Indonesien | Sumatras Berge

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März / April 2016
17 Tage, wovon 9 Tage im Sattel & 3 Tage krank
535 km, 10’261 Höhenmeter

Sumatra Superstars — Foto, Selfie, Hello Mister. Sumatra im Social-Media-Rausch!
Bukittinggi — Trails, Dschungel & Reisfelder
Berge — rollende Hügel & steile Strassen
Camping — Geheimdienst, Polizei & Karaoke

Route | Bukittinggi — Solok — Sungai (via Jl. Solok – Danau Kembar) — Solok Selatan — Kayu Aro — Sungai Penuh — Tapan — Mukomuko

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Route Bukittinggi — Mukomuko

Von Bukittinggi hatten wir uns kühlere Temperaturen, Touristen und entsprechend weniger freundliche Menschen erwartet. Also nicht allzuviel. Trotzdem gefiel uns die Stadt auf Anhieb, Die Touristenmassen blieben aus, sofern man bei 10 gesehenen Touristen pro Tag nicht von Massen sprechen kann. Die Menschen waren gewohnt freundlich und fröhlich, wenn auch etwas weniger neugierig als auf dem Land.

Wir fanden ein günstiges Zimmer im ‚Rajawali Homestay‘, dessen deutscher Besitzer Ulrich nicht nur ein Original, sondern auch ein Kenner der Strassen Sumatras, besonders der Region um Bukittinggi, ist. Sein Wissen teilte er gerne mit uns und so sassen wir nach zwei Touristen-Tagen (Marktbesuche, Erkundungsspaziergänge, Essens-Expeditionen, Fruchtsaft-Schlürfen, Kleider-waschen-lassen, Lesen) bereits wieder im Sattel.

bukittinggi

Im geschäftigen Bukittinggi, schön zwischen drei Vulkanen gelegen erkunden wir die Märkte.

mini

Ob Snacks im Miniformat…

früchte?

… Snacks in der Originalverpackung…

hand mit früchten

…oder Früchte zum angreifen, alles da!

durian

Diese stachligen Übeltäter hier, Durian genannt, riecht man lange bevor sie in greifbarer nähe sind. Sie stinken!

kücken

Auch sieht man, was mit Ostereiern geschieht, wenn man sie ausbrütet!

schlangen

Getrocknet verkaufen sich diese speziellen Snacks. Wir würden sie als Blindschleichen einstufen.

Ulrich empfahl uns eine Runde, die mit einem etwas holprigen Mittelstück gespickt sei. Dies liessen wir uns nicht zweimal sagen und nach knapp 20 Kilometern erreichten wir den Waldrand wo die Strasse zum Pfad wurde, der sich höher und höher wand. Nachdem der überwachsene Pfad durch den Dschungel im Anstieg zur kleinen Passhöhe rutschig und steil gewesen war (wir musste alles schieben), hofften wir oben angekommen, auf einen etwas einfacheren, vielleicht sogar teils fahrbaren Abstieg auf der anderen Seite. Weit gefehlt! Was früher einmal ein Weg gewesen sein mag, hatte sich der Urwald längst zurückgeholt! Der Pfad war jetzt oft nur noch als haarfeine Line durch das grüne Dickicht erkennbar — wenn überhaupt. Rambo hätte sich hier mit seiner Machete wohl gefühlt und dem Gebrüll in den Baumkronen über uns nach zu urteilen, taten es die Affen auch! Wir wünschten uns auch eine Machete herbei, versuchten den Gedanken an Schlangen auf dem meist unsichtbaren Boden vor uns zu verdrängen und stürzten uns, unsere Räder als rollende Heckenscheren vor uns schiebend, ins Gestrüpp. Meter um Meter um Meter um Meter kämpften wir uns durch das Dickicht, immer in der Hoffnung, das Grün um uns herum möge sich bald lichten, die Blätter uns nicht mehr in die Ohren kriechen und die Äste uns nicht mehr Füsse und Beine zerkratzen. Dies tat es nicht, und wenn dann nur kurz und oft nur, um uns mit Hindernissen wie umgestürtzten Urwaldriesen, übergrossen Spinnennetzen inklusive Besitzer auf Kopfhöhe oder tiefen Flussbetten ohne Brücken zu erschrecken. Rambo hätte es geliebt!

Irgendwann wurde der Pfad doch weniger holprig, das Gestrüpp lichter und schliesslich konnten wir — den dicken Reifen sei dank! — den letzten Dschungelkilometer durchs Gebüsch flitzen. Und dann, als ob nichts gewesen wäre, begann die Strasse wieder. Wir hatten für 9.5 Kilometer viereinhalb Stunden gebraucht! Als wir Ulrich am Abend davon erzählten fiel er aus allen Wolken. Er war die Strecke neun Jahre zuvor mit dem Motorrad gefahren. Da war sie noch durchgehend für Autos befahrbar und mit den nötigen Brücken bestückt! Tags darauf hängten wir gleich noch eine Runde, grob nach Ulrichs Vorschlägen, an. Sie führte uns in einem wilden Auf und Ab durch abgelegene Täler, vorbei an Bauern, Wasserbüffeln und Horden von johlenden Schulkindern und schlängelte sich mit uns durch Reisfelder und Wälder. Diesmal waren die Pfade meist breiter, durchgehend fahrbar — dafür jedoch oft unglaublich steil!

dschungel robin

Bereits der Anstieg ist nicht ohne, mit ‚Crocs‘ an den Füssen schon eine Herausforderung.

lenker dschungel

Und auch die ersten Meter im Abstieg verheissen auch nichts Gutes.

farne dschungel

Nicht bloss Farne und Gräser arbeiten gegen uns.

daina kriecht im dschungel

Manchmal müssen wir kriechen…

brücke

…und manchmal balancieren. Mit Fahrrad eine Nervensache.

blick zurück im dschungel

Der zweite Tag ist dann eher nach unserem Geschmack.

Zwei weitere Entspannungstage später begannen unsere Räder ungeduldig zu schnauben — es war Zeit weiter zu ziehen. Immer nach Süden durch die Berge ging es, wobei die erhofften kühlen Temperaturen ausblieben. In Kombination mit Strassen, deren Erbauers Ziel es gewesen sein muss, den direktest möglichen Weg nach oben zu nehmen und die oft entsprechend steil waren, machte uns die Hitze ganz schön zu schaffen.

berge

Südlich von Bukittinggi strampeln wir durch malerische Täler….

reisfelder

…und die Strasse windet sich in Kurven um Bergflanken und Reisplantagen.

regenschleier

Regenschleier eilen uns voraus oder folgen uns, doch sie erreichen uns selten.

jungel kerinci

Steile Anstiege führen uns weiter südlich durch nebelverhangene Wälder.

arbeiterinnen kerinci

…und Arbeiterinnen in Gummistiefeln nehmen weite Fussmärsche zu ihren Kaffeeplantagen in Kauf. Wir hören sie noch lange lachen.

kerinci raucht

Schliesslich kommt der rauchende Vulkan ‚Kerinci‘ in Sicht. War er früher von Urwald (Hutan) umgeben, so steht er heute inmitten von Teeplantagen.

teearbeiter

Wie überall wird auch hier gearbeitet — und wie überall ist man auch hier fröhlich!

Erschöpft nach langen Tagen und vielen Höhenmetern (Tagesrekord in Sumatra bisher: 2300 Hm) galt es jeweils eine Bleibe für die Nacht zu finden. An Wildcamping war bei der Bevölkerungsdichte — überall wohnte jemand, überall rief uns jemand zu — bisher nicht zu denken und so mussten wir uns anderweitig umsehen. Hotels waren dünn gesäht. Und wenn dann eines da war, bedeutete dies nicht, dass man dort auch nächtigen durfte! Eimal wurde uns kurz vor Einbruch der Dunkelheit die Unterkunft verwehrt, da wir keinen Trauschein (!) vorlegen konnten — Willkommen in Saudi Arabien! So landeten wir immer mal wieder bei der nächsten Polizeiwache, ob vom Regen oder eben von gläubigen Besitzern leerer Hotels getrieben. Dort gewährte man uns immer einen Zeltplatz für die Nacht. Immer war das Misstrauen zu Beginn gross — in Indonesien spricht niemand freiwillig mit der Polizei, warum sollten es also diese tropfenden Bleichlinge tun? Immer bot man uns an, wohl nicht ganz grundlos, die Dusche zu benützen und immer erhielten wir einen Raum für unser Zelt zugewiesen. Einmal allerdings erst Abends um neun, als die diensthabenden Herren Geheimdienst nach vier Stunden Wartezeit schliesslich ihren Kommandanten aufzuwecken wagten. Eine mächtige Regen-Gewitter-Kombination hatte uns hartnäckig die Weiterfahrt und -suche verunmöglicht. So campierten wir etwa in einem zerfallenden Nebengebäude, im Karaoke-Raum einer Polizeiwache (!) oder gar im Versammlungsraum der regionalen Filiale des Indonesischen Geheimdienstes (!!). Eine feine Sache, oft gefolgt von stundenlangen Gesprächen (oder Karaoke) mit freundlichen Polizisten. Wunderbar und unglaublich herzlich — aber in unseren Erschöpfungszuständen meist unglaublich streng!

karaokenight

Der Albtraum eines erschöpften Radfahrers: Karaoke-Camping im Versammlungs-/Karaokeraum der Polizei. Auch wir werden ans Mikro gebeten.

morgengrauen

Dafür sind wir nach solchen Nächten jeweils mit den ersten Sonnenstrahlen wieder auf der Strasse. Vor dem Antritt der Morgenschicht. Wann die Gefangenen hinter den Western-style Gittertüren nebenan wieder frische Luft schnuppern dürfen, werden wir nie erfahren.

garangan

Wir haben jetzt nämlich meist nur Augen für dies hier: Gorengan, fritiertes! Lecker, fettig, Frühstück.

