Georgien | im Grossen Kaukasus

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Juli 2018
8 Tage, davon 2 Ruhetage
663 km, 24’180 gestiegene Höhenmeter

Tusheti wild und ‚abgelegen‘
Abano Pass hinein und zurück
Atsunta Pass wenn aufgeben Sinn macht
Planänderung Hike-a-Bike über den Sazele-Pass
Georgische Heerstrasse überholt und abgedrängt

ROUTE | Matsimi (Grenze Azerbaijan) – Lagodekhi- Kvareli – Pshaveli – Abano-Pass 2926m (nordwärts) – Omalo (Tusheti NP) – Verkhovani – Nakaitcho-Pass (bike-hike) – Dartlo – Girevi – Atsunta-Pass – Girevi – Dartlo – Omalo – Abano-Pass (südwärts) – Pshaveli – Akhmeta – Tianeti – Roshka – Sadzele-Pass, 3087m (bike-hike) – Juta – ‚Georgische Heerstrasse‘ (Kreuzpass, 2379m) – Tbilisi (Tiflis) | Mehr zur Route hier.

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ROUTE | Lagodekhi – Tbilisi (von Osten her gefahren)   skalierbare Karte und GPX-Download hier

Georgien | die Rückkehr

Wir sollten in unserer Vorfreude auf die Rückkehr nach Georgien nicht enttäuscht werden. Bereits wenige Meter nach der Grenze bekam Daina von einer Frau Pflaumen in die Hand gedrückt und nur zwei Kilometer weiter wartete eine Feuerstelle im nahegelegenen Nationalpark als fantastisches Nachtlager auf uns.

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Schönes Willkommen bei der Einreise aus Azerbaijan.

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Campen beim Eingang zum Matsimi National Park, direkt an der Grenze zu Azerbaijan.

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Die Kakheti Region, im Westen Georgiens.

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Wegen eines verdorbenen Hotdogs, dem man seine üblen Absichten eigentlich hätte ansehen müssen, verbrachten wir 2 Tage in einem Hotel in Kvareli . Die Besitzer kümmerten sich rührend um ‚Guulllllli‘, wie sie Daina nannten. Gulli bedeutet auf georgisch Herz.

Doch so schön die erste Nacht beim nächtlichen Heulen der Schakale im ‚Lagodekhi Nationalpark‘, direkt an der Grenze zu Aserbaidschan, war, der eigentliche Grund für unsere Rückkehr nach Georgien blieben die Berge. Insbesondere wollten wir ‚Tusheti‘ erkunden. Diese abgelegene und im Winter über Monate von der Aussenwelt abgeschiedene Region reizte inmitten von unzugänglichen Bergen mit Pferdepfaden und wilder Natur. Direkt an der Grenze zu Russland liegt sie hinter hohen Pässen an der Grenze zu Dagestan und Tschetschenien in den Bergen des Grossen Kaukasus.

Tusheti | der Grosse Kaukasus

Tusheti liegt nicht eben am Weg und ist schwer zu erreichen. Die einzige Strasse führte über den 2936 m hohen Abano-Pass, dem ‚Tor‘ zu Tusheti. Wir erhielten bereits einen Vorgeschmack darauf, was tiefer in den Bergen und während einem Grossteil des Aufstiegs im Nebel versteckt auf uns wartete. Doch bereits beim Aufstieg zum Abano-Pass begann es zu regnen und in den folgenden beiden Tagen versanken die Berge und Pfade des ‚Tusheti‘ National Parks in Regen und Schlamm. An Weiterfahrt war nicht zu denken und nach einer Nacht im Zelt nahe des ‚Hauptortes‘ Omalo suchten wir Unterschlupf auf dem Balkon eines Guesthouses.

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Vom tropischen 400 MüM windet sich die Strasse zum Abano Pass endlos die steilen Flanken hoch.

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Die Piste ist durchwegs gut fahrbar, aber nur im Sommer geöffnet.

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Höher oben zieht Nebel auf, Regen kommt und geht.

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Blick zurück, immer schön! Doch der Weg nach oben ist noch weit.

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Die Abfahrt in den Tusheti National Park und nach Omalo lässt uns juchzend ins Tal donnern und überraschte uns mit einem unerwarteten Gegenanstieg von 800 Höhenmetern zum Schluss.

Zwei Tage später, bei den ersten Sonnenstrahlen, bepackten wir unsere Räder. Wir liessen das malerische Omalo und seine Wehrtürme hinter uns und machten uns auf, um erst in einem grossen Loop Tusheti zu erkunden und dann unser eigentliches Ziel und zugleich das grosse Fragezeichen dieser Etappe in Angriff zu nehmen. Der Atsunta-Pass lockte uns schon lange und war mit ein Grund für unsere Rückkehr nach Georgien via Armenien, Iran und Aserbaidschan.

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Frisches Brot direkt vom Bäcker hält uns in Omalo bei Laune.

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Das Dorf Verkhovani nistet sich, typisch für Tusheti, in einen steilen Hang. Die Dörfer sind grösstenteils nur im Sommer bewohnbar.

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Der Aufstieg zum Nakaicho Pass ist schmal und vom Regen durchnässt.

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Irgendwann lassen wir den Wald hinter uns, doch es bleibt steil.

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Nach dem langen Regen wollen alle an die Sonne.

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King of the Hill! In diesem verlassenen Weiler oberhalb von Verkhovani sind wir für eine Nacht die einzigen menschlichen Bewohner.

Doch bereits beim ersten Bike-Hike, von Verkhovani zum Nakaicho-Pass hinauf kamen uns Zweifel. Im steilen und oft ausgesetzten Gelände fanden wir mit unseren Sneakers nur schlecht Halt und stürzten beide mehrmals beinahe in die Tiefe. In Anbetracht dessen, dass wir uns nun auch auf Trampelpfaden für Kühe, Geissen und Schafe und den einen oder anderen Wanderer bewegten, verwunderte dies auch wenig. Und unsere Räder, richtige Panzer und in rauem Gelände nicht zu stoppen, fühlten sich auf diesen schmalen Pfaden und engen Kehren dann eben auch genauso an – sperrig, übergross und über längere Strecken und schwierige Passagen kaum tragbar. Zweifelnd erreichten wir schliesslich die kleine Ortschaft Girevi. Die Etappe über den Atsunta-Pass sollte dann aber noch länger, rutschiger und steiler werden als das, was wir gerade hinter uns hatten, und wir rechneten dafür mit bis zu vier Tagen.

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Um besser vorwärts zu kommen, binden wir unsere Lenker- und Satteltasche zu einem Rucksack zusammen. So kommen wir deutlich schneller voran.

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Blick nordwärts vom Nakaicho Pass. Unter uns wachen Wehrtürme über die Täler und in der Ferne glitzern die hohen Berge Tschetscheniens.

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Etwas höher geht noch, wir steigen von der Passhöhe weiter auf.

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Suchbild: Finde Daina.

Durch die Nähe zu Tschetschenien musste für die Weiterreise bei einem provisorisch erscheinenden Posten des georgischen Zolls eine Bewilligung eingeholt werden. Aufmunternde Geschichten darüber, wie steil und rutschig der Weg über den Pass momentan war, gab es umsonst dazu. Doch weit kamen wir nicht. Bereits nach nur wenigen Kilometern mehreren Stunden wurde uns klar, dass dies keinen Sinn machte. Der Weg, ein schmaler Fusspfad, wand sich durch steile Flanken höher und tiefer ins Tal hinein. Mühsam schoben, hoben, zogen und zerrten wir unsere schweren Räder über unendlich erscheinende Abfolgen von Felsblöcken und -platten. Dabei waren wir immer nur einen Schritt vom Abgrund entfernt. Ein Fehltritt, Stolpern oder Rutschen würde unweigerlich mehrere hundert Meter weiter unten, unschön, enden – im besten Fall nur für eines der Räder. Dieses über die Felsen Navigieren erforderte Geschick. Und leider hatten wir am Vortag den Schlüssel zum Entfernen der Pedale verloren! Nun mussten wir in engen Passagen besonders darauf achten, mit den Pedalen nicht anzustossen, um nicht von Rad und Gepäck in den Abgrund gestossen zu werden. Uns kamen ernsthafte Zweifel. War die Überquerung dieses Passes das Risiko, hier abzustürzen, wert – noch dazu in Turnschuhen?!

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Bereits vor Girevi, dem Ende der Strasse zum Atsunta Pass, haben wir zu schleppen, sind aber noch frohen Mutes.

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Nach passierter ‚Grenzkontrolle‘ sind die Pfade schmal, nur noch wenige Abschnitte fahrbar.

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Zu zweit oder allein stemmen wir die schweren Räder über jedes neue Hindernis. In unseren ‚Sneakers‘ rutschen wir regelmässig ab. Uns kommen Zweifel und schliesslich kehren wir geknickt um. Doch wissen wir, es war die richtige Entscheidung war.

Immer wieder setzten wir uns hin, haderten mit uns und wollten nicht aufgeben. Doch eigentlich wussten wir beide, dass es nur eine Antwort gab: Wir mussten umkehren. Dies taten wir schliesslich und verbrachten den Abend, am Grenzposten in Girevi wieder ‚eingestempelt‘, geknickt und lustlos in unseren Nudeln stochernd, bereits wieder näher bei Omalo.

Sadzele | neuer Pass, neuer Plan

So kam es, dass wir tags darauf den Abano Pass ein zweites Mal überquerten, diesmal in die andere Richtung. Denn bereits hatten wir einen neuen Plan ausgebrütet. Zurück in der ‚Khaketi‘-Region (400-500 MüM), Georgiens Weinanbau-Gebiet, wollten wir in einem grossen Bogen via Tianeti westwärts und wieder hoch in die Berge nach Roshka fahren um von dort über den Sadzele Pass nach Stepantsminda, auch Kasbegi genannt, an der georgischen Heerstrasse zu gelangen. Zurück im Tal fehlten uns nach Roshka knapp hundertfünfzig oft schöne und staubige Kilometer. Doch nun tickte die Uhr: Benötigten wir nach Roshka 2 Tage und für den Pass maximal 2 weitere, so blieben uns nochmals 2 Tage für die Fahrt nach Tiflis (147 km). Dies liess uns dann noch genau einen Tag, die Räder zu verpacken und dann in Kutaisi unseren Heimflug anzutreten. Sollte klappen.

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Blick zurück auf der Abfahrt vom Abano-Pass.

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Nach zwei Tagen im Flachland erreichen wir Roshka und schlagen unser Nachtlager einige hundert Meter oberhalb davon auf. In freudiger Aufregung auf den nächsten Tag.

Im 50-Häuser Dorf Roshka, bereits wieder auf 2000 MüM gelegen, hörten wir auf den Rat eines Ortskundigen und entschieden uns, entgegen unseres ‚ursprünglichen‘ Plans, für den Sadzele-Pass. Im Gegensatz zum nahen, aber etwas höheren Roshka Pass, war der ‚Sadzele‘ aber kein Wanderweg, sondern wurde vor allem von Hirten, Schafen und Ziegen genutzt. Nach einer kalten Nacht wenige hundert Höhenmeter oberhalb des Dorfes, war wieder einmal ‚Hike-a-Bike‘ angesagt Schieben. Der oft kaum sichtbare Pfad hielt uns den ganzen Morgen beschäftigt und belohnte uns mit einer endlosen Abfahrt und einem faulen Nachmittag mitten im Nirgendwo, von hohen Gipfeln umzingelt. Am nächsten Morgen erreichten wir nach wenigen Kilometern eine Ansammlung von Zelten, wo uns von verblüfften, wortkargen Zollbeamten die Einreise zurück nach Georgien genehmigt wurde ausgereist waren wir nie.

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Während nicht weit entfernt Wanderer zum Chaukhi-Pass hoch strömen, wird der Sadzele-Pass eher für die der Landwirtschaft genutzt.

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Man grüsst freundlich, hält seine Hunde zurück und geht seines Weges.

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Am Wegrand aufgefallen.

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Kurz nach Roshka verlassen wir die Strasse und folgen den schmalen Pfaden der Schaf- und Ziegenherden.

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Und bald kommt das Unvermeidliche: Wir schieben.

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Die Serpentinen scheinen kein Ende zu nehmen.

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Wir freuen uns über jedes ‚flache‘ Stück und geniessen das Panorama.

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Die letzten Meter zur ‚Passhöhe‘, bereits in freudiger Stimmung.

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Saddle Pass, 3087 MüM

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Wer hoch schiebt, darf runter fahren wenigstens den grössten Teil.

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Mit einem breiten Grinsen im Gesicht brausen wir Bilderbuch-Trails hinunter.

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Warum zurück in die Zivilisation eilen, wenn man einen letzten Nachmittag, umgeben von hohen Bergen, auf der faulen Haut liegen kann?

Keine Stunde später erreichten wir das Dorf ‚Juta‘. Nun trennten uns noch 160 Km von Tiflis, das meiste davon asphaltiert. Doch ein letztes Schotter-Ass hatten wir noch im Ärmel. Wir wollten vermeiden, uns auf der stark befahrenen Hauptstrasse nach Tiflis zu quälen. Viel lieber wollten wir auf Pisten und Schotter bleiben und uns über bellende Hirtenhunde freuen – mittlerweile hatten wir den Dreh raus.

Auf direktestem Weg (und vor allem auf Schotter!) südwärts fahrend, wollten wir zwei durch einen Pass verbundene,Paralleltäler als Abkürzung nutzen. Allerdings war unklar, ob die Strecke überhaupt befahrbar war wir hatten anderes gehört, von verschütteten Strassen und abgerutschten Hängen es nicht geglaubt und scheiterten nun bereits nach wenigen Kilometern. Und nun, da wir nichts unversucht gelassen hatten, waren wir bereit für den Verkehr. Vor uns lagen 145 Km auf der stark befahrenen ‚Georgischen Heerstrasse‘, seit der ‚Abspaltung‘ von Abchasien und Südossetien von Georgien die einzige Landverbindung nach Russland.

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Zurück auf der ‚Strasse‘ kommt der mächtige Kazbeg (5033 MüM), an der Grenze zu Russland, in Sicht. Wir passieren erste Dörfer und bereiten uns bereits auf den Schwerverkehr vor.

Die Georgische Heerstrasse | neuer Pass, neuer Plan

Doch trotz des Asphalts und starken Verkehrsaufkommens hatte diese strategisch nicht unbedeutsame Strasse ihre Reize. Von hohen Bergen und Gebirgszügen umgeben wand sie sich südwärts, über den malerischen Dschwari-Pass (Kreuzpass, 2379 m) und vorbei an Georgiens Ski- und Heliski-Destination Gudauri, einem aus dem Boden gestampften Resort mit dem Charme von Schuhschachteln inmitten einer atemberaubenden Berglandschaft. Tiflis rückte näher und der Verkehr wurde dichter, doch eine letzte Nacht im Zelt unter Sternen liessen wir uns nicht nehmen. Dann waren wir bereit für die zugegebener Massen etwas sentimentalen letzten 80 Kilometer.

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Nach den ersten Minuten auf der schwerbefahrenen ‚Georgischen Heerstrasse‘ sind wir etwas frustriert. Doch hey, es gilt zu geniessen!

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In der Abfahrt vom Kreuzpass (2379 m) sitzt plötzlich dieses Bauwerk mitten in der Berglandschaft.

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Ringsum und darüber herrscht emsiges Treiben. Touristen aus der ganzen Welt schiessen hier Selfies oder machen Tandemflüge.

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Restaurants, Raststätten: Die Vorzüge einer Hauptstrasse.

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Beasts

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Und wir!

Tiflis | Heimreise

Beim Hauptbahnhof wo Essen, Metro und abgrundtiefes Elend nicht weit ist fanden wir ein kleines Hotel mit Zimmern gross genug für unsere Räder und einem Preis tief genug für unsere Vorstellungen (21 €/Nacht mit Küche und mörderischem Geschrei). Dank dem einkalkulierten Reserve-Tag blieb uns neben der (obligatorischen) Suche nach flugfähigen Fahrradkartons und der fachgerechten Zerlegung und Verpackung der Räder auch Zeit für anderes. Für Essen zum Beispiel – denn unsere körperlichen Reserven waren aufgebraucht!

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Entlang der Heeresstrasse zieht eine Sehenswürdigkeiten nach der anderen vorbei, ladend zum Halten und Verweilen. Die Touristen sind in Scharen da. Wir verweilen bei ein paar Tassen Kaffee, beobachten das Treiben, raten Nationalitäten und blicken auf die Reise zurück.

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Tiflis, wir sind zurück!

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Im Taxi durch Tiflis. Mit Sack und Pack und (verpackten) Rädern im Kofferraum treten wir die Heimreise an. Kopf und Herz voller Bilder! ნახვამდის, auf Wiedersehen Georgien, Deine Berge, Deine Menschen!

Und hier die Bilder in der Galerie zum Anklicken:

 

Georgien | Westlicher Kaukasus

Mai / Juni 2018
22 Tage
986 Kilometer, 21’777 gestiegene Höhenmeter

Tiflis – Sattelt die ‘Pferde’!
Kaukasus – Pässe, Schlamm & Schnee
Menschen – harte Blicke, sanfte Seelen
Pläne – Georgien, Armenien, Iran, Aserbaidschan

ROUTE | Tiflis – Gori – Sachkhere – (Track über Pass) – Ambrolauri – Tsageri – Lentheki – Zagari-Pass (2’650 m) – Ushguli – Mestia – Kutaisi – Sairme – Aspindza – Vardzia – Akhalkalaki – Ninotsminda / Bavra (Armenien)

Georgien tickt anders. Dies merkten wir gleich nach unserer Ankunft in Tiflis, als uns der Besitzer des ‘Hostels’ morgens um 5 Uhr als erstes Bier vorsetzen wollte. Er habe soeben seine neue, eigene Wodka-Destille getestet – wie uns schien erfolgreich. Nach über zwölf Stunden Reisezeit mit fünf Stunden Aufenthalt in Istanbul, mussten wir übermüdet ablehnen. Dass dies nicht immer so einfach sein sollte, würden wir in den nächsten Tagen noch feststellen.

So verbrachten wir die ersten beiden Tage in Tiflis damit, die Stadt zu erkunden, unsere Räder zusammenzusetzen und das Gepäck an den Rädern festzumachen. Einmal mehr hatten wir im Vorfeld dieser Reise unser Gepäck optimiert und neue Taschen genäht. Mehr dazu aber im Detail in einem Blogpost zum Ende der Reise, voraussichtlich Ende Juli 2018.

Ausserdem wollte auch noch die im Vorfeld (grob) geplante Route angepasst werden. Denn – wer hätte das gedacht – oberhalb von 2000 m über Meer lag immer noch Schnee und viele Pässe schienen noch unpassierbar. Doch ein neuer Plan war schnell gefasst: Wir wollten erst einmal westwärts fahren und dann, in einem grossen Bogen den ‘Kleinen Kaukasus’ erkundend, wieder nach Osten abdrehen, um schliesslich nach Baku ins benachbarte Azerbaidschan zu gelangen. Von dort wollten wir Mitte Juni nach Duschanbe in Tajikistan fliegen, um die hohen Berge des Pamir zu befahren.

Dieser Plan war gerade einmal zwei Tage alt, als wir im kleinen Städtchen Gori (der Geburtsstadt Stalins, die 2008 im Krieg um Südossetien von der russischen Armee angegriffen und besetzt worden war) der Verlockung der hohen Berge nicht widerstehen konnten. Anstatt weiter westwärts zu fahren, drehten wir nach Norden ab und folgten dem südossetischen Grenzverlauf – unerwartet Checkpoint-frei – nach Norden, wir hielten geradewegs auf die Berge zu.

Tbilisi (Tiflis): Stahlrahmen und dicke Reifen

Wir erkunden die Stadt…

… während andere im Sonnenschein tanzen.

Stalin, im kleinen Städtchen Gori geboren, lebt in manchen Gärten weiter

Georgien blüht und wir sind mitten drin.

… andere ebenso.

Aber nicht alle stehen gerne im Mittelpunkt.

Doch wie so oft verlaufen die Strassen nicht dort, wo man sie gerne hätte. In Sachkhere versperrte uns eine Bergkette den direkten Weg und versuchte uns zu einem Umweg von etwa drei Tagen zu zwingen. Aber dank Smartphone und digitalen Karten fanden wir schnell eine direkte, wenn auch ungewissere Route von Sachkhere nach Ambrolauri. Bei der örtlichen Feuerwehr in Sachkhere, wo wir um einen Platz zum Campen im Garten gefragt hatten, hielt man die Passierbarkeit des Weges für ungewiss. Gewiss aber sei es dort steil und schlammig. Auch riet man uns – mittels ‘Google Translate’ – von jener Route ab und warnte uns insbesondere davor, die Nacht oberhalb der Baumgrenze zu verbringen. Bären, Wölfe, „Problema!“ Durch solche Aussagen etwas unter Druck, brachen wir frühmorgens auf, um die Passhöhe auf über 2100 m vor Sonnenuntergang erreichen und überqueren zu können.

Und es wurde steil. So steil, dass wir bereits auf den ersten hundert Höhenmetern Aufstieg immer öfter aus den Sätteln gezwungen wurden. Als die steinige Strasse dann in eine schlammige Offroad-Piste überging, war an Fahren nicht mehr zu denken. Stattdessen wuchteten wir unsere beladenen Räder Meter um Meter vorwärts, aufwärts. Nachmittags um 3 Uhr, auf bereits 1600 m Höhe angelangt, warfen wir für einen Moment das Handtuch – beziehungsweise die Räder in den Dreck – und beschlossen umzukehren. Wir hatten bereits 1000 Höhenmeter zurückgelegt, wovon geschätzte 900 Höhenmeter geschoben. Doch zur Passhöhe fehlten uns noch immer 500 Höhenmeter – und jetzt sollte es erst richtig steil werden. Aber es liess uns keine Ruhe.
Zwei Stunden später standen wir auf der Passhöhe – eines Passes, dessen Namen wir nicht einmal kannten. Ziemlich erschöpft schoben wir unsere Räder über ein Schneefeld, bevor wir euphorisch in den Sonnenuntergang holperten. Abwärts, natürlich weiter ohne Asphalt.

Die Feuerwehr in Sachkhere lässt uns nicht im Garten zelten, sondern stellt uns ein leeres Zimmer zur Verfügung.

Wie sagten die Jungs von der Feuerwehr: Steil…

… und schlammig! Der Regen in der Nacht zuvor macht die Sache auch nicht griffiger.

Passhöhe auf 2’100 m. Wir erhaschen erste Blicke auf die weissen Riesen des Hohen Kaukasus … und die bevorstehende Abfahrt.

Doch erst gilt es noch ein kleines Schneefeld zu überqueren. Nachdem wir unsere Räder 1’500 Höhenmeter hochgewuchtet haben, fällt diese kleine Rutschpartie nicht mehr ins Gewicht.

Von den hohen Bergen im Svaneti National Park trennte uns 160 km später ein weiterer Pass (Zagari-Pass, 2’650 m), diesmal allerdings mit wirklicher Strasse – die aber stellenweise noch unter Lawinenkegeln begraben lag und daher für den Verkehr geschlossen war. Ein Glück, dass sich Fahrräder, wenn auch mühsam, tragen lassen.

Wenige Tage später wartet bereits der nächste Pass (Zagari-Pass, 2’650m) und hält statt Schlamm Schnee für uns bereit.

Im faulen Schnee finden wir keine Zeit, uns auf die faule Haut zu legen.

Oben angekommen fallen all die Mühen des zweitägigen Anstiegs von uns ab, es bleibt pure Freude!

Freude, gefolgt von einer Abfahrt nach Ushguli.

Das 2’100 m über dem Meeresspiegel gelegene Dorf Ushguli …

…trumpft mit Wehrtürmen und Ladas auf.

Doch uns interessieren besonders Kaffee, Cola und Kekse.

Der Pass ist bezwungen, doch dauert es noch lange, bis wir einen flachen Fleck für die Nacht finden.

Auch im Kleinem Kaukasus warteten Kurven, wie hier im Borjomi-Kharagauli Nationalpark.

Dort kämpfen wir uns nicht durch den Schnee, lassen aber unsere Entourage davor posieren.

Dank dicken Reifen geht’s auch ohne Federung mit Schwung talwärts.

Wie daheim, mit staunenden Kühen auf satten Wiesen.

In Aspindza kommen wir in den Genuss schwefelhaltiger Bäder mit Soviet-Charme.

Während man im Hohen Kaukasus Wehrtürme baute, versteckte man im Kleinen Kaukasus Klöster in Höhlen und Felswänden.

Das Höhlen-Kloster von Vardzia, vor 1’000 Jahren erbaut, beherbergte einst 50’000 Menschen.

