Juli 2018
8 Tage, davon 2 Ruhetage
663 km, 24’180 gestiegene Höhenmeter
Tusheti – wild und ‚abgelegen‘
Abano Pass – hinein und zurück
Atsunta Pass – wenn aufgeben Sinn macht
Planänderung – Hike-a-Bike über den Sazele-Pass
Georgische Heerstrasse – überholt und abgedrängt
ROUTE | Matsimi (Grenze Azerbaijan) – Lagodekhi- Kvareli – Pshaveli – Abano-Pass 2926m (nordwärts) – Omalo (Tusheti NP) – Verkhovani – Nakaitcho-Pass (bike-hike) – Dartlo – Girevi – Atsunta-Pass – Girevi – Dartlo – Omalo – Abano-Pass (südwärts) – Pshaveli – Akhmeta – Tianeti – Roshka – Sadzele-Pass, 3087m (bike-hike) – Juta – ‚Georgische Heerstrasse‘ (Kreuzpass, 2379m) – Tbilisi (Tiflis) | Mehr zur Route hier.
Georgien | die Rückkehr
Wir sollten in unserer Vorfreude auf die Rückkehr nach Georgien nicht enttäuscht werden. Bereits wenige Meter nach der Grenze bekam Daina von einer Frau Pflaumen in die Hand gedrückt und nur zwei Kilometer weiter wartete eine Feuerstelle im nahegelegenen Nationalpark als fantastisches Nachtlager auf uns.
Doch so schön die erste Nacht beim nächtlichen Heulen der Schakale im ‚Lagodekhi Nationalpark‘, direkt an der Grenze zu Aserbaidschan, war, der eigentliche Grund für unsere Rückkehr nach Georgien blieben die Berge. Insbesondere wollten wir ‚Tusheti‘ erkunden. Diese abgelegene und im Winter über Monate von der Aussenwelt abgeschiedene Region reizte inmitten von unzugänglichen Bergen mit Pferdepfaden und wilder Natur. Direkt an der Grenze zu Russland liegt sie hinter hohen Pässen an der Grenze zu Dagestan und Tschetschenien in den Bergen des Grossen Kaukasus.
Tusheti | der Grosse Kaukasus
Tusheti liegt nicht eben am Weg und ist schwer zu erreichen. Die einzige Strasse führte über den 2936 m hohen Abano-Pass, dem ‚Tor‘ zu Tusheti. Wir erhielten bereits einen Vorgeschmack darauf, was tiefer in den Bergen – und während einem Grossteil des Aufstiegs im Nebel versteckt – auf uns wartete. Doch bereits beim Aufstieg zum Abano-Pass begann es zu regnen und in den folgenden beiden Tagen versanken die Berge und Pfade des ‚Tusheti‘ National Parks in Regen und Schlamm. An Weiterfahrt war nicht zu denken und nach einer Nacht im Zelt nahe des ‚Hauptortes‘ Omalo suchten wir Unterschlupf auf dem Balkon eines Guesthouses.
Zwei Tage später, bei den ersten Sonnenstrahlen, bepackten wir unsere Räder. Wir liessen das malerische Omalo und seine Wehrtürme hinter uns und machten uns auf, um erst in einem grossen Loop Tusheti zu erkunden und dann unser eigentliches Ziel – und zugleich das grosse Fragezeichen dieser Etappe – in Angriff zu nehmen. Der Atsunta-Pass lockte uns schon lange und war mit ein Grund für unsere Rückkehr nach Georgien via Armenien, Iran und Aserbaidschan.
Doch bereits beim ersten Bike-Hike, von Verkhovani zum Nakaicho-Pass hinauf kamen uns Zweifel. Im steilen und oft ausgesetzten Gelände fanden wir mit unseren Sneakers nur schlecht Halt und stürzten beide mehrmals beinahe in die Tiefe. In Anbetracht dessen, dass wir uns nun auch auf Trampelpfaden für Kühe, Geissen und Schafe – und den einen oder anderen Wanderer – bewegten, verwunderte dies auch wenig. Und unsere Räder, richtige Panzer und in rauem Gelände nicht zu stoppen, fühlten sich auf diesen schmalen Pfaden und engen Kehren dann eben auch genauso an – sperrig, übergross und über längere Strecken und schwierige Passagen kaum tragbar. Zweifelnd erreichten wir schliesslich die kleine Ortschaft Girevi. Die Etappe über den Atsunta-Pass sollte dann aber noch länger, rutschiger und steiler werden als das, was wir gerade hinter uns hatten, und wir rechneten dafür mit bis zu vier Tagen.
Durch die Nähe zu Tschetschenien musste für die Weiterreise bei einem provisorisch erscheinenden Posten des georgischen Zolls eine Bewilligung eingeholt werden. Aufmunternde Geschichten darüber, wie steil und rutschig der Weg über den Pass momentan war, gab es umsonst dazu. Doch weit kamen wir nicht. Bereits nach nur wenigen Kilometern – mehreren Stunden – wurde uns klar, dass dies keinen Sinn machte. Der Weg, ein schmaler Fusspfad, wand sich durch steile Flanken höher und tiefer ins Tal hinein. Mühsam schoben, hoben, zogen und zerrten wir unsere schweren Räder über unendlich erscheinende Abfolgen von Felsblöcken und -platten. Dabei waren wir immer nur einen Schritt vom Abgrund entfernt. Ein Fehltritt, Stolpern oder Rutschen würde unweigerlich mehrere hundert Meter weiter unten, unschön, enden – im besten Fall nur für eines der Räder. Dieses über die Felsen Navigieren erforderte Geschick. Und leider hatten wir am Vortag den Schlüssel zum Entfernen der Pedale verloren! Nun mussten wir in engen Passagen besonders darauf achten, mit den Pedalen nicht anzustossen, um nicht von Rad und Gepäck in den Abgrund gestossen zu werden. Uns kamen ernsthafte Zweifel. War die Überquerung dieses Passes das Risiko, hier abzustürzen, wert – noch dazu in Turnschuhen?!