Es muss für manch Einen ein wunderlicher Anblick gewesen sein, diese beiden Bleichgesichter mit grossen Nasen und roten Köpfen — auf Rädern! Denn Radfahren, wie jede Art von Fortbewegung durch Körperkraft, scheint in Sumatra ein ganz und gar fremdes Konzept zu sein. Scooter (Motorroller) sind Trumpf! Jeder hat einen, jeder fährt einen und jeder nimmt darauf so viele Kinder, Freunde oder Verwandte mit, wie er will. So wurden wir von Kindern mit dröhnenden Motoren überholt, von quietschenden Teenies mit wehenden Kopftüchern verfolgt und regelmässig von in den Rückspiegel staunenden Schülern ausgebremst. Wir wurden von Motorrädern aus angefeuert, angesprochen, ausgefragt, bejubelt, fotografiert, eingeladen und von ganzen Familien mit Selfiesticks auf Motorrädern für gemeinsame Fotos angehalten. „Hello Mister! Selfie, Selfie?“ Alles nur für Facebook, Instagram und Co. Langsam bekamen wir eine Vorstellung davon, wie sich anfühlen muss, berühmt zu sein. Dies in einem Masse, von dem manch ein Promi nur träumen kann! Endlich Superstar! … das wollten wir nie sein.

kids auf truck

Ganze Lastwagenladungen mit Schulkinder drehen bei unserem Anblick durch. Jede Bewegung in der Abfahrt, ein Ducken etwa, wird mit euphorischem Gejubel quitiert!.

family rini

Sobald wir anhalten werden Familien zusammen getrommelt…

mädels

…und lange geübte, oft ungeahnte Posen werden zum Besten gegeben.

Unsere zweitletzte Etappe zur Küste führte über die Berge und durch den Kerinci Nationalpark, einem Urwald um den gleichnamigen Vulkan. Dass hier Sumatra Tiger und Unmengen seltener, oft endemischer Vögel leben, liess man uns bereits im Vorfeld wissen — gesehen haben wir leider weder noch. Dafür wurden wir mehrmals fotografiert und erhielten einmal das Angebot zum Islam zu konvertieren und, so schlossen wir aus den Gesten, durch heiligen Krieg in den Himmel zu gelangen. Wir lehnten ebenso dankend ab, wie wir 2009 in Uganda inmitten von Tränengas und Gebrüll das Angebot eines Motorradtaxi-Fahrers ausgeschlagen hatten, Waffen zu ergreifen und uns am Sturz des Präsideten zu beteiligen. Ist einfach nicht unser Ding.

Was Natur und Strasse betraff, gehören die 45 Kilometer durch den Dschungel des Kerinci Nationalparks bisher zu unseren absoluten Favoriten in Sumatra. Die Strasse, für Autos unglaublich schlecht, war für uns der reinste Spielplatz. Ein Spielplatz in unglaublicher Naturkulisse, zwischen Urwaldriesen, Farnen, Blumen und Motorroller.

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Im Kerinci Nationalpark entdeckten wir keine Tiger, dafür Blumen.

hutan kerinci

Lichtet sich das Blätterdach, erhaschen wir Ausblicke auf den Ur-alten-Wald.

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So schlecht die Strasse für Autos ist, uns macht sie umso mehr Spass.

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Trotz Konzentrazion auf. die Strasse entdecken wir am Strassenrand immer wieder seltsames… Solches!

Endlich an der Küste gewann die Erschöpfung Überhand und Robin lag drei Tage mit einer Bauchinfektion in einem Hotelzimmer in Mukomuko, einem kleinen Nest mit Tsunami-Warnschildern und eigenem Flughafen. Als am Nachmittag des ersten Tages das Fieber Malaria-verdächtige Höhen erreichte, erfuhr Daina auf Nachfrage, dass das nächste Spital 20 Kilometer entfernt sei. Taxis gebe es aber keine. Ganz schlecht. Doch wer hatte da wohl zufällig eine Feier im selbigen Hotel? Die Polizei, komplett mit eigener Ärztin! Schnell erhielten wir Besuch von einer Horde Polizistinnen, die alle eimal sehen wollten, wie bleich den ein kranker Buleh wohl noch werden kann. Eine davon war scheinbar die Ärztin. Sie nahm jedenfalls den Blutdruck, führte die nötigen Untersuchungen durch — auch drücken am Schienbein durch mehrere der Anwesenden gehörte dazu — und stellte schliesslich die Diagnose. Die entsprechenden Medikamente gab es dann gleich mit dazu. Hat funktioniert. Danke, Polisi!