnten aber den Schaden mit etwas „finetunig“ an den Speichen und Bremsklötzen in Zaum halten. Motiviert tauschten wir darauf den Asphalt für die nächsten Tage gegen holprige Pisten und sandige Pfade ein, versuchten mit Hilfe von vagen Aussagen den richtigen Weg zu finden und verfuhren uns stundenlang auf über 4’500m in den Weiten Perus. Leider wurde unsere Reisefreude hier immer wieder getrübt – nicht nur durch die lädierte Felge. Anders als bisher waren die Menschen zunehmend abweisend, unfreundlich und teils sogar feindlich. Dies reichte von Ignorieren in Läden und Restaurants, über feindliche Gesten, bis hin zur Erklärung, dass Fremde nur erwünscht sind, wenn sie Rosenkränze, Heiligenbilder oder andere Dinge verschenkten. Ansonsten wolle man solche wie uns, die sicherlich bewaffnet seien und Überfälle verüben würden, nicht! Etwas desillusioniert, aber immer noch unbewaffnet, suchten wir uns einen Weg zurück auf die asphaltierte Hauptstrasse, wo wir möglichst schnell – und ohne Überfälle zu verüben – nach Süden rasten.

Sind wir hier richtig?

Sind wir hier richtig?

Wolle, Wolle...

Wolle, Wolle…

...noch mehr Wolle!

…noch mehr Wolle!

Kurz vor Langui, wo uns die Polizei ein Zimmer zum Campen überliess

Fahrerflucht, kurz vor Langui

...wo uns die Polizei ein Zimmer zum zelten überliess.

…wo uns die Polizei ein Zimmer zum zelten überliess.

der Engel von Langui

der Engel von Langui

Strasse ins Nichts

Strasse nach Macari

falsch abgebogen

…leider falsch abgebogen!

zum Durchdrehen!

Zum Durchdrehen!

nach Juliaca hinein...

nach Juliaca hinein…

Da wir das Problem mit der Felge soweit im Griff zu haben glaubten, entschieden wir uns, den Titicacasee auf der abgelegenen, weniger befahrenen und in Teilen noch unasphaltierten Ostseite zu umfahren. Um am Ostufer aus Peru ausreisen zu können, mussten wir zuerst dem peruanischen Zoll in Puno einen Besuch abstatten. Dort durften wir erst eine Busse wegen unseren Überzogenen Visa bezahlen und wurden anschliessen anstandslos ausgestempelt. Nun hatten wir sechs Tage Zeit um auszureisen. Dies bescherte uns viele schöne Kilometer auf ruhigen Pisten und Strassen entlang des riesigen Titicacasees mit oft fast keinem Verkehr, dafür täglichen Regen- und Gewitterstürmen und regelmässigem, saumässigem Gegenwind. Bereits nach drei Tagen erreichten wir die Grenze zu Bolivien bei Tilali.

...und aus Juliaca heraus

…und aus Juliaca heraus

Titicacapause

Titicacapause

interessante Hüte in Llachon

Hüte und Trachten in Llachon

wer sucht der findet: abgelegene Pfade und Buchten

Wer sucht der findet: abgelegene Pfade und Buchten

Titicacameer?

Titicacameer? (Ostufer Lago Titicaca)

Radpanorama, Ostufer Lago Titicaca

Radpanorama, Ostufer Lago Titicaca

Tilali, an der Grenze zu Bolivien

Tilali, an der Grenze zu Bolivien

Diese schien Dainas Rad nicht überqueren zu wollen, denn das Hinterrad liess sich am Morgen der Ausreise plötzlich nicht mehr drehen! Erst nach stundenlangem Gefummel und nachdem wir die Bremsen fast völlig gelöst hatten, liessen sich auch noch die letzten zwei Kilometer zur Grenze zurücklegen.

Zollgebäude à la Boliviana

Zollgebäude in Puerto Acosta

Felgenreparatur am Strassenrand

Felgenreparatur am Strassenrand

Epoxy - letzte Hoffnung

Epoxy – letzte Hoffnung

Am nächsten Tag, nach unserer ersten Nacht in Bolivien, fanden wir dank eines Plattens heraus, wo das Problem wirklich lag: Die Felge hatte sich im Felgenbett (von aussen unsichtbar) über etwa 20 cm gespalten. Kein Wunder liess sich das Rad nicht zentrieren! Also Epoxy-Kleber drauf (sinnlos) und eine Stunde warten. Dann konnten wir nur noch hoffen, dass die gerissene Felge, mit der Daina schon an die 600 teils sehr holprige Kilometer zurückgelegt hatte, sie auch noch weitere 120km bis nach La Paz tragen würde. Dies tat sie tapfer und von Gewitterwolken gejagt erreichten wir den Rand des enormen Talkessels, der sich La Paz nennt.

Blick auf die 'Cordillera Real' (bei Achacachi)

Blick auf die ‚Cordillera Real‘ (bei Achacachi)

Zum Schluss wie üblich die GALERIE zum schmökern – mit diesen und weiteren Bildern:

Perus Anden | ‚Peru Divide‘

image

1’117 Kilometer

22 Tage, davon 4 „radfrei“

4’940 MüM Maximalhöhe

16’613 gefahrene Höhenmeter

Höchster Aufstieg: 3’460 Höhenmeter

Bezwungene Pässe:
Abra Yantahuain (4’230m)
Paso Pacomayo (4’540m)
Punta Chanca (4’850m)
Unbekannter „Vor-Pass“ (4’870m)
Abra Rapaz (4’940m)
Abra Chucopampa (4’860m)
Abra Mio (4’760m)
Punta Fierro Cruz (4’820m)
Abra Alpamarca (4’710m)
Abra Marcavalle (3’917m)
2 unbekannte Pässchen über 4’200m

Sonst noch vor- bzw. herunter gefallen:
eingefrorenes Zelt, Räder und Wasser
Regen, Graupel, Hagel, Schnee

Erkenntnis:
Schafe husten nachts wie Menschen
Hunde heulen nachts wie Wölfe

Route: Huaraz – Conococha – Ticllos – Cajamarquilla – Llipa – Cañon – Yocchi – Cajatambo – Paso Pacomayo (4540m) – Punta Chanca (4850m) – Oyon – Abra Rapaz (4940m) – Picoy – Parquin – Abra Chucopampa (4860m) – Abra Mio (4760m) – Chungar – Punta Fierro Cruz (4820m) – Abra Alpamarca (4710m) – Yantac – Marcapomacocha – Corpacancha – Malpaso – Paccha – La Oroya – Jauja – Huancayo – Pampas – Quichuas – Mayocc – Huanta – Ayacucho

PERUS BERGE

Huaraz, auf rund 3’050 m gelegen, ist eine beschauliche, spektakulär von einer Unmenge von Sechstausender-Eisriesen umgebene Stadt zu Füssen der „Cordillera Blanca“ . Hier quartierten wir uns, mit dem Vorsatz auszuspannen, in einem gemütlichen, kleinen „Hostal“ ein.

Zu unserer Überraschung war das Hostal voller überraschend motivierter junger Kletterer und Bergsteiger (oder solchen die es gerne werden wollten) aus aller Welt. Da stiess unser Plan „einfach mal ausspannen“ auf taube Ohren. Auf die allabendlichen Fragen, welche Tours oder Treks wir denn heute gemacht, welche Berge wir bestiegen hätten, konnten wir nur mit unspektakulären Antworten à la „keine“, „nichts“ und „Räder reparieren“ dienen. Dieses Ausmass an Ignoranz, gegenüber der uns umgebenden Natur und all den sich aufdrängenden Bergsport-Möglichkeiten, stiess dann oft auf leichtes Unverständnis – was uns kalt liess. Unsere Körper schrien nach Ruhe und Erholung und wir füllten unsere sechs Tage in Huaraz mit folgenden Aktivitäten, in genau dieser Reihenfolge: Krank sein, Räder reparieren / warten, kaputtes Material ersetzen, unsere weitere Route planen, Berge von selbstgekochten Köstlichkeiten verschlingen und – Freizeit. Dies hielt uns auf Trab, gab unseren Hintern Zeit zur Entspannung und so war eine Woche im Nu verflogen!

Danach waren wir wieder bereit, hart in die Pedale zu treten. Nach einigem Hin und Her, hatten wir uns für eine (die anspruchsvollste) Route durch die Berge entschieden. Diese sollte uns quer durch die Berge und über jede Menge hohe Pässe führen, in abgelegene Regionen und Gegenden Perus und weit ab von geteerten Strassen und brummenden Lastwagen – von den ersten achtzig, kontinuierlich ansteigenden Kilometern auf der Hauptstrasse einmal abgesehen.

Dank eines verspäteten Starts, einer verlängerten Mittagspause (zugunsten des Spiels Schweiz : Argentinien) und etwas Regen kamen wir an diesem ersten Tag nicht vom Asphalt weg. Kurz vor dem Eindunkeln suchten und fanden wir einen „abgelegenen“, sprich von der Strasse möglichst unsichtbaren Zeltplatz – keine fünf Meter von der Strasse entfernt. Es folgte eine eiskalte Nacht im innen und aussen gefrorenen Zelt.

Fünf Meter neben der Strasse

keine fünf Meter neben der Strasse und doch so abgelegen

kaltes Erwachen

kaltes Erwachen

Cordillera Blanca

Cordillera Blanca

Logenplätze

Logenplätze

Zwanzig Kilometer weiter, bereits auf 4’110m, verliessen wir die asphaltierte Strasse. Wir sollten länger keinen Asphalt mehr zu Gesicht bekommen. Damit hatten wir den Verkehr und über weite Strecken auch die Zivilisation hinter uns gelassen. Das Verkehrsaufkommen der kommenden zwei Wochen hielt sich mit durchschnittlich vielleicht zwei Autos pro Tag (auf den Strassen) stark in Grenzen. Immer wieder kamen wir durch kleine, einfache Dörfer. Einige wenige davon waren lebendige lokale Handelszentren, mit etwas Verkehr und einer Bank, ja manchmal sogar Restaurants und Unterkünften. In anderen prägten eher Pferde, Kühe und Schafe das leere Strassenbild und wiederum andere waren völlig ausgestorben und nach der Schliessung nahegelegener Mienen verlassen worden. An vielen Orten waren die Menschen, allen voran die Jugend, in Hoffnung auf ein besseres Leben an die Küste gezogen.

Von nun an ging es auf mehr und weniger holprigen Naturstrassen dahin. Die nächsten Tage waren ein ständiges Auf und Ab – wobei das „Auf“ zeitlich mindestens achtzig Prozent für sich beanspruchte. Nach einem sanften Aufstieg durch spektakuläre, rollende Hügel fiel die Strecke über die nächsten zwei Tage und einhundert Kilometer, entlang einer steilen Bergflanke von über 4’000 auf gut 1’300 MüM ab, wobei sich die Natur, die Berge und nicht zuletzt die Temperatur ständig veränderten. Damit wir aber nicht aus der Form gerieten, war auch die Abfahrt immer wieder mit saftigen, teils stundenlangen Gegensteigungen versehen und forderte auch sonst volle Konzentration. Das Gelände war fast durchwegs sehr abschüssig (Leitplanken wären durchaus angebracht) und der Weg oft ausgewaschen, teils abgerutscht oder mit losen Steinbrocken oder Schotter gespickt. Dann waren da noch – wie bei einem Computerspiel die zu überwindenden Bonushindernisse – jede Menge Kühe auf der Strasse. Diesen Viehern begegnen wir seit dem kleinen Vorfall in der Cordillera Blanca mit etwas mehr (gesundem) Misstrauen.

Viehzäune

Viehzäune

erste Meter abwärts

erste Meter abwärts

„nasagäch“

Blick auf die Cordillera Huayhuash, gegenüber

Blick auf die Cordillera Huayhuash gegenüber

All dies zusammen mit ständig wechselndem, aber immer atemberaubenden Ausblicken hielt uns die ersten beiden Tage auf trab und munter. Einzig die ständig lauernden dunkeln Wolkentürme („zu dieser Jahreszeit regnet es nie“) irritierten uns etwas und brachten uns bereits nach wenigen Stunden in der ersten Abfahrt dazu, im ersten Dorf (Ticllos) beim Pfarrer um Campingerlaubnis zu fragen. Wie sich herausstellte war Padre Andres Italiener. Er war vor gut zwanzig Jahren nach Ticllos gekommen, in einer Zeit, als die Menschen hier nachts aus Angst vor den Morden und dem Terror des „Sendero Luminoso“ ihre Häuser verliessen um sich in den Feldern zu verstecken. Die Sicherheit hier hat sich seither stark verbessert und so konnte er dort eine „Don Bosco“ Werkstätte für Jugendliche aus armen und schwierigen Verhältnissen (und nebenbei noch eine Kirche) aufbauen, die er zusammen mit wechselnden Italienischen Freiwilligen leitet. Anstatt im Zelt verbrachten wir die Nacht in einem edlen Zimmer, kamen in den unerwarteten Genuss einer warmen Dusche (!) und wurden zudem zum Znacht mit köstliche Pizza verwöhnt. Dies sollte wohl die komfortabelste Unterkunft für eine lange Zeit bleiben. Die nächste Nacht campierten wir im Rohbau des Fussballstadions (!) des Vierhundertseelendorfs Llipa. Tags darauf erreichten wir schliesslich den, wohl für dieses Tal verantwortlichen, Fluss. Damit hatten wir den tiefsten Punkt – aber nicht den Tiefpunkt – der ganzen Etappe erreicht und uns stand ein Aufstieg bevor, der einem beim blossen Gedanken die Tränen in die Augen trieb. Sogar unsere Räder schlotterten vor Angst. (Wer mit all den nun folgenden Zahlen nichts anzufangen weiss, ersetze sie getrost durch „viel“, „hoch“ oder „streng“.)

Morgens geht's abwärts...

Morgens geht’s abwärts…

...mittags geht's aufwärts...

…mittags geht’s aufwärts…

...und auch nachmittags wird's nicht flacher.

…und auch nachmittags wird’s nicht flacher.

Wegelagerer, für einmal harmlos

Wegelagerer, für einmal harmlos

Über die kommenden 78 km stieg die Strasse um 3’460 Höhenmeter (!) bis zum Pass „Paso Pacomayo“ auf eine Höhe von sauerstoffarmen 4’540m an. Danach gönnte sie sich eine kurze Erholungsabfahrt von sechs Kilometern und zweihundert Höhenmetern, bloss um dann nochmals um geschlagene 470 Höhenmeter zur Punta Chanca auf 4’850m anzusteigen – Mont Blanc Niveau. Wir setzten also um die Mittagszeit ganz unten zum Aufstieg an. Kurz vor fünf Uhr erreichten wir ein bereits auf 2’690m gelegenes Dörfchen und hatten immer noch keinen geeigneten Platz für unser Zelt gefunden – flache Flecken waren hier rar, flache und von der Strasse etwas geschützte noch rarer. Freundlicherweise bot uns dann der junge Adolfo, nachdem er uns in seinem Restaurant/Laden bekocht hatte, ein Zimmer an. Wir nahmen dankend an und legten am nächsten Morgen ausgeschlafen die 25 Kilometer zur auf 3’400m gelegenen Provinzhauptstadt Cajatambo (die Betonung liegt hier nicht auf „Stadt“) zurück. Dort gönnten wir uns taktisch einen freien Nachmittag, um am nächsten Morgen möglichst zeitig den letzten, aber grössten Teil des Aufstiegs in Angriff nehmen zu können. Obwohl wir bereits um acht im Sattel sassen, erreichten wir den ersten Pass (Paso Pacomayo) auf 4’540m nach 25 km erst um ein Uhr, den zweiten (Punta Chanca, 4’850m), keine 19 km weiter, dann erst nach vier Uhr.

in Adolfos tienda

in Adolfos tienda

unterwegs nach Cajatambo

unterwegs nach Cajatambo

Pausenfreunde

Pausenfreunde

falta poco

falta poco

Blick zurück - Cajatambo schon lange ausser Sichtweite

Blick zurück – Cajatambo schon lange ausser Sichtweite

4'800m - eine Lagune hatten wir hier nicht erwartet

4’800m – eine Lagune hatten wir hier nicht erwartet

müde aber oben: 4'850m

müde aber oben: 4’850m

Der Aufstieg war durch, wenn auch spärlich, doch immer noch grüne Täler erfolgt. Hier aber, auf der anderen Seite das Passes, befanden wir uns plötzlich in atemberaubendem aber nichtsdestotrotz hochalpinem Gelände: schroffe Felsen, hohe Berge, Geröllhalden und steile, felsige Tälern. Hier wehte ein anderer, eiskalter Wind….und bereits zogen dunkle Wolken und Nebel auf. Um nicht von der Strasse abzukommen, mussten wir möglichst schnell talwärts fahren, wenigstens bis sich eine Möglichkeit zum Campen bot – denn vor dem Übernachten ganz oben war uns zu allem Überfluss bereits in Cajatambo wegen nächtlicher Überfallgefahr abgeraten worden. So holperten wir, voll eingepackt und trotzdem schlotternd, so schnell es ging (nicht sehr schnell) talwärts. Kurz vor uns die Dunkelheit völlig eingeholt hatte, kamen wir an einer Hirtenhütte vorbei, wo uns die Bewohnerin (!) auf Anfrage nicht nur gerne zwischen ihren Pferden hinterm Haus unser Zelt aufschlagen liess, sondern uns gleich auch noch mit Kuchen und gegrilltem Schafsfleisch (sie hatte Geburtstag) beschenkte. Wir waren von soviel Gastfreundschaft überwältigt und beeindruckt.

die andere Seite des Paso Pacomayo

die andere Seite des Paso Pacomayo

Blick aus dem Zelt - wir kamen von ganz oben

Blick aus dem Zelt – wir kamen von ganz oben

das Heim unserer Gastgeberin

das Heim unserer Gastgeberin

Hirtin Lydia und ihre Neffen

Hirtin Lydia und ihre Neffen

Frisch gesegnet und mit guten Ratschlägen versehen, erreichten wir am nächsten Morgen bereits nach zwei Stunden Abfahrt das kleine auf 3’630m gelegene Bergbaustädchen Oyon. Wiederum gönnten wir uns einen freien Nachmittag, vor allem im Wissen, dass am nächsten Tag der bisher höchste Pass, Abra Rapaz, mit sage und schreibe 4’940m anstand. Dessen im wahrsten Sinne atemberaubende Passhöhe knapp unter der Fünftausendermarke erreichten wir am nächsten Tag wie geplant, nach einem allerdings eher zähen 28 km langen Aufstieg über 1’410 Höhenmeter. Dafür wurden wir mit grandiosen Aussichten, endlosen, menschenleeren Tälern und Herden ängstlicher Lamas belohnt….wenigstens bis wir bei Kilometer 22 über eine erste, sozusagen vorbereitende Passhöhe überwunden hatten.

vor dem Mittagessen

vor dem Mittagessen

andere Täler, andere Farben

andere Täler, andere Farben

nur Berge und wir

nur Berge und wir

Pass vor dem Pass, auch schon auf 4'870m

Pass vor dem Pass, auch schon auf 4’870m

Dahinter herrsche plötzlich Bergbau-Schwerverkehr…grosse Lastwagen, Bagger, Schutthalden und jede Menge Menschen mit Schutzhelmen! Ganz so idyllisches Treiben hatten wir auf dieser Höhe von über 4’800m nicht erwartet. Der Spuk war aber wenige Kilometer später, eine Kurve vor der eigentlichen Passhöhe, wieder vorbei. So konnten wir die 4’940m-Aussicht und das endlose Meer von Bergketten zu unseren Füssen zwar etwas verwirrt und leicht ausser Atem in Stille geniessen.

Bergbau auf höchstem Niveau...

Bergbau auf höchstem Niveau…

...und Aussicht auf höchstem Niveau

…und Aussicht auf höchstem Niveau

viertausendneunhundertvierzig

viertausendneunhundertvierzig

Fahrt ins Tal

Fahrt ins Tal

Bevor es dem nächsten Pass an den Kragen ging, durften wir eine Abfahrt von 1’900 Höhenmeter hinunter holpern und waren danach wieder auf „nur“ 3’000m – zurück zu Feld eins, sozusagen. Nun ging es richtig zur Sache, mit Steigungen von zehn Prozent in Kombination mit losem Schotter wollte uns dieser Pass über 26 km und 1’860 Höhenmeter nichts schenken. Eigentlich kein Gebiet für schwere Räder mit schwerem Gepäck (Rad + Gepäck = 40kg plus). Wer nicht glauben will muss leiden, was wir tapfer taten.

Picoy

Picoy

Blick zurück auf Picoy, letzte Chance einzukaufen

Blick zurück auf Picoy, letzte Chance einzukaufen

Lauschangriff à la peruana

Lauschangriff à la peruana

Als es an der Zeit war, ein Nachtlager zu finden, gab es weit und breit nur steile Hänge! Kurz vor Einbruch der Dunkelheit dann plötzlich eine Hirtenhütte am Wegrand, umgeben von flacher Wiese! Der junge Hirte mit russgeschwärztem Gesicht bot uns in seiner Hütte eine Tasse Kaffee an. Das Räuberhöhlen-ähnliche Innere seiner Hütte erklärte sein schwarzes Gesicht. Er müsse über nacht ins Tal, könne uns aber zur Sicherheit seine Flinte überlassen. Anstelle der Flinte liess er seinen Hund names Rambo zurück, der sich kurz vor sieben in einen Wolf verwandelte. Darauf deutete jedenfalls das pausenloses Geheul hin. Damit hielt er uns die ganze Nacht wach…der Ehrlichkeit halber muss erwähnt sein, dass er sich ab und zu kurze Pausen (im Minutenbereich) gönnte.

camp gesucht

camp gesucht

Hirten und Schafen gehen heim

Hirten und Schafen gehen heim

Camping mit Rambo dem Wolf

Camping mit Rambo dem Wolf

Etwas ausgeruht machten wir uns am folgenden Morgen auf den teils noch vereisten, langen und steilen Weg zur Passhöhe des Abra Chucopampa auf 4’860m. Diese erreichten wir im Laufe des Morgens. Es folgte eine stundenlange Abfahrt hinunter auf 3’700 m, auf einer Piste, die jeder von uns darauf angesprochene Peruaner bloss als „feo“ (hässlich!) zu bezeichnen wusste. Die Täler durch die sie uns führte, entsprachen zum Glück genau dem Gegenteil.

den ersten Sonnenstrahlen entgegen

den ersten Sonnenstrahlen entgegen

Nach einer Stunde Fahrt: Frühstück kochen, sowie Zelt und Schlafsäcke trocknen

Nach einer Stunde Fahrt: Frühstück kochen, sowie Zelt und Schlafsäcke trocknen

früh, kalt & steil

früh, kalt & steil

später, wärmer, aber nicht weniger steil

später, wärmer, aber nicht weniger steil

beissen zur Morgenstund

beissen zur Morgenstund

Siegerlächeln! ...Anstrengung vergessen!

Siegerlächeln! …Anstrengung vergessen!

hinter der Passhöhe

hinter der Passhöhe

Das letzte Dorf hatten wir am frühen Nachmittag des Vortags, zu Beginn des Aufstiegs passiert. Dieses sollte für die nächsten drei Tage das letzte gewesen sein. Allerdings war, seit wir die Hauptstrasse verlassen hatten, bereits kein Verlass mehr auf Versorgung in den Dörfchen und wir hatten uns vorne zu immer wieder mit Nahrung (Avena, Spaghetti, Polenta sowie Fertigsuppen als Saucen), Snacks (Getreideriegel, Schokolade, Mandeln, Salzcracker) und Benzin (zum Kochen) eingedeckt und regelmässig selbst gekocht. Wasser filterten wir mit unserem Katadyn Keramikfilter (Freiheit gegen Gewicht!) jeweils direkt aus kleinen Flüssen und Bächen. Die nächsten gut hundert Kilometer ging es über drei weitere Pässe, immer auf einer „Reisehöhe“ über 4’000 Metern. Die Aufstiege waren daher im Vergleich zu den Tagen zuvor harmonisch, ja geradezu kurz. Die Landschaften hingegen immer noch malerisch weitläufig, mit Lagunen gespickt, verlassen und nur von Schaf- und Lamahirten und deren Herden bewohnt.

Kraftpaket

Kraftpaket

Hirten oder Hobbits? mit Gastgeber Inocente und Freund

Hirten oder Hobbits? mit Gastgeber Inocente und Freund

nächtliche, hustende Nachbarn

nächtliche, hustende Nachbarn

Punta Fierro Cruz (4'820m)

Punta Fierro Cruz (4’820m)

Gipfelglück

Gipfelglück

Lagune bei Punta Fierro Cruz

Lagune bei Punta Fierro Cruz

Wundernasen

Wundernasen

draussen hätte es auch noch Platz

draussen hätte es auch noch Platz

Unsere höchste Nacht im Zelt verbrachten wir über 4’700m, was durchaus seine Tücken hatte: Kaum waren die letzten Sonnenstrahlen verschwunden, war es so bitterkalt, dass wir gerade noch mit Müh und Not heisses Wasser für unser Avena kochen konnten. Eine Stunde später war unser Zelt bereits von innen und aussen mit einer funkelden Eisschicht überzogen.

campspot gesucht

campspot gesucht

morgens früh auf über 4'700m

morgens früh auf über 4’700m

Gramali & Pequeño eingefroren

Gramali & Pequeño eingefroren

vielleicht hilft Sonne, Kaffee und Avena

vielleicht hilft Sonne, Kaffee und Avena

nächtliche Kunst

nächtliche Kunst

Pünktlich zum WM Final erreichten wir das idyllisch an einer blauen Lagune gelegene Dorf Marcapomacocha und bekamen ein Zimmer im einzigen Hotel (mit integriertem einzigem Restaurant). Bonus: Das Zimmer hatte einen, im Gegensatz zur Dusche, funktionierenden Fernseher, was uns ein Finalspiel mit Lagunenblick bescherte.

noch wenige Kilometer bis Marcapomacocha

noch wenige Kilometer bis Marcapomacocha

Bienvenidos a Marcapomacocha

Bienvenidos a Marcapomacocha

Nach einem weiteren Tag auf abgelegenen Rüttelpisten, erreichten wir schliesslich den Verkehrsknotenpunkt La Oroya, eine der, Bergbau sei dank, am stärksten verschmutzten Städte der Welt. Hier mussten wir uns einfach einen Ruhetag gönnen und uns die Bäuche vollschlagen. Und damit waren wir wieder zurück auf Asphalt. Hatten wir die letzten Wochen an manchen Tagen mit Müh und Not knapp 40km zurückgelegt, so waren es nun plötzlich und fast wie von selbst 130. Doch nach nur einem Tag lautlosen Rollens zog es uns wieder zurück auf die holprigen, staubigen Nebenstrassen. Über mindestens zwei kleine Pässe – bei dem Nebel konnten wir nicht sehen ob es noch mehr waren – erreichten wir das kleine, abgelegene Städtchen Pampas. Da das Wetter in regnerischer Stimmung war und sich Regen mit staubigen Strassen gerne zu Schlamm vermischt, entschieden wir uns, unsere Route zu ändern. Wir fanden ein Strässchen, welches uns über einen weiteren Pass auf die, in einem Paralleltal tiefer gelegene Hauptstrasse brachte. Unterwegs begegneten wir jeder Menge unglaublich freundlicher Menschen. Alles Bauern, lebten sie in einfachsten Verhältnissen und waren trotzdem so herzlich und freundlich, dass wir fast nicht mehr vorwärts kamen! Wer umarmt schon wildfremde Radfahrer auf seinem Feld? Herrlich!

Gringos beschnuppern

Gringos beschnuppern

Wollhunde

Wollhunde

Unterwegs nach Pampas: Bei Nebel und eisiger Kälte

Unterwegs nach Pampas: Bei Nebel und eisiger Kälte

Pampas, alle wollen zum Sonntagsmarkt

Pampas, alle wollen zum Sonntagsmarkt

Victor hätte uns Käse geschenkt

Victor hätte uns Käse geschenkt

auf abgelegenen Pfaden nach Quichuas an die Hauptstrasse

auf abgelegenen Pfaden nach Quichuas an die Hauptstrasse

Die angebliche verkehrsreiche Hauptstrasse entpuppte sich als asphaltierte, aber einspurige Strasse. Diese wand sich für den markanten peruanischen Fahrstil (unbedacht, schnell, rücksichtslos) viel zu eng und kurvenreich durch das Tal des Rio Mantaro. So herrschte zu unserer grossen Überraschung nur wenig Verkehr und wir konnten die landschaftlich abwechslungsreichen 80 km in Ruhe schwitzend geniessen, bevor es für nochmals so viele in die koloniale Stadt Ayacucho hinaufging. Bienvenidos a Ayacucho!

Im Tal des Rio Mantaro

Im Tal des Rio Mantaro

Hauptstrasse

Hauptstrasse

Richtung Ayacucho

Richtung Ayacucho

Wahlkampf überall

Wahlkampf überall

Endlich da!

Endlich da!

Hotelsuche - und dann Füsse hoch!

Hotelsuche – und dann Füsse hoch!

…und zum Schluss folgt wie üblich die Gallerie mit den Bildern aus dem Text und weiteren:

Ecuador | Anden und Amazonas

1’269 Kilometer, davon flach: ca. 80 Kilometer

51 Tage / davon 25 radfrei Tage

Maximalhöhe: 4078 MüM

2 Platten, 1 Sturz durch Hundeattacke,  1 Spitalbesuch, 1 Stuhl- und Blutanalyse

Route: Tulcan (Grenze Kolumbien) – El Angel – Ibarra – Otavalo – El Quinche – Tumbaco (Quito) – Papallacta – Baeza – Tena – Puyo – Palora – Macas – Bella Union – Límon – Comunidad „Shuar“ Sharup – Gualaquiza – Yantzaza – Zamora – Loja – Cuenca (Bus hin und zurück) – Loja – Vilcabamba – Yangana – Palanda – Zumba – La Balsa (Grenze Peru)

Nach über drei Monaten in Kolumbien reisten wir am Morgen des 24. März 2014, von Ipiales nach Tulcan in Ecuador ein. Der Grenzübergang war noch im Halbschlaf und die Einreiseformalitäten dermassen fordernd, dass sich die ecuadorianische Zolllbeamtin zwischen lesen und stempeln von Robins Pass glatt im Nebenraum ein Glas Pepsi gönnen musste (dank Fenster in Sichtweite aller Wartenden). So frisch gestärkt wurde dann noch ermahnt, dass die drei Monate Aufenthalt im Land auf keinen Fall überzogen werden dürfen! Dann sauste auch schon der Stempel nieder und wir durften einreisen. An diesem Punkt schafften wir es unabsichtlich, die Gepäckkontrolle ausserhalb des Gebäudes zu umgehen, beziehungsweise -fahren….und schon waren wir zurück auf der Strasse. Wie immer waren wir gespannt, was sich mit dem Grenzübertritt so alles ändern würde. Entgegen unseren Erwartungen, fanden wir Ecuador jedoch nicht ärmer als Kolumbien, die Strassen waren nicht schlechter, die Läden nicht leerer (im Gegenteil) und die Zimmer nicht billiger. Auch war das Essen nicht (wie man uns in Kolumbien wiederholt versichert hatte!) scheusslich, sondern bestens! Alles funktionierte, wie immer in einem neuen Land, einfach ein Bisschen anders und es galt erst herauszufinden wie. 

Willkommen in Ecuador

Blick zurück auf Kolumbien

Bereits nach wenigen Kilometern und nachdem wir erst einmal eine Handvoll Dollar am Bancomaten abgehoben hatten (in Ecuador regiert der Dollar), bogen wir von der Panamericana (sprich Schwerverkehr) auf eine ungeteerte Nebenstrasse (sprich Feldweg) ab. Dies verhiess weniger Verkehr (1 Motorrad, drei Autos), kein Asphalt und eine schöne Route über den „Páramo“ von El Angel, einem Naturschutzgebiet. Wir stiegen die nächsten Stunden höher und höher und höher und überquerten so etwa die vierzig Kilometer des Páramo, der sich ständig veränderte und hinter jeder Kurve nochmals schöner wurde. Und auch weiter anstieg…

Gräser bis zum Horizont

Paramo

Wasser und Schlamm

…so weit das Auge reicht

Aber nicht nur schöner, sondern auch immer nasser wurde es – erst die Wiesen, dann die „Strasse“, dann auch wir. In dichtem Nebel und strömendem Regen erreichten am frühen Nachmittag den auf 3700 Metern über Meer gelegenen höchsten Punkt und hatten eine lange, nasskalte und rutschige Abfahrt bis ins wieder 700 Höhenmeter tiefer gelegene Dorf El Angel vor uns. Dort nahmen uns die Bomberos (Feuerwehr) herzlichst auf und richteten uns in ihrer (mit anderen Ämtern gemeinsam genutzten) Wartehalle ein Nachtlager eine ….eine erste Gelegenheit, sich ein Bild über die sprachlichen Auswirkungen des Grenzübertritts zu machen.

Bombero-Wartesaal-Camping

Weiter ging es munter, nun wieder auf Asphalt, erst lange hinab (von 3000m auf 1400) und anschliessend länger wieder hinauf – hohe Berge, tiefe Täler, viele Kurven, rasende Autos. Als wir am Abend bei Ibarra einen Platz zum campieren suchten, sprang plötzlich Roman neben uns aus einem Taxi – mit ihm hatten wir drei Wochen zuvor in San Agustin, Kolumbien, ein paar gemütliche Tage verbracht. Wir checkten daher ins selbe Hostal ein und testeten die Wirkung ecuadorianischen Rums. Fazit: Funktioniert! …und man kann am nächsten Tag gut weiterfahren – wir mit den Rädern, Roman mit dem Bus. In Otavalo verabschiedeten wir uns am Abend darauf von Roman, um am nächsten Tag in Richtung Quito zu fahren. Ein Zwei-Tages-Unternehmen, bei dem wir die Dörfer unterwegs erkundeten und herausfanden, dass es auch in Ecuador mittags „Almuerzos“ gibt (abends „Merienda“ genannt). Menüs, die in der Regel aus Suppe, Hauptgericht mit wahlweise Hühnchen, Schwein oder Rind (gebraten oder „im Saft“, immer mit Reis, Bohnen/Linsen und Salat) und einem Glas Fruchtsaft. Eine meist feine Sache und vor allem – um der Eintönigkeit vorzubeugen – anders als in Kolumbien. Und dies zum Preis von etwa 2$ US…damit ihr auch Mal wisst, was wir so zu beissen kriegen.

mit Roman in Ibarra

Ibarra

in den Strassen von Ibarra

Souvenirmarkt Otavalo

„Indigena“ Otavalo

Laguna San Pablo

Unterwegs passierten wir „la mitad del mundo“, den Äquator. Einen alten Bekannten, dem wir schon in Gabon und zuletzt in Uganda begegnet waren. Zu seinen Ehren gab es hier gleich zwei Monumente: Ein kostenpflichtiges neues und, keine 50 Meter davon, ein frei zugängliches altes. Für jeden Geldbeutel etwas.

la mitad del mundo – am Äquator

Iglesia der „Virgen de El Quinche“

…weit und bergig

Je näher wir Ecuadors Hauptstadt Quito kamen, umso stärker wurde der Verkehr und wir waren froh, als wir endlich Tumbaco, einen Vorort Quitos, erreichten. Bereits im Vorfeld hatten wir mit Santiago, dem freundlichen Besitzer der „Casa de Ciclistas“, Kontakt aufgenommen. Seit 23 Jahren bietet er, Fahrradmechaniker und Mountainbikenthusiast sondergleichen, Radreisenden aus aller Welt ein Dach über dem Kopf an – kostenlos, wohlgemerkt! Dazu offerierte er jede Menge Tips zur Routenwahl. Dieses unglaubliche Konzept der „Casa de Ciclistas“ findet sich in ganz Lateinamerika immer wieder. Sie werden von Privatleuten betrieben und bieten neben einer Unterkunft oder Platz fürs Zelt und oft auch die Möglichkeit, andere Radreisende zu treffen. Wir campierten eine Woche lang im „Bunker“, einer offenen Garage in Santiagos riesigem Garten, den wir eine ganze Woche lang für uns alleine hatten.

Santiago, Gastgeber Casa de Ciclistas Tumbaco

der „Bunker“, Casa de Ciclistas Tumbaco

Bidon füllen, Casa de Ciclistas<

Von Tumbaco aus fuhren wir jeden Tag mit dem Bus ins auf über 3000m gelegene und sich über satte 40 Kilometer erstreckende Quito hinauf. Wir genossen das Touristenleben ohne Rad, schlenderten, mampften und knipsten wie die grossen und verbrachten Stunden in prall gefüllten Stadtbussen. Aber auch etwas Shopping musste sein. Denn an unseren Kleidern zieht das Radtourenleben – im Gegensatz zu uns! – nicht unbemerkt vorbei und sie lösen sich nach und nach auf. Hierzu hatte Quito „Malls“ ohne Ende und zwar in Ausmassen, wie wir sie hier nicht erwartet hätten!

Quito

Suppe im „Mercado“, Quito

unglaubliche Vielfalt

Und dann wie weiter durch Ecuador – Küste, Berge oder Amazonasbecken? Wir entschieden uns für letzteres, da wir Küste schon hatten und Berge auch in Peru im Überfluss zu finden sein werden. So verabschiedeten wir uns nach einer Woche Stadtcamping von Santiago und seiner Familie und machten uns auf den Weg in den „Oriente“, wie Ecuadors Teil des Amazonasbeckens genannt wird. Davon trennten uns aber noch eine Bergkette der Anden. Diese wollte erst bezwungen werden. Nach einem späten Start gingen wir den Aufstieg an, erst auf einer neuen Schnellstrasse (mit Radstreifen!), dann auf einem ruhigen Kiessträsslein stiegen wir höher und höher.

Schulreise trifft auf Radreise

höher, höher

Als es allmählich einzudunkeln begann, hatten wir sämtliche Zivilisation hinter uns gelassen. Dafür hatten wir jetzt eine sich rasend schnell auftürmende Wand aus Gewitterwolken im Nacken. Abgesehen davon waren wir uns nicht sicher, ob wir die Passhöhe noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen würden. Wir waren davor gewarnt worden, zu weit „oben“ zu campieren: Dort würden gefährliche Menschen nachts ihr Unwesen treiben. Bloss wie weit waren wir noch von der Passhöhe entfernt? Es war nicht abzusehen. So kehrten wir schliesslich um und fuhren mehrere hundert, zuvor hart erkämpfte Höhenmeter zurück, bis wir schliesslich, kurz vor Sonnenuntergang‘ in einer gut versteckten Ecke des „Coca Cayambe“-Nationalparks unser Zelt aufschlugen. Dazu zwickte uns der Wächter des einzigen Hauses weit und breit ein Loch in den Stacheldrahtzaun des Nationalparks, welches er am nächsten Morgen wieder hinter uns schloss.

Nach einem frühen Start, möglichst ohne entdeckt zu werden, und zwei Stunden Aufstieg erreichten wir am nächsten Morgen kurz nach acht Uhr die Passhöhe auf 4078 MüM. Die verdiente Abfahrt fiel dann bitterkalt aus: in strömendem Regen sausten wir ins Tal und sollten bald feststellen: Im Oriente regnet es täglich. Allerdings nicht wie erwartet in Form von heftigen topischen Regengüssen, sondern oft als feiner Nieselregen – genug um uns nass und die Sonne fernzuhalten.

Frühsport

4000m

Rückblick

Morgenhygiene

die letzten Meter sind steil

Beweisfoto

 So sausten wir von über 4000 auf knapp 1000 Meter über Meer in Ecuadors erstaunlich hügligem Teil des Amazonasbeckens und hielten uns von nun an – und auch aus Mangel an Alternativen – an die durchwegs asphaltierte „Troncal Amazonica“, die einzige Strasse, die den tropischen Osten Ecuadors von Norden nach Süden durchquert. Nach den ersten zweihundert, überraschend bergigen Kilometern, suchten und fanden wir dann eine Möglichkeit, dem Verkehr zu entkommen. Diese Route folgte über etwa 60 Kilometer der alten Strass, versprach Abwechslung und wir hofften, vielleicht etwas mehr Natur zu sehen als auf der relativ vielbefahrenen „Troncal“. Wir erkundigten uns in Puyo, der nächstgelegenen Stadt über die Sicherheitslage und die Strecke wurde uns von verschiedenen Seiten wärmstens empfohlen. So rollten wir fast ohne Verkehr, aber auf einer brandneuen Strasse, dahin und genossen die Ruhe und die Natur um uns herum. Dabei kamen wir durch immer kleinere Dörfchen mit auffallend unfreundlich blickenden Menschen. Wohl gerade schlechte Stimmung, dachten wir uns. Bis wir am Ende der neuen Strasse auf einen Arbeiter trafen. Dieser fragte uns mehr oder weniger entsetzt, was wir hier täten. Diese Dörfer wären Fremden gegenüber gar nicht froh gesinnt (aha!) und würden auch regelmässig Autos angreifen. Weniger regelmässig, aber auch schon vorgekommen, würden sie Fremden die Köpfe abschneiden. Er riet uns daher, die nächsten zwanzig Kilometer oder so auf keinen Fall anzuhalten. Dies klang für uns vernünftig und wir hielten uns mit einem etwas mulmigen Gefühl daran! Es wollte uns jedoch niemand unsere Köpf streitig machen. Was genau jedoch das Problem in dieser Gegend war, fanden wir nicht heraus. Wir hielten uns aber danach wieder an die Hauptstrasse

Gymnastikraum-Camping

It’s a rainy week

Blick übers Amazonasbecken

Wo ist Daina

Amazonischer Supermarkt

Disneyland

wackelig

der einzige Weg über den Fluss

Je weiter südlich wir kamen, umso bergiger wurde die Strecke. Obwohl wir täglich zwischen acht und neun Uhr morgens aufbrachen und um die acht Stunden in die Pedale traten erreichten wir die gesetzten Tagesziele nicht immer. Dies führte beispielsweise dazu, dass wir eines abends in einem kleinen 20-Häusernest namens Bella Union im überdachten Hof der Schule campierten. Gut versteckt dachten wir uns. Hier hätten wir unsere Ruhe, hatte man uns versichert, denn um acht Uhr würden bereits alle schlafen….ausser einem Haufen Betrunkener, die das gute Versteck und das Dach gegen den Regen auch schätzten. Sie wussten wohl nichts von der Nachtruhe und hielten uns bis morgens um drei mit Gitarre, Gesang, philosophischem Gelaber und sporadischen Besuchen wach.

gut gehängt

Gesellschaft beim Kochen

San Juan Bosco

vom Regen gejagt

Wo gehts hier zum Mittagessen

Zwei Tage später fragten wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit bei einem kleinen Ansammlung von Häusern nach, ob sich wohl irgendwo ein Platz für uns und unser Zelt finden liesse. Sogleich erschien der „Kulturverantwortliche“ mit dem untypischen Namen Holger. Er empfing uns mit offenen Armen und quartierte uns gleich in einem leeren Raum im ehemaligen Kinderhort (!) ein – in den Zimmern nebenan wohnte der Lehrer des Dorfes mit seiner Familie. Wir waren in der „Comunidad Shuar Sharup“ gelandet, einem kleinen Dörfchen, das schon seit Jahrhunderten hier existiert. Traditionel lebten die Shuar, wohl besser durch den (so versicherte man uns) mittlerweile aufgegebenen Brauch, die abgetrennten Köpfe von Feinden in Schrumpfköpfe zu verwandeln. Wir wissen jetzt auch wie.

Comunidad Shuar Sharup

für die Erstklässler

Schrumpfkopf – Lesen lernen mit Kulturbezug

Nachbarskinder

mit Holger und Professor

Die ehemals kriegerischen Shuar lebten von und im Einklang mit der Natur. Doch die Zeiten haben sich geändert – nicht unbedingt zum Guten für die Shuar und den Erhalt ihrer Kultur. Lag das Dörfchen einst mitten im Dschungel, so liegt es seit einigen Jahren plötzlich an einer geteerten Überlandstrasse. Interessierte sich früher niemand für ihren Lebensraum, so sind die an allen möglichen Metallen reichen Wälder und Hügel plötzlich für den Bergbau interessant. Holger hat sich daher dem Erhalt seiner Kultur verschrieben und freut sich über jeden Besucher im kleinen Dörfchen. Stolz führte er uns am nächsten Tag mit gemieteten Motorrädern an einen Wasserfall, bemalte uns mit traditionellen Mustern und gewährte uns Einblicke in alle möglichen Aspekte der Kultur der Shuar. Dazu gehört auch ihre eigene Sprache, Überlieferungen und Wissen über die Natur, wie auch Musik und Tanz.

Holger

Traditionen

Corona, traditioneller Federschmuck der Shuar

Daina mit Vogel

Eine wichtige, wenn nicht zentrale Rolle, spielt dabei, wie bei einem Grossteil der indigenen Völker im Amazonasbecken, Ayuhauasca. Zur Herstellung dieses stark haluzinogenen Gebräus werden Stücke einer Liane und Blätter eines Strauchs über Stunden eingekocht und immer wieder gesiebt – die nötigen Sprüche und Gesänge dürfen dabei natürlich nicht fehlen. Ayuhauasca ist für die Shuar die Verbindung zwischen Himmel und Erde, ein Medium um mit der Natur und all ihren mächtigen Geistern in Kontakt zu treten. Oder, wie der Dorflehrer es ausdrückte, Ayuhauasca ist für die Shuar was für das Baby die Nabelschnur ist. Ausserdem es eine reinigende Wirkung auf Körper und Geist. Wir nahmen das Angebot Holgers und des Lehrers gerne an, diesen zentralen Aspekt ihrer Kultur kennenzulernen und an einer Ayuhauasca-Zeremonie teilzunehmen. Diese fand am zweiten Abend im Vorraum des ehemaligen Kinderhortes statt und Holgers Mutter hatte das Ayuhauasca am Nachmittag gebraut. Der Lehrer leitete die Zeremonie und um ihn herum nahmen im verdunkelten Raum im Halbkreis ausser uns noch fünf andere Personen aus dem Dorf teil – zu unserem Erstaunen auch ein Junge von etwa zehn Jahren. Nach einigen einleitenden Worten des Lehrers goss er jedem der Anwesenden einen Schluck Tabak (aus Blättern und Wasser gewonnen) in die Handfläche. Dies musste durch die Nase hochgesogen werden. Als nächstes goss er jedem Anwesenden ein halbes Glas des braunen und relativ bitteren Ayuhauasca ein. Dies wurde getrunken …und dann kamen die gerufenen Geister und Dämonen, zeigten uns schönes und furchteinflössendes und hielten uns – einhergehend mit wiederkehrendem Brechreiz, Übelkeit und reinigendem Durchfall – bis zum Morgengrauen wach, während der Professor uns mit traditionellen Gesängen begleitete. Eine intensive Erfahrung!

 

Shuar

Schrumpfkopf, früher Menschen heute Affen

in voller Montur

Tanzgruppe

Am nächsten Morgen war es wieder einmal an der Zeit, von neu gewonnenen Freunden Abschied zu nehmen und uns für die unglaubliche Gastfreundschaft zu bedanken. Weiter ging es, mit frisch gestärktem Geist und etwas angeschlagenen Körpern, mehr bergauf als bergab, durch grüne Wälder und Schleier von Regen immer weiter Richtung Süden. Wir konnten nur durch eine vermutlich tapfere Schar von Ämöben gestoppt werden, die sich in Robins Darm recht heimisch zu fühlen schienen und sich entsprechend breit, und vorallem durch starke Bauchkrämpfe bemerkbar, machten. Diese unverwegenen Parasiten wurden dann im Spital von Yantzaz, am Rio Zamora, diagnostiziert und wir kamen in den Genuss des unentgeltlichen Gesundheitssystems Ecuadors. Für uns eine feine Sache, doch ob dies auch für den Staatshaushalt optimal ist, wenn jeder Tourist gratis behandelt wird? Anschliessend wurden die Amöben-Nichtsnutze im Hotelbett über drei Tage mit Antibiotika bekämpft. Es dauerte fast eine Woche, bevor wir unseren Weg fortsetzen konnten.

der Wächter vor Yantzaza

Amöbenkur

Rio Zamora

Freunde

Wunderland – Markt in Zamora

Unser nächster Stop war in Loja, einer beschaulichen kleinen Stadt (200’000 Einwohner) in den Bergen. Der Weg vom Oriente hinauf in die Berge war, nach der krankheitsbedingten Pause, eine Herausforderung. Für die 60 Kilometer, die ersten 45 davon eine einziger Aufstieg von 1000 auf knapp 3000 MüM, benötigten wir 10 Stunden(!), unzählige Schokoriegel, ein Mittagessen aus Suppe, Reis und Fleisch sowie zwei Flicken für Dainas Reifen. Vom scheinbar schönen Nebelwald im Nationalpark, den wir dabei durchquerten, sahen wir leider nur den Nebel und viel Regen. Wir kamen gegen halb sieben Uhr abends durchnässt und frierend in Loja an.

Schneisen im Dschungel

Reifen flicken

Nach längerem Hin und Her hatte sich bereits Mitte März „Exped“, der Schweizer Hersteller unseres Zeltes, bereit erklärt, uns den aus mysteriösen Gründen undichten Zeltboden, beziehungsweise das ganze Innenzelt, zu einem vernünftigen Preis zu ersetzen. Unser Vertrauen in die ecuadorianische Posts war aber begrenzt. Daher hatten wir uns nach einer Alternative umgesehen und schliesslich gefunden. Maria Paula, die zur Hochzeit ihrer Schwester nach Ecuador flog hatte sich liebenswürdigerweise bereiterklärt, uns das neue Innenzelt mitzubringen und sandte uns das Paket schliesslich aus Guayaquil nach Loja – per DHL, damit auch nichts verloren geht. An dieser Stelle nochmals vielen Dank! Bereits die erste Nacht im neuen Zelt wurde zur flutartigen Zeltboden-Dichte-Probe, die wir trocken überstanden. Endlich sind auch wir ganz dicht!

In weiser Voraussicht hatten wir uns, zusätzlich zum Innenzelt, einen neuen Satz (breitere) Reifen senden lassen. Dass dies in Kombination mit den Schutzblechen zum Problem werden könnte (zu wenig Platz) hatten wir befürchtet aber optimistisch das Gegenteil gehofft. Es sollte aber nicht sein und bedurfte zweier Tage Tüfteln und Basteln im Hotel, bis unsere Räder einsatzbereit und dafür geländegängiger denn je waren! Durch Wochen heftiger Regenschauer hatten sich die Hänge aufgeweicht und Erdrutsche verschütteten immer wieder und immer häufiger die Strasse und bereiteten uns darauf vor, was am Ende des Asphalts auf uns wartete.

da fehlt ein Stück Strasse, 2 Stunden warten

Hundertzwanzig Kilometer südlich von Loja war es dann soweit. Aus einer breiten Strasse wurde ein schmaler Weg und auf Asphalt folgte Schlamm, teils knöcheltief. Bis zur Grenze lagen gut neunzig holprige und teils beinahe unfahrbar-steile Kilometer vor uns. Diese verwandelten sich bei jedem Regenguss augenblicklich zu Matsch, trockneten dann zu klebrigem Schlamm, bevor schliesslich wieder harte, staubige Piste daraus wurde. Für Fahrspass war gesorgt, denn es regnete regelmässig. Wir erreichten die Grenze zum grossen Nachbarn Peru in zwei schweisstriefenden Tagen – ohne neue, breitere Reifen wären wir immer noch dort. So aber hatten wir die Möglichkeit, vom zuständigen Grenzbeamten, kurz bevor er Volleyballspielen ging, freundlich ausgestempelt zu werden.

nass und rutschig

ob das wohl hält

Pause wohlverdient

von rutschig zu klebrig

grenzwertig steil

nach Peru

im Dreck gespielt

Zollgebäude

Adios Ecuador, wir werden Dich und Deine freundlichen Menschen in guter Erinnerung behalten! Und nun: „El Perú“, wir kommen!

Und zum Schluss die GALLERIE mit den Bildern aus dem Text und vielen mehr:

Kolumbiens Süden | zum Trampolin des Todes

978 Kilometer

18 RadtageTage / 33 „Ruhetage“

einige Höhenmeter

1 Reifenpanne & 1 Sturz durch Hundeattacke

Route: Bogotá – la Mesa – Anapoima – Girardot – Natagaima – Desierto de Tatacoa – Neiva – Gigante – Timaná – Pitalito – San Agustin – Bruselas – Mocoa – Sibundoy – el Encano – Pasto – San Juan – Ipiales (Grenze Ecuador)

Endlich angekommen! Bogotá! Bevor wir uns aber dem süssen Nichtstun widmen konnten, waren wir unseren „Lasttieren“ eine Runde Wellness schuldig. Im Radsportbegeisterten Bogotá Radgeschäfte zu finden war einfach. Die meisten davon verkaufen nicht nur Räder, sondern produzieren auch die Rahmen selber. Der Kunde wählt die „Marke“ seines neuen Rades anschliessend selbst, in Form der entsprechenden Marken-Aufkleber. Also jede Menge mehr oder weniger spezialisierte Fachgeschäfte zur Auswahl. Bloss, welchem wollten wir unsere beiden treuen Begleiter anvertrauen? Schliesslich entschieden wir uns in bester Hoffnung für die professionell daherkommende lokale „Specialized“-Vertretung. Die nötigen Ersatzteile durften wir allerdings selbst besorgen, was zwei Tage in Anspruch nahm und nur teilweise von Erfolg gekrönt war. Schliesslich durften wir aber zwei frisch gewartete, geschmierte und polierte Räder entgegennehmen! Wie neu!…also gönnten wir ihnen erst einmal Ruhe, wenigstens bis zum nächsten Sonntag. Denn Sonntags ist in Bogotá jeweils „Ciclovia“ angesagt und die Septima, eine Hauptverkehrsader der Stadt, und einige andere Strassen werden für den Verkehr gesperrt. Und dann wird Rad gefahren! Alt, jung, dick, dünn, Mann, Frau, Kind, Hund, alle tummeln sich in sportlicher Freude und entsprechenden Outfits auf den gesperrten Strassen – Rowdytum pur! So chaotisch, dass es uns das Fürchten lernte und wir beteten, den Tag ohne Unfall zu überstehen. Was uns gelang. Die restlichen Tage machten dann aber Radfahrpause, schlugen uns gekonnt die Bäuche voll und schauten uns die Stadt an.