Immer wieder setzten wir uns hin, haderten mit uns und wollten nicht aufgeben. Doch eigentlich wussten wir beide, dass es nur eine Antwort gab: Wir mussten umkehren. Dies taten wir schliesslich und verbrachten den Abend, am Grenzposten in Girevi wieder ‚eingestempelt‘, geknickt und lustlos in unseren Nudeln stochernd, bereits wieder näher bei Omalo.
Sadzele | neuer Pass, neuer Plan
So kam es, dass wir tags darauf den Abano Pass ein zweites Mal überquerten, diesmal in die andere Richtung. Denn bereits hatten wir einen neuen Plan ausgebrütet. Zurück in der ‚Khaketi‘-Region (400-500 MüM), Georgiens Weinanbau-Gebiet, wollten wir in einem grossen Bogen via Tianeti westwärts und wieder hoch in die Berge nach Roshka fahren – um von dort über den Sadzele Pass nach Stepantsminda, auch Kasbegi genannt, an der georgischen Heerstrasse zu gelangen. Zurück im Tal fehlten uns nach Roshka knapp hundertfünfzig oft schöne und staubige Kilometer. Doch nun tickte die Uhr: Benötigten wir nach Roshka 2 Tage und für den Pass maximal 2 weitere, so blieben uns nochmals 2 Tage für die Fahrt nach Tiflis (147 km). Dies liess uns dann noch genau einen Tag, die Räder zu verpacken und dann in Kutaisi unseren Heimflug anzutreten. Sollte klappen.
Im 50-Häuser Dorf Roshka, bereits wieder auf 2000 MüM gelegen, hörten wir auf den Rat eines Ortskundigen und entschieden uns, entgegen unseres ‚ursprünglichen‘ Plans, für den Sadzele-Pass. Im Gegensatz zum nahen, aber etwas höheren Roshka Pass, war der ‚Sadzele‘ aber kein Wanderweg, sondern wurde vor allem von Hirten, Schafen und Ziegen genutzt. Nach einer kalten Nacht wenige hundert Höhenmeter oberhalb des Dorfes, war wieder einmal ‚Hike-a-Bike‘ angesagt – Schieben. Der oft kaum sichtbare Pfad hielt uns den ganzen Morgen beschäftigt und belohnte uns mit einer endlosen Abfahrt und einem faulen Nachmittag mitten im Nirgendwo, von hohen Gipfeln umzingelt. Am nächsten Morgen erreichten wir nach wenigen Kilometern eine Ansammlung von Zelten, wo uns von verblüfften, wortkargen Zollbeamten die Einreise zurück nach Georgien genehmigt wurde – ausgereist waren wir nie.
Keine Stunde später erreichten wir das Dorf ‚Juta‘. Nun trennten uns noch 160 Km von Tiflis, das meiste davon asphaltiert. Doch ein letztes Schotter-Ass hatten wir noch im Ärmel. Wir wollten vermeiden, uns auf der stark befahrenen Hauptstrasse nach Tiflis zu quälen. Viel lieber wollten wir auf Pisten und Schotter bleiben und uns über bellende Hirtenhunde freuen – mittlerweile hatten wir den Dreh raus.
Auf direktestem Weg (und vor allem auf Schotter!) südwärts fahrend, wollten wir zwei durch einen Pass verbundene,Paralleltäler als Abkürzung nutzen. Allerdings war unklar, ob die Strecke überhaupt befahrbar war – wir hatten anderes gehört, von verschütteten Strassen und abgerutschten Hängen – es nicht geglaubt und scheiterten nun bereits nach wenigen Kilometern. Und nun, da wir nichts unversucht gelassen hatten, waren wir bereit für den Verkehr. Vor uns lagen 145 Km auf der stark befahrenen ‚Georgischen Heerstrasse‘, seit der ‚Abspaltung‘ von Abchasien und Südossetien von Georgien die einzige Landverbindung nach Russland.
Die Georgische Heerstrasse | neuer Pass, neuer Plan
Doch trotz des Asphalts und starken Verkehrsaufkommens hatte diese strategisch nicht unbedeutsame Strasse ihre Reize. Von hohen Bergen und Gebirgszügen umgeben wand sie sich südwärts, über den malerischen Dschwari-Pass (Kreuzpass, 2379 m) und vorbei an Georgiens Ski- und Heliski-Destination Gudauri, einem aus dem Boden gestampften Resort mit dem Charme von Schuhschachteln inmitten einer atemberaubenden Berglandschaft. Tiflis rückte näher und der Verkehr wurde dichter, doch eine letzte Nacht im Zelt unter Sternen liessen wir uns nicht nehmen. Dann waren wir bereit für die – zugegebener Massen etwas sentimentalen – letzten 80 Kilometer.
Tiflis | Heimreise
Beim Hauptbahnhof – wo Essen, Metro und abgrundtiefes Elend nicht weit ist – fanden wir ein kleines Hotel mit Zimmern gross genug für unsere Räder und einem Preis tief genug für unsere Vorstellungen (21 €/Nacht mit Küche und mörderischem Geschrei). Dank dem einkalkulierten Reserve-Tag blieb uns neben der (obligatorischen) Suche nach flugfähigen Fahrradkartons und der fachgerechten Zerlegung und Verpackung der Räder auch Zeit für anderes. Für Essen zum Beispiel – denn unsere körperlichen Reserven waren aufgebraucht!
Und hier die Bilder in der Galerie zum Anklicken: