Juni / Juli 2016
24 Tage, davon 18 Radtage
1’353 Kilometer, 30% ungeteert
NT ‚Northern Territory‘
Rinder, Sand & Gegenwind
Zwischen Rindern und Rentnern
Erschöpfung im Outback
Off Road im ‚Judbarra / Gregory National Park‘
Hochsaison im ‚Litchfield National Park‘
1 Beinahe-Schlangenbiss
Kilometerstand: 5’393 Reisekilometer durch Indonesien & Australien
Route | Kununurra — Timber Creek (km 227) — ‚Judbarra/ Gregory National Park‘: Bulita Campsite — Humbert Track — Humbert Top Yard — Humbert Track — Ende NP — Yaralin Community — Top Springs (km 520) — Katherine (km 810) — Lelyin (Edith Falls) — Robin Falls — Batchelor (via ‚Old Coach Road‘) — Litchfield NP: Florence Falls — Wangi Falls — Ende Park, ‚Litchfield Park Road‘ — Cox Peninsula Road, Berry Springs Turn Off — Wagait Beach — Fähre Mandorah – Cullen Bay, Darwin (km 1’353)
Kununurra, schön am Fluss gelegen, von Obst und Gemüsefarmen umgeben und täglich von Touristenhorden geflutet, hatte für uns einen Hauch von Trostlosigkeit an sich. Nach dem täglichen ‚Beutezügen‘ durch den einzigen Supermarkt, nahmen wir unsere Plätze in der ‚Campers Kitchen‘ des Campingplatzes ein, wo wir die Tage mit Schlemmen und der Planung der Weiterreise verbrachten. Wir wollten erst 300 km auf der ‚Duncan Road North‘ nach Süden, dann etwa 400 km auf dem ‚Buntine Highway‘ nach Osten und schliesslich grob 300 km durch den ‚Gregory NP‘ nach Norden fahren — alles ungeteert und abgelegen. Die Distanzen würden gross, 700 km zum nächsten ‚Roadhouse‘ in Kalkarinji, und ein Grossteil der Flüsse ausgetrocknet sein. Auch endlose Telefonate mit ‚Ranger ‚, Strassenbauämtern, Touristeninformationen im Umkreis von 500 km brachten uns nicht weiter. Niemand konnte uns sagen, welche Flüsse noch Wasser führten oder ob sich in für uns machbaren Abständen (konservativ geschätzt 250 km) Wasser finden lassen würde. Alle aber waren sich einig, dass wir ‚mad‘ waren und flehten uns teils an, unsere Vorhaben nochmals zu überdenken. Schliesslich gaben wir unser Vorhaben auf — ein Risiko wollten wir nicht eingehen — und strampelten die 227 relativ ereignislosen Kilometer auf dem ‚Victoria Highway‘ nach Timber Creek in zwei Tagen ab.
Entlang der weniger befahrenen Highways suchten und fanden wir in gewohnter Manier täglich einen verborgenen Nachtlagerplatz, gut geschützt durch Gestrüpp, Termitenhügel und die Farbe unseres Zeltes. Auf den Hauptverkehrsachsen aber boten sich in regelmässigen Abständen ‚Rest Areas‘ zum Campieren an und ersparten uns die Zeltplatzsuche. Diese, meist mit einigen Tischen und Bänken — für uns Bodensitzer mittlerweile Luxus! — einem Plumpsklo und teils sogar einem Wassertank ausgestatteten Rastplätze, füllten sich jeweils im Laufe des Nachmittags mit Wohnwagen der ‚Grey Nomads‘ und verwandelten sich über Nacht in wahre Campingplätze. Natürlich kamen wir regelmässig ins Gespräch. Der Einstieg erfolgte meist etwa so: ‚These bikes have bloody fat tyres! (Diese Räder haben verdammt dicke Reifen)‘, so: ‚Where have you ridden from? (Wo seid ihr losgefahren?)‘ oder gar so: ‚Are you the mad cyclists? (seid ihr die verrückten Radfahrer?)‘. Darauf folgte, relativ unabhängig von unseren Antworten etwa ‚Good on you! (Gut gemacht)‘ oder ‚We’ve come a long way too, but not on a pushbike (Wir sind auch weit gefahren, aber nicht mit dem Rad!)‘ Dann Gelächter und die einheitliche Abschlussfeststellung: ‚You’re mad! (Ihr seid verrückt!)‘. In den meisten Fällen war der Wissensdurst daraufhin gestillt und die Herren schlenderten nach einem ’see you‘ davon — dem Hündchen hinterher, zurück zu Gattin und Wohnwagen oder weiter zum nächsten Gefährt, Bier oder Grill. Um spätestens sieben Uhr kehrte dann Ruhe ein, die Klappstühle wurden eingeklappt und die Wohnwagenvorhänge gezogen. Nur der eine oder andere verwegene Fernseher flackerte noch eine Weile, bevor sich auch die letzten Nomaden dem Schlaf ergaben.
Im ‚Community Store‘ in Timber Creek ergatterten wir 10 Orangen — deren einer Verzehr ein tägliches Highlight in der kommenden Woche wurde — und luden 30 Liter Wasser. Zehn Kilometer später bogen wir vom Highway in den ‚Judbarra / Gregory National Park‘ ab. Wie Kinder im Sandkasten freuten wir uns, als unter unseren Reifen der Asphalt in eine Sandpiste überging. Der Nationalpark — trocken, staubig und einsam — erstreckte sich über die Ländereien einer ehemaligen ‚Station‘ (Farm) und die ‚Tracks‘ folgten, wie die meisten Highways in Australien, traditionellen und teils tausende Kilometer langen Überland-Viehrouten. Sie waren von rauher Natur, mit Felsbrocken gespickt, teils überwachsen und schienen nach jeder Kurve einen Bach oder Fluss zu durchqueren. Dass die meisten davon bereits ausgetrocknet waren, kam uns ganz gelegen. Unsere Motivation, die Bekanntschaft von Salzwasser-Krokodilen zu machen — die bösen, grossen mit den scharfen Zähnen — hielt sich in Grenzen.
Nach drei Tagen Fahrt nach Süden folgten wir, nun ausserhalb des Parks, einer weiteren ehemaligen Viehroute, dem ‚Buchanan Highway‘, nach Osten — wir mussten ja nach Norden. Dies war Rinder-Land mit ‚Stations‘ von immensen Ausmassen. Von den meisten bekamen wir bloss endlose Zäune oder, in der Ferne schwebende, viehtreibenden Helikopter zu Gesicht. Hatten uns auf der ‚Gibb River Road‘ vor allem schwarze Stiere am Wegrand zugeblinzelt, so ergriffen nun plötzlich Herden dürrer, klappriger, weisser Rinder vor uns die Flucht. Diese indischen ‚Brahmin‘ Rinder gelten als ‚drought resistent‘ — Dürre resistent, ha! — und sind der Exportschlager. Sie werden zu Millionen nach Indonesien exportiert. Vorausblickend haben wir versucht, einigen ein paar Brocken ‚Bahasa Indonesia‘ zu vermitteln, stiessen aber auf wenig Verständnis.
Unvermindert blies uns täglich der Wind ins Gesicht. Die Tage waren heiss, die holprige Piste machte plötzlich immer weniger Spass und die Kilometer wollten immer härter erkämpft werden. Die Monate im Sattel ohne längere Pausen schienen sich nun bemerkbar zu machen und wir waren erschöpft, von morgens bis abends. Mitten in der Pampa, mit abgezählten Tagen an Nahrung, ein denkbar unglücklicher Zeitpunkt. Dem Wind war das egal und die Rinder zeigten sich unbeeindruckt. Als wir nach 300 km Tracks und Schotterpisten erschöpft und ausgelaugt, an einer Kreuzung mitten im Nirgendwo, das Roadhouse von ‚Top Springs‘ erreichten, schien uns dies wie ein kleiner grüner Himmel auf Erden.
Nach einem Tag Erholung auf dem bizarr grünen Rasen des angeschlossenen Zeltplatz, waren wir wieder bei Kräften. Kräftig genug jedenfalls, um uns auf die Jagd nach Katherine zu machen. Doch von Katherine trennten uns noch 291 nun durchwegs asphaltierte Kilometer — oder zweieinhalb Tage im Sattel. Von eiskaltem Coca Cola und frischem Obst träumend rasten wir nun auf dem, über weite Strecken einspurigen, ‚Buntine Highway‘ nordwärts. Und sogar der Wind, der uns wochenlang hämisch aus Südosten ins Gesicht gepustet hatte, war nun, wenn auch nicht immer, auf unserer Seite, so doch meist nicht gegen uns. Trotzdem erreichten wir Katherine, bekamen das lange herbeigesehnte eiskalte Coca Cola und hatten in Eli und Nici aus der Schweiz, die mit ihrem Toyota ‚Landcruiser‘ durch Australien reisten und auf den Grey Nomads-lastigen Caravanparks eine eher seltene Ausnahme waren, gute Gesellschaft.
‚You will be eaten! (Ihr werdet gefressen)‘ Mit diesen Worten riet uns der Rangers des ‚Litchfield National Parks‘ davon ab, auf dem ‚Reynolds River Track‘ in den Park zu fahren. Der 4×4 Track, zu dieser Zeit selbst für Fahrzeuge noch geschlossen, querte stellenweise (noch) zu tiefes Wasser — gerade in Kombination mit fiesen Salzwasserkrokodilen ganz schlecht für Radfahrer. Wir folgten seinem Rat, wenn auch etwas widerwillig. So gingen wir unsere letzte Etappe in Australien gemütlicher an und liessen uns, für gerade mal 500 km von Katherine nach Darwin, 10 Tage Zeit. Wiederum kamen wir um Tage auf dem Highway, diesmal dem ‚Stuart Highway‘ mit Roadtrains voller Rinder und Wohnwagen voller Rentner, nicht völlig herum. Einmal auf ruhigeren Nebenstrassen genossen wir aber nochmals die vielfältige Natur, fanden abwechslungsreiche Campspots, lutschten an den dichter angesiedelten Roadhouses Glace und plantschten im schönen aber sehr touristischen ‚Litchfield National Park‘ im einen oder anderen Wasserloch. Dazwischen beantworteten wir weiterhin in regelmässigen Abständen Fragen.
Schliesslich standen wir nach insgesamt 5’393 Reisekilometern überraschend plötzlich am verlassenen Strand von Wagait Beach, gegenüber von Darwin. Blieb uns nur noch, die Fähre von Mandorah hinüber nach Darwin zu nehmen (10 min) und dort Vorbereitungen für den anstehenden Flug nach Bali — wir folgen den Rindern — und von dort nach Hause zu treffen.
Have a good one, Australia!