Ciclovia

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Bogotá

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Nach zwei Wochen Stadtleben wurden unsere Räder langsam unruhig und konnten kaum noch ruhig stehen. Also nahmen wir nach zwei schönen Wochen Abschied von Bogotá. Vor uns lagen gut 550 Kilometer bis nach San Agustin, unserem nächsten Etappenziel auf dem Weg nach Ecuador. Nach einem anfänglichen Aufstieg ging es von 2600 Metern über Meer rasant abwärts, hinunter auf knapp 400 Meter. Nach zwei Tagen Fahrt durch ländliche Gebiete erreichten wir die Provinzhauptstadt Girardot. Bereits auf der Einfallstrasse in die Stadt warnten uns Passanten auf Rädern und Motorrollern vor Ladrones, Dieben. Wir nahmen uns entsprechend in Acht und verdrückten am nächsten Morgen vor dem Verlassen der Stadt unsere zuvor gekauften Brötchen aus genau diesem Grund bei einer Tankstelle – in Sicherheit, sozusagen. Als wir dann weiterfahren wollten fragte uns der Tankwart verdutzt, ob wir nicht die Polizeistreife abwarten wollten. Dies taten wir brav. Die Streife, ein Lastwagen (!) voller Polizisten und ein Polizei-Pickup, kam kurz darauf. Die nächsten zehn Kilometer seine für uns zu gefährlich. Kurzerhand wurden unsere Räder auf den Pickup geladen (warum nicht auf den Lastwagen?). Darauf wurden wir von zwei freundlichen jungen Polizisten aus der Stadt hinaus chauffierte! …nicht aber, ohne Zwischenstopp bei einem Restaurant einzulegen, wo man uns je einen Bissen der örtlichen Spezialität „Lechona“ (gefüllte Sau, köstlich!) probieren liess. Service pur!

„Sicherheits-Shuttle“

P1000195_640x480 Als nächstes stand ein Abstecher durch die Tatacoawüste bevor. Einer trockenen Wüstenähnlichen Landschaft, deren Durchquerung stellte sich als holprige-heisse, mit viel Staub gewürzte Angelegenheit heraus. War eigentlich zu erwarten! Bizarrerweise musste, um zur Wüste zu gelangen wieder einmal der Rio Magdalena überquert werden. Auch diesmal per Kanu.

Und wieder über den Rio Magdalena

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Desierto de Tatacoa – brütende Hitze

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Nach etwa 350 Kilometern kamen wir ins Gebiet des Departements Huila und damit in die „zona roja“, die rote Zone, potentielles Guerillagebiet. Wir waren uns dessen bewusst und wurden auch unterwegs immer wieder darauf aufmerksam gemacht und uns wurde von Nachtfahrten, wildem Campen und Abstechern in ländliche, abgelegene Gebiete abgeraten. Auch erkundigten eir uns jeweils an den regelmässigen Polizei- und Militärcheckpoints nach der Situation und Sicherheitslage und bekamen immer die gleiche Antwort: Alles tranquilo, fahrt weiter. War dies so oder eher Eunschdenken? Derselben Meinung waren allerdings auch die Leute mit denen wir sprachen. So gingen wir davon aus und hofften, dass dem tatsächlich so war.

Aussicht auf den Rio Magdalena

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Stau – ungeduldiges Warten

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Wer sitzt denn da am Strassenrand?

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Wir blieben also auf der Hauptstrasse, radelten lange tendenziell steigende Tage und campten in Orten wie Gigante und Timaná bei den Bomberos, der Feuerwehr. Hier wurde uns auch erklärt, dass dies zu ihrem Service gehören würde und wir ruhig eine Woche bleiben können. Taten wir nicht, aber danke trotzdem!

Bombero-Camping in Gigante

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Bombero-Camping in Timaná

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San Agustin lag dann bereits wieder auf 1700 Höhenmetern und ist bekannt für seine antiken Steinskulpturen. Diese haben leider alle ein chinesisch anmutendes Dächlein über den Köpfen bekommen. Hält den Regen aber auch die Idylle ab.

San Agustin: Dorf und Skulpturen

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In San Agustin hatten wir uns auch mit einem Bekannten von zuhause verabredet. Roman aus dem Appenzell war per Schiff von Europa über die Karibik nach Venezuela gekommen und war seither mit dem Rucksack unterwegs. Wir hatten eine gute Zeit zusammen, tauschten Erfahrungen aus und campierten eine Woch in mehr oder weniger strömendem Regen. Und natürlich schlugen wir uns auch hier die Bäuche voll.

fantastische Landschaft um San Agustin

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Der nächste Etappe sahen wir etwas unruhig entgegen. So war ein Freund wenige Wochen zuvor auf dieser relativ abgelegenen Strecke von der Polizei vor Guerilla und Revolverhelden gewarnt worden. Wir hatten jedoch während den Zwei Tagen, welche wir für die relativ abgelegene Strecke benötigten keinerlei Probleme und keine Warnungen Seitens der Polizei auf Nachfrage betreffend Sicherheit. Die freundlichen, ihr Material reinigenden Soldaten einer mit Schützenpanzern bewaffneten Einheit des Militärs am Strassenrand mitten im Wald fragten wir lieber nicht. Wir hatten sowieso keine Wahl. Stattdessen suchten wir uns kurz darauf einen ruhigen, von der Strasse nicht einsehbaren Campingplatz für die Nacht hinter der Dorfschule. Das „Dorf“ bestand aus drei Häusern, die Schule mitgerechnet.

   Wie zuhause…

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…aber mit Problemen die wir nicht kennen: Aufruf zur Waffenniederlegung an die FARC.

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Schulhof-Camping

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Abfahrt im Nebel

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Bei Nieselregen und Nebel erreichten wir am zweiten Tag Mocoa (500MüM), am Rande des Amazonas. Unsere neunzig Tage Aufenthalt in Kolumbien neigten sich dem Ende. Bis zur ecuadorianischen Grenze lagen aber noch über zweihundertdreissig, alles andere als flache Kilometer und einige tausend Höhenmeter vor uns. Die Zeit drängte, langsam aber sicher! „Trampolín de la muerte“ (Trampolin des Todes), hiess die Strasse, die uns bevorstand – achzig Kilometer atemberaubend schöne, neblige Bergwälder. Ungeteert, steil, einspurig, teils instabil und sehr exponiert blieb hier Fahrzeugen berüchtigterweise wenig Platz zum kreuzen. Nach einigen Aufwärmkilometern wand sich die Strasse über zwanzig Kilometer in endlosen Serpentinen von 500 MüM eine steile, dschunglige und atemberaubende Bergflanke bis zur Passhöhe in den Wolken auf 2200 m hoch, bloss um dann wieder auf gut 1700m abzufallen. Diese sollten wir am ersten Tag jedoch weder sehen noch erreichen!

Hoch geht’s…

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Blick auf Mocoa…wären da nicht die Wolken

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Gegen vier Uhr nachmittags, nur drei Kilometer vor der Passhöhe und immer noch mit Blick auf Mocoa, nahmen wir das Angebot eines Kioskbesitzers, direkt neben einem festungsartigen Polizeicheckpoint in seinem Schuppen zu zelten, dankend an. Nach einem frühen Start erreichten wir am nächsten Morgen nach kurzem Aufstieg die Passhöhe, gefolgt von einer holprigen Abfahrt von rund fünfhundert Höhenmetern – herrlich! Wir genossen es und machten jede Menge Fotos – was uns aber schnell vergehen sollte. Für den Rest des Tages stieg die Strasse über dreissig, endlos gewundene und landschaftlich einzigartige Kilometer kontinuierlich bis auf 2600 MüM hoch. Die abschliessende Abfahrt ins auf 2000MüM gelegene Städtchen Sibundoy, welches wir kurz vor Sonnenuntergang erreichten, war danach reinste Entspannung.

Nachtlager: Kiosk beim Checkpoint

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Trampolín de la Muerte, Teil zwei

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Mit nur zwei verbleibenden Visum-Tagen kamen wir in Sibundoy an, wo uns die Familie Aguillon Chindoy mit offenen Aürmen empfing und gleich dazu überredete, doch anstatt in „europäischer Eile“ zur Grenze zu rasen, lieber am nächsten Tag mit dem Bus in die naheliegende (eineinhalb Stunden pro Weg) Departementshauptstadt Pasto zu fahren und unser Visum zu verlängern. So könnten wir länger bei ihnen bleiben und mehr von ihrer Kultur sehen – was wir auch taten, wir blieben eine Woche! Die Familie Aguillon Chindoy um Vater Benjamin und Mutter Rosario nehmen gerne Radreisende auf. Sie gehören, obwohl sie sich relativ „westlich“ kleiden, der Indio-Kultur der „Kamentsa“ an und leben dieses Erbe sehr bewusst. Sie sprechen (neben Spanisch) eine eigene Sprache, Kamentsa, welche keinerlei Verbindungen zu anderen indigenen Sprachen Südamerikas aufweist – die einzige Ähnlichkeit besteht mit „Bahasa Indonesia“, der Sprache Indonesiens. Sie liessen uns und Matt (ein englischer Radtourero, der einen Tag nach uns „eingefahren“ war) eine Woche lang an ihrem Alltag und ihrer Lebensfreude teilhaben.

Familie Aguillon Chindoy

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Mutter Rosario

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Eines Morgens nahm uns etwa Jacobo, einer der Söhne, mit auf die Finca (Bauernhof), um uns (wenig erfolgreich) das Melken der Kühe beizubringen.

Melken mit Jacobo, Matt und Hund Falcon

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Zum krönenden Abschluss unseres Aufenthalts kauften wir für alle Cuy – eine hier teure Spezialität. Bei deren Zubereitzung der drei kleinen Nager durften wir natürlich mit Hand anlegen. Für die Aguillons ein Spass, für uns etwas aussergewöhnliches. Erst wurden sie im Schuppen hinter dem Haus getötet, ins heisse Wasser getaucht und dann Büschel um Büschel „gerupft“. Tags darauf wurde dann im Hof der Grill aufgestellt und nach einer Stunde auf dem Grill waren die kleinen, mittlerweile goldbraunen Kreaturen bereit und wurden im Kreise der Familie verzehrt, wobei die Köpfchen dem Familienoberhaupt zustanden. Dann war es auch schon an der Zeit weiter zu ziehen und der Abschied fiel schwer.

Cuyes…

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…alle helfen mit!

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Für die 1 1/2 Stunden-Busstrecke nach Pasto benötigten wir zwei Tage und kamen mehr oder weniger krank dort an. Meerschweinchen lassen sich wohl nicht einfach so verzehren – die Rache der Cuyes mussten wir nun ausbaden! Von Pasto erreichten wir in zwei Bergetappen (2000 Höhenmeter, 90 km) die Grenze zu Ecuador bei Ipiales, einer lebendigen Grenzstadt.

Unterwegs nach Pasto

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Immer wieder im Mittelpunkt!

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Shopping am Straßenrand – Früchte, die es gar nicht gibt!

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Nach über drei Monaten und 2610 gefahrenen Kilometern in Kolumbien war es an der Zeit, ein neues Land heimzusuchen.
Adios Colombia!

Galerie mit obigen Fotos und mehr!

Kolumbiens Norden | Karibik und Berge

1636 Kilometer / 49 Tage / tausende Höhenmeter

1 Reifenpanne, 1 Sturz

Route: Turbo – Necocli – San Juan de Uraba – Monteria – Lorica – Tolú – Maria Labaja – Arjona – Cartagena – Arjona – San Juan Nepomuceno – El Carmen de Bolivar – El Piñal – Magangue – Mompox – El Banco – El Burro – Pelaya – Aguachica – San Alberto – Bucaramanga – Gíron – Zapatoca – Barichara – San Gil – Olival – Puente Nacional – Chiquinquira – Ubaté – Suesca – Guatavita – Calera – Bogotá

Turbo war hektisch, was bei dem Namen zu erwarten war. Schon die Ankunft am schmalen, völlig überfüllten hölzernen Pier vermittelte diesen Eindruck. Turbo war Afrika – und wir liebten es! Die kolumbianische Hafenstatt (mit schlechtem Ruf) war voller Energie und Leben und auch die überwiegend schwarze Bevölkerung passte bestens ins Bild. Wir kamen, sahen und blieben gleich für drei Tage. Zwar waren wir die ersten Nächte noch von heftigem Seegang geplagt, doch genossen wir es, endlich wieder festen Boden unter den Füssen zu haben. Jetzt waren wir unseren Rädern eine ordentliche Wäsche schuldig. Immerhin hatten sie neun Tage auf Deck den Wellen trotzen müssen und waren (obwohl wir sie vor der Überfahrt von Kopf bis Fuss mit WD40 eingesprüht hatten) salziger als manche Salzstange. Dafür stellte uns Jhon, der Hotelbesitzer, auch gleich Schlauch, Kübel, Lappen und Waschmittel zur Verfügung und so glänzten sie bald wie schon lange nicht mehr!

Turbo

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Dann galt es, unsere Route zu planen. Angesichts der Grösse Kolumbiens (so gross wie ganz Zentralamerika) kein einfaches, geschweige denn motivierendes Unterfangen. Wohin des Weges? Wo sollten wir hinfahren? Am liebsten, obwohl ein riesiger Umweg, erst nördlich entlang der Karibikküste nach Cartagena…wo wir ja schon längst sein sollten. Auf Nachfrage bei der Polizei (und, um sicher zu gehen, gleich auch noch beim Zoll und beim gut informierten Jhon) erfuhren wir, dass diese (von Guerillia-Aktivitäten geplagte) Strecke dank erhöhter Polizeipräsenz um Weihnachten momentan sicher sei. Diese war dann manchmal auch wirklich auffallend gross, dann wieder inexistent. Auf Nachfrage bei Bevölkerung (und Polizei) wurde uns aber immer versichert, dass alles ‚tranquilo‘ sei. Gut zu wissen.

So fuhren wir dann eines Morgens aus Turbo hinaus, dem 450 Km entfernten Cartagena entgegen. Wie schön war es, wieder auf dem Rad zu sitzen! Wir genossen das erneute Gefühl der Freiheit und den festen Boden und radelten munter durch Kolumbiens tropische Natur. Von Asphalt, holprigen Naturstrassen, endlose, schattige Alleen über staubige, rollende Hügel, Kolumbien bot uns bereits in dieser ersten Woche einiges an Abwechslung. Dazwischen nächtigten wir in Badeorten für kolumbianische Touristen, Tankstellenhotels für Trucker entlang der Strasse, grossen und kleinen Städten und erweiterten täglich unseren Horizont darin, was man in Kolumbien wo und vorallem, wie es heisst.

am Golf von Urabá

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Haben die Kolumbianer eine eigene Sprache?! Warum verstanden wir die Leute nicht mehr, obwohl wir uns in Zentralamerika wunderbar mit allen hatten unterhalten können? …uns kam dies spanisch vor, oder eben nicht! Wir waren dann aber beruhigt zu erfahren, dass die ‚Costeños‘ (Bewohner der Küstenregion) auch für andere Kolumbianer nur schwer verständlich sprechen, vom vorwärtsspul-mässigen Tempo ganz zu schweigen. Also plapperten wir trotzdem mit allen und gaben unser Bestes, möglichst viel davon zu verstehen. Oft mit Erfolg.

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Monteria, Stadtgewühl

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Lorica

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Sieben Tage nach unserer Abfahrt aus Turbo erreichten wir Cartagena. Weder die See noch die Tücken eines alternden Segelbootes (mit skurrilem Kapitän) hatten uns daran hindern können – und auch keine aufmüpfigen Darmbakterien. Die Austreibung letzterer nahm ‚Chucho‘ (ein energetischer Hotelbesitzer in Tolú) mit einem interessanten Mix aus Coca Cola, Alka Seltzer, Aspirin und Limonen vor – mit Erfolg! Ein letztes Mal bäumte sich unser Schicksal auf und versuchte uns mit einem Platten wenige Kilometer vor Cartagena doch noch aufzuhalten, vergebens! Während des Reifenflickens kam ein junger Mann auf einem Motorroller angedüst und händigte uns ohne grosse Worte zwei Flaschen Coca Cola aus. So motiviert erreichten wir die Stadt dann mit Links, wenn auch extrem verschwitzt, was uns aber vielleicht einen Vorteil im rauhen Stadtverkehr verschaffte.

Verkehrsgewühl vor Cartagena

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In Cartagena gönnten wir uns zehn Tage touristisches (fast-)Nichtstun, erholten uns nochmals von der Überfahrt und gaben unseren Beinen Zeit sich zu erholen. Wir genossen die schöne, mit einheimischen Weihnachtstouristen geradezu überlaufene Stadt mit ihrem kolonialen Zentrum, schlichen durch die weihnachtlich (kitschig) dekorierten Strassen und genossen das emsige Treiben auf den Plätzen und schlürften tagsüber ‚Tinto‘ (Kaffee) am Stassenrand und abends Bier in den Parks der Stadt.

Cartagena

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Gut ins neue Jahr gerutscht, waren wir anfangs Januar bereit, uns wieder den endlosen Strassenkilometern Kolumbiens zu stellen. Wir beschlossen, Kolumbiens Norden mehr oder weniger diagonal zu durchqueren, Cartagena-Bogotá, sozusagen. Dies führte uns, wie auch schon unsere erste Kolumbienetappe, durch Regionen, an deren Durchquerung noch vor wenigen Jahren nicht zu denken gewesen wäre. Bereits nach zwei Tagen und knapp 200 Kilometern liessen wir den Nord-Süd-Schwerverkehr hinter uns und bogen ins Landesinnere ab. Per „Fähre“ (sprich grosses Kanu mit Motor) überquerten wir den Rio Magdalena, worauf am andern Ufer von Asphalt plötzlich nicht mehr viel zu sehen war. Wir holperten die nächsten vierzig Kilometer über Schotterpisten – stellenweise so tief, dass wir in der Wiese neben der Strasse fahren mussten – bevor wir die malerische (und von einheimischen Touristen auch völlig überlaufene) Kolonialstadt Mompox erreichten.

Radverlad bei Magangue

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Mompox und der Weg dorthin

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Aber die nächsten Tage sollten nicht weniger holprig werden und dank einem gesunden Mischung aus Schotter, Schlaglöchern, freundlichen Leuten, einer weiteren unverhoften Flussüberquerung und jeder Menge Sand war für Abwechslung gesorgt. Letzterer sorgte in Kombination mit grossen Lastwagen immer wieder für plötzliche Sandsturm-Verhältnisse.

Weiterreise aus Mompox

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Nochmals eine „Fähre“…

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…und sonst Schotter und Sand.

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Schon bald türmten sich die Anden am Horizont. Deren hügeligen Ausläufern folgten wir noch ein paar Tage, bevor es dann ernst galt. Um der Hitz ein Schnippchen zu schlagen starten wir bereits um halb sechs zu unserer ersten Andenetappe – und sollten unser, zugegebenermassen etwas hoch gestecktes Ziel, Bucaramanga, erst kurz vor Sonnenuntergang erreichen. Steigungen und Abfahrten wechselten sich munter ab. Kurz vor der dritten Passhöhe sorgte ein Stau, an dem wir uns hechelnd vorbeikämpften, zu Tour-de-France-ähnlichen Szenen, mit Anfeuern und Wasserbeutel reichen.

entlang den Anden

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…und dann ging es aufwärts

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Nach etwa elf Stunden trennte uns noch ein letzter Aufstieg von vier Kilometern von der Stadt. Dieser führte uns leider durch die „unschöneren“ Vororte der Stadt. Menschen starrten und die Polizei trug plötzlich Stahlhelme und Schutzwesten – keine guten Vorzeichen. Wir hatten keine Wahl und begannen mit dem Aufstieg. Schon nach wenigen Minuten wurden wir von einem Kleinlaster verfolgt. Er blieb immer dicht hinter uns und sorgte damit gleich noch für einen ordentlichen Stau. Ziemlich genervt hielten wir an um ihn zur Rede zu stellen. Der gute Mann erklärte uns, dass wir ohne seine Begleitung nicht oben ankommen würden, oder wenigstens nicht mit Rädern und Geld. Er würde uns bis in sicherere Gegenden begleiten würde….also wieder Tour de France, diesmal mit Begleitfahrzeug! Irgendwann kamen wir aber heil (und völlig erschöpft) oben an, bedankten unserem Beschützer und fanden ein Hotel im, wie sich später herausstellen sollte, Rotlichtviertel. 12 1/2 Stunden, 100 Kilometer und über 2000 Höhenmeter – wir hatten uns etwas übernommen. Dafür erholten wir uns dann zwei Tage im nahen, ruhigen Giron.

Bucaramanga

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Gíron

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Doch die Berge hatten erst begonnen und Bogotá war noch hunderte Kilometer entfernt. Um dem Verkehr ausweichen zu können, suchten wir uns auf der Karte eine ruhigere Route. Diese sah auf dem Papier nicht ganz so steil aus – ein gewaltiger Trugschluss, der uns jedoch durch eine atemberaubende Berglandschaft führte. Bevor wir nämlich den bescheidenen Aufstieg von gut 900 auf 1700 MüM in Angriff nehmen konnten, kam uns noch ein gewaltiger Cañon in die Quere.

Aufstieg nach Zapatoca

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Also zuerst Abfahrt bis auf etwa 400 MüM, nur um dann an der „Wand“ gegenüber alles wieder hochzukämpfen – und zwar teils so steil und heiss (keine schöne Kombination!), dass es im Aufstieg wieder einmal Zeit für eine Stunde Koma-Schlafen in unserem Notbiwak am Strassenrand (sprich: Strassengraben) wurde. Wieder wurde es schon fast dunkel als wir unser Ziel erreichten. Das malerische, abgelegene Zapatoca entschädigte uns aber für die Strapazen.

Zapatoca

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Schlafzimmerblick auf den Dorfplatz

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Aus Zapatoca ging es dann über Feld- und Waldwege weiter nach Barichara, hinauf und hinab, an Viehweiden entlang und durch rauschende Wälder hinauf nach Barichara, wo jeder der in Kolumbien etwas sein möchte – und vorallem Geld hat – ein Anwesen zu besitzen scheint. Kolonialer Flair, eine wahnsinns Aussicht und geröstete Ameisen, welch eine Kombination.

und weiter über Stock und Stein

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Wir waren noch etwa 350 Kilometer von Bogotá entfernt. Begleitet von Schwerverkehr treteten wir die nächsten Tage über die niemals flache „Hochebene“ (2600 MüM).Zwischen Städtchen wie Socorro, Chiquinquira, und Ubaté kämpften wir uns Serpentinen hoch, freuten uns über Abfahrten, pausierten auf Dorfplätzen und nächtigten oft in Zimmern bei Tankstellen. 150 Kilometer vor Bogotá wurde der Verkehr deutlich stärker. So suchten wir uns wenn möglich Abkürzungen und Umwege abseits der stark befahrenen Strasse. Zwar waren auf dem Land die Hunde agressiver, doch lassen wir uns von diesen Langweilern nicht mehr einschüchtern. Stattdessen genossen wir die Ruhe und die fantastischen Landschaften – nicht zu vergessen auch den frischen Käse dieser Region. So kamen wir Bogotá in gemütlichem Tempo immer näher.

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Barichara

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…und Dörfer unterwegs

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Glichen teile dieser Hochebene stark an Tibet – und auch deren rotbackige, freundliche Bewohner – so erinnerten die letzten 50 Kilometer vor Bogotá dann plötzlich an eine Landschaft, die man in der Schweiz hätte finden können…inklusive Scharen von Rennradfahrern. Auffälliger Weise hatten diese fast immer ein Begleitfahrzeug im Schlepptau – sicher ein riesiges Freiheitsgefühl. Schliesslich musste noch ein letzter Aufstieg überwunden werden und dann lag das Endlose Häusermeer von Bogotá vor uns. Wir waren da!

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…oder wenigstens fast. Denn in der letzten Abfahrt in die Stadt hinunter rutschte Robin auf einer nassen Strassenmarkierung das Vorderrad weg, was einen Abstieg à la Rolle vorwärts nach sich zog. Und auch die Crocs nahmen sich einen Moment frei und übten das Fliegen. Den stehenden Gegenverkehr dürfte es gut unterhalten haben. Glücklicherweise war unsere Spur gerade einen Moment verkehrsfrei und so ging das Ganze mit einem Schrecken und Prellungen aus….die anschliessende Fahrt durch Bogotá fühlte sich dann allerdings nicht mehr ganz so triumphal wie es hätte sein sollen. Wir suchten und fanden eine Bleibe im historischen (touristischen) Zentrum „la Candelaria“ und versprachen unseren Beinen zwei wohlverdiente Ruhewochen.

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Und hier die Gallerie mit diesen und anderen Bildern:

Caribbean Odyssey | von Panama nach Kolumbien

Seemeilen: ~100 / 8 Tage

Schiff: „Nixwiweg“ (BEL)
Kapitän: Alain (BEL)
Passagiere: Fabian (CH), Ian (CAN), Struan (CAN), Daina (FL), Robin (FL)
Fracht: 2 Motorräder, 2 Fahrräder

Motorpannen: 2
verlorene Rettungsinsel: 1
Schwimmwesten an Bord: 1

Route: Portobelo (Panama) – Turtle Cay Marina (Panama) – San Blas Inseln (Panama) – Sapzurro (Kolumbien) – Capurganá (Kolumbien) – Turbo (Kolumbien)

Die Panamericana zieht sich zwar von Alaska bis Feuerland, ist aber nicht lückenlos. So fehlen zwischen Panama und Kolumbien um damit zwischen Zentral- und Südamerika achzig Kilometer Strasse, das sogenannte „Darien Gap“. Achzig Kilometer Dschungel, in dessen Schutz sich Leute bewegen, denen man weder bei Tag noch bei Nacht begegnen möchte. So bleiben die See und die Luft die einzigen Verbindung zwischen Zental- und Südamerika.

Daher suchten wir in Portbelo ein Schiff, um von Panama nach Kolumbien zu gelangen und fanden bereits am zweiten Tag einen belgischen Kapitän, welcher noch Passagiere für die fünftägige Überfahrt mit seinem Segelschiff suchte. Dass Kapitän Alain im Gegensatz zu professionellen, organisierten Alternativen ein kauziger aber sehr sympatischer Seebär war, gefiel uns. Auch empfahl er seine Kochkünste. Wir entschieden uns, mit ihm und drei weiteren Reisenden (Fabian aus der Schweiz und den beiden Motorradfahrern Struan und Ian aus Canada) die Reise anzutreten. Die Abfahrt war für den nächsten Tag, Donnerstag den 5. Dezember 2013, vorgesehen.

Portobelo

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Warten im Cafe Vela – der Seglertreffpunkt in Portobelo

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Aber so schnell kamen wir aus Portobelo nicht weg. Nach einigen bürokratischen Problemen mit den Leuten vom Zoll verzögerte sich die Abfahrt um einem weitere Tag. Dann, am Freitagabend nach einem Znacht aus dermassen gekochtem Hühnchen, dass er am besten mit dem Wort „Gummiadler“ umschrieben werden konnte (beissen zwecklos!), legten wir schliesslich gegen Mitternacht ab…so viel zu den Kochkünsten und einem gelungenen Start.

Poulet hacken vor der Abfahrt

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Unser Kapitän – normalerweise etwas fröhlicher

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Da der Wind auf dieser Reise gegen uns sein würde, ratterten wir die ganze Nacht vom Motor getrieben ostwärts. Spätestens jetzt erfuhren wir, wie sich starker Wellengang in einer Segel-Nussschale anfühlt und wir wurden in unserer Kabine (wir bekam die des Kapitäns, mit Doppelbett, Luxus!) durchgeschüttelt und umhergeschleudert. Daina wurde auf der Stelle seekrank und musste leiden! Doch irgendwann wurde es hell ….und plötzlich verstummte der Motor. Hmm, muss wohl so sein, dachten wir, wurden aber eines besseren belehrt. Musste nämlich keineswegs so sein. Dass auf der „Nixwiweg“ (so hiess das gute Schiff) nix angemacht war und immer wieder die halbe Kücheneinrichtung (von Passagieren und Kapitän nicht zu sprechen) durch die Gegend flog, entschärfte die Situation auch nicht. So fühlte es sich also an, den Wellen ausgeliefert zu sein!

Unser seekranker canadischer Reisegefährte

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Aber ein Segelboot hat ja Segel! Also setzten wir diese und segelten in den, „nur“ etwa zwei Stunden entfernten, nächsten Hafen zurück. Dessen bedrohliche Einfahrt, zwischen brechenden Wellen, hindurch meisterte Alain, mit etwas Hilfe beim Segel setzen und Winden drehen, gekonnt. Ernüchternd stellten wir fest, dass wir in der Nacht nur knapp 30 Kilometer zurückgelegt hatten.

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In der schönen „Turtle Cay Marina“ teilte man uns einen Platz zu und dann begann für unseren Kapitän die Suche nach dem Problem und für uns eine zweitägige, zugegebenermassen unterhaltsame Wartezeit. Im Hafen lagen eine handvoll Segelboote – oder sollte man Yacht sagen? Die Segler waren ein soziales Volk und man kam schnell ins Gespräch über dies und das, den Wind, die Boote, deren Vorzüge und Nachteile und natürlich die Strapazen des Seglerlebens. Das eigentliche Segeln, so schien es uns, ist nur der Ausgleich zur Hauptaufgabe, dem Reparieren und Instandhalten der Schiffe. Ein strenges Leben ohne Aussicht auf Besserung. Und daran durften auch wir nun teilhaben, nachdem Kapitän Alain dem Problem auf den Grund gegangen war. Hier die Details für die Spezialisten: Der Thermostat war dahin, der Motor hatte überhitzt und dabei mehrere Löcher in den Muffler geschmolzen. Aber kein Problem, der Thermostat liess sich ja ausbauen und die Löcher im Muffler mit Epoxy flicken!

Turtle Cay Marina

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Und so verliessen wir am Morgen des dritten Tages wieder frohen Mutes und mit laufendem Motor die Marina und kamen wenige Stunden später (ungefähr sechs) im Golf von San Blas an. Was wir sahen schien aus einem Bilderbuch zu stammen. Kleine, palmengekrönte Inselchen mitten im Meer. Manche waren mit nur einer Palme gesegnet und andere mit hunderten. Dies war das Gebiet der Kuna, einem Indianervolk, dessen Heimat, die 360+ Inseln im Golf von San Blas, zwar zu Panama gehören, die aber ein grosses Mass an Autonomie geniessen.

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Wir verbrachten die nächsten vier Tage ankernd vor verschiedenen Inseln in San Blas, erforschten schnorchelnd die Riffe und ihre bunten Korallen und Fische rund um die Inselchen, planschten im Wasser herum, lachten, genossen die Sonne auf dem Boot oder kochten.

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Seit den Gummiadler kochten wir meist selbst. Dies sei hervorragend, bemerkte Alain eines Tages lachend. Er habe nur eine Mahlzeit versauen müssen und seither würden wir das Kochen unter uns aufteilen! Er liess es sich dann aber doch nicht nehmen, von den Kunas Hummer und Krabben zu kaufen und diese erstklassig zuzubereiten.

Hummer und Krabben von den Kuna

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Natürlich musste auch einige Arbeit an den, von Alain optimistischen gekauften14 Flaschen „Ron Abuelo“ geleistet werden. Apéritif, wie Alain es nannte.

Doch gegen Abend des vierten Tages karibischer Inselstimmung schien uns der Wind plötzlich gütiger gesinnt. Etwas unter Zeitdruck, da Fabians Rückflug in die Schweiz anstand, beschloss unser Kapitän kurzerhand, die Überfahrt nach Kolumbien anzugehen. So wurde gegen sechs Uhr ohne grosse Ankündigung der Anker gelichtet und in See gestochen. Nur zu blöde, dass die anderen drei Mitreisenden gerade dabei waren, einen Eintopf mit Huhn zuzubereiten. Kaum hatten wir den Schutz des Riffes verlassen, warteten auch schon die grossen Wellen auf uns – schon die erste schleuderte alle drei sammt Pfannen, deren Inhalt und drei Litter Öl durchs Boot. Eine riesen Sauerei! Danach war keinem mehr nach Essen zumute und wir legten uns beim Rattern des Motors schlafen – bis dieser kurz vor Mitternacht aussetzte! Wir ahnten nichts Gutes. Doch Alain meinte dies wäre kein Problem, und suchte eine Ersatzpumpe, welche aber nicht aufzufinden war. Aber immer noch kein Problem! Wir würden einfach die Segel setzen, gegen den Wind kreuzen und das Problem am nächsten Morgen bei Tageslicht angehen – in fünf Minuten sei dies repariert. Er legte sich schlafen und wir durften draussen abwechseln, dem Autopilot Gesellschaft leisten und alle zwei Stunden den Kurs wechseln. Schlafen war bei dem Wellengang und der Schieflage des Bootes sowieso ein akrobatisches Unterfangen. Da wir ohne Motor nur auf die Segel angewiesen waren und der Wind wieder gegen uns war, mussten wir um überhaupt vorwärts zu kommen, möglichst hart am Wind segeln. Dieser kam genau dort her, wo wir hin wollten. Das Boot lag daher meist so schief, dass man sich zum schlafen irgendwo festhalten oder mit den Beinen versperren musste um überhaupt auf dem Bett liegen zu bleiben und nicht von jeder zweiten Welle durch die Gegend geschleudert zu werden.

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Als der neue Tag über einem endlos scheinenden, tiefblauen Ozean anbrach, mussten wir feststellen, dass sich die Wellen in der Nacht unsere Rettungsinsel geschnappt hatten. Eine ausgezeichnete Ergänzung zu den fehlenden Schwimmwesten und dem nichtvorhandenen Rettungsring. Zu diesem war aber wenigstens die Ortungslampe noch da, allerdings ohne Batterien. Alles sehr ermunternd! Wir waren also für die anstehende 48-Stunden-Überquerung der wilden Gewässer zwischen Panama und Kolumbien bestens ausgerüstet und uns konnte nichts passieren….ausser, dass wir eher 100 Stunden oder mehr benötigen würden. Keine guten Aussichten. Glücklicherweise sah dies Alain genauso.

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Da sich der Motor auch bei Tageslicht nicht flicken liess wurde eine Kursänderung beschlossen. Anstatt weiterhin ohne Motor, dafür mit Wind und Wellen gegen uns und somit ohne Aussicht auf Erfolg, in die hohe See hinaus zu steuern drehten wir lieber um und wollten den ersten Hafen in Kolumbien, Sapzurro, anlaufen. Kein Problem meinte Alain, laut Computer würden wir dort in 6 Stunden einlaufen – taten wir natürlich nicht. Dank des geänderten Kurses war der Wind etwas weniger gegen uns und wir kamen teils gut vorwärts – will heissen wir segelten mit zügigen 4-5 Knoten (8-9 Km/h) und kamen der Küste näher und näher…

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….bis sich der Wind aus dem Staub machte und uns ohne Antrieb und mitlerweile ziemlich frustriert auf dem Meer sitzen liess. Wir versuchten zwar noch eine alternative Wasserkühlung (per Gartenschlauch) einzubauen, doch scheiterte auch dieser Versuch dem Motor wieder Leben einzuhauchen.

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Damit aber keine Langeweile aufkommen konnte, bahnte sich gegen zehn Uhr Abends auch schon ein dunkles Gewitter am fast schon fluoreszierenden Horizont an! Eine Szene wie aus einem Piratenfilm. Dieses tobte sich die ganze Nacht mal mehr und mal weniger stark um uns herum aus. Alain meinte, dass wir eigentlich froh sein könnten, dass kein hoher Wellengang mehr herrschte, jetzt wo unser Boot ohne Wind und Motor manövrierunfähig war. Dies hat uns sehr beruhigt und wir legten uns irgendwann schlafen.

Das Gewitter klang erst gegen Morgen aus und wir erwachten auf einem nahezu glatten Meer. Wir kamen nicht vom Fleck und konnten es nicht fassen. Nach acht Tagen waren wir immer noch vor der, im Moment für uns jedoch unerreichbaren Küste Panamas – obwohl wir eigentlich schon vor drei Tagen hätten in Cartagena ankommen sollen! Das Wo war aber mittlerweile etwas in den Hintergrund gerückt, viel wichtiger schien uns überhaupt irgendwo Land zu erreichen!

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Wir erwähnten Alain gegenüber den Gedanken, den nächsten Hafen um Hilfe anzurufen. Dies, und vorallem der Preis einer Abschleppaktion (bis zu 2000 USD), gefiel ihm gar nicht! Er stieg aber einmal mehr zum Motor hinunter und versuchte nochmals alles mögliche, um diesen in Gang zu bringen. Aber das Wasser wollte den Motor einfach nicht kühlen und er überhitzte nach kurzer Zeit. So trieben wir weiterhin ziellos umher und funkten sogar einen vorbeifahrendes Handelsschiff an, mit der Bitte uns abzuschleppen. Antwort: „No se puede, no se puede. La ley no permite.“ (geht nicht, das Gesetz verbietet es“). Schliesslich hatte Alain einen Einfall. Er habe ja noch einen Generator mit einer gleichen Wasserpumpe. Eventuell unsere Rettung? Diese wurde also kurzerhand ausgebaut – um festzustellen, dass es nur „fast“ die gleiche Pumpe war.

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Aber Alain bemerkte, dass das Problem im Deckel der defekten Pumpe liegen könnte. Dieser zeigte innen Verschleisserscheinungen, war etwas abgenutzt (und schon mal geflickt!) und es liess sich im Inneren der Pumpe nicht mehr der nötige Druck aufbauen. So wurden die Deckel ausgetauscht und siehe da: Die Pumpe lief, der Motor schnurrte und lief und lief ohne dass die Temperatur anstieg! Wir schienen gerettet, wollten uns aber noch nicht in Sicherheit wiegen und voreilig zu fest freuen. So tuckerten wir langsam aber zunehmend optimistischer auf die Küste zu, welche wir nach zwei Stunden des Hoffens dann auch wirklich erreichten und in die Bucht von Sapzzuro einliefen. Definitif Zeit für einen Apéritif!!

Land in Sicht, schon deutlich optimistischer!

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Zwar waren wir hier in einem Hafen und hatten Kolumbien erreicht, doch hatte die Sache einen Haken. Aus Sapzzuro führte keine Strasse hinaus! Da dieses Dorf im sogenannten Darien liegt und von Dschungel umgeben ist wäre es jedoch auch mit Strasse zu gefährlich gewesen, es auf dem Landweg zu verlassen. Wir packten also unsere Sachen und hievten alles auf ein kleines hölzernes Motorboot, welches uns dann der Küste entlang ins nur wenige Kilometer entfernt gelegene Capurganá brachte. Wir mussten Schwimmwesten anziehen, wenigstens die, für die es eine hatte.

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In Capurganá kletterten wir froh auf den festen Boden des Piers, untersuchten unsere Räder auf transportschäden und rollten dann etwas wackelig zum Zoll, wo wir 90 Tage Aufenthalt erhielten. Wir verabschiedeten uns von Kapitän und den beiden Kanadiern. Diese fuhren zurück aufs Schiff, da erst noch ein Weg gefunden werden musste, um die Motorräder nach Turbo zu transportieren.

Wir suchten uns mit Fabian ein Hotel, wo wir nachts immer wieder durch das starke schwanken des Schiffes erwachten. Dies sollte auch noch in der zweiten Nacht an Land so kommen, denn unsere See-Gehirne brauchten wohl noch etwas Zeit für die Umstellung zurück aufs Festland.

Tags darauf traten wir die Überfahrt nach Turbo an, dem Beginn der Strasse in Kolumbien. Eine Lancha, ein gefährlich schnelles Motorboot, brachte uns, unsere Fahrräder und etwa 30 andere Passagiere in zwei Stunden nach Turbo, dem letzten Hafen unserer Überfahrt. Dafür, dass sich die meisten Einheimischen vor der Abfahrt bekreuzigten und ein Helfer am Pier noch lachend „eine fröhliche Fahrt“ gewünscht hatte, verlief dieser Teil der Reise erstaunlich sanft und planmässig. Wenigstens hier hatten wir Glück und wir erreichten Turbo planmässig im Laufe des Morgens. Endlich hatte diese Odysse ein Ende, wenn auch weit entfernt von Cartagena.

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GALLERIE ZUM BLÄTTERN

Panama | auf der Panamericana

842 Kilometer / 25 Tage

Reifenpannen: 1

Route: Guabíto – Almirante – Bocas Town – Bastimentos – Almirante – Rambála – La Mina – David – Tolé – Santiago – Aguadulce – Antón – La Chorrera – Panama City – Portobelo – Turtle Cay Marina – San Blas (Kuna Yala)

Bei strömendem Regen überquerten wir die Grenzbrücke zwischen Sixaola in Costa Rica und Guabíto in Panama und strampelten triefend die verbleibenden, hüglig-fordernden 50 Kilometer nach Almirante, von wo wir kurz vor Sonnenuntergang per Lancha (Schnellboot) zur Isla Colón, der grössten Insel der Gruppe, übersetzten.

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Unser Aufenthalt im viel gerühmten karibischen Bocas del Toro war von Regen geprägt. Wir verbrachten vier Tage in Bocas Town, von wo aus wunderschöne Strände mit dem Rad (wer eines hat) erreichbar sind – alle anderen fahren mit Bus oder Boot. Bereits unsere erste Expedition an einen Strand sollte aber scheitern. Bereits nach wenigen Kilometern gab in einer kleinen Abfahrt der „Freilauf“ an Robins Rad den Geist auf. Dies führt dazu, dass die Pedale mitdrehen und die Kette sich unter die Speichen mischt – keine angenehme Sache und obendrein etwas gefährlich. Dafür liess sich das Rad jetzt auch rückwärts fahren! Glücklicherweise waren ganz in der Nähe Arbeiten der Telefongesellschaft im Gange und so wurde das Rad kurzerhand auf die Ladefläche eines Pickups verladen und Robin wurde sammt Rad zurück ins „Town“ gefahren. Daina musste selbst in die Pedale treten. So verbrachten wir den Tag in der Werkstatt anstatt am Strand, wo sich zwar aus Mangel an Werkzeug das defekte Teil nicht ausbauen liess, sich aber glücklicherweise eine passende Hinterachse mit funktionierendem Freilauf fand und eingebaut werden konnte. Damit unsere nächsten beiden Rad-Strandausflüge dann erfolgreicher ausfielen.

Anschliessend machten wir drei Tage Regencamping am schönen, nach seinen kleinen Bewohnern benannten, „Red Frog Beach“ auf der kleinen Nachbarinsel Bastimentos. Die kleinen bunten Namensgeber verstecken sich allerdings schon im Wald. Wer sucht der findet…und in diesem Falle staunten wir auch noch.

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Dass Regen auch Vorteile haben kann erfuhren wir, als wir eines Morgens mit Erstaunen feststellen mussten, dass unser vermeintlich robustes Zelt gar nicht so wasserdicht war wie angepriesen. Als wir beim Aufwachen die Pfütze im Zelt entdeckten, setzen wir uns auf – und kurz darauf knallte auch schon ein beindicker, mehrere Meter langer Ast von einem nahen Baumriesen genau dort auf unser Zelt nieder, wo kurz zuvor noch unsere Köpfe gelegen hatten. Das Zelt hats unbeschadet überlebt, aber ob unsere Köpfe dies auch so elastisch eingesteckt hätten bezweifeln wir. Wär doch ziemlich schade um die gewesen!

Die nächsten beiden Etappen mit dem Ziel Panama City sollten uns über 730 Kilometer fordern. Der sportliche Radmechaniker in Bocas hatte die Strecke eben in elf Stunden mit dem Bus gemeistert und schätzte unsere Reisezeit auf optimistische 30 Tage – so lange dauerte es dann doch nicht. In drei Tagen überquerten wir die Kordilliere und damit die kontinentale Wasserscheide zwischen Atlantik und Pazifik. Die Berge waren atem(be)raubend, gefühlte 60° Neigung steil, mindestens so heiss, unbarmherzig schattenfrei und voller Scheingipfel. Oben angekommen trennte uns jeweils nur eine kurze Abfahrt vom nächsten Anstieg. Kurz, wir kamen an unsere körperlichen Grenzen und Daina fiel im Anstieg sogar einmal vor Erschöpfung vom Rad. Völlig ausgelaugt mussten wir nach ein paar Stunden am Strassenrand ein Rad-Zeltboden-Notbiwak basteln um uns kurz hinzulegen. Etwas erholt und eine Stunde später am Strassenrand von einem Haufen saftiger Orangen mit Energie versorgt, erreichten wir gegen Abend nach über fünfzig Kilometern Martyrium unser Ziel, das erste Dorf am Weg. Von jetzt an gings am nächsten Tag aufwärts, beziehungsweise abwärts, denn wir erreichten nach einer wohlverdienten, ausgedehnten Abfahrt die Panamericana und kurz darauf Panamas drittgrösste Stadt, David.

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Nach zwei verdienten Ruhe-, Wasch- und Radpflegetagen in David machten wir uns an die verbleibenden 450 Kilometer, der Länge nach durch ganz Panama. Es waren lange, interessante Tage auf der Panamericana, die uns durch eine immer wechselnde, teils atemberaubende und teils eintönige, aber immer hügelige Landschaft führte. War es früh morgens teils neblig, so liess die Sonne aber selten lange auf sich warten um dann bis in den Nachmittag auf ums herunter zu brennen. Zur Sicherheit folgten aber dann meist um zwei oder drei Uhr noch ein paar Spritzer Regen.

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Wir begannen täglich früh um halb sieben Uhr, gönnten uns eine Kaffepause am Strassenrand nach etwa vierzig Kilometern, assen bei Tankstellenrestaurants oder kleinen „Tiendas“ (Läden) und nächtigten meist in „24-Stunden Hotels“ (die Betonung liegt hier eher auf „Stunden“).

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Jeder Tag brachte neue Überraschungen mit sich und es ergaben sich immer wieder Gelegenheiten zu plaudern – ob mit Passsanten, Verkäufern oder Fernfahrern. Je näher wir der Hauptstadt kamen, umso mehr nahm der Verkehr zu, umso „amerikanisierter“ wurden die Supermärkte und Tankstellen und umso breiter wurde die Panamericana selbst. Waren wir nach David auf einer normalen Strasse mit schmalem Seitenstreifen gefahren, so wurden es 2 Tage und 200 Km später zwei Spuren und nochmals 100 Kilometer später kamen dann noch Leitplanken hinzu – wir fuhren praktisch auf der Autobahn, die dann aber erst die letzten 40 km vor Panama City auch so genannt wurde.

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Nach sechs langen Tagen im Sattel überquerten wir dann am Freitag, den 29. November die „Puente de las Americas“ über den Kanal nach Panama City. Um uns nochmals zu fordern gab es hier zwar eine Art Trottoir, dieses war aber von hüfthohen Mauern begrenzt und leider zu schmal für uns mit unserem Gepäck. So blieb uns nichts anderes übrig, als mit dem restlichen Verkehr die enge und zu allem Übel rechts und links mit Mauern und Zaun begrenzte Brücke zu überqueren – reine Nervensache bei dem starken Verkehr.

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Panama City ist eine grosse, hektische aber auch vielfältige Stadt, die mit einer imposanten Skyline auftrumpft.. über die Qualität der Highrise-Gebäude liesse sich sicher streiten, besonders beim genaueren Hinsehen. Aber da die ganze Stadt etwas nach Verfall aussah mussten sich die Hochhäuser wohl anpassen – die imposanten Riesenmalls im Stile der Estados Unidos am Stadtrand hingegen nicht.

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Nach 4 Tagen Weihnachtsrummel (die Leute kamen aus ganz Panama um am „black friday“ Schnäppchen zu ergattern) schwangen wir uns wieder in die Sättel, zogen die Helme in die Stirn und fuhren wiederum hüglige 105 Km nach Portobelo – vom Pazifik an den Atlantik. Die frühmorgentliche Beinahe-Überfahrung einer Coral (eine hochgiftige, rot-weiss-schwarz geringelte kleine Schlange) und der Verlauf der Strecke entlang zweier Schleusen des Panama-Kanals waren schöne und unverhoffte Zugaben. Trotzdem erreichten wir Portobelo erschöpft.

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Der kleine, von Spaniern 1579 gegründete Hafen hat eine wilde Geschichte hinter sich, wurde er über die Jahrhunderte immer wieder von Piraten angegriffen und geplündert, so etwa vom berüchtigten Capitain Henry Morgan (der hier mit 450 Mannen zwei Wochen lang wütete) und vom britische Seefahrer Sir Francis Drake. Letzterer soll nach seinem unrühmlichen Durchfalltod (hat er wohl Salat gegessen?) vor der Bucht von Portobelo, hier in einem Bleisarg seine letzte Bleibe gefunden haben. Sicher ist sicher. Piraten wurden deshalb hier noch nie gerne gesehen, wir hingegen schon.

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Wir begannen sogleich mit der Suche nach einem Schiff, der einzigen Möglichkeit um ohne zu fliegen nach Kolumbien zu gelangen. Hielten wir erst nach einem Handelsschiff für die Überfahrt Ausschau, so suchten wir nun vermehrt nach einem Segelschiff. Dies sollte uns, im Gegensatz zu den Handelsschiffen in Kolumbien, nicht in Turbo, einer Hafenstadt mit schlechtem Ruf nahe der Grenze zu Panama, sondern direkt in Cartgena absetzen. Zudem bot es uns die Möglichkeit, ein paar Tage durch die idyllischen Inseln von San Blas zu segeln. Oh wie schön ist Panama – und es sollte noch besser werden.

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GALLERIE ZUM BLÄTTERN

Costa Rica | pura vida

670 Kilometer / 24 Tage

Reifenpannen: 0

Route: Peñas Blancas (Grenze Nicaragua) – La Cruz – Liberia – Cañas – Nuevo Arenal – La Fortuna – Venecia – Vara Blanca – Volcan Poás (2574 m.ü.M) – Vara Blanca – Heredia – San José – Turrialba – Cartago – Siquirres – Puerto Limón – Cahuita – Sixaola (Grenze Panama)

Costa Rica, „die Schweiz Zentralamerikas“ empfing uns mit einem professionellen Zollgebäude. Wir durften anstehen um die „Inmigración“ zu passieren und allen anderen wurde zudem ihr Gepäck geröngt, unseres nicht. Dies könnte natürlich daran liegen, dass wir sehr vertrauenswürdig aussehen, oder einfach daran, dass unser Gepäck draussen an den Rädern hing, da wir sozusagen gestaffelt einreisten: Während Robin die Einreiseprozedur hinter sich brachte blieb Daina draussen bei den Rädern und umgekehrt.

Einmal im Land rollten wir plötzlich auf einer vierspurigen, perfekten, leeren Strasse dahin. Welch ein Luxus! …doch zu früh gefreut! Bereits hinter dem nächsten Hügel (ausser Sichtweite der Nicas!) wurde aus der Super-Strasse eine noch-schlechter-als-in-Nicaragua-Strasse. Waren in Nicaragua wenigstens teils noch Randstreifen vorhanden, so waren diese jetzt definitiv weg. Schade eigentlich!

So rollten wir bergauf und bergab, zwischen grossen Lastwagen (links) und einer grünen pflanzlichen Wand (rechts). Das Land war wirklich so grün wie wir es in Erinnerung hatten!

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Costa Rica war ganz klar anders als die vorherigen zentralamerikanischen Staaten: Die Strassengräben waren sauberer, alles schien geregelter, Schaufenster waren an der Tagesordnung, es gab plötzlich richtige Bäckereien (!), Supermärkte en masse und auch die Preise wurden nach oben angepasst. Und noch etwas war anders: Zum ersten Mal mussten wir bei Polizei-Checkpoints unsere Pässe zeigen! Bisher waren wir überall bloss freundlich durchgewunken worden. Denn was soll bei Leuten die mit dem Rad (!) reisen schon zu holen sein?

Die ersten beiden Tage folgten wir brav der Panamericana, auch hier „Carretera Interamericana“ genannt. Diese führte uns und alle Lastwagen durch wechselnde Landschaften: Von Dschungel-grün über Pampa-grün und Reisfeld-grün bis zu Wald-grün war alles dabei.

Mitten im Nirgendwo kam uns dann plötzlich ein Tandem entgegen. Die beiden Schweizer Isabel und Fabian waren per Schiff nach Puerto Limón an der Karibikküste gereist und fuhren nun Richting Norden. Wir hielten am Strassenrand zu einem kleinen Schwatz, tauschten Infos zur Strecke und gleich auch noch Landkarten, „Nicaragua/El Salvador“ gegen „Costa Rica/Panama“. Das Foto der beiden hat sich leider selbst gelöscht!

Am dritten Tag in Costa Rica, zwischen Liberia und Cañas dann etwas Abwechslung: 50km Baustelle! Um nicht unter die Lastwagen zu kommen fuhren wir Zick Zack. Mal 500m frischer, jungfräulicher Asphalt, dann ein paar hundert Meter Schotterpiste, dann wieder Asphalt mit herausstehenden Eisen. Dazu wurden wir vor jeder Brücke zurück auf die Strasse gezwungen. Dann, morgens um halb 8 Uhr und noch halb verschlafen, übersahen wir eine sandige, nasse Passage … aus griffigem Sand wurde stellenweise Glatteis, und schwupps, schon lagen wir beide unverhofft im nassen, schmierigen Matsch wie Käfer auf dem Rücken! Zum Glück rollte der Verkehr in sicherem Abstand auf dem Asphalt neben uns.

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Wir rappelten uns auf, entschlammten uns soweit es ging und waren wenige Minuten später bereit für unsere erste Hundeattacke. Wie aus dem nichts kam eine grosse braune Bestie von hinten herangeschossen. Da wurde Daina instinktiv auch zum Tier und brüllte wie ein Löwe. Der Hund bekam gewaltige Angst und unsere neue Hunde-Abwehrstrategie war geboren.

Nach ewa 150 km auf der stark befahrenen Panamericana bogen wir bei Cañas nach Osten ab, ins Landesinnere und somit in die Berge. Über waldige Hügel arbeiteten wir uns zum Lago Arenal, am Fusse des Volcan Arenal hoch. Und plötzlich fuhren wir durch eine schweizer Berg- und Seenlandschaft, gespickt mit Abschnitten von dichtem grünem Dschungel. In der Touristenhochburg La Fortuna gönnten wir unseren Beinen einen Ruhetag und arbeiteten daran, unseren Hunger abzubauen.

am Lago Arenal

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Volcán Arenal

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Die nächsten drei Tage sollten uns über die Berge nach San José bringen. Am ersten Tag rollten wir durch eine (meist) flache Landschaft mit Ananas- und Zuckerrohrfelder nach Venezia, an die Vorläufer des Vulkans Poás. Dessen „Erfahrung“ war unser nächstes Ziel. Am zweiten Tag, nach etwa 15 km hügligem Warmfahren galt es dann ernst. Wir bogen auf die schmale Strasse nach Vara Blanca, der Passhöhe zwischen den Vulkanen Poás und Barva, ab und augenblicklich begann sie zu steigen und wurde für die nächesten 26 km nicht mehr flach. Endlos steigend, mit steilen Kurven, Teilstücke die einem fast zum Absteigen zwangen und Hunden die dasselbe versuchten. Doch die tropische Schönheit dieses Tals mit Dschungel, Nebelwäldern, Fincas, Kaffeeplantagen und wenigen Dörfern war umwerfend und hielt uns im Sattel während wir uns von etwa 300 auf 2000 Meter über Meer hochkämpften.

Weg nach Vara Blanca

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Verschnaufpause  – „Vogelparadies“ mit Traumaussicht

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Vara Blanca war weniger ein Ort als eine Kreuzung mit ein paar Häusern und es war kalt, neblig und kalt. Da kam die warme Dusche in der gemieteten „Cabina“ gerade recht! Eine warme Dusche wohlgemerkt, mit einem Warmwasser-Griff! Also eine, die das Wasser nicht wie andere beliebte Modelle direkt über dem Kopf durch Strom erhitzt, was etwas irritierend sein kann.

Am dritten Tag liessen wir unser Gepäck in der Cabina um zum Gipfelsturm anzusetzen. Je früher man oben sei, umso grösser die Chancen auf klare Sicht – im Optimalfall auf Atlantik und Pazifik. Ohne Gepäck flitzten wir plötzlich wie mit Rückenwind die restlichen 10 km und siebenhunderirgendetwas Höhenmeter hoch und waren prompt zu früh oben. Geöffnet wir um acht und als wir kurz darauf mit gelöstem Ticket an den Kraterrand hinunterfuhren war der Nebel auch schon da, sogar ziemlich viel davon. Nix mit Aussicht, dafür richtig schön windig und kalt. Die Abfahrt war dann umso schöner und es wurde mit jedem gefahrenen Meter wärmer.

Volcán Poás – bestes Wetter!

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Blick ins Tal – irgdendwie vertraut

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Je näher wir in den Grossraum von San José kamen, umso dichter wurde der Verkehr und plötzlich waren wir mittendrin. Der Verkehr war nicht so schlimm wie befürchtet und so drehten wir im Zentrum von San José ein paar Runden auf der Suche nach einer Unterkunft – die wir dann schliesslich im Staddtteil Los Yoses fanden. Die typische Eigenschaft zentralamerikanischer Städte in Cuadras gegliedert zu sein würde die Navigation etwas einfacher machen – wären da keine Einbahnstrassen.

San José

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Plato del dia – Hauptgang, Salat, Dessert und Getränk

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Nach vier kurzweiligen und zugegebenermassen etwas verfressenen Tagen in San José zog es uns dann an einem Sonntagmorgen weiter, Puerto Limon an der Atlantikküste im Visier. Als ein paar Kilometer ausserhalb der Stadt die Strasse plötzlich zu Autobahn wurde machten wir uns kurz etwas Sorgen, bevor wir von zwei freundlichn älteren Herren auf modernsten Rennrädern weitergewunken wurden. Sie versicherten uns, das Radfahr-Verbotsschild wäre hier nicht von Bedeutung, zeigten uns gleich noch wie man die Mautstationen umfahre (hinter dem Häuschen, nicht vorne) und begleiteten uns plaudernd für eine Weile. Und tatsächlich tummelten sich auf dem Pannenstreifen der Autobahn auf den nächsten 10 km ganze Radfahrergruppen in sportlichen Tricots auf federleichten Rennrädern.

Autobahn bei San José

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Kurz darauf schloss bei einem Erfrischshalt ein Reiseradler zu uns auf. Patrick aus Davos war auf den ersten Kilometern seiner Reise, die ihn auch in den Süden führen soll. Gemeinsam fuhren wir tretend und über Erlebtes plaudernd die verbleibenden etwa 30 Kilometer nach Turrialba. Dort besuchte Patrick ein Spanischschule und und wir gönnten unseren beiden Lasträdern neue Ketten – sie hatten sichs ehrlich verdient.

mit Patric

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nahe Turrialba

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„Ciclo“ in Turrialba

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 Turrialba

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Von der Küste trennten uns jetzt noch etwa 100 Kilometer. Nach erst fordernden und dann rollend-hügeligen aber wunderschönen fünfzig davon suchten wir in Siquirres eine Bleibe für die Nacht und fanden dies schliesslich bei den Bomberos, der Feuerwehr. Die vier Herren der diensthabenden 24-Stundenschicht boten uns das Gästezimmer der örtlichen Feuerwehr und gleich noch ein feines Mittagessen an. Obwohl sie arbeiteten kümmerten sie sich rührend um uns und fanden immer wieder Zeit für interessante Gespräche und das eine oder andere Spässschen. Und bevor wir am nächsten Morgen losfuhren lud man uns nach der Schichtübergabe (8.00 Uhr) noch zum gemeinsamen typischen Tico-Frühstück in der Feuerwehrküche ein: Gallo Pinto (Reis mit Bohnen, ein Gericht das Costa Rica und Nicaragua als ihre Erfindung rühmen) mit Baguette, Käse, und Natilla (Sauerrahm)….und damit wir nicht hungern sollten erhielten wir gleich noch sechs in Bananenblätter eingepackte „Tamales de Cerdo“ (in Bananenblätter eingepackte und gekochte Knödel aus Maismehl, Schweinefleisch und verschiedenen Gemüsen) mit auf den Weg.

Bomberos de Siquirres – der Kommandante machte das Foto

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Kleingetier

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Von Puerto Limón trennten uns jetzt noch 60 Kilometer auf einer stark von Schwerverkehr befahrenen Strasse die, wie wir aus aktueller Feuerwehrquelle wussten, sehr gefährlich sei. (Bilanz der letzten Nacht: drei Tote). Wir fuhren vorsichtig, schwitzten stark (43°C) und erreichten am frühen Nachmittag die vielverteufelte, bunte und etwas verlotterte Hafenstadt Puerto Limón. Die Konsequenzen unserer Ankunft sollten für die Bevölkerung nicht so schwerwiegende Folgen haben wie die Ankunft von Kolumbus und seinen Mannen auf der Insel Uvita direkt vor der Stadt. Wir nahmen keine Sklaven, suchten keinen Streit und waren am nächsten Morgen wieder weg – unterwegs zwischen Palmen und unter praller Sonne, dem Meer entlang Richtung Süden nach Cahuita. Noch 50 km nach Panama.

Stau auf der Panameriacana

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Puerto Limón

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Chiquitaland

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Das oft gerühmte Cahuita ist ein kleines, relativ touristisches Dorf mit afro-karibischem Flair direkt neben dem gleichnamigen Nationalpark an Costa Ricas Atlantikküste. Der Nationalpark, auf einer Landzunge im Meer gelegen, bot uns die Möglichkeit im Wald herum zu schleichen und Tiere zu sehen.

„Parque Nacional Cahuita“ – Traumstrände!

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Tiere im „Parque Nacional Cahuita“

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Nach vier Tagen in Cahuita setzte der Regen ein. Dies war für uns das Zeichen unsere Sachen zu packen und uns auf den kurzen (50 km) Weg nach Sixaola, an die Grenze zu Panama zu machen. Auf in ein neues Land!

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GALLERIE ZUM BLÄTTERN

Nicaragua | wilder Westen

563 Kilometer / 38 Tage / 1 Platten

Route: Somotillo (Grenze Honduras) – Chinandega – León – Nagarote – Managua – Masaya – Granada – San Jorge – Ometepe – Rivas – San Juan del Sur – Playa Maderas – San Juan del Sur – Peñas Blancas (Grenze Costa Rica)

Montagmorgen, Kilometer 644 und die dritte Grenze unserer Reise am Rio Gausaule. Wir alten Füchse passierten die Grenze mit wehenden Fahnen (lächeln und plappern hilft auch hier) und schossen natürlich gleich auch das, von den honduranischen Grenzbeamten bewilligte, Foto auf der Grenzbrücke.

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Da hatten wir aber die Rechnung ohne die Soldaten auf der anderen Seite der Brücke gemacht. Und so wurden wir kurz darauf von Nicaraguas Grenzsoldaten ziemlich unfreundlich dazu aufgefordert, die Kamera herauszurücken. Wir sahen unsere Fotos schon verloren, doch den Nicas ging es nicht um Spionage oder ähnliches, sonderen einfach darum, dass sie persönlich nicht auf den Bildern zu sehen sein wollten – was sie waren. Wir zeigten ihnen aber nur das erste Bild (auf welchen sie nicht zu sehen waren) und schnell wurden die grimmigen Gesichter freundlich ¡Bienvenidos a Nicaragua!

Nicaragua begrüsste uns mit brandneuem Asphalt, in starkem Kontrast zu Honduras‘ löchrigen Strassen und wir rollten bereits nach wenigen Kilometern im Grenzstädtchen Somotillo ein, dem ersten Ort nach der Grenze. Dort wechselten wir erst einmal ein paar Dollar bei den „Coyotes“, den Geldwechslern auf der Strasse, machten den Markt unsicher und sogen die ersten Eindrücke von Nicaragua auf. Und siehe da, im gleichen Hotel (eines von zwei in Somotillo) trafen wir auf einen anderen Radreisenden.

in Somotillo

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Ciclistas

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Unser Weg durch Nicaragua war von Vulkanen gesäumt, manche rauchend, die meisten jedoch – es war Regenzeit – in eine dicke Wolkenmütze gehüllt. Nicaragua war Cowboy-Land, besonderes im Norden. Überall Rinderherden, Cowboys auf Pferden und natürlich, da wir ja immer noch auf der Panamericana fuhren, der eine oder andere Lastwagen unterwegs nach Costa Rica, Honduras, El Salvador oder Guatemala. Je näher wir Managua kamen, umso stärker wurde der Verkehr und umso schmaler wurde der Seitenstreifen auf welchem wir normalerweise fuhren…bis er schliesslich nur noch aus Kies und einzelnen bröseligen Flecken Asphalt bestand und uns zwang, auf der Strasse zu fahren und den Lastwagen ihre Spur streitig zu machen. Eine nervenaufreibende Angelegenheit.

Erfrischungsstopps

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unterwegs auf der „Carretera Interamericana“

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Von Somotillo aus pedalten wir via Chinandega, der heissesten Stadt Nicaraguas, nach León. Die Strecke von Chinandega nach León war mit etwa 40 km zwar kurz, war aber für einige Überraschungen gut. Es war der 15. September, Nationalfeiertag in Nicaragua, Honduras, El Salvador und Guatemala. Wir hatten im Vorfeld an verschiedenen Orten Proben beobachten können. Heute galt es aber ernst und so hielten wir neugierig an, als in einem Dorf gerade ein Umzug im Gange war. Sofort kamen wir mit Jenny und Haniel, zwei aufgeschlossenen Mädchen ins Gespräch, die uns dann gleich mit zum Festakt mit Tanz und Ansprachen in die örtliche Schule schleppten.

15. Septemer, Unabhängigkeitstag in Nicaragua

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Da sich aber ein Sturm anbahnte riet man uns, uns schleunigst auf denn Weg zu machen – wir kamen 200 m bis es in Strömen schüttete. Unter einem Baum fanden wir Zuflucht (wurden aber trotzdem tropfnass) und als der Regen nach einer halben Stunde immer noch nicht nachliess, entschlossen wir uns zur Weiterfahrt im Regen. Dainas Reifen hatte aber bereits eigene Pläne gemacht und seiner Luft die Freiheit geschenkt. Zwei freundliche Jungs auf der anderen Strassenseite winkten uns zum Glück unter das Vordach ihrer Hütte und gemeinsam flickten wir den Schlauch im Trockenen. Aber viele Köche verderben den Brei und wir mussten das Ganze nach wenigen Kilometern wiederholen. Diesmal kamen wir mit dem freundlichen Wachmann Miguel ins Gespräch, der sich danach mehrmals telefonisch meldete und rührend besorgt darum war, dass wir Nicaragua von seiner besten Seite kennenlernen.

Reifen flicken

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In León, 1524 von den Spaniern gegründet und nach Managua die zweitgrösste Stadt in Nicaragua, gönnten wir uns ein paar Tage Rast. Wir schlenderten durch die breiten Strassen mit ihrem etwas verlotterten, kolonialen Charme, schlugen uns die hungrigen Bäuche voll und besuchten das Revolutionsmuseum. Dort erhielten wir eine eindrückliche Führung durch einen verschmitzten ehemaligen Revolutionär, Kampfname „Comandante Hugo“, der in einer um Jahre jüngeren Version auf einem Teil der Fotos posierend und triumphierend zu sehen war. Er führte uns durch die düsteren Räume des Museums und spickte die geschichtlichen Ereignisse mit seinen eigenen Erlebnissen.

León und seine Kirchen

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im Revolutionsmuseum mit „Comandante Hugo“

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ehemalige Kämpfer warten auf ihren Einsatz als Museumsführer

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Graffiti in León

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Doch bereits nach wenigen Tagen juckte es uns wieder in den Beinen und so fuhren wir weiter, entlang der Cordelliere, flüchteten eine Nacht vor heftigem Regen ins kleinen Städtchen Nagarote. Kurz vor Managua machten wir am nächsten Tag die Bekanntschaft eines einheimischen Radfahrers. Orlando (ohne Gepäck dafür, auf einem klapprigen alten Renner) schloss kurz zu uns auf und so kam man tretend ins Gespräch über Gott und die Welt – mit einem Ohr immer auf die heranbrausenden Lastwagen gerichtet. Orlando wartete auch geduldig, als wir am Stadtrand von Managua in einem trockenen Wassergraben einen Platten flicken mussten. Nach getaner Arbeit trotzten wir gemeinsam dem hektischen Verkehr Managuas. Als dann des Verkehrsgewusel etwas nachliess und wir die vierspurige Ausfallstrasse nach Masaya, unserem eigentlichen Ziel an diesem Tag, erreicht hatten, verabschieden wir uns. Radfahren verbindet!

Reifenpanne vor Managua

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Doch wir sollten Masaya an diesem Tag nicht erreichen. Aber nicht etwa wegen widrigen Verhältnissen oder einem Unfall, sondern weil wir etwa 15 km nach Managua den „Parque Nacional Volcán Masaya“ passierten. Nach einem kurzen Schwatz mit der freundlichen Parkwächterin am Eingang liessen wir von unserem ursprünglichen Plan ab und beschlossen, die Nacht im Park zu campieren. Man liess uns freundlicherweise neben dem Besucherzentrum / Museum campieren. Nachdem der Park um 17 Uhr seine Tore schloss waren wir dann alleine im Park, jedenfalls fast, abgesehen von einem herumschleichenden Parkwächter, der uns einschärfte, ja nicht im Dunkeln die Vulkane erklimmen zu wollen! Wir waren brav, befolgten seine Anordnung, genossen die fantastische Aussicht über die Laguna de Masaya und wurden mit einem spektakulären Sonnenuntergang belohnt.

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Am nächsten Morgen waren wir bereit für den steilen, ohne Gepäck federleichten, Aufstieg an den Kraterrand. Es waren heisse und steile 4 km durch bizarre Lavafelder und schweflige Nebelschwaden. Und wieder wurden wir mit einer wahnsinns Aussicht belohnt.

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Am Kraterrand

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Masaya war nach dem Park eine gute, lebendige Abwechslung. Gerade an diesem Wochenende fand die alljährliche „Desfile Hipico de Masaya“ statt, ein dreistündiger Umzug zu Pferd durch die Stadt. Dabei versuchte jeder Pferdebesitzer, sich und sein Pferd von der besten Seite zu präsentieren- was oft gelang. Kurz ein Cowboy-Umzug erster Güte. Für einige standen die Pferde im Mittelpunkt, für die meisten schien es jedoch mehr um Speis und vorallem Trank zu gehen. Alles in allem also ein wilder Mix aus betrunkenen Reitern im Sonntagsgewand, Familien-Saufgelagen im Stadtpark, Jahrmarktstimmung für die Kinder und ein Transvestitentanzwettbewerb zum Schluss. Alles sehr unterhaltsam, wir sind aber nicht sicher, ob es die Pferde auch geniessen konnten.

Hipico de Masaya

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Nach Masaya statteten wir Granada am Lago Cocibola (Lake Nicaragua) einen Besuch ab. Die Stadt scheint Kirchen im Überfluss zu haben und etwa ähnlich viele Touristen. Wir hatten ein paar schöne Tage und fuhren dann 70 km nach Süden um von San Jorge mit der Fähre noch Ometepe, einer Insel im Lago Cocibola, überzusetzen. Aber soo einfach ging das dann doch nicht! Da musste zuerst Hafensteuer für Personen und am Fenster für Fahrzeuge dann noch eine Fahrrad-in-den-Hafen-Steuer bezahlt werden. Schliesslich durften wir unsere Räder über eine Planke aufs Schiff schieben. …und wie fast immer wenn wir uns aufs Wasser begeben fing es kurz darauf an zu regnen.

Granada

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Die kleine Insel Ometepe könnte mit ihren zwei Vulkanen Jim Knopfs Lummerland sein, gäbe es bloss eine Eisenbahn und einen König. Da es aber keine Eisenbahn gab, umrundeten wir Ometepe auf seinen holprigen und teils steilen Strassen zu Rad und zu fuss, schliefen im Zelt, bestaunten die Schönheit der Natur, beobachteten Brüllaffen, bewunderten bunte Vögel, wurden von Papageienlärm geweckt, plauderten mit Bauern und Fischern, futterten grosse Fische, kayakten im Sonnenuntergang auf dem See herum und traffen Reisende aus aller Welt, So verbrachten wir lustige Tage mit Shane (IRL) und Abby (USA). Und nebenbei ernährten wir ganze Moskitofamilien mit unserem reichhaltigen Blut. Kurz, das gemächliche Inselleben zog uns rasch in seinen Bann – und unsere Hängematten erledigten den Rest.

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Moyagalpa mit Blick auf Vulkan „Concepción“

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„Congos“ – Brüllaffen

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holprige Wege um Ometepe

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Vulkan Concepción

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Mit Abby und Shane auf dem Fluss

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Prozession in Altagracia

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Verschnaufpause

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wie überall in Nicaragua: Werbung für die Partei FSLN am Strassenrand

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Camping

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Lago Cocibola

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Als wir das nächste Mal auf die Uhr sahen, waren zwei Wochen um und es war an der Zeit, aufs Festland zurückzukehren.

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Rivas – Festland

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Damit wir jederzeit Kokosnüsse öffnen können sahen wir es als dringend notwendig an, eine Machete zu kaufen. Dieses Vorhaben setzten wir zurück an Land gleich in die Tat um, bevor wir die verbleibenden 30 km von dunklen Sturm- und Regenwolken gejagt an den Pazific preschten. Sie haben uns natürlich nicht einholen können! So erreichten wir verschwitzt aber mit neuer Machete San Juan del Sur, einem Surferstädtchen am Pazifik. Wo wir gleich auf mehrere bekannte Gesichter stiessen, Brendan (IRL) hatten wir schon in Antigua kennen gelernt, Abby und Shane wie auch Loz (ENG) und Jed (USA) in Ometepe. Dazu kamen noch Joanne und Neil aus Australien, die Shane schon in Südamerika und Panama getroffen hatte. Wir verbrachten dort ein paar unterhaltsame Tage und Nächte und campierten dazwischen ein paar Nächte am abgelegnen Traumstrand „Maderas“. Der Weg dorthin und wieder zurück war excellentes offroad Training und wir konnten an unseren Schlammfahrkünsten feilen, bis sich die Räder vor lauter Schlamm fast nicht mehr drehen liessen.

vom Regen gejagt

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Strand – schön streng!

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…mit „Radleibchen“

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San Juan del Sur

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„Piraten“ am Strand

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Und dann hiess es wieder einmal Abschied nehmen und auf in den Sattel, für die verbleibenden 48 km nach Peñas Blancas, der Grenze zu Costa Rica.

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Galerie in gross:

Honduras | gescheiterter Staat

ca. 140 Kilometer / 4 Tage

Route: Goascoran (Grenze El Salvador) – Nacaome – San Lorenzo – Choluteca – Gausaule / Somotillo (Grenze Nicaragua)

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Honduras, gescheiterter Staat und die Sorgenetappe für viele Panamericana-Radler. Aufgrund des bergigen Landesinneren (wer will sich das als Reiseeinstieg schon antun?), hatten wir uns bereits in Guatemala entschieden, Honduras nicht in seiner ganzen Länge zu duchqueren. So nahmen wir nur mit dessen südwestlichen Ausläufer zwischen El Salvador und Nicaragua vorlieb. Der Ruf des Landes war nicht der beste. Korrupte Polizei, Gangprobleme und Raubüberfälle an der Tagesordnung. Da wir allerdings die beiden grossen Städte Tegucigalpa und San Pedro Sula meiden würden, sollte uns dies weniger betreffen. Kein Grund zur Sorge also. So gingen wir die Grenze (dem Ruf nach schwierig und hektisch) entspannt an. Es würde schon gut gehen. Und dies tat es auch! Ein bisschen freundliches Geplauder auf salvadoranischer Seite und noch mehr davon auf honduranischer… und schwupps, schon winkte man uns freundlich durch und wünschte uns eine gute Reise…. ohne korrupte Forderungen, ohne Schwierigkeiten wegen der Räder, ohne Gepäckkontrolle. Bienvenidos a Honduras!

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So radelten wir so gegen neun Uhr morgens vergnügt und etwas verblüfft über holprigen honduranischen Asphalt. Passanten winkten, Menschen strahlten und alle Kinder waren geschniegelt. Was war los? Hatten wir uns im Datum geirrt und es war Sonntag? Wie sich herausstellte war nationaler Tag der Kinder, also allemal ein Grund sich herauszuputzen und Ballons zu halten. Auffallend aber war die plötzliche Absenz von Stacheldraht- und Elektrozäunen um Häuser und Gärten herum und auch nicht jedes Fenster und jede Tür war mehr vergittert, wie noch vor wenigen Kilometern auf der anderen Seite der Brücke. So schlimm konnte es dann wohl nicht sein.

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Weiterhin ging es durch hügeliges grün und einige wenige kleine Dörfchen aber im Kontrast zum dicht besiedelten El Salvador hat das um ein vielfaches grössere Honduras nur etwa einen Fünftel so viele Einwohner. Dies war deutlich spürbar und so erreichten wir nach teils menschenleeren 30 Km die erste kleine Stadt, Nacaome. Überrascht mussten wir feststellen, dass es in Honduras Löwen und Leoparden gibt – zu unserem Glück (und ihrem grossen Unglück) gehörten sie aber zum Zirkus,  dessen Zirkuszelt im Hintergund stand. Aus den Lautsprechern plärrte es zum Tag der Kinder: „hoy todo los niños gratis!“

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Verlockend…aber wir suchten uns lieber ein Zimmer wo es sich gut aushalten liess und der Besitz nebenan gleich noch Sättel fertigte und reparierte. Das erklärte gleich auch die roten Finger – diese waren uns beim Einchecken gleich aufgefallen. Nacaome war in Feststimmung und vor dem örtlichen Supermarkt wurden mit Eifer Piñatas verhauen und Honduras spielte ein Qualifikationsspiel gegen Panama (im TV). Ein 2:2 trübte die Freude leider etwas. Aber auch hier war bei Einbruch der Dunkelheit Rückkehr hinter Hotelmauern angesagt. Dort blieben wir dann gleich auch noch einen Tag länger, da Dainas Magendarmtrakt von aufständischen Dämonen heimgesucht wurde.

Nacaome

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Zweiter Stopp, etwa 60km weiter und Daina bei besserer Gesundheit, war Choluteca: gösser, lebendiger, auch gutes Essen (sie habens wirklich drauf, die centroamericanos!) und sympatisch.

Hotel in Choluteca

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Auch hier kamen wir immer wieder ins Gespräch mit freundlichen und oft sehr offenen Menschen. Von Fussball über Religion, den Preis unserer Fahrräder, die Mühen des täglichen Lebens bis zu unserer mysteriösen Nicht-Gringo-Herkunft (Gringos sind nur Amis) war alles wurde besprochen. So erfuhren wir zum Beispiel von einem Miguel, dass man ja in Europa vorwiegend Dosennahrung isst. Er wisse dies, weil nach dem Hurrikan Mitch, der Honduras schwerstens zugesetzt hatte, die ganzen Nahrungsmittelhilfe in Dosenform ankam – wir wissen ja auch, dass alle Südamerikaner „el condor pasa“ auf der Panflöte spielen…

Shopping am Strassenrand – kein Dosenfutter

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An unserem 4. Tag in Honduras packten wir wie gewohnt morgens um 6 Uhr unsere 100 Sachen und strampelten die restlichen, hügeligen, knapp 50 km zur Grenze am Rio Guasaule. Honduras war zu uns freundlich, sehr schön und sehr regnerisch, hügelig, grün, lebendig und in Vorfreude auf den bevorstehenden Nationalfeiertag (wie auch in Guatemala, el Salvador und Nicaragua der 15. September) überall mit blau-weiss-blauen Fähnchen bestückt.

Schwerverkehr auf der „Panamericana“

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Pause mit musikalischer Unterstützung

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Und zum Schluss wurden wir freundlichst von den zuständigen Grenzbeamten verabschiedet – mit der Erlaubnis, noch ein Foto von der Grenze zu schiessen.

Grenzrummel in Guasaule – Geldwechsler, Taxis, etc.

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Adios Honduras – Grenzbrücke über den Rio Guasaule

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…und wie gewohnt, zum Schluss die Galerie zum blättern:

El Salvador | im Land der Maras

ca. 360 Kilometer / 13 Tage / 2 Platten 

Route: La Hachadura (Grenze Guatemala) – Cara Sucia – Playa El Zonte – Playa El Tunco – La Libertad – Zacatecoluca – Usulutan – San Miguel – Santa Rosa de Lima – Goascoran (Grenze Honduras)

 

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Unser erster Grenzübertritt mit dem Fahrrad war von freundlichen Grenzbeamten, sowie auf guatemaltekischer als auch auf salvadoranischer Seite, geprägt. Zwar durfte bei der Einreise der genaue Name und Standort unseres Landes erklärt werden, da hilft nämlich auch die fragwürdige Karte auf der ersten Seite unseres Passes nichts. Daran liessen sich aber auch gleich unsere Spanischkenntnisse messen und wir durften zufrieden passieren.

Vulkane überall

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Bei brütender Hitze und angefeuert von Passanten (Erwachsene und Kinder am Strassenrand winkten freundlich und Autofahrer hupten ermunternd, während wir nur deren Hände oder hochgestreckte Daumen aus den Fenstern winken sahen – dies sollte im ganzen Land so bleiben) erreichten wir 10 km später das erste Dorf in El Salvador, Cara Sucia. Dort nächtigten wir in einem Hotel, stellten unsere innere Währung von guatemaltekischen Quetzales auf US Dollars um und machten unsere ersten Erfahrungen mit „Pupusas“, dem Nationalgericht El Salvadors. Pupusas sind mit Bohnenpaste und Käse gefüllte Tortillas welche dann von Hand (mit den Fingern) mit Tomatensauce und Krautsalat gegessen werden. Eine leckere Sache, solange man es nicht übertreibt. Werden sie doch als Frühstück, Mittag- und Abendessen serviert.

Unsere Route durch El Salvador sollte grob der „Carretera Litoral“, El Salvadors Küstenstrasse, folgen. Diese durchkreuzt das Land der Länge nach von Westen nach Osten. Im Gegensatz zur vierspurigen Panamericana (hier „Carretera Interamericana“ genannt) mit ihren Lastwagen und Abgasen, folgt die Carretera Litoral jedoch – mit teils bis zu 50 km Abstand – der Küste. Ausserdem konnten wir es so vermeiden, den Moloch San Salvador durchradeln zu müssen….so genau wollten wir das Problem mit den „Maras“ (MS13 und M14, zwei rivalisierende Strassengangs mit landesweit über 100’000 Mitgliedern) in El Salvadors Hauptstadt ja nicht kennenlernen.

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Am zweiten Tag in El Salvador radelten wir also wieder früh los und legten, angetrieben vom Gedanken an Meer und Strand, fast 100 km entlang El Salvadors Balsamküste zurück. Die ersten 50 davon waren flach und führten uns durch kleine Dörfer und Ortschaften entlang der Strasse. Diese hatte hier, wie schon in Guatemala, je eine Spur pro Richtung plus einen Randstreifen – perfekt für Fussgänger, Reiter, Ochsenkarren und „Radlaster“ wie uns. Dies galt für den Grossteil unserer Strecke in El Salvador.

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Bei regelmässigen Trink- und Futterstops kamen und kommen wir auch immer wieder ins Gespräch mit passanten, von Ladenbesitzern, Getränkehändlern und Lastwagenfahrer über den fliegenden Käse- und Wurstverkäufer bis hin zu radelnden Schuljungen. Für Unterhaltung war gesorgt, und auch für umterschiedlichste Distanz- und Topographieangaben über die uns bevorstehende Strecke!

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mobiler Käse- und Wursthändler

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Die zweiten 46 Kilometer auf der Carretera Litoral waren dann plötzlich nicht mehr flach sonder ein ständiges auf und ab – meist in Sicht- und Hörweite des Pazifiks. Wunderschön! Wir trampelten durch grünen Dschungel im Schatten der Baumriesen, über Klippen, an Buchten entlang und durften nach jedem Aufstieg wieder ein paar Kilometer ins Tal sausen.

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Schutz vor dem Regen

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„surfen“ in Formation

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So erreichten wir gegen Abend El Zonte, einen kleinen Surfstrand. Zwei Nächte hier und ein paar Tage und Nächte im 10 km weiter gelegenen El Tunco – Meer, Hängematte, Swimmingpool! – liessen uns die kleinen und grossen Anstrengungen der ersten Etappe vergessen.

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Und dann war es wieder an der Zeit, in die Sättel zu steigen. An den folgenden sechs Tagen legten wir jeweils an die 60 km pro Tag zurück. Mit einem Pausetag nach dem Motto: „am fünften Tage sollst Du ruhen“. Dank frühen Starts waren wir meist trotz häufigen Trink- und Schattenstops um die Mittagszeit am Ziel.

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So hatten wir die Nachmittage zur freien Verfügung um die jeweilige Stadt und deren Markt zu erkunden, uns die Bäuche mit leckerem Essen vollzuschlagen – oder einfach in einen tiefen Erschöpfungsschlaf zu sinken.

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Da wildes Campieren aufgrund der Sicherheitslage in El Salvador nicht so angesagt ist, nächtigten wir in billigen Absteigen oder campierten (wie in San Miguel) im örtlichen Turicentro, einer Art Freibad. Dieses war, da staatlich, auch von einer Einheit Soldaten bewacht, welche sich rührend um unsere Sicherheit besorgten.

mit den Herren des Turicentros in San Miguel

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Das Thema Sicherheit war auch in Gesprächen mit Einheimischen immer wieder ein Thema. Wir wurden mit guten Ratschlägen eingedeckt (nie nachts fahren, nur an Tankstellen nach der Richtung fragen, keinem sagen wohin wir wollen, etc.) oder gefragt, warum wir ausgerechnet „im gefährlichsten Land der Welt“ radfahren würden und ob wir keine Angst hätten. Diese Ratschläge befolgten wir brav und verliessen bei Dunkelheit die Hotels nicht mehr.

Macheten – persönliche Sicherheit und Statussymbol

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Angst hatten wir aber meist nicht, da die Menschen überall sehr freundlich waren und wir nie durch total abgelegene Gegenden fahren mussten. Dennoch waren wir erleichtert als wir nach knapp zwei Wochen im wunderschönen El Salvador ohne Probleme El Amatillo, und damit die Grenze zu Honduras erreichten.

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Und zum Schluss noch alle Bilder zum durchstöbern – Galerie in gross:

Guatemala | am Anfang

32 Tage / 151 km / 72 Stunden Spanischunterricht

Route Guatemala

Route: Antigua Guatemala – Escuintla – Taxisco – Chiquimulilla – Ciudad Pedro de Alvarado (Grenze El Salvador)

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Unsere Zeit in in Antigua war wunderschön, schien ewig lange und ging doch soo schnell vorüber. Antigua, die alte Hauptstadt von Guatemala, steht unter Denkmalschutz. Sie hat einen ganz besonderen Charme, mit ihren gepflasterten Gassen und bunten Häusern und sitzt zwischen drei Vulkanen. Dort hatte sie aber oft kein leichtes leben. Sie wurde von Erdbeben erschüttert und von nahen Vulkanen bedroht. Einer davon, der Vulkan Agua hat die Stadt über die Jahrhunderte schon mehrmals zerstört und verwüstet.

Antigua Guatemala

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Wir hausten im sympatischen und sehr persönlichen kleinen Hotel mit dem Namen „place to stay“. Ausser uns wohnten hier noch acht Katzen, ein Hase (der sich auch für e

ine Katze hält), eine Schildkröte, mal mehr und mal weniger Gringos wie wir, sowie Raul und Fernando. Die beiden Brüder sorgen für Ordnung, kümmern sich um die kleinen und grossen Sorgen der Gäste und Tiere und sorgen nebenher noch für Unterhaltung und gute Gesellschaft. Wir kamen, sahen und blieben gerne! So wurden aus den geplanten zwei Wochen kurzweilige vier Wochen.

Blick vom Dach

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Unser Zimmer

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Die wartenden Drahtesel

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Daina mit Fierinho

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Chickenbuses

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Monster „Feria“ im nahen JocotenangoDSC02289_800x600

WochenendradausflugDSC02285_450x600

Wir drückten brav jeden Morgen fleissig für vier Stunden die Schulbank – obwohl von Bank hier keine Rede sein kann. Unser Schulzimmer war nämlich ein schöner, grüner Schul-Garten mit Plastikstühle und Sonnenschirmen. Hier lernten, schrieben, konjugierten und plapperten wir jeden Morgen von halb neun bis halb eins zusammen mit unserer fröhlichen Lehrerin Judith. Das Ganze ausschliesslich auf spanisch. Danach kam uns jeweils alles ein Bisschen spanisch vor und wir belohnten unsere geschundenen Gehirne mit bestem Essen im Markt.

Schule

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Pausenhunger

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Essen im Markt

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Nach vier Wochen in Antigua Guatemala wurde es langsam aber sicher Zeit für uns, Abschied von der kleinen Hotel-Familie zu nehmen, unsere Räder zu satteln und die Strassen Zentralamerikas unsicher zu machen. Und so schwangen wir uns am Montag, den 26. August zum ersten mal auf unsere voll bepackten Drahtesel um den langen Weg nach El Salvador in Angriff zu nehmen.

„Place to Stay“

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Unsere erste Etappe war kurz entlang der Küstenstrasse (Carretera Pacifico), vorwiegend abwärts und führte ums vom kühlen Antigua (ja, wir mussten jede Nacht auf unsere Schlafsäcke zurück greifen!) in die heisse Ebene von Escuintla. Hier wehte bereits ein anderer Wind. Plötzlich waren alle Läden vergittert und von der Apotheke über den Kleiderladen bis zur Imbissbude war alles schwer bewacht. Diese Tendenz verstärkte sich noch bei unseren nächsten beiden Übernachtungsstop vor der Grenze, wo wir jeweils eine billige Absteige suchten und auch fanden. Taxisco und Chiquimulilla waren kleine Westernstädtchen, so schien es uns wenigstens. Cowboyhüte und Cowboystiefel überall und in jedem dritten Gurt steckte eine Waffe, mit den passenden Ersatzmagazinen griffbereit – alles natürlich nur zum Schutze der Rinder. Aber insgesamt also eine ziemlich gute Stimmung, für uns aber etwas ungewohnt.

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Tagsüber fühlten wir uns jedoch überall sehr wohl und sich. Die Carretera Pacifico verlief zwar immer etwa 50 Km von der Küste entfernt, aber die paradiesisch grünen Landschaften, rollenden Hügel, endlosen Weiten und rauchenden Vulkane liessen uns dies auf der Stelle vergessen. Neben uns tummelten sich hier noch der eine oder andere Überlandlaster auf dem Weg nach El Salvador, Nicaragua oder Costa Rica. Da die Strasse aber eine kleinen Trottoir-ähnlichen Seitenstreifen hat fuhr es sich da ziemlich entspannt und die Windstösse der dahin bretternden Lastwagen waren beinahe schon angenehm kühlend.

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Die Hitze erreichte teils schon um elf um die 46°, Lastwagenkühlung hin oder her. Zum Radfahren einfach zu heiss!! So mussten wir bereits nach der zweiten Etappe umdenken und seither findet man uns schon kurz nach sechs Uhr morgens auf der Strasse. Denn wie schön entspannt strampelt es sich in der kühlen Morgenluft! Und wird es dann doch etwas heiss, bietet dies immer wieder einen willkommenen Grund für einen Abtropf- und Erfrischungsstopp und etwas Konversationsübung mit denn meist sehr freundlichen Einheimischen. Denn wo bekommt man schon von der Polizei Trinkwasser ausgehändigt?

Tienda am Strassenrand – Bier und Schnaps gibts hier auch..

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So fanden wir nach und nach heraus was wie am besten läuft. Dazu gehört auch, dass wir seit dem 3 Tag getauschten Rädern fahren um Dainas anfänglichen Knieproblemen (erfolgreich) entgegenzuwirken. Auf diese Weise erreichten wir gegen Mittag unseres vierten ‚Radtags‘ die Grenze zu El Salvador bei Pedro de Alvarado, welche wir auch problemlos und unbürokratisch passieren konnten. Genau der richtige Zeitpunkt um Daina über die angeblichen Gefahren des eben zurückgelegten Teils der guatemaltekischen ‚Carretera Pacifico‘ (trotzallem aber die sicherste Routenwahl!) zu informieren.

Galerie in gross:

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