Das Wetter spielt verrückt und fährt täglich dicke Wolken auf.

Wer aufsteigt, kann Ausblicke geniessen.

Da tut jeder Sonnenstrahl wohl. Nicht nur uns.

Wir nehmen uns Zeit, erkunden Wasserfälle am Wegrand …

…. und staunen über wundersame Blumen.

…. in allen Farben.

Obwohl die Natur uns täglich aufs Neue begeisterte und mit ihrer unglaublichen Vielfalt überraschte, waren unsere drei Wochen in Georgien von den Menschen geprägt. Harte Gesichter zerbrachen innert Sekunden in freundliches Lachen. Und war das Eis erst einmal gebrochen, brachten uns die Menschen eine enorme Herzlichkeit – und auch Trinkfreude – entgegen! Immer wieder wurde uns von Wildfremden Brot und Käse gereicht oder wir wurden durch ein verschwörerisches Schnipsen gegen die eigene Kehle zum Trunk geladen.

Eine Familie nahm uns im Regen spontan bei sich auf, verwöhnte uns mit einem herzhaften Abendessen, gefolgt von Gläsern voller Wodka. Auch am nächsten Morgen liess man es sich nicht nehmen, uns gut auf den Tag vorzubereiten: Parallel zum Frühstück wurden Trinksprüche ausgebracht, bevor die Gläser, erst mit rotem und dann mit weissem Wein gefüllt, auf ex gestürzt werden mussten. Was früher bei der Tour de France ging, ging auch hier – dafür setzte dann 40 km später in der prallen Mittagssonne der Kater ein.

Diese Familie lädt uns bei strömendem Regen spontan in ihr Heim ein.

Wir bekommen ein Bett zugeteilt, während Mutter und Tochter in der Küche schlafen.

Unsere Gastgeber. Wladimir und seine Frau.

Die Nächte verbrachten wir nach Möglichkeit im Zelt. Jeweils gegen 19 Uhr begannen wir auf abzweigende Wege oder Pfade zu achten und wurden meist schnell fündig. Wir übernachteten ungestört in Blumenwiesen, zwischen Feldern oder in Wäldern. Einmal aber begingen wir den Fehler, das Zelt zu früh aufzustellen, und dies an einem Samstag. Innert kürzester Zeit statteten uns betrunkene Herren aus der Nachbarschaft einen Besuch ab. Wir wurden begrüsst und umtorkelt, es wurde über die Fahrräder gestürzt, in lauwarmen Kuhfladen ausgerutscht oder darin getanzt und man wollte uns wiederholt in Ladas verfrachten, um irgendwo Wein oder Chacha (Schnaps) zu geniessen. Während alldem wurden im Minutentakt Brüderküsse verteilt – bevor die Show wieder von vorne begann.

In Georgien wird Gastfreundschaft gross geschrieben! Wir werden von schlemmenden Familien mit Brot, Käse und Wein eingedeckt.

Restaurants locken uns mit köstlichen Snacks aus den Sätteln.

Man lässt Arbeit ruhen …

… und zwingt uns, Pausen einzulegen.

Die Prioritäten sind jedoch eindeutig!

In diesen drei Wochen wuchs in uns die Überzeugung, von unserem ursprünglichen Plan abzukommen. Anstatt nach sechs Wochen Georgien und Aserbaidschan von Baku nach Tajikistan in Zentralasien zu fliegen wurde uns klar: Wir waren gekommen, um zu bleiben – jedenfalls in der Region. Eine Runde in der ‘Nachbarschaft’ klang verlockend. Wir beschlossen, nach Armenien zu fahren und mit Glück ein Visum für den Iran zu ergattern. Von dort liesse es sich dann durch Aserbaidschan wieder zurück nach Georgien fahren – und bis dahin sollten auch die letzten Pässe des Grossen Kaukasus schneefrei sein. Mit diesem Plan im Gepäck verliessen wir Georgien und seine herzlichen Menschen und unglaublich schönen Landschaften nach drei Wochen, 986 Kilometern und 21’777 gestiegenen Höhenmetern nach Armenien. Wölfe und Bären hatten wir noch nicht gesehen – sie uns vielleicht schon. Georgia, we’ll be